Index
L80003 Raumordnung Raumplanung Bebauungsplan FlächenwidmungNorm
MÖLO NÖ §21 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der A Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. April 1993, Zl. R/1-V-9140, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: G in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 20. November 1989 die baubehördliche Genehmigung zur Abtragung bestehender baulicher Einrichtungen und zur Erneuerung ihrer Tankstellenanlage auf dem Grundstück Nr. 199, EZ 310, KG M (südöstliche Ecke der Kreuzung X-Straße/Y-Straße). Anläßlich der im zweiten Rechtsgang durchgeführten Bauverhandlung vom 8. November 1990 erhoben der Mitbeteiligte und andere Miteigentümer des an der Y-Straße gegenüber gelegenen Mehrfamilienwohnauses Y-Straße 1 mehrere Einwendungen. Unter anderem wurde vorgebracht, das Vorhaben diene nicht der Befriedigung des täglichen Bedarfes der im Umkreis ansässigen Bevölkerung, weshalb es im Bauland-Wohngebiet nicht zulässig sei. Die zu erwartenden Immissionen würden das örtlich zumutbare und zulässige Ausmaß erheblich überschreiten.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 1990 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde M die begehrte Bewilligung zum Neubau einer Tankstelle, wobei das Protokoll über die Bauverhandlung einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bilden sollte; insbesondere habe die Ausführung des Vorhabens nach Maßgabe der Sachverständigendarstellung in der Baubeschreibung sowie der mit einer Bezugsklausel versehenen Plan- und Beschreibungsunterlagen zu erfolgen und seien die in der Niederschrift angeführten Auflagen einzuhalten. Zu den Einwendungen wurde ausgeführt, daß das Grundstück im rechtswirksamen Bebauungsplan als "Tankstelle" ausgewiesen sei, weshalb zu erwartende Immissionen nicht Gegenstand des Bauverfahrens seien. Nach dem im gewerberechtlichen Verfahren eingeholten Gutachten sei durch die Änderung der Tankstelle mit keiner meßbaren Erhöhung der Geruchstoffimmissionen zu rechnen.
In seiner dagegen erstatteten Berufung machte der Mitbeteiligte insbesondere geltend, daß die gegenständliche Fläche als Bauland-Wohngebiet gewidmet sei. Zur Beurteilung der zu erwartenden Immissionen hätte die Behörde Sachverständigengutachten einholen müssen und nicht auf das Gutachten im Gewerbeverfahren zurückgreifen dürfen. Es seien weder Ermittlungen über den Lärmpegel der umliegenden Flächen vorgenommen worden, noch sei die allfällige Geruchsbelästigung ermittelt worden. Die im § 16 Mineralölordnung im Wohngebiet vorgeschriebene höchstzulässige Lagermenge werde überschritten.
Der Gemeinderat gab der Berufung mit Bescheid vom 28. Februar 1991 insoferne Folge, als entsprechend der Einwendung zu § 16 Mineralölordnung der Beschwerdeführerin der Auftrag erteilt wurde, das Projekt so abzuändern, daß das Lagervolumen die in dieser Bestimmung genannte Höchstmenge nicht übersteige. Im übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, daß sich das Grundstück zwar im Bauland-Wohngebiet befinde, aber gesondert als Tankstelle gewidmet sei. Diese einzige Tankstelle der Gemeinde sei für den Bedarf der Bevölkerung notwendig und somit gemäß § 16 Abs. 1 ROG zulässig. Abermals wurde hinsichtlich der Lärm- und Geruchsbelästigung auf ein Gutachten im Gewerbeverfahren verwiesen.
In seiner dagegen erhobenen Vorstellung rügte der Mitbeteiligte insbesondere, daß die Baubehörden einen Sachverständigen für Maschinenwesen hätten beiziehen müssen, welcher den von der Werkstatt und der Waschstraße ausgehenden Lärm zu ermitteln und mit den am Standort bei konsensgemäßer Nutzung der umliegenden Flächen meßbaren Werten zu vergleichen gehabt hätte. Eine nach den Ergebnissen eines Verfahrens nach der Gewerbeordnung zulässige Anlage könne durchaus bauordnungswidrig sein. Der Berufungsbescheid sei wegen Nichtzuziehung eines technischen Amtssachverständigen infolge mangelhaften Verfahrens rechtswidrig.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Vorstellung Folge und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Die Kennzeichnung "Tankstelle" im Flächewidmungsplan bedeute, daß die Neuerrichtung der Tankstelle ohne Nebeneinrichtung auf jeden Fall zulässig sei und dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen könne. Allerdings sei hinsichtlich der Nebeneinrichtungen die Beweisaufnahme durch die Gewerbebehörde unzureichend gewesen, weil es bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens im Baubewilligungsverfahren - zum Unterschied vom gewerbebehördlichen Verfahren - nicht auf die spezielle Anlage, sondern auf die Betriebstype ankomme, wobei ein als Type unzulässiger Betrieb nicht durch Auflagen zulässig gemacht werden könne. Ob eine bestimmte Betriebstype (hier Tankstelle mit Nebeneinrichtungen) wegen ihrer Immissionswirkungen auf das angrenzende Gebiet als zulässig anzusehen sei, sei anhand der Auswirkungen eines bestehenden Vergleichsbetriebes zu beurteilen. Die Baubehörde müsse prüfen, mit welchen Auswirkungen auf die Nachbarschaft bei der Betriebstype Tankstelle in der vorliegenden Art im Bauland-Wohngebiet zu rechnen sei. Die Baubehörde müsse sich ein Bild über den erfahrungsgemäß typischen Betrieb einer Tankstelle mit Nebeneinrichtungen verschaffen, damit die Frage der Genehmigungsfähigkeit i.S.d. § 100 der Nö Bauordnung 1976 erörtert werden könne. Im Falle der Bejahung der Genehmigungsfähigkeit habe die Baubehörde das Erfordernis der Vorschreibung von Auflagen i.S.d. Bestimmungen der §§ 62 und 100 BO zu klären.
Gegen diesen Aufhebungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Bauwerberin, die sich in ihrem Recht auf Erteilung der Baubewilligung verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg sei darauf hingewiesen, daß der Verwaltungsgerichtshof im Falle eines aufhebenden Vorstellungsbescheides allein die Stichhältigkeit der tragenden Aufhebungsgründe zu prüfen hat; die Auffassung der belangten Behörde, auf einer Fläche mit der Signatur "T" sei eine Tankstelle "jedenfalls" zulässig, ist hier schon deshalb nicht zu erörtern, weil durch diese Feststellung im angefochtenen Bescheid in Rechte der Beschwerdeführerin nicht eingegriffen wird.
Tragender Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides war das Fehlen eines Betriebstypenvergleiches, obwohl das Vorhaben im Bauland-Wohngebiet errichtet werden soll.
Die Beschwerdeführerin bestreitet das Vorliegen dieser Widmung, weil "Tankstellen" im § 18 Nö Raumordnungsgesetz (LGBl. 8000-0; im folgenden: ROG) genannt seien und somit eine Fläche mit der Signatur "T" zu einer Verkehrsfläche geworden sei. Aus einer Widmung "Verkehrsfläche" lasse sich aber ein Immissionsschutz nicht ableiten.
Die im Akt der belangten Behörde erliegende Ablichtung aus dem Bebauungsplan weist für das von der X-Straße und der Y-Straße (dort mit Z-Straße bezeichnet) umschlossene Gebiet die Widmung BW (= Bauland-Wohngebiet) auf; allerdings ist für die gegenständliche Parzelle die Signatur "T" in einem weißen Kreis enthalten.
Die gemäß § 27 Abs. 2 ROG erlassene Planzeichenverordnung LGBl. 8000/2-0 (im folgenden: VO) sieht im § 1 Abs. 2 vor, daß der Flächenwidmungsplan die Festlegungen und Kenntlichmachungen gemäß den §§ 15 bis 20 ROG durch Signatur und Umrandung in deutlich lesbarer Form ausweisen muß. Gemäß § 4 Abs. 2 zweiter Satz VO müssen Abgrenzungen von Flächen mit verschiedenen Widmungsarten und Vorbehaltsflächen durch 0,8 bis 2,0 mm starke schwarze Linien erfolgen. Eine solche deutliche Abgrenzung der Parzelle 199 vom übrigen oben genannten Gebietsbereich kann aus der im Akt erliegenden Ablichtung nicht entnommen werden und wird von der Beschwerdeführerin - die sich ja nur auf die Signatur stützt - auch gar nicht behauptet; eine deutliche Umrandung ist vielmehr an den Grenzen der gegenständlichen Parzelle zu den beiden Bundesstraßen zu erkennen. Andererseits regelt § 6 VO die Darstellung von Verkehrsflächen durch die Freilassung ohne Signatur und Farbgebung zwischen den Umrandungen von Flächen mit anderer Widmungs- und Nutzungsart. Damit kommt schon wegen der mangelnden Abrenzung die Beurteilung der Parzelle 199 als Verkehrsfläche nicht in Betracht. Während in den §§ 5, 6 und 7 VO für die Widmungsarten Bauland, Verkehrsfläche und Grünland spezifische Planzeichen festgesetzt sind, sind die Signaturen nach § 8 Abs. 2 VO ("als weitere Planzeichen sind zu verwenden") keiner bestimmten Widmung zugedacht.
Auch der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27. Juni 1979, V 24/78, ausgesprochen, daß aus Gründen der systematischen Stellung der Bestimmung über die Bedeutung der Signatur "T" in der Planzeichenverordnung anzunehmen ist, daß durch die Anbringung dieser Signatur lediglich auf den Bestand der Anlagen einer Tankstelle verwiesen wird, nicht aber eine Widmung der Grundstücke für den gewerblichen Betrieb der Tankstelle festgelegt wurde. Für solche Grundstücke hätte daher die (sonst dort geltende) Widmung "Bauland-Wohngebiet" zu gelten.
Die Auffassung der Beschwerdeführerin, allein die Signatur "T" mache eine Fläche zur Verkehrsfläche, weil Tankstellen (nur) im § 18 ROG aufgezählt sind, hätte zur Folge, daß die Errichtung von Tankstellen außerhalb von Verkehrsflächen mit der Signatur "T" unzulässig wäre. Ein derartiges Ergebnis stünde nicht nur im Widerspruch zur prinzipiellen Zulässigkeit von "Betrieben" im Bauland und insbesondere zu § 21 Mineralölordnung (LGBl. 8270-0). Aus dem Verbot einer Errichtung von Tankstellen innerhalb von Gebäuden (§ 21 Abs. 4 leg. cit.) u.a. im Wohngebiet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 95/05/0024) läßt sich ohne weiteres ableiten, daß außerhalb von Gebäuden Tankstellen auch im Wohngebiet zulässig sein können. Schließlich kann weder aus dem schon zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes noch aus dessen Erkenntnis vom 10. Oktober 1985, VfSlg. 10.690, entnommen werden, daß der Verfassungsgerichtshof die Errichtung von Tankstellen auf Grundstücken, die nicht als Verkehrsflächen gewidmet sind, für unzulässig angesehen hätte.
Für die Beurteilung der Zulässigkeit des gegenständlichen (Neu-) Bauvorhabens, insbesondere im Lichte des § 100 Abs. 2 BO bzw. der dort aufgezählten Normen, ist es ohne Belang, welchen Umfang der Altbestand hatte; hinsichtlich des Altbestandes liegt ein rechtskräftiger Abbruchbescheid vor. Weiters spielt es keine Rolle, ob der Rechtsvorgänger des Mitbeteiligten anläßlich der Baubewillilgung im Jahr 1962 Einwendungen erhoben hat oder nicht.
Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die wegen des unterlassenen Betriebstypenvergleiches ausgesprochene Aufhebung wehrt, wird sie auf das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1990, Zl. 86/05/0144, verwiesen. Dort ging es um die Baubewilligung für eine aus verschiedenen Baulichkeiten, u.a. einer Tankstelle bestehende Straßenmeisterei im Bauland-Betriebsgebiet. Der Verwaltungsgerichtshof legte damals unter ausführlicher Begründung dar, daß der Nachbar nicht in jedem Falle hinnehmen müsse, daß Immissionen durch einen Betrieb auf der Nachbarliegenschaft verursacht würden. Ein solcher Immissionsschutz ergebe sich in Niederösterreich in erster Linie aus einzelnen Widmungs- und Nutzungskategorien des Flächenwidmungsplanes i.S.d. ROG, weil gemäß § 100 Abs. 2 BO die Bewilligung u.a. zu versagen ist, wenn durch die Ausführung des Vorhabens Bestimmungen des ROG über die Zulässigkeit von Bauführungen auf Flächen mit bestimmten Widmungs- und Nutzungsarten sowie über Vorbehaltsflächen und Bausperren verletzt würden. In zweiter Linie ergebe sich ein Immissionsschutz der Nachbarn aus § 62 Abs. 2 BO, wonach für Baulichkeiten, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen, oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten ließen, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen seien. Zur Beurteilung der Vereinbarkeit eines Betriebes mit einer dem Nachbarn einen Immissionsschutz gewährenden Widmungs- und Nutzungskategorie sei die Baubehörde verpflichtet, im Rahmen des baubehördlichen Bewilligungsverfahren zu prüfen, welche Immissionen durch das Bauvorhaben herbeigeführt werden. Maßstab für die Lösung der Frage nach der Zulässigkeit eines Betriebes unter dem Blickwinkel der Flächenwidmung sei für die Baubehörde - anders als für die Gewerbebehörde - nicht ein in seinen Betriebsmitteln und Anlagen bis ins einzelne fest umrissener Betrieb, sondern habe als Maßstab vielmehr eine nach Art der dort üblicherweise und nach dem jeweiligen Stand der Technik verwendeten Anlagen und Einrichtungen einschließlich der zum Schutz vor Belästigungen typisch getroffenen Maßnahmen sowie nach Art der dort entsprechend diesen Merkmalen herkömmlicher Weise entfalteten Tätigkeit auf das Ausmaß und die Intensität der dadurch verursachten Immissionen zu beurteilende Betriebstype zu dienen.
Die belangte Behörde hat somit zu Recht den Umstand aufgegriffen, daß die Gemeindebehörden nicht geklärt haben, ob derartige Tankstellenanlagen keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigungen sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können (§ 16 Abs. 1 Z. 1 ROG). Ergänzend sei auch hier auf die Festlegung des äquivalenten Dauerschallpegels im § 1 Abs. 1 lit. a oder b der Verordnung LGBl. 8000/4-0 hingewiesen.
Ob die weitere Voraussetzung des § 16 Abs. 1 Z. 1 ROG vorliegt, war aufgrund der Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid nicht zu prüfen. Zufolge Aufhebung des Gemeinderatsbescheides sind auch keine Ausführungen darüber erforderlich, daß die Bescheide beider Gemeindeinstanzen von demselben Organwalter unterfertigt sind (§ 7 Abs. 1 Z. 5 AVG), zumal sich die Sitzungsakten über die Beschlußfassung im Gemeinderat weder in den Akten der belangten Behörde noch in den vorgelegten Bauakten befinden.
Da die belangte Behörde somit zu Recht mit einer Aufhebung des Berufungsbescheides vorgegangen ist, war die dagegen gerichtete Beschwerde der Bauwerberin als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993050129.X00Im RIS seit
20.11.2000