Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §58 Abs2Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. des Dipl.-Ing. P G in S, 2. der T GmbH & Co KG in K, 3. der P Establishment in T, 4. der B GmbH in B, 5. der V E in L und 6. des B H in S, alle vertreten durch Dr. Stefan Lampert, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 7a, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 4. November 2022, LVwG-318-38/2022-R9, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bludenz),
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird insoweit, als damit die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen Spruchpunkt II. des Bescheides der belangten Behörde vom 12. April 2022 als unzulässig zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. April 2022 wurde die von der A. GmbH beantragte Baubewilligung für die Vornahme von Planabweichungen und die geänderte Verwendung gegenüber dem mit näher bezeichneten Bescheid genehmigten Bauvorhaben gemäß § 28 Abs. 3 Baugesetz versagt und gemäß § 40 Abs. 1 lit. b Baugesetz die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes dahingehend verfügt, dass die Nutzung des konsenslos geänderten Gebäudes unverzüglich zu unterlassen sei. Dieser Bescheid war laut Zustellverfügung sowohl an die A. GmbH als auch an die revisionswerbenden Parteien gerichtet.
2 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gegen diesen Beschluss gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
3 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und nach Feststellungen zum gegenständlichen Bauansuchen sowie zu den Eigentumsverhältnissen an den Bauliegenschaften unter Hinweis auf VwGH 11.12.1990, 90/05/0078, aus, dass lediglich der Bauwerber einen Rechtsanspruch auf eine Entscheidung über sein Bauansuchen habe. Die Grundeigentümer nähmen „an der Bauverhandlung“ nur hinsichtlich der Frage teil, ob die liquid erforderliche Zustimmung vorliege oder nicht. Die Grundeigentümer würden im Baubewilligungsverfahren eine sehr eingeschränkte Parteistellung genießen. Der Miteigentümer, der nicht um die Erteilung der Baubewilligung angesucht habe, also nicht zugleich Bauwerber sei, könne durch einen Bescheid, mit welchem einem Dritten die Baubewilligung versagt werde, nicht in seinen Rechten verletzt sein. Genau ein solcher Fall liege hier vor, weil die sechs revisionswerbenden Parteien Miteigentümer der Bauliegenschaften und jeweils Eigentümer eines Appartements im gegenständlichen Gebäude seien; keine der revisionswerbenden Parteien sei Antragsteller im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren, weshalb deren Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, den Beschluss wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
5 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, auf die die Revisionswerber replizierten.
Zu Spruchpunkt I. (teilweise Aufhebung des angefochtenen Beschlusses):
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Die Revision erweist sich angesichts des in der Zulässigkeitsbegründung im Hinblick auf die Zurückweisung der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen Spruchpunkt II. des Bescheides der belangten Behörde vom 12. April 2022 aufgezeigten Abweichens von der hg. Rechtsprechung zur Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte als zulässig.
7 Gemäß § 29 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens wiederstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben. Weiters sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt aus, dass die bloße Zitierung von Beweisergebnissen nicht hinreichend ist, um den Anforderungen an die Begründungspflicht gerecht zu werden. Auch die Darstellung des Verwaltungsgeschehens vermag die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nicht zu ersetzen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 1.7.2022, Ra 2019/06/0106, mwN).
8 Nach der auch nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, aufrecht erhaltenen hg. Rechtsprechung führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. wiederum VwGH 1.7.2022, Ra 2019/06/0106, mwN).
Den dargelegten Anforderungen an die Begründung wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht:
9 Die Begründung des Beschlusses beschäftigt sich ausschließlich mit der Frage, ob den revisionswerbenden Parteien als Miteigentümern der Bauliegenschaften Parteistellung in dem auf Antrag der A. GmbH durchgeführten Baubewilligungsverfahren zukomme, was im Ergebnis verneint wird. Der angefochtene Beschluss enthält jedoch keinerlei Begründung zur spruchgemäß vorgenommenen Zurückweisung der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides enthaltenen baupolizeilichen Auftrag.
10 Da sich der angefochtene Beschluss somit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit entzieht, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
11 Im Hinblick auf das Schreiben des Verwaltungsgerichtes anlässlich der Vorlage der Verfahrensakten wird bemerkt, dass der Bescheid der belangten Behörde vom 12. April 2022 laut Zustellverfügung sowohl an die A. GmbH als auch an die revisionswerbenden Parteien gerichtet war; im Übrigen kann die erforderliche Begründung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes nicht in einem solchen Vorlageschreiben nachgeholt werden.
12 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Zu Spruchpunkt II. (Zurückweisung der Revision):
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision enthält kein Vorbringen zu der mit dem angefochtenen Beschluss ausgesprochenen Zurückweisung der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 12. April 2022, mit welchem die seitens der A. GmbH beantragte Baubewilligung versagt worden war. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird somit insoweit nicht aufgezeigt.
17 Die Revision war daher, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 12. April 2022 richtet, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 23. März 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022060333.L00Im RIS seit
25.04.2023Zuletzt aktualisiert am
25.04.2023