TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/10 95/02/0211

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Veröffentlicht am 10.10.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1972 §22c;
ASchG 1972 §31 Abs2 litm;
AVG §63 Abs1;
VStG §51 Abs7;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/02/0212 E 10. Oktober 1995 95/02/0213 E 10. Oktober 1995 95/02/0214 E 17. November 1995 95/02/0215 E 17. November 1995 95/02/0216 E 10. Oktober 1995

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des K in H, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 4. Oktober 1994, Zl. 30.13-227/93-8, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 24. Mai 1993 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, die Steiermärkische Krankenanstalten GmbH, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer im Tatzeitraum war, habe es "laut Feststellung des Arbeitsinspektorates Leoben vom 22.3.1993 seither unterlassen, im Landeskrankenhaus Bruck/Mur eine entsprechende betriebsärztliche Betreuung einzurichten"; die Einsatzzeit des zuständigen Betriebsarztes, die bei einem Personalstand von 399 Bediensteten wöchentlich vier Stunden plus eine Stunde pro Woche für den Nachtdienst, zusammen also fünf Stunden pro Woche, umfassen müsse, betrage nur in jeder ersten Woche am Freitag von 10.30 Uhr bis 12.00 Uhr und in jeder zweiten Woche am Montag von 10.30 Uhr bis 12.00 Uhr, im Durchschnitt sohin nur drei Stunden. Der Beschwerdeführer habe dadurch die Bestimmungen des § 31 Abs. 2 lit. m iVm § 22c Abs. 3 und 4 des ANSchG übertreten, weshalb über ihn eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von S 10.000,-- verhängt wurde.

Die belangte Behörde wies mit ihrem Bescheid vom 4. Oktober 1994 die dagegen erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG ab, wobei sie den Spruch dahin berichtigte, daß es statt "laut Feststellung des Arbeitsinspektorates Leoben vom 22.3.1993 seither unterlassen" zu lauten habe "laut Feststellung des Arbeitsinspektorates Leoben vom 11.2.1993 bis 24.5.1993 unterlassen" und statt "die bei einem Personalstand von 300 Bediensteten wöchentlich vier Stunden plus eine Stunde pro Woche für den Nachtdienst, zusammen also fünf Stunden pro Woche, umfassen müßte" zu heißen habe "die bei einem Personalstand von 396 Arbeitnehmern, wovon mindestens zehn Nachtschichtarbeit verrichten, wöchentlich vier Stunden plus eine Stunde pro Woche für den Nachtdienst, zusammen also fünf Stunden umfassen müßte".

Mit Beschluß vom 27. Februar 1995, Zl. B 2768/94, lehnte der Verfassungsgerichtshof die dagegen erhobene Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer bekämpft in seiner - ergänzten - Beschwerde den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer der Ansicht ist, der bekämpfte Bescheid sei deshalb rechtswidrig, da die belangte Behörde infolge "Nichteinstellung des Verwaltungsverfahrens gemäß § 51 Abs. 7 VStG" nicht mehr zuständig gewesen wäre, kann ihm nicht gefolgt werden. Es trifft zwar zu, daß die Berufungsentscheidung durch die belangte Behörde mehr als 15 Monate nach Einbringung der Berufung erlassen wurde, doch ist im Beschwerdefall - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - § 51 Abs. 7 zweiter Satz VStG heranzuziehen. Es kommt nämlich bei der Auslegung der zitierten Gesetzesstelle nicht darauf an, ob im konkreten Fall auch noch andere Parteien ein Berufungsrecht haben, sondern nur darauf, daß in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit - abstrakt gesehen - neben dem Beschuldigten noch andere Parteien ein Berufungsrecht haben; daß aber dem Arbeitsinspektorat "abstrakt" gesehen in einer Verwaltungsangelegenheit der vorliegenden Art eine Berufungsmöglichkeit eingeräumt ist, bestreitet auch der Beschwerdeführer nicht. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt also nicht vor (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. August 1994, Zl. 94/02/0168, vom 12. August 1994, Zl. 94/02/0182, vom 21. Oktober 1994, Zl. 94/11/0261, vom 22. November 1994, Zl. 94/11/0300, und vom 21. Jänner 1995, Zl. 94/02/0407; vgl. überdies zur verfassungsrechtlichen Lage das hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0061).

Dagegen ist die Beschwerde im Recht, soweit sie sich darauf beruft, daß der Beschwerdeführer nicht nach § 31 Abs. 2 lit. m iVm § 22c Abs. 3 und 4 ANSchG hätte bestraft werden dürfen.

§ 31 Abs. 2 ANSchG, BGBl. Nr. 1972/234 lautet:

"Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die

a)

...

m)

keine oder eine nicht entsprechende

betriebsärztliche Betreuung einrichten (§§ 22, 22a und 22b)

              n)              ...

begehen eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen. ... "

Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes folgt somit, daß ein Verstoß gegen den mit "Einrichtungen und Mindesteinsatzzeit der betriebsärztlichen Betreuung" überschriebenen § 22c ANSchG vom Gesetzgeber nicht unter Strafe gestellt wurde. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltensweisen betreffend Abs. 3 und 4 leg. cit. bilden daher keinen verwaltungsrechtlich strafbaren Tatbestand.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es noch einer Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen bedurft hätte.

Auch konnte von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995020211.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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