TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/10 95/11/0132

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Veröffentlicht am 10.10.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §56;
VwRallg;
ZDG 1986 §19a Abs1 idF 1994/187;
ZDG 1986 §19a Abs2;
ZDGNov 1994;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. März 1995, Zl. 133 742/05-IV/14/95, betreffend vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, als mit ihm der Zeitpunkt der Wirksamkeit der vorzeitigen Entlassung mit 25. Februar 1995 und die verbleibende Restdienstzeit mit 310 Tagen festgestellt wurden.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer leistete vom 1. Februar 1995 an bei einer näher genannten Einrichtung den ordentlichen Zivildienst. In einem mit 24. Februar 1995 datierten Gutachten wurde er vom Amtsarzt (bei der MA 15-Gesundheitswesen) auf Grund seines aktuellen orthopädischen Befundes für nicht voll dienstfähig erklärt; mit der Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit sei in einem halben Jahr zu rechnen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 19a des Zivildienstgesetzes mit Wirkung vom 25. Februar 1995 aus dem ordentlichen Zivildienst vorzeitig entlassen; gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß für die verbleibende Restdienstzeit von 310 Tagen "nach Maßgabe der Möglichkeiten eine neuerliche Zuweisung erfolgen" werde. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 15. März 1995 zugestellt (die ihn enthaltende Sendung wurde nach erfolglosem Zustellversuch am 14. März 1995 beim zuständigen Postamt hinterlegt und lag ab 15. März 1995 zur Abholung bereit).

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes erstattete die belangte Behörde eine weitere Stellungnahme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, "die Tage vom 25.2. bis 13.3.1995 in die Zeit des ordentlichen Zivildienstes eingerechnet zu erhalten", verletzt. Die Nennung des 13. März 1995 beruht offenbar auf einem Irrtum des Beschwerdeführers über den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zustellung des angefochtenen Bescheides. Er vertritt die Auffassung, daß die vorzeitige Entlassung erst mit der Zustellung des sie verfügenden Bescheides wirksam werden konnte. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid auch nur in diesem Umfang anficht.

Gemäß § 19a Abs. 1 ZDG 1986 in der Fassung BGBl. Nr. 187/1994 sind Zivildienstpflichtige, deren Dienstunfähigkeit offenkundig ist oder vom Amtsarzt festgestellt wird, vorzeitig aus dem Zivildienst zu entlassen. In dem Bescheid, in dem die Entlassung verfügt wird, ist der Tag des Eintritts der Dienstunfähigkeit festzustellen. Als dienstunfähig gilt, wer geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst dauernd oder vorübergehend unfähig ist (§ 19a Abs. 2 ZDG 1986 in der Fassung der ZDG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 598). Nach § 19a Abs. 5 ZDG 1986 hat für die verbleibende Dienstzeit nach Wegfall des Entlassungsgrundes so bald wie möglich eine weitere Zuweisung zu erfolgen.

Bis zum Inkrafttreten der ZDG-Novelle 1994 waren dienstunfähige Zivildienstpflichtige mit Ablauf des Tages dieser Feststellung vorzeitig aus dem Zivildienst zu entlassen (§ 19a Abs. 1 in der Fassung der ZDG-Novelle 1988); eine amtsärztliche Begutachtung war obligatorisch.

Der Beschwerdeführer ist im Recht, wenn er ausführt, die Novelle 1994 habe in Ansehung des Zeitpunkts des Wirksamwerdens der vorzeitigen Entlassung eine Änderung der Rechtslage herbeigeführt. Die Gesetzesmaterialien (EB zur RV 1467 BlgNR 18. GP) bezeichnen als Grund der Novellierung des § 19a Abs. 1 ZDG zwar nur die Möglichkeit, im Falle der Offenkundigkeit der Dienstunfähigkeit von der Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens absehen zu können, gehen aber auf die hier zu lösende Frage nicht ein. Wenn der Bundesminister für Inneres im zweiten Satz des § 19a Abs. 1 ZDG ausdrücklich dazu verhalten wird, im Entlassungsbescheid den Tag des Eintrittes der Dienstunfähigkeit festzustellen, so kann dies allerdings nicht so verstanden werden, daß dieser Tag den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der vorzeitigen Entlassung darstellt. Zum Unterschied von der Rechtslage vor der Novelle 1994 stellt die neue Regelung hinsichtlich des Wirksamwerdens der Entlassung nicht mehr auf den Tag der Feststellung der Dienstunfähigkeit ab, sondern ist vielmehr so zu verstehen, daß hiefür die Erlassung des Entlassungsbescheides maßgeblich ist. Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Ansicht der belangten Behörde, was den Zeitpunkt der Wirksamkeit der vorzeitigen Entlassung anlangt, deswegen nicht zu teilen, weil dies zu untragbaren Folgen führte: Der Betreffende wäre in der fraglichen Zeit (zwischen Eintritt seiner Dienstunfähigkeit und der Zustellung des Entlassungsbescheides) nach seinem Informations- und Bewußtseinsstand Zivildienstpflichtiger mit allen von ihm erfüllbaren Pflichten und allen Rechten, insbesondere was seine sozialversicherungsrechtliche Stellung (vgl. § 33 ZDG) betrifft. Mit der Zustellung des Entlassungsbescheides würde dieser Zustand rückwirkend geändert, der Zivildienstpflichtige würde erfahren, daß er zu Unrecht der Meinung war, Zivildienstpflichtiger mit Rechten und Pflichten zu sein. Seine Rechtsverhältnisse wären rückwirkend in Frage gestellt, sein Vertrauen in seine Rechtsposition getäuscht.

Daran ändert der von der belangten Behörde ins Treffen geführte Umstand nichts, daß sich der Beschwerdeführer in der fraglichen Zeit im Krankenstand befunden habe, somit keine Zivildienstleistungen erbracht habe und auch keiner anderen Erwerbstätigkeit hätte nachgehen können. Welche Bedeutung der gebotenen Anführung des Tages des Eintrittes der Dienstunfähigkeit des Zivildienstpflichtigen im Entlassungsbescheid hat, brauchte im vorliegenden Beschwerdefall nicht geprüft zu werden; zu denken wäre in diesem Zusammenhang an auf § 15 Abs. 2 und 3 ZDG gestützte Aussprüche, für die eine Feststellung des Eintrittes der Dienstunfähigkeit in Ansehung der Zeit der Nichtleistung von Zivildienst auf Grund der den Entlassungsgrund bildenden Dienstunfähigkeit bindend sein könnte.

Für die hier vertretene Auslegung spricht auch, daß in der Regierungsvorlage zu einer zweiten ZDG-Novelle 1995 (269 BlgNR 19. GP) eine Änderung des § 19a vorgeschlagen wird, die im Abs. 2 die Regelung bringen soll, wonach die vorzeitige Entlassung mit Ablauf des Tages wirksam wird, "an dem der Entlassungsbescheid gegenüber dem Zivildienstpflichtigen in Rechtskraft erwächst"; die Verpflichtung zur Festsetzung des Tages des Eintrittes der Dienstunfähigkeit im Entlassungsbescheid verbliebe. Diese vorgeschlagene Änderung wird in den EB als "Klarstellung" des Termines des Wirksamwerdens einer vorzeitigen Entlassung bezeichnet. Für die hier vertretene Auffassung spricht ferner, daß auch im Falle der Zuweisung eines Dienstunfähigen der Zuweisungsbescheid nur mit Wirkung pro futuro aufzuheben ist (§ 12 Abs. 2 ZDG).

Da die belangte Behörde im Ergebnis die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid im bekämpften Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995110132.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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