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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. der B und 2. der W, beide in G, beide vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des LH von NÖ vom 12. Juni 1995, Zl. R/1-B-9510/00, betreffend Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch die Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Wien IX, Nordbergstraße 15),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Aufgrund der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
2. den Beschluß gefaßt:
Das Verfahren hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin wird wegen Klaglosstellung eingestellt.
Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei beantragte mit dem am 11. April 1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen eingelangten Ansuchen die Erteilung der Baubewilligung für den Austausch eines bestehenden Funkcontainers gegen einen größeren und den Ersatz des derzeitigen Mastes durch einen neueren (höheren) Mast auf dem Grundstück Nr. 69/1, EZ 6, KG T. Hinsichtlich der Unterfertigung der Einreichunterlagen durch den Grundeigentümer wurde mitgeteilt, daß der Hälfteeigentümer R.K. verstorben und die Verlassenschaftsabhandlung noch nicht abgewickelt worden sei. Die Zweitbeschwerdeführerin hat den Bauplan als Grundeigentümerin mit dem Zusatz "mit Vorbehalt (Höhe, Standplatz)" unterfertigt. Über dieses Ansuchen wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt. In der Verhandlung vom 6. Juni 1994 sprach sich die Erstbeschwerdeführerin, die dem Verfahren als Anrainerin zugezogen wurde, gegen das Vorhaben aus, da sie eine Belästigung durch Lärm befürchte, da der bereits bestehende Mast bei Wind "säusle" und dies im Falle der projektmäßigen Errichtung noch stärker werde. Die Zweitbeschwerdeführerin, als Rechtsnachfolgerin des R.K. gab an, daß eine Gefährdung für den Fall, daß der Mast statisch nicht sicher verankert sei, vorliege und brachte darüber hinaus noch vor, daß durch die Errichtung eines noch höheren Mastes das Orts- und Landschaftsbild erheblich gestört werde. In der Folge zog die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 19. August 1994 das Bauansuchen betreffend die Errichtung des Funkmastes zurück.
Nach Einholung eines Ortsbildgutachtens erteilte der Bezirkshauptmann von Neunkirchen mit Bescheid vom 21. April 1995 der mitbeteiligten Partei unter Vorschreibung von Auflagen die beantragte Baubewilligung für den Austausch des bestehenden Funkcontainers. Die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen wurden als unbegründet abgewiesen.
In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachten beide Beschwerdeführerinnen vor, daß die Erstbehörde zur Erlassung des gegenständlichen Bescheides nicht zuständig sei, zu statischen Problemen und Einwendungen sei keine Stellung genommen worden, und die Richtigkeit des Ortsbildgutachtens werde bestritten.
Die Zweitbeschwerdeführerin rügte verschiedene Verfahrensmängel und führte überdies aus, es sei unberücksichtigt gelassen worden, daß sie sich gegen das Projekt ausgesprochen und ihre Zustimmung dazu als Grundeigentümerin zurückgezogen habe. Ohne Zustimmung des Grundeigentümers sei eine Baubewilligung nicht zulässig.
Mit Bescheid vom 12. Juni 1995 hat der Landeshauptmann von Niederösterreich die Berufungen der Beschwerdeführerinnen gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 21. April 1995 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft sei wegen des Vorliegens eines Gebäudes gegeben; da sich der erstinstanzliche Bescheid lediglich auf die Bewilligung des ausgetauschten Containers, nicht aber auf jene des Sendemastes bezogen habe, sei auf die Einwendung in bezug auf den Sendemast nicht einzugehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist auf die Frage einzugehen, ob für die Bewilligung des gegenständlichen Bauwerkes die Baubehörde zuständig war, und wenn ja, ob mit der Vollziehung der Bauordnung in erster Instanz die Bezirkshauptmannschaft und in zweiter Instanz der Landeshauptmann zuständig war.
Der Container ist 5,60 m lang, 2,60 m breit und 3,30 m hoch, er ist allseits von Wänden umschlossen, das Dach ist als Flachdach mit einer umlaufenden Attika ausgeführt, in der die verschweißte Kautschuck-Dachhaut hochgezogen wird. Er ruht auf drei quergestellten Fundamenten und ist durch eine Türe begehbar. Vom Container (Sprechfunkcontainer) wird ein Fernmeldekabel an den Stahlgittermast bis zu den Antennen geführt. Das Bauvorhaben weist somit sowohl Merkmale einer Fernmeldeanlage auf, tritt jedoch auch als Gebäude optisch in Erscheinung.
Gemäß § 2 Z. 2 des Fernmeldegesetzes BGBl. Nr. 908/1993 (im folgenden: FMG) sind Fernmeldeanlagen alle technischen Anlagen zur Aussendung, zur Übertragung oder zum Empfang von Nachrichten, sei es auf dem Leitungs- oder Funkweg, auf optischem Wege oder mittels anderer elektromagnetischer Systeme. Diese Definition ist durch den Kompetenztatbestand "Telegraphen- und Fernsprechwesen" des Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG im Versteinerungszeitpunkt gedeckt (VfSlg. 2720). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinen Erkenntnissen vom 21. Jänner 1992, Slg. Nr. 13.563/A, und vom 15. September 1992, Zl. 92/05/0055, mit der Abgrenzung des Kompetenztatbestandes "Fernmeldewesen" zu den von den Baubehörden zu vollziehenden Angelegenheiten befaßt und kam zu dem Ergebnis, daß (bei Beurteilung einer baulichen Anlage gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 Nö Bauordnung 1976, LGBl. 8200-6; im folgenden: BO) der Bewilligungspflicht der Fernmeldeanlage nach dem Fernmeldegesetz die Festsetzung einer zusätzlichen Bewilligungspflicht durch die Baubehörde betreffend die in deren Kompetenz fallenden Gesichtspunkte nicht entgegensteht. Bei den Bestimmungen der §§ 92 Abs. 1 Z. 2 und 100 Abs. 2 BO handle es sich um unter dem Gesichtspunkt des Ortsbildschutzes und der Ortsbildgestaltung erlassene Regelungen auf dem Gebiet des Baurechtes, zu deren Erlassung die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG gegeben sei (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Juni 1995, Zl. 93/05/0103, ergangen zur Niederösterreichischen Bauordnung, und vom 19. September 1995, Zl. 94/05/0216, zur O.Ö. Bauordnung).
Im vorliegenden Fall war die Zuständigkeit der Baubehörde schon wegen der Berücksichtigung des Ortsbildschutzes gegeben. Da der Container allen Kriterien des § 2 Z. 5 BO in bezug auf Gebäude entspricht, war auch gemäß § 116 Abs. 5 BO zur Vollziehung dieses Gesetzes in erster Instanz die Bezirkshauptmannschaft, in zweiter Instanz der Landeshauptmann zuständig, weil es sich im vorliegenden Fall um ein bundeseigenes, öffentlichen Zwecken dienendes Gebäude handelt.
Die Zweitbeschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes, auf dem das Bauvorhaben verwirklicht werden soll. Gemäß § 96 Abs. 1 Z. 2 BO ist dem Ansuchen um die Erteilung einer Bewilligung die Zustimmung des Grundeigentümers, wenn der Bewilligungswerber nicht Grundeigentümer ist, anzuschließen.
Die Zustimmung des Grundeigentümers muß liquid nachgewiesen werden (vgl. die bei Hauer-Zaussinger, Nö Bauordnung, 4. Auflage, Seite 328 zitierte hg. Judikatur). Ergibt sich während des Baubewilligungsverfahrens, daß die Zustimmung zur Bauführung im Zeitpunkt der Erledigung nicht mehr vorliegt, so ist mit einer Versagung der Baubewilligung vorzugehen. Daß die Zweitbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides bereits Miteigentümerin des zu bebauenden Grundstückes war, ist unbestritten. Da die Zweitbeschwerdeführerin mit ihrer Berufung ihre ursprünglich (unter Vorbehalt) erteilte Zustimmung zum Bauvorhaben zurückgezogen hat, hätte die belangte Behörde die beantragte Baubewilligung versagen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1982, Zl. 81/05/0141). Da sie dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid in bezug auf die Zweitbeschwerdeführerin mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Da mit dem angefochtenen Bescheid subjektiv-öffentliche Rechte der Zweitbeschwerdeführerin verletzt wurden, war er ihr gegenüber mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Auf Grund der Aufhebung des angefochtenen Bescheides infolge der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin ist die Erstbeschwerdeführerin klaglos gestellt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995050223.X00Im RIS seit
11.07.2001