TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/10 94/11/0103

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Veröffentlicht am 10.10.1995
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs1 litb;
KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
StGB §217 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 8. Februar 1994, Zl. Ib-277-115/92, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 und 73 Abs. 2 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G für die Dauer von 15 Monaten, gerechnet ab Abgabe des Führerscheins und ohne Berücksichtigung von Haftzeiten, vorübergehend entzogen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde nahm unter Hinweis auf die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren (Urteile des LG Feldkirch vom 6. Februar 1991 und des OLG Innsbruck vom 11. Juni 1992; die Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluß des OGH vom 8. April 1992 zurückgewiesen) als erwiesen an, der Beschwerdeführer habe in der Zeit zwischen 1984 und 1989 als Mittäter gewerbsmäßig die in zwei genannten Nachtlokalen beschäftigt gewesenen Animierdamen aus Thailand, Brasilien, Nigeria, Kolumbien und der Dominikanischen Republik, mögen sie auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben gewesen sein, dieser Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen und in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zugeführt, und zwar indem er als Alleingesellschafter und handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H. eine namentlich genannte Person dazu bestimmte, die für den Geschäftsbetrieb erforderlichen Maßnahmen, wie das Vorhandensein zur Ausübung der Prostitution williger ausländischer "Tänzerinnen", zu treffen, mindestens 80 nach Österreich verbrachten Ausländerinnen die Ausübung der Geheimprostitution in den Nachtlokalen durch deren Anstellung als "Tänzerinnen" ermöglichte, die zu entrichtenden Preise festsetzte, für die teilweise Ausstattung der Prostituierten mit Präservativen Sorge trug und durch die Zurverfügungstellung für die zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs eingerichteten bzw. hiefür ausgestatteten Separees die Voraussetzungen für die Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution im Inland schuf. Menschenhandel stelle eine besonders gefährliche Form der Förderung der Prostitution und eine ausgesprochene Mißachtung der Menschenwürde von Frauen, die sich in der Regel in einer wirtschaftlichen Notlage befinden, dar. Erschwerend komme im vorliegenden Fall der lange Tatzeitraum (ca. 5 Jahre) hinzu. Angesichts seines hohen Unrechtsgehaltes sei das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Verwerflichkeit den im § 66 Abs. 2 lit. b KFG 1967 genannten Delikten gleichzuhalten. Es stelle somit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 1 KFG dar, die aufgrund ihrer Verwerflichkeit zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers in der im Spruch genannten Dauer berechtige.

Der Beschwerdeführer hält diese Auffassung für verfehlt. Er habe zwar Lokale zur Ausübung der Prostitution durch Ausländerinnen zur Verfügung gestellt, aber niemals eine der Betroffenen zur Prostitutionsausübung gezwungen oder hiebei Gewalt ausgeübt. Eine Gleichstellung seines Verhaltens mit den im § 66 Abs. 2 lit. b KFG 1967 genannten strafbaren Handlungen sei daher verfehlt. Für jene schwerstwiegenden Verbrechen gegen die Sittlichkeit sei charakteristisch, daß die unsittlichen Handlungen entweder gegen den Willen des Tatopfers (§§ 201 bis 203 StGB) oder aber an besonders schützwürdigen Personen, nämlich an Widerstandsunfähigen bzw. Bewußtseinsgestörten (§ 205 StGB) oder an Unmündigen (§§ 206 und 207 StGB) begangen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem von beiden Parteien angesprochenen Erkenntnis vom 4. Oktober 1988, Zl. 88/11/0082, darauf hingewiesen, daß § 217 StGB nicht im Katalog des § 66 Abs. 2 KFG 1967 aufscheint. Ein unter diesen Tatbestand fallendes strafbares Verhalten könne daher nur dann als den in diesem Katalog genannten strafbaren Handlungen im Hinblick auf die daraus zu erschließende Sinnesart gleichwertig angesehen werden, wenn es diesen aufgrund seiner Verwerflichkeit an Bedeutung und Gewicht unter dem genannten Aspekt gleichkomme. Im besagten Vorerkenntnis pflichtete der Verwaltungsgerichtshof der damals belangten Behörde zwar darin bei, daß der Besitz einer Lenkerberechtigung im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 die Begehung des Deliktes des Menschenhandels typischerweise erleichtere. Er hält diese Auffassung auch aus der Sicht des vorliegenden Falles aufrecht. Der Gerichtshof verneinte aber die Gleichwertigkeit (im vorhin dargelegten Sinn) des damals zu beurteilenden strafbaren Verhaltens im Hinblick auf die konkreten Tatumstände (lediglich Beihilfeleistung durch Abholen von insgesamt 6 Personen vom Flugplatz, vorübergehende Gewährung von Unterkunft in der Wohnung, Ermöglichung der Besichtigung der Bordellbetriebe, Erledigung von Behördenwegen).

Der vorliegende Fall ist mit jenem nicht vergleichbar. Der Beschwerdeführer hat laut rechtskräftigem Strafurteil das Verbrechen des GEWERBSMÄßIGEN Menschenhandels (§ 217 zweiter Fall StGB) als Bestimmungstäter zu verantworten. Sein strafbares Verhalten erstreckte sich über einen Zeitraum von rund 5 Jahren und bezog sich auf ca. 80 Frauen, die aus der Dritten Welt stammten und sich in wirtschaftlicher Notlage befanden. Neben der langen Dauer des strafbaren Verhaltens und der Vielzahl betroffener Schutzobjekte fällt zum Nachteil des Beschwerdeführers zusätzlich ins Gewicht, daß er nach den Feststellungen des OLG Innsbruck (Seite 8) die gegenständlichen Straftaten teilweise während eines anhängigen Strafverfahrens begangen und sein deliktisches Verhalten auch nach seiner Verurteilung durch das Erstgericht fortgesetzt hat. Angesichts des hohen Schuld- und Unrechtsgehaltes hat die belangte Behörde das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers zutreffend als den im Katalog des § 66 Abs. 2 KFG 1967 aufgezählten Delikten gleichwertig erachtet. Sie hat im Rahmen der Wertung der Tat gemäß § 66 Abs. 3 KFG mit Recht die besondere Verwerflichkeit dieses strafbaren Verhaltens betont. Gegen den von ihr daraus gezogenen Schluß, der Beschwerdeführer sei im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 verkehrsunzuverlässig, bestehen keine Bedenken.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den nachträglich gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994110103.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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