TE Lvwg Erkenntnis 2023/1/26 LVwG-AV-1287/001-2022

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Veröffentlicht am 26.01.2023
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Entscheidungsdatum

26.01.2023

Norm

ÄrzteG 1998 §106
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK NÖ 2006 §63

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Glöckl, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der Frau A, ***, ***, gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich vom 13.07.2022, Zl. ***, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Gewährung der Krankenunterstützung zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) in Verbindung mit Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Wesentlicher Verfahrensgang:

1.1. Mit Antrag vom 13. Mai 2022, eingelangt am selben Tag beim Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich (in der Folge: belangte Behörde), begehrte Frau A (in der Folge: Beschwerdeführerin) die Gewährung der Krankenunterstützung betreffend den Krankenstand von 2. Februar 2022 bis 12. April 2022. Auf der von der Beschwerdeführerin verwendeten Formularvorlage findet sich folgender hervorgehobene Satz: „Hinweis: Der Antrag auf Gewährung der Krankenunterstützung ist spätestens innerhalb von vier Wochen ab Genesung und Arbeitsfähigkeit einzubringen.“

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juli 2022, Zahl ***, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin aufgrund der Beschlussfassung in der Sitzung der belangten Behörde vom 8. Juni 2022 zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus:

„Mit Ihrem Antrag begehrten Sie die Gewährung der Krankenunterstützung aufgrund eines Krankenstandes in der Zeit von 02.02.2022 bis 12.04.2022. Zur Verspätung Ihres Antrages gaben Sie keine Erklärung ab.

Gemäß § 63 Abs. 4 Satzung WFF sind Anträge auf Krankenunterstützung binnen vier Wochen nach Ende der Berufsunfähigkeit einzubringen. Die verspätete Einbringung eines Antrages auf Krankenunterstützung kann nachgesehen werden, wenn die Verspätung entsprechend begründet wird.

Da Ihr Antrag am 13.05.2022, somit über vier Wochen nach Ende der Berufsunfähigkeit und daher verspätet eingelangt ist und auch keine Verspätungsbegründung erfolgt ist, war der Antrag spruchgemäß zurückzuweisen.“

Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 14. Juli 2022 zugestellt.

1.2. Mit E-Mail-Eingabe vom 19. Juli 2022 erhob die Beschwerdeführerin dagegen Beschwerde und führte aus, dass es richtig sei, dass ihr Antrag verspätet eingelangt sei. Durch ihre lange Abwesenheit sei der Arbeitsanfall sowohl in der ärztlichen Direktion als auch in der Abteilungsleitung so groß gewesen, dass diese Tätigkeiten ihre ganze Aufmerksamkeit und Zeitressourcen erforderlich gemacht hätten. Auch aufgrund des Personalmangels durch die COVID-19-Pandemie und durch viele mit dem Virus infizierte Mitarbeiter:innen habe sie verschiedene Dienste übernehmen müssen und sei dadurch zeitmäßig blockiert gewesen. Außerdem bringt sie vor, dass es sich vorliegend nur um eine „minimale Verspätung“ von zwei Tagen handle.

1.3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 19. Oktober 2022 den Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor.

2.   Feststellungen:

Für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich steht folgender Sachverhalt fest:

2.1. Die Beschwerdeführerin gehört seit 30 Jahren dem Wohlfahrtsfonds und der Ärztekammer für Niederösterreich an.

2.2. Die Beschwerdeführerin war wegen einer „Fract. Condyl lat. Tibiae dext“ vom 6. Februar 2022 bis 10. Februar 2022 im Landesklinikum *** in stationärer und danach am 17. Februar 2022 in ambulanter Behandlung. Vom 2. Februar 2022 bis 12. April 2022 war sie berufsunfähig.

2.3. Die Beschwerdeführerin erhielt am 26. April 2022 die ärztliche Bestätigung ihrer „Arbeitsunfähigkeit“ von der behandelnden Ärztin.

2.4. Das Formular über den Antrag auf Krankenunterstützung samt Beilagen wurde von der Beschwerdeführerin am 13. Mai 2022 um 11:06 Uhr per E-Mail an den Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich gesendet.

3.   Beweiswürdigung:

Die getroffenen – und insoweit auch unstrittigen – Feststellungen – einschließlich des Verfahrensganges – ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde einschließlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin in der Beschwerde.

Der Feststellung der Berufsunfähigkeit der Beschwerdeführerin vom 2. Februar 2022 bis 12. April 2022 in Punkt 2.2. liegt die ärztliche Bestätigung der behandelnden Ärztin, ausgestellt am 26. April 2022, zugrunde.

4.   Rechtslage:

4.1. Gemäß § 66a Abs. 1 Ärztegesetz 1998 idF BGBl. I Nr. 82/2014 (in der Folge: ÄrzteG 1998) sind die Ärztekammern in den Bundesländern berufen, insbesondere die Krankenfürsorge im eigenen Wirkungsbereich wahrzunehmen. Gemäß § 66a Abs. 2 ÄrzteG 1998 obliegt den Ärztekammern in den Bundesländern unter anderem die Erlassung einer Satzung des Wohlfahrtsfonds.

4.2. Gemäß § 106 Abs. 1 ÄrzteG 1998 idF BGBl. I Nr. 135/2009 wird Kammerangehörigen, die durch Krankheit oder Unfall unfähig sind, den ärztlichen Beruf auszuüben, eine Krankenunterstützung gewährt, die sich nach der Dauer der Krankheit richtet. Gemäß § 106 Abs. 2 ÄrzteG 1998 sind die Höhe der Krankenunterstützung und die Anspruchsvoraussetzungen in der Satzung festzusetzen.

4.3. § 63 Abs. 4 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich in der ab 1. Juni 2021 geltenden Fassung sah vor, dass Anträge auf Krankenunterstützung spätestens binnen vier Wochen nach Ende der Berufsunfähigkeit infolge Erkrankung oder Unfall einzubringen sind, andernfalls sie als verspätet eingebracht zurückzuweisen sind. Bei ausreichender Begründung der Fristversäumnis kann das Versäumen der Antragsfrist nachgesehen werden. Anzuschließen ist im Falle der Hauspflege eine Bestätigung des behandelnden Arztes, bei stationärer Behandlung eine Bestätigung der Krankenanstalt, wobei jeweils die Diagnose anzuführen ist.

5.   Erwägungen:

5.1. Zur Fristversäumnis für die Beantragung der Krankenunterstützung:

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 63 Abs. 4 der Satzung ist der Antrag spätestens binnen vier Wochen „nach Ende der Berufsunfähigkeit“ einzubringen.

Die Frist beginnt somit nicht schon am letzten Tag der Berufsunfähigkeit, sondern erst an dem diesem Tag folgenden Tag zu laufen.

Ausgehend vom letzten Tag der Berufsunfähigkeit, Dienstag, 12. April 2022, begann die Frist daher erst am Mittwoch, 13. April 2022, zu laufen. Die vierwöchige Antragsfrist endete somit – wie die belangte Behörde auch richtigerweise ausführt – am Mittwoch, 11. Mai 2022, um 24:00 Uhr. Spätestens an diesem Tag hätte der Antrag auf Krankenunterstützung eingebracht werden müssen.

Der Antrag auf Krankenunterstützung beim Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich ist jedoch erst nach Ablauf der vierwöchigen Frist gemäß § 63 Abs. 4 der Satzung, konkret am 13. Mai 2022 eingebracht worden. An diesem Tag war die Frist, wie dargelegt, bereits abgelaufen.

Der Antrag auf Krankenunterstützung wurde demnach verspätet eingebracht.

5.2. Zur Frage der ausreichenden Begründung der Fristversäumnis:

Die Fristversäumnis ist im Sinne des § 63 Abs. 4 der Satzung nicht ausreichend begründet.

5.2.1. § 63 Abs. 4 der Satzung sieht vor, dass bei ausreichender Begründung der Fristversäumnis das Versäumen der Antragsfrist nachgesehen werden kann.

5.2.2. Nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2017, Ra 2017/11/0015, handelt es sich bei der in § 63 Abs. 4 der Satzung umschriebenen Frist um eine materiellrechtliche Frist. Der Verwaltungsgerichtshof weist darauf hin, dass angesichts des grundsätzlichen Gebots der Zurückweisung eines verspäteten Antrags auf Krankenunterstützung kein Zweifel daran bestehe, dass eine ausnahmsweise Nachsicht gemäß § 63 Abs. 4 der Satzung nur dann in Betracht komme, wenn entsprechend gewichtige Gründe dafür bestehen, dass der Antragsteller trotz zumutbarer Sorgfalt bei der Führung seiner Angelegenheiten an der Einhaltung der Antragsfrist gehindert gewesen war. Die für Ausnahmefälle, nämlich bei ausreichender Begründung der Fristversäumung, vorgesehene Nachsicht schafft im Ergebnis eine Rechtswohltat, die einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist gleichkommt.

5.2.3. Es müsste daher vorliegend ein Grund für das Fristversäumnis vorliegen, der zumindest ebenso wie ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis geeignet ist, die Beschwerdeführerin an der Antragsstellung zu hindern.

Die Beschwerdeführerin war aufgrund ihrer Fraktur und ihrer Operation zweifellos auch in ihrer Dispositionsfähigkeit beeinträchtigt. Sie trat am 13. April 2022 ihren Dienst im LK *** an. Der erhöhte Arbeitsanfall, welcher nach ihrer wochenlangen Abwesenheit, zweifellos bestanden haben mag und der gleichzeitig vorliegende Personalmangel aufgrund der COVID-19-Pandemie, kann die Fristversäumnis im Sinne des § 63 Abs. 4 der Satzung dennoch nicht ausreichend begründen. Es kann nicht erkannt werden, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen wäre, den Antrag auf Krankenunterstützung rechtzeitig selbst zu stellen oder über einen Vertreter stellen zu lassen; dies wiederum schon im Hinblick auf die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin zusätzliche Dienste übernehmen konnte.

Auch bedarf es für die Antragstellung weder besonderer Rechtskenntnisse noch eines besonderen Aufwandes. Dies auch im Hinblick auf die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin die ärztliche Bestätigung über ihre Arbeitsunfähigkeit von der betreuenden Ärztin bereits am 26. April 2022 ausgestellt erhalten hat. Sie hätte ab diesem Zeitpunkt noch ausreichend Zeit gehabt, um den Antrag auf Krankenunterstützung rechtzeitig einzubringen.

Zwar kann auch ein Rechtsirrtum (Unkenntnis von Rechtsvorschriften) grundsätzlich einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, allerdings nur, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden, vorliegen (vgl. zB VwGH vom 11. Mai 2017, Ra 2017/04/0045)

Die Tatsache, dass es sich, wie die Beschwerdeführerin vorbringt, vorliegend nur um eine „minimale Verspätung von wenigen Tagen bei einem Krankenstand von ca 10 Wochen handelt“ bewirkt ebenso keine ausreichende Begründung der Fristversäumung im Sinne des § 63 Abs. 4 der Satzung, weil ihr als Ärztin und Kammermitglied die betreffenden einschlägigen Bestimmungen – so auch die Fristen für die Antragstellung - hätten bekannt sein müssen (vgl. wenngleich andere Materien betreffend VwGH vom 29. April 1993, 92/12/0282, sowie vom 11. Mai 2017, Ra 2017/04/0045).

5.2.4. Die belangte Behörde hat daher zu Recht den Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil bereits die Akten erkennen lassen, dass durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist. Der Sachverhalt war unstrittig, und es wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erforderlich gewesen wäre (vgl. VwGH 17. Oktober 2019, Zl. Ra 2019/08/0010). Darüber hinaus stehen dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen. Außerdem wurde die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von keiner der Parteien beantragt.

6.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. insbesondere VwGH 27.04.2017, Ra 2017/11/0015), sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der Revision in derartigen Fällen zB VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0343) und überdies eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. allgemein VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035 sowie bereits zur Frage des Vorliegens einer ausreichenden Begründung für die Versäumung der Frist für den Antrag auf Krankenunterstützung VwGH 27.04.2017, Ra 2017/11/0015).

Schlagworte

Freie Berufe; Ärzte; Krankenunterstützung; Antrag; Fristversäumnis; ausreichende Begründung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2023:LVwG.AV.1287.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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