TE Vwgh Beschluss 2023/3/27 Ra 2023/18/0082

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Veröffentlicht am 27.03.2023
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §18
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VwGG § 28 heute
  2. VwGG § 28 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. VwGG § 28 gültig von 01.01.2017 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2017
  4. VwGG § 28 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 28 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 28 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 28 gültig von 01.01.1991 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  8. VwGG § 28 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990
  1. VwGG § 34 heute
  2. VwGG § 34 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 34 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 34 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 34 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 34 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 34 gültig von 01.09.1997 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/1997
  8. VwGG § 34 gültig von 05.01.1985 bis 31.08.1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des A A, vertreten durch Mag. Dr. Martin Enthofer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 16/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2023, L523 2247903-1/13E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans und Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya (Ahmadi), stellte am 23. Juni 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, er sei im Geschäftsleben nicht gut behandelt worden bzw. seien Bestellungen bei ihm storniert worden, wenn den Geschäftspartnern seine Religionszugehörigkeit bekannt geworden sei. Zudem sei er in eine Auseinandersetzung mit Mullahs verwickelt worden, in Folge dessen eine Anzeige gegen ihn erhoben und er mit Haftbefehl gesucht worden sei; bei einer Rückkehr fürchte er die Konsequenzen.

2        Mit Bescheid vom 11. September 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers mit dem bekämpften Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend führte das BVwG - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - aus, die vom Revisionswerber vorgebrachten konkreten Verfolgungshandlungen gegen ihn seien zum einen nicht glaubhaft und würden zum anderen keine asylrelevante Verfolgung darstellen. Eine Verfolgung alleine aufgrund der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Ahmadis liege nicht vor.

5        Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten und macht zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend, der Revisionswerber habe sein Fluchtvorbringen glaubhaft geschildert. Jedoch habe das BVwG zu Unrecht die Beweisanträge des Revisionswerbers auf Einvernahme näher genannter Zeugen abgewiesen und dem Revisionswerber dadurch nicht ermöglicht, sein Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen. Zudem habe das BVwG den maßgeblichen Sachverhalt „durch rechtswidrig standardisiertes Vorgehen gegenüber Mitgliedern der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya“ aus Pakistan - ohne Berücksichtigung der den Revisionswerber treffenden individuellen Fluchtgründe - verkannt und zu Unrecht auf die Einholung eines individualisierten Ländersachverständigengutachtens verzichtet.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Soweit die Revision rügt, das BVwG habe den maßgeblichen Sachverhalt hinsichtlich der Situation von Mitgliedern der Religionsgemeinschaft der Ahmadis in Pakistan verkannt sowie das individuelle Fluchtvorbringen des Revisionswerbers in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, wendet sie sich zunächst erkennbar gegen die Beweiswürdigung des BVwG.

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist somit nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 21.12.2022, Ra 2022/18/0318, mwN).

11       Im gegenständlichen Fall gelangte das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, zu dem Ergebnis, dass der Revisionswerber keine individuell gegen ihn gerichteten asylrelevanten Verfolgungshandlungen habe glaubhaft machen können. So habe das Vorbringen des Revisionswerbers hinsichtlich einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit Mullahs zeitliche Widersprüche aufgewiesen, der Revisionswerber habe den Vorfall nur oberflächlich geschildert und auch die von ihm in Kopie vorgelegte Anzeige sowie der vorgelegte Haftbefehl könnten aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit sein Vorbringen nicht stützen. Dass diese beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG auf unvertretbare Weise vorgenommen worden wären, legt die Revision nicht dar.

12       Auch soweit sich die Revision zur Begründung der Zulässigkeit auf das Unterbleiben beantragter Zeugeneinvernahmen sowie das Unterlassen der Einholung eines Ländersachverständigengutachtens beruft, zeigt sie damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.

13       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der Unterlassung einer Beweisaufnahme dann kein Verfahrensmangel gelegen, wenn das von der Partei im Beweisantrag genannte Beweisthema unbestimmt ist. Beweisanträge dürfen weiters dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel (ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung) untauglich ist. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 11.3.2021, Ra 2021/18/0059, mwN).

14       Bereits das BVwG hielt zutreffend fest, dass der Revisionswerber in seinen Anträgen jeweils kein bestimmtes Beweisthema angegeben habe, weshalb diesen schon daher nicht stattzugeben gewesen sei. Vor dem Hintergrund der bereits dargestellten, auf einer vertretbaren Beweiswürdigung beruhenden Auseinandersetzung des BVwG mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers unter Heranziehung aktueller Länderberichte - insbesondere auch zur Situation der Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Ahmadis in Pakistan - vermag die Revision keine gravierende Fehlbeurteilung des BVwG in Bezug auf den Verzicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Lage in Pakistan darzutun.

15       Hinsichtlich der beantragten Einvernahme zweier in Pakistan aufhältiger Zeugen durch Vertreter der österreichischen Botschaft verwies das BVwG darüber hinaus ebenso zu Recht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eigenen hoheitlichen Ermittlungen der Asylbehörden im Herkunftsstaat des Asylwerbers allgemeine Prinzipien des Völkerrechts entgegenstehen. Danach sind Staaten grundsätzlich verpflichtet, in fremden Hoheitsräumen keine Amtshandlungen ohne Genehmigung des Territorialstaates vorzunehmen. Dieser Grundsatz wird meist streng gehandhabt und gestattet nicht einmal eine hoheitliche Tätigkeit, die keine unmittelbare Auswirkung im Territorialstaat hat, wie etwa polizeiliche Erhebungen oder amtliche Vorladungen. Ermittlungen, die diesen Prinzipien widersprechen, sind von den Ermittlungspflichten des § 18 AsylG 2005 daher nicht umfasst und den Asylbehörden auch nicht erlaubt (vgl. VwGH 18.1.2017, Ra 2016/18/0197, mwN sowie jüngst VwGH 15.12.2022, Ra 2022/20/0292, mwN).

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. März 2023

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023180082.L00

Im RIS seit

19.04.2023

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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