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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des P in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 30. Dezember 1993, Zl. II-2334/92, betreffend Antrag auf Aufhebung der Baueinstellung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde F, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 26. Juli 1991 wurde dem Beschwerdeführer die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses über der bestehenden Pizzeria auf dem Grundstück Nr. 490/2, KG F, erteilt. Bei einer am 5. November 1991 an Ort und Stelle stattgefundenen Baubegehung durch die Baubehörde wurden verschiedene Abweichungen von den bewilligten Bauplänen festgestellt, nämlich
a)
die um 70 bis 100 cm erweiterte Bauhöhe, weshalb eine größere Dachneigung gegeben sei sowie ein höheres Mauerwerk beim Turm;
b)
wesentlich verkürzte Dachvorsprünge auf allen Seiten, insbesondere der nicht parallel verlaufende Dachabschluß an der Westseite des Gebäudes, wodurch die planmäßige Überdachung und Verbretterung des Erkers unmöglich geworden sei.
Mit Schreiben der mitbeteiligten Partei vom 6. November 1991 wurde die Baueinstellung für den Fall angedroht, daß das Vordach nicht binnen drei Wochen an der Westseite so verlängert werde, daß eine planmäßige Ausführung der Außenansicht möglich sei. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 28. November 1991 wurde die sofortige Einstellung der Bauarbeiten gemäß § 41 Abs. 1 Vbg. Baugesetz angeordnet. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung vom 25. März 1992 abgewiesen. Die in der Folge erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 4. August 1992 als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 4. März 1992 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, den rechtmäßigen Zustand gemäß der Baubewilligung vom 26. Juli 1991 wiederherzustellen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung vom 27. Mai 1993 abgewiesen. Auch der Vorstellung wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 12. August 1993 keine Folge gegeben.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 2. November 1992 wurde die beantragte Baubewilligung des Beschwerdeführers für die sogenannte Variante II versagt. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung vom 27. Mai 1993 abgewiesen. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 12. August 1993 wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.
Mit Eingabe vom 1. Februar 1993 hat der Beschwerdeführer die Aufhebung der Baueinstellung beantragt. Nach Einbringung eines Devolutionsantrages vom 20. August 1993 wurde der Antrag mit Bescheid der Gemeindevertretung vom 27. Oktober 1993 abgewiesen. Der dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Gründe für die Aufhebung der Einstellungsverfügung seien gemäß § 40 Abs. 3 Vbg. Baugesetz die Behebung des bewilligungswidrigen Zustandes oder die Erteilung einer entsprechenden Baubewilligung. Beide Voraussetzungen würden nicht vorliegen. Der Beschwerdeführer habe den bewilligungswidrigen Zustand nicht behoben. Eine solche Behebung sei vom Beschwerdeführer auch nicht vorgesehen, da das Bauvorhaben abweichend zum Genehmigungsbescheid vom 26. Juli 1991 ausgeführt worden sei und die Variante II, welche im wesentlichen der bereits getätigten, bescheidwidrigen Bauführung bei gleichzeitiger Nichtausführung der im Bescheid vom 26. Juli 1991 enthaltenen senkrechten Verbretterung entspreche, zur Genehmigung beantragt worden sei. Es sei jedoch mit Bescheid vom 2. November 1992 die Baubewilligung versagt worden. Es liege auch nicht der Aufhebungsgrund des Vorliegens einer entsprechenden Baubewilligung vor, da der Beschwerdeführer nicht beabsichtige, gemäß dem Baubescheid vom 26. Juli 1991 zu bauen, da die vorgeschriebene Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes angefochten worden sei. Dieselben rechtlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 3 Vbg. Baugesetz würden auch für den gleichzeitig gestellten Eventualantrag, wonach wenigstens die Fertigstellung des Daches bewilligt werden solle, zutreffen. Gemäß § 56 AVG sei die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nur dann erforderlich, soweit er nicht von vornherein klar gegeben sei. Im vorliegenden Fall sei der maßgebende Sachverhalt in diesem Sinne von vornherein klar gegeben. Aufgabe der Baubehörde sei es lediglich, zu prüfen, ob die zitierten gesetzlichen Voraussetzungen zur Aufhebung der Einstellungsverfügung vorliegen oder nicht. Diese Beurteilung war allein aufgrund des der Baubehörde bekannten angeführten Verfahrensganges möglich, weshalb die Durchführung eines diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens entbehrlich gewesen sei. Sofern der Beschwerdeführer ins Treffen führt, die Aufrechterhaltung der Baueinstellung sei "weder zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung noch der öffentlichen Sicherheit notwendig", sei darauf hinzuweisen, daß diese Beurteilungskriterien dem Baurecht bzw. der Baupolizei grundsätzlich fremd seien und auch bei der gegenständlichen Entscheidung nicht zur Anwendung kämen. Abschließend werde zu den geltend gemachten Bauschäden bemerkt, daß das Baugesetz keine Verpflichtung der Baubehörde zu diesbezüglichen Schutzmaßnahmen kenne.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde, deren Behandlung vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 14. Juni 1994, B 268/94-3, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten wurde, wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich insbesondere im Recht der richtigen Anwendung der Bestimmungen des Vbg. Baugesetzes, insbesondere der §§ 40, 35 in Verbindung mit § 23, verletzt.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. In bezug auf die entsprechenden Verwaltungsakten wurde darauf hingewiesen, daß samtliche Akten des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgerichtshof bereits vorliegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 Vbg. Baugesetz, LGBl. Nr. 39/1972 in der Stammfassung, bedürfen u.a. einer Baubewilligungcht:
a)
die Errichtung von Gebäuden oder Gebäudeteilen;
b)
die Änderung von Gebäuden, sofern es sich um Zu- oder Umbauten oder sonstige wesentliche Änderungen handelt.
Gemäß § 23 Abs. 4 leg. cit. gelten als wesentliche Änderungen - abgesehen von Zu- oder Umbauten - Änderungen,
a)
die am ganzen Bauwerk oder an seinen Hauptbestandteilen vorgenommen werden oder wodurch das Aussehen eines Gebäudes geändert wird;
b)
durch die Interessen der Sicherheit oder der Gesundheit oder die Rechte der Nachbarn beeinträchtigt werden können.
Gemäß § 39 Abs. 1 ist die Behörde berechtigt, jederzeit zu prüfen, ob
a)
Vorhaben nach § 23 nicht ohne Baubewilligung und Vorhaben nach § 24 nicht vor Wirksamkeit der Anzeige ausgeführt werden;
b)
Vorhaben nach § 23 nicht abweichend von der Baubewilligung und den ihr zugrundeliegenden Plänen, Berechnungen und Beschreibungen und Vorhaben nach § 24 nicht abweichend von der Anzeige ausgeführt werden;
c)
die verwendeten Baustoffe, Bauteile oder Bauweisen den Anforderungen des § 20 entsprechen."
§ 40 leg. cit. lautet:
"§ 40
Baueinstellung und Mängelbehebung
(1) Ergibt eine Überprüfung einen Grund zur Beanstandung nach § 39 Abs. 1 lit. a, so hat die Behörde gegenüber dem Bauausführenden oder seinem Auftraggeber die Einstellung der Arbeiten zu verfügen.
(2) Ergibt die Überprüfung einen Grund zur Beanstandung nach § 39 Abs. 1 lit. b oder c, so hat die Behörde die Behebung des Mangels zu verfügen und hiefür eine angemessene Frist festzusetzen. Wird dieser Verfügung nicht entsprochen, so ist nach Abs. 1 vorzugehen.
(3) Von der Einstellungsverfügung werden die zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes notwendigen Arbeiten nicht betroffen. Die Einstellungsverfügung ist aufzuheben, sobald der Grund für ihre Erlassung weggefallen ist.
(4) Wenn es die Sicherheit oder Gesundheit von Menschen erfordert, hat die Behörde die zur Abwehr oder Beseitigung der Gefahren notwendigen Maßnahmen zu treffen."
Der Beschwerdeführer begründet zunächst die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides damit, daß die Baueinstellung schon ursprünglich nicht rechtmäßig erfolgt sei. Der Baueinstellungsbescheid vom 28. November 1991 habe daher materiell nicht in Rechtskraft erwachsen können. Es handle sich bei den von der Behörde festgestellten Abweichungen nicht um wesentliche Änderungen im Sinne des § 23 Abs. 1 lit. b leg. cit. Diesem Vorbringen kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, da der die Baueinstellung betreffende Berufungsbescheid der Gemeindevertretung vom 25. März 1992, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 28. November 1991 bestätigt wurde, formell rechtskräftig geworden ist. Auch die Vorstellungsbehörde griff mit ihrer Zurückweisung der Vorstellung in diese eingetretene Rechtskraftwirkung nicht ein. Die Grenzen der materiellen Rechtskraft dieses Bescheides ergeben sich - wie für jeden anderen Bescheid - aus § 68 AVG.
Als Gründe für die Aufhebung einer Einstellungsverfügung sieht § 40 Abs. 3 Vbg. Baugesetz vor, daß der Grund für ihre Erlassung weggefallen ist. Der Grund für die Erlassung einer Einstellung ist entweder eine Beanstandung nach § 39 Abs. 1 lit. a leg. cit. oder eine solche nach § 39 Abs. 1 lit. b oder c leg. cit. Der Grund für die Erlassung der Baueinstellung im vorliegenden Fall wäre wegfallen, wenn entweder der bewilligungswidrige Zustand behoben worden oder eine entsprechende Baubewilligung erteilt worden wäre. Ein Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung der Einstellungsverfügung gemäß § 40 Abs. 3 leg. cit. ermöglicht jedenfalls nicht - wie der Beschwerdeführer meint - eine neuerliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des bereits formell rechtskräftigen Bescheides über die Baueinstellung. Die belangte Behörde hatte daher im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des formell rechtskräftigen Bescheides über die Einstellung der Bautätigkeiten überhaupt vorgelegen waren. Abgesehen davon wird darauf hingewiesen, daß die die Baubewilligung auslösenden von der Bewilligung abweichenden Baumaßnahmen zu Recht als wesentliche Änderungen im Sinne des § 23 Vbg. Baugesetz und nicht als gemäß § 35 Vbg. Baugesetz nicht bewilligungspflichtige Planabweichungen qualifiziert wurden (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 14. September 1995, Zl. 94/06/0008).
Sofern der Beschwerdeführer rügt, daß keine entsprechenden Ermittlungen über die verschiedenen festgestellten Abweichungen vorgenommen worden seien, genügt es auch darauf hinzuweisen, daß diese nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren. Wie bereits im vorangegangenen Absatz dargelegt, wäre es nicht Aufgabe der belangten Behörde gewesen, die Rechtmäßigkeit der von der Baubehörde ursprünglich verfügten, formell rechtskräftigen Baueinstellung zu prüfen. Vom Beschwerdeführer wird in diesem Zusammenhang weder behauptet, daß er den bewilligungswidrigen Zustand behoben hätte oder ihm mittlerweile für das Bauvorhaben mit seinen Abweichungen eine entsprechende Baubewilligung erteilt worden wäre.
Sofern sich der Beschwerdeführer im Rahmen der Geltendmachung einer Verletzung des Parteiengehörs nach § 37 AVG wiederum auf das Bauverfahren, in dem die Baueinstellung mit Bescheid vom 28. November 1991 ergangen ist, bezieht, ist er darauf zu verweisen, daß dieses Verfahren formell rechtskräftig abgeschlossen wurde und nicht Gegenstand jenes Verfahrens über den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Aufhebung der Baueinstellung ist, welches der vorliegenden Beschwerde zugrundeliegt. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des Parteiengehörs geltend macht, legt er im übrigen auch nicht dar, was er im Falle der Einräumung von Parteiengehör vorgebracht hätte, um dem Verwaltungsgerichtshof in bezug auf die Frage der Wesentlichkeit dieses allfälligen Verfahrensmangels die Beurteilung zu ermöglichen, ob im Hinblick auf dieses Vorbringen nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (siehe § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG).
Wenn der Beschwerdeführer abschließend die Begründung des angefochtenen Bescheides rügt, weil die belangte Behörde zu Unrecht als alleinige Gründe für die Aufhebung einer Baueinstellung angenommen habe, daß der bewilligungswidrige Zustand behoben oder eine entsprechende Baubewilligung erteilt werde, ist der Beschwerdeführer auf die u.a. zu dieser Frage erfolgten, vorangegangenen Ausführungen zu verweisen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers enthält der angefochtene Bescheid auch die nötigen Feststellungen, die aufgrund der verschiedenen, das Bauvorhaben des Beschwerdeführers betreffenden, Verwaltungsverfahren getroffen werden konnten (wie die Aufrechterhaltung des bewilligungswidrigen Zustandes, die Nichterteilung der nachträglichen Bewilligung für die Variante II, die Anfechtung des Auftrages zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes). Dies muß dem Beschwerdeführer auch entgegengehalten werden, wenn er sich gegen die Begründung des Bescheides der Gemeindevertretung vom 27. Oktober 1993 wendet. Die belangte Behörde hat sich überdies mit den Vorstellungsgründen des Beschwerdeführers ausreichend auseinandergesetzt, sodaß es dem Beschwerdeführer möglich war, seine Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof zu verfolgen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handelt es sich bei der Entscheidung gemäß § 40 Abs. 3 zweiter Satz Vbg. Baugesetz nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine Entscheidung, auf die der Beschwerdeführer im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen einen Rechtsanspruch hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Dem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG nicht stattzugeben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des konkreten, nach dem 8. Juni 1994 gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der am 8. Juni 1994 in Kraft getretenen Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Ermessen besondere Rechtsgebiete Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Baurecht Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Berufungsverfahren Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zulässigkeit der Vorstellung Parteistellung und Rechtsansprüche der Parteien (außer der Gemeinde) im VorstellungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994060155.X00Im RIS seit
03.05.2001