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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der R Gesellschaft m.b.H. in T, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Gemeinderat der Gemeinde X, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Widmungssache nach der Steiermärkischen Bauordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 62 Abs. 2 VwGG wird das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 21. Dezember 1989 (eingelangt beim Gemeindeamt am 15. Februar 1990) auf Erteilung einer Widmungsbewilligung für eine Mineral-Recycling-Anlage auf den Grundstücken Nr. 340, 277/1, 277/2, 277/3, 277/4, 273/2, 344/1, 344/4, 327/2 und 282/2 der Katastralgemeinde X gemäß dem Einreichplan (Widmungsplan) des Bauplanungsbüros F, GZ 8843/07 vom 12. Jänner 1990, in Anwendung des § 73 Abs. 2 AVG und des § 3 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 54/1992, sowie des § 119 Abs. 2 des Steiermärkischen Baugesetzes
LGBl. Nr. 59/1995,abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 15. Februar 1990 (Datum des Einlangens) beim Gemeindeamt der Gemeinde X die Erteilung einer Widmungs- und einer Baubewilligung für eine Mineral-Recycling-Anlage auf den im Spruch näher bezeichneten Grundstücken. Nach der Aktenlage ist das Widmungsgebiet zum größten Teil nach dem am 26. Juni 1989 im Gemeinderat der mitbeteiligten Partei beschlossenen "zweiten Flächenwidmungsplan" als "Aufschließungsgebiet - Industrie- und Gewerbegebiet II" gewidmet; diese Widmung wird im Bauzonenplan unter "B 37" wie folgt begründet:
"Mängel:
Aufschließung Haldenabbau
Maßnahmen:
Funktionskonzept, Teilbebauungsplan"
Über das Widmungs- und Bauansuchen der Beschwerdeführerin wurde am 18. Juni 1990 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Mit Schreiben vom 12. Oktober 1990 urgierte die Beschwerdeführerin die Erledigung ihres Antrages und stellte schließlich am 7. Februar 1991 an den Gemeinderat der Gemeinde X einen Devolutionsantrag hinsichtlich des Ansuchens um Widmungsbewilligung. Nach dem Vorhalt der (teilweisen) Widmung der projektgegenständlichen Grundstücke als Aufschließungsgebiet, welche der Erlassung der Widmungsbewilligung hinderlich sei, erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, worin sie - unter Bezugnahme auf eine schriftliche Anfrage der Gemeinde an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Rechtsabteilung 3, vom 22. November 1990 und deren Stellungnahme hiezu - darauf hinwies, daß die sachlichen Voraussetzungen für die AUFHEBUNG der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet aufgrund der vorliegenden Planung als erfüllt anzusehen und die Aufhebung der Widmung "Aufschließungsgebiet" daher zwingend vorzunehmen sei. Bis zu diesem Zeitpunkt lägen aber jedenfalls die Voraussetzungen für die Erteilung der Widmungsbewilligung nach § 32 Abs. 2 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 vor.
Mit Bescheid vom 18. Juli 1991 hat der Gemeinderat das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Erteilung einer Widmungsbewilligung "auf den Grundstücken Nr. 277/2, 277/4, 289, 340 und 356/2, KG X, EZ 89, 113 und 130," abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides bejahte der Gemeinderat zunächst den Übergang der Zuständigkeit im Devolutionswege gemäß § 73 AVG, verwies darauf, daß nach dem zweiten Flächenwidmungsplan der Gemeinde X das für die "gegenständliche ... Anlage vorgesehene Gelände gemäß § 23 Abs. 3 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 (ROG), LGBl. Nr. 1974/27, i.d.F. 1989/15, mit der Kategorie "Aufschließungsgebiet - Industrie- und Gewerbegebiet II" ausgewiesen" sei. Aufschließungsgebiete seien innerhalb des Baulandes gelegene, mangelhaft erschlossene Grundflächen, was nichts anderes bedeute, als daß sie zwar Bauland, aber nicht als solches nutzbar seien. Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 1991 hat die Steiermärkische Landesregierung den Bescheid des Gemeinderates vom 18. Juli 1991 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. In der Begründung dieses Bescheides führte die Vorstellungsbehörde im wesentlichen aus, daß nach § 32 Abs. 2 ROG die Erteilung von Widmungs- und Baubewilligungen nach der Steiermärkischen Bauordnung vor Aufhebung von Bauland als Aufschließungsgebiet im Sinne des § 23 Abs. 3 ROG unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sei; dies habe der Gemeinderat nicht geprüft, sodaß schon aus diesem Grunde Rechte der Beschwerdeführerin durch den Bescheid des Gemeinderates verletzt worden seien.
Mit Bescheid vom 9. April 1992 wies der Gemeinderat den Antrag der Beschwerdeführerin um Erteilung einer Widmungsbewilligung neuerlich ab. Nach einer Darstellung des Verfahrensganges wird in diesem Bescheid begründend ausgeführt, daß sich die Ausnahmebestimmung des § 32 Abs. 2 ROG AUSSCHLIEßLICH (Unterstreichung im Original) auf "fehlende Baulandvoraussetzungen" bezöge; dies bedeute, daß die Möglichkeit der Erteilung einer Widmungs- und Baubewilligung vor Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet im Sinne des § 23 Abs. 3 leg. cit. nur dann gegeben sei, wenn die Ausweisung als Aufschließungsgebiet aufgrund der fehlenden Baulandvoraussetzungen - welche mit der technischen Infrastruktur (= Wasser, Kanal und Straße) gleichzusetzen sei - erfolgt wäre. Im gegenständlichen Fall sei Ursache für die Ausweisung des Baulandes als Aufschließungsgebiet nicht das Fehlen von Baulandvoraussetzungen - welche schon im damaligen Zeitpunkt vorhanden gewesen seien - sondern der Nachweis eines "Teilbebauungsplanes und eines Funktionskonzeptes" gewesen. Da § 32 Abs. 2 ROG nur auf die fehlende technische Infrastruktur abstelle, im konkreten Fall aber "für die Festlegung des Aufschließungsgebietes subjektive Kriterien", welche von § 32 Abs. 2 ROG nicht erfaßt würden, maßgebend gewesen seien, könne und dürfe die Ausnahmebestimmung (gemeint: des § 32 Abs. 2 ROG) hier nicht angewendet werden. Der Gemeinderat habe diese Bestimmung "entgegen der Auffassung der Aufsichtsbehörde" schon bei Erlassung des ursprünglichen Bescheides in die Überlegungen miteinbezogen, sei jedoch "damals wie heute" zu der Auffassung gelangt, daß sie im konkreten Fall "nicht greift". Die Beschwerdeführerin erhob erneut Vorstellung.
Mit Bescheid vom 31. Juli 1992 hat die Steiermärkische Landesregierung die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und sich in der Begründung ihres Bescheides im wesentlichen der Argumentation des Gemeinderates angeschlossen.Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Mit Erkenntnis vom 11. Februar 1992, Zl. 92/06/0190, hat der Verwaltungsgerichtshof den Vorstellungsbescheid vom 31. Juli 1992 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben und dies - nach Hinweisen auf die Bestimmungen der §§ 23 und 32 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 41/1991, wie folgt begründet:
"Aus § 23 Abs. 3 ROG ergibt sich zunächst, daß die Gemeinde nur unter zwei alternativen Voraussetzungen innerhalb des Baulandes ein Aufschließungsgebiet festlegen darf, nämlich aus dem Grund mangelhafter Erschließung im Zeitpunkt der Planerstellung des Flächenwidmungsplanes oder wenn das dort näher bezeichnete öffentliche Interesse der Verwendung als Bauland entgegensteht. Letzteres wurde und wird im Beschwerdefall von keiner Seite behauptet, sodaß - wie auch aus der Aktenlage hervorgeht - im Beschwerdefall nur die erstgenannte Voraussetzung für eine solche Flächenwidmung von Bedeutung ist.
Aus dem Zusammenhang des § 23 Abs. 1 Z. 2 und 3 ROG ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshof ferner abzuleiten, daß eine mangelhafte Erschließung im Sinne des § 23 Abs. 3 ROG dann vorliegt, wenn die vorhandene Aufschließung den in § 23 Abs. 1 Z. 2 ROG vorausgesetzten Umfang zwar nicht erreicht, aber im Sinne des § 23 Abs. 1 Z. 3 ROG mit wirtschaftlich vertretbaren Aufwendungen herstellbar ist, wobei auf die in der zuletzt genannten Bestimmung aufgezählten Belange Bedacht zu nehmen ist. Wäre hingegen eine Aufschließung hinsichtlich dieser Belange unwirtschaftlich, dann dürfte gemäß § 23 Abs. 1 ROG eine Ausweisung als Bauland (und daher auch als Aufschließungsgebiet) von vornherein nicht erfolgen.
Das Erfordernis einer Bebauungsplanung zählt danach nicht zu den Gründen, auf welche die Gemeinde die Festlegung Bauland-Aufschließungsgebiet stützen darf. Dies ergibt sich vor allem auch aus § 23 Abs. 3 vorletzter Satz ROG, wonach der Gemeinderat anläßlich der Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet festzulegen hat, ob eine Bebauungsplanung im Sinne des § 27 Abs. 1 notwendig ist. Eine Festlegung, die bei der Aufhebung der Widmung Aufschließungsgebiet zu treffen ist, kann aber nicht zugleich die Voraussetzung für die Vornahme einer solchen Widmung sein.
§ 32 Abs. 2 ROG läßt eine Widmungs- und Baubewilligung trotz einer bestehenden Widmung im Sinne des § 23 Abs. 3 ROG zu, jedoch (wie die in lit. a und b genannten Fälle zeigen) nur dann, wenn die fehlende Aufschließung der Grund für die Widmung war, und nicht etwa auch im Falle der in § 23 Abs. 3 ROG genannten öffentlichen Interessen. Im Beschwerdefall hat die mitbeteiligte Gemeinde (entsprechend ihrer Verpflichtung, die Gründe für die Festlegung gemäß § 23 Abs. 3 zweiter Satz ROG anzuführen) bei Beschlußfassung über die Widmung "Aufschließungsgebiet - Industrie- und Gewerbegebiet II" als Grund "MÄNGEL: Aufschließung Haldenabbau" angegeben. Die Beantwortung der Frage, ob eine Baubewilligung gemäß § 32 Abs. 2 lit. a und b ROG trotz der vorliegenden Aufschließungs-Widmung erteilt werden kann, hängt somit nur davon ab, ob die im Zeitpunkt der Beschlußfassung des Gemeinderates gegebenen Aufschließungsmängel entweder gleichzeitig mit der Fertigstellung des von der Beschwerdeführerin geplanten Bauvorhabens oder durch dessen Ausführung wegfallen. Umsomehr wären die Voraussetzungen für die Anwendung des § 32 Abs. 2 ROG dann zu bejahen, wenn die Aufschließungsmängel schon jetzt nicht mehr vorlägen und es die Gemeinde nur verabsäumt hätte, den erforderlichen Aufhebungsbeschluß im Sinne des § 23 Abs. 3 ROG zu fassen.
Die belangte Behörde ist daher mit ihrer - dem Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde entsprechenden - Rechtsauffassung, § 32 Abs. 2 ROG sei im Beschwerdefall von vornherein nicht anzuwenden, nicht im Recht:
Die vom Gemeinderat nach der Erläuterung im Bauzonenplan zur Beseitigung der mangelnden Aufschließung für erforderlich gehaltenen "Maßnahmen: Funktionskonzept, Teilbebauungsplanung" sind nämlich vom ausdrücklich angegebenen GRUND der Ausweisung (hier: Aufschließung Haldenabbau) zu unterscheiden; nur dieser Grund bzw. sein Wegfall sind aber im Zusammenhang mit der Anwendung des § 32 Abs. 2 ROG von Bedeutung. Welche Maßnahmen dem Gemeinderat damals zur Beseitigung der Aufschließungsmängel für geeignet erschienen sind, muß hingegen außer Betracht bleiben, weil die Anwendung des § 32 Abs. 2 ROG nicht voraussetzt, daß die Beseitigung der Mängel durch eben diese (von der Gemeinde allenfalls ins Auge gefaßten) Maßnahmen erfolgt sein muß.
Daß im Beschwerdefall Grund für die Ausweisung als "Aufschließungsgebiet" (wenn auch nicht näher bezeichnete) Aufschließungsmängel gewesen sind, nicht aber auch das Fehlen eines Funktionskonzeptes bzw. einer Bebauungsplanung, gebietet nicht nur (erstens) der Wortlaut der wiederholt genannten Erläuterungen, sondern (zweitens) auch der Grundsatz verfassungskonformer Verordnungsinterpretation: Wäre doch die Ausweisung eines (ausreichend aufgeschlossenen) Grundstücks als Aufschließungsgebiet mit der Begründung eines fehlenden "Funktionskonzeptes" bzw. Bebauungsplanes von der dargelegten Rechtslage, wie sie sich aus § 23 Abs. 1 und 3 ROG ergibt, nicht gedeckt, weshalb ein solcher Flächenwidmungsplan insoweit im Verdacht der Gesetzwidrigkeit stünde.
Drittens hat die belangte Behörde aber übersehen, daß sie selbst in ihrem behebenden Vorstellungsbescheid vom 21. Oktober 1991 die Anwendbarkeit des § 32 Abs. 2 ROG (ungeachtet des ihr bekannten Inhaltes des Flächenwidmungsplanes) im Beschwerdefall grundsätzlich bejaht hat. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen und bindet in diesem (seinem tragenden) Grund in der Folge nicht nur die Gemeindebehörden, sondern auch die belangte Behörde selbst, aber auch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. u.a. die Erkenntnisse eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Slg. Nr. 8091/A mit zahlreichen Hinweisen, vom 13. November 1973, Slg. Nr. 8494/A, sowie - aus jüngerer Zeit - vom 13. Dezember 1990, Zl. 89/06/0207). Es war daher dem Gemeinderat, aber auch der belangten Behörde verwehrt, unter Mißachtung dieser Bindung im zweiten Rechtsgang die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 32 Abs. 2 ROG wegen des (angeblich) entgegenstehenden Widmungsgrundes (d.h. trotz insoweit identer Sach- und Rechtslage) nunmehr zu verneinen.
Es ist daher im Beschwerdefall zu Unrecht die Frage ungeprüft geblieben, ob das fragliche Widmungsareal als Industrie- und Gewerbegebiet II für das von der Beschwerdeführerin zur Bewilligung eingereichte Projekt ausreichend aufgeschlossen ist (bzw. spätestens bei Abschluß der Bauarbeiten für das Projekt sein würde), wovon im übrigen die mitbeteiligte Gemeinde in einem aktenkundigen Schreiben an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. November 1990 selbst ausgegangen ist."
Am 13. Jänner 1994 (Datum des Einlangens beim Verwaltungsgerichtshof) erhob die Beschwerdeführerin Säumnisbeschwerde mit der Begründung, die Steiermärkische Landesregierung habe (in Entsprechung des vorzitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes) mit Bescheid vom 30. März 1993 den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde X vom 9. April 1992 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde X verwiesen; dieser Bescheid sei dem Gemeinderat am 5. April 1993 zugestellt worden. Seither sei der Gemeinderat säumig.
Der Verwaltungsgerichtshof stellte die Säumnisbeschwerde dem Gemeinderat der Gemeinde X zu und forderte ihn gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Dieser Beschluß wurde dem Gemeinderat am 7. März 1994 zugestellt.
Mit Schreiben vom 2. Juni 1994 legte der Bürgermeister der Gemeinde X die Verwaltungsakten vor und teilte dem Verwaltungsgerichtshof mit, daß sowohl in der Gemeinderatssitzung vom 24. Juni 1993 als auch in jener vom 16. Dezember 1993 ein Antrag "auf Erteilung einer Widmungsbewilligung" bzw. "Änderung des rechtsgültigen Flächenwidmungsplanes" gestellt worden sei, jedoch nicht die erforderliche Mehrheit habe erlangen können. Es habe daher kein Bescheid erlassen werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof beauftragte daraufhin den Amtssachverständigen der Steiermärkischen Landesregierung, Oberbaurat Dipl.Ing. W., mit Erstattung von Befund und Gutachten zu der Frage, ob und inwieweit hinsichtlich der im Aufschließungsgebiet liegenden Grundstücke
a) Aufschließungsmängel für die Festlegung von Industrie- und Gewerbebetrieb II - Aufschließungsgebiet maßgebend gewesen sind (§ 23 Abs. 3 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes) und ob diese noch bestehen;
b) die Bewilligung des vorliegenden Projekts der Erfüllung der fehlenden Baulandsvoraussetzungen dienen würde oder
c) die gleichzeitige Fertigstellung der fehlenden Baulandvoraussetzungen mit dem Bauvorhaben gesichert ist.
In dem vom Sachverständigen erstatteten Gutachten vom 29. März 1995 heißt es:
"Wie aus dem Einreichplan der R Ges.m.b.H.:
Mineral-Recycling-Anlage X, Widmungsplan M 1:500, verfaßt vom Bauplanungsbüro F, Plan Nr. 8843/07 vom 12.1.1990, hervorgeht, liegt das vorgesehene Areal der ggst. Anlage entsprechend dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde X mit Teilen der Grundstücke Nr. 277/2, 289, 356/2 und 340, KG. X im Aufschließungsgebiet Industrie- und Gewerbegebiet II mit einer Bebauungsdichte von 0,1-1,5. Das Grundstück Nr. 277/4, KG. X, liegt zur Gänze im Freiland.
Im Örtlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde X ist dieser Standortraum als Industrie- und Gewerbegebiet u.a. wie folgt beschrieben:
"Dieses Aufschließungsgebiet umfaßt einen Baulandteil in der Kategorie 1/2 (0,1-1,5) - Abbaugebiet Halde."
Ferner ist u.a. folgendes ausgesagt:
"Bei Neuansiedlungen/Erweiterungen sollen vor einer Vergabe von Widmungs- und Baubewilligungen die Aufschließungserfordernisse durch die Erstellung von Teilbebauungsplänen/Funktionskonzepten geprüft werden, die Umweltverträglichkeit nachgewiesen werden und wird dies einen wichtigen Aspekt der Gemeindeentwicklung (Inversionslage im Winter) beinhalten."
Im Wortlaut des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde X sind die Gründe für die Festlegung der ggst. Grundflächen als Aufschließungsgebiet mit nachstehender Textierung angeführt:
"§ 7 Die Gründe für die Festlegung von Grundflächen als Aufschließungsgebiete sind in den Erläuterungen zum Bauzonenplan ausgeführt und bilden einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung. Die Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet hat der Gemeinderat nach Erfüllung der Aufschließungserfordernisse unter Anführung der Gründe für die Aufhebung und der Festlegung, ob eine Bebauungsplanung notwendig ist, mit 2/3-Mehrheit zu beschließen."
Im Bauzonenplan der Gemeinde X ist zum ggst.
Aufschließungsgebiet nachstehendes ausgesagt:
"B 37 X/Aufschließungsgebiet
Industrie- u. Gewerbegebiet I/2 (0,1-1,5);
Mängel: Aufschließung Haldenabbau.
Maßnahmen: Funktionskonzept, Teilbebauungsplanung."
ad a) Wie das Bauamt X erläutert, läßt der Widmungsplan M 1:500
f.d. Mineral-Recycling-Anlage X, Plan Nr. 8843/07 v. 12.1.1990 in Verbindung mit dem Lageplan 1:1000 f.d. Neubau Flugdach Nord der T-Anlage X, Plan Nr. 9217/01 v.4. Juni 1992 (Vorabzug Planungsstand 6. Juli 1992) erkennen, welche Funktionen und welche Bebauung zum Tragen kommen sollen.
Diese Unterlagen ersetzen nach Auffassung des Bauamtes X inhaltlich voll die f.d.ggst. Aufschließungsgebiet als Maßnahme genannten Punkte: Funktionskonzept sowie Teilbebauungsplan.
Hinsichtlich des seinerzeit gegebenen und nach wie vor
bestehenden Aufschließungsstandes des ggst.
Aufschließungsgebietes ist auszuführen, daß Wasserversorgung aus dem öffentlichen Leitungsnetz gegeben ist, daß eine nutzbare Aufschließungsstraße zum Areal führt (die jedoch nicht optimal ausgebildet ist), daß aber hinsichtlich der im Zuge der Aufschließung zu fordernden Abwasserbeseitigung mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserreinigung festzustellen ist, daß eine solche weder vorhanden ist noch sich in Bau befindet.
Wie das Bauamt X feststellt, ist ein Anschluß an die öffentliche Kanalisation in diesem Gebiet nicht vorhanden, jedoch vorgesehen (Anm.: In der, der Gemeinde X als Richtlinie f.d.Kanalisationserweiterungen dienenden Abwassertechnischen Raumstudie Aichfeld M 1:25.000, verfaßt von Dipl.-Ing. E, GZ. 46/67, ist hinsichtlich des ggst. Bereiches (Nordteil) Kanalisation als dringend erforderlich dargestellt).
Die Erteilung von Widmungsbewilligungen nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968 in Verbindung mit § 23 Abs. 3 ROG 1974 hat zur Voraussetzung, daß entweder zuvor eine Aufhebung der Festlegung des betroffenen Baulandes als Aufschließungsgebiet erfolgt ist oder die Bewilligungen der Erfüllung der fehlenden Baulandvoraussetzungen dienen oder die gleichzeitige Fertigstellung der fehlenden Baulandvoraussetzungen mit dem Bauvorhaben gesichert ist.
Da der Gemeinderat von X in seiner Sitzung vom 16.12.1993 der Aufhebung des Aufschließungsgebietes Industrie- und Gewerbegebiet II nicht zugestimmt hat, ergibt sich die Notwendigkeit, daß in Hinblick auf das vorliegende Bauplatz-Widmungsbewilligungsansuchen der Fa. R Ges.m.b.H. geprüft wird, ob die (Bauplatz-)Widmungsbewilligung der Erfüllung der fehlenden Baulandvoraussetzungen dient oder die gleichzeitige Fertigstellung der fehlenden Baulandvoraussetzungen mit dem Bauvorhaben gesichert ist.
ad b) Die Frage, ob die Widmungsbewilligung für die ggst.
Mineral-Recycling-Anlage der Erfüllung der fehlenden Baulandvoraussetzungen dient.
Entsprechend dem eingangs zitierten Plan Nr. 8843/07 (Mineral-Recycling-Anlage X, Widmungsplan) sind die Errichtung einer Aufgabestation, von Brecheranlagen, Förderbändern, überdachter Boxen-Zwischenlager, eines überdachten Vorbunkers und einer Halle als Recycling-Anlage) vorgesehen. Hinsichtlich fehlender Baulandvoraussetzungen (technische Infrastruktur d.h. Erschließung mit Wasser, Kanalisation und Straße) sind im Projekt keine Maßnahmen enthalten, die der Erfüllung fehlender Baulandvoraussetzungen dienen.
Gemäß Stellungnahme des Bauamtes X ist die Versorgung mit Trinkwasser aus dem öffentlichen Leitungsnetz der Gemeinde X vorhanden.
Hinsichtlich der Straßenerschließung hat die Gemeinde X bei der gewerberechtl. Verhandlung der Bezirkshauptmannschaft Judenburg bezüglich die ggst.
Mineralrecylinganlage am 18.6.1990 zu Protokoll gegeben:
"Im Rahmen des Betriebsanlagenbewilligungsverfahrens wird von der Gemeinde X gefordert, dem Konsenswerber aufzutragen, eine entsprechende verkehrsmäßige Erschließung der Betriebsanlage vorzunehmen. So soll insbesondere die derzeit vorhandene Zufahrt aus dem Westen von der J-Straße entsprechend adaptiert und staubfrei gemacht werden und andererseits hat eine Straßeneinbindung in Richtung Osten in den Bereich der A-Straße zu erfolgen. Diese Straßeneinbindung hat technisch in der Art vorgenommen zu werden, daß 2 LKW ungehindert aneinander vorbeifahren können. Diese Forderung der Gemeinde X ist im öffentlichen Interesse einer Verkehrsberuhigung im Bereich des Kreuzungsbereiches J-Straße zu sehen und hat andererseits eine Entflechtung des Ortsverkehrs von ostseitig zufahrenden LKW im Zentrum zu gewährleisten."
Wie aus der vorangeführten Stellungnahme zu ersehen ist, verwendet die Gemeinde X nicht ausdrücklich den Begriff "Aufschließungserfordernis Straßenerschließung", sondern, sie weist deutlich darauf hin, daß im Zuge des Betriebsanlagenbewilligungsverfahrens die Verkehrserschließung im Westen entsprechend zu adaptieren ist - bei Hinzufügung einer Ostzufahrt.
Zur vorzitierten Stellungnahme der Gemeinde X wurde von der Fa. R GmbH zum Abschluß der gewerberechtlichen Verhandlung vom 18.6.1990 folgendes festgehalten:
"Die derzeitige Betriebszufahrt führt über die Liegenschaft der V; für die Benützung dieser Straße besteht eine privatrechtliche Vereinbarung.
Die Einbindung der Zufahrtstraße von der J-Straße ist gem. Planung und Gutachten der Landesstraßenverwaltung in Ordnung und entspricht den verkehrstechnischen Anforderungen. Die Fa. R GmbH ist nicht bereit, für das geringe zusätzliche Verkehrskaufkommen von ca. 2 LKW-Fahrten pro Tag, einer von der Gemeinde geforderten Straßenausbau-Tangente von der J-Straße zur A-Straße zuzustimmen bzw. die damit verbundenen Kosten zu übernehmen.
Die Fa. R GmbH erklärt sich bereit, die derzeitige Zufahrtsstraße, welche südseitig des Montanmuseums vorbeiführt, staubfrei zu befestigen, sodaß Staubbelästigungen im Bereich des Museums vermieden werden.
Sollte die Gemeinde X am Ausbau der Tangentenstraße interessiert sein und diesen realisieren, so ist die Fa. R GmbH bereit, den für die Staubfreimachung erforderlichen Kostenaufwand für den Ausbau dieser Straße bereitzustellen."
Im gewerberechtlichen Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 17.07.1990, GZ.: 4.1 Ru 21-90, ist hinsichtlich der Zufahrtsstraße im bautechnischen Befund auf den Seiten 2 und 3 folgendes ausgesagt:
"Aufgrund der angegebenen Kapazität von 24 t pro Tag ist mit einer zusätzlichen Verkehrsfrequenz von 2 LKW für die Zufuhr des Rohmaterials und 2 LKW für den Abtransport des aufbereiteten Materials zu rechnen. Die vorhandene Aufschließung ist daher für dieses eher geringe zusätzliche Verkehrsaufkommen geeignet. Der Stellungnahme der Gemeinde X ist zu entnehmen, daß es vorgesehen ist, auch zur östlich liegenden Landesstraße eine Einbindung herzustellen. Diese zusätzliche Verkehrsaufschließung ist sicherlich für das gesamte Industriegebiet von Bedeutung, stellt aber keine Voraussetzung für die gegenständliche Betriebsanlage aus der Sicht des Amtssachverständigen dar."
Wie DDr. Wolfgang R.J. Hauer in seinem Buch "Steiermärkisches Baurecht" zu § 23 Abs. 3 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 u.a. ausführt, sind Aufschließungsgebiete innerhalb des Baulandes gelegene, mangelhaft erschlossene Grundflächen. Sie sind zwar Bauland, jedoch als solches noch nicht nutzbar. Im ggst. Fall ist eine Straßenaufschließung vorhanden, bei der eine zukünftige Verbesserung und Ergänzung zwar aus Sicht der Gemeinde X anläßlich der gewerberechtl. Verhandlung gefordert wurde, die aber für die vorgesehene Betriebsanlage ausreicht, eine nutzbare Erschließungsstraße darstellt und daher die Aufschließung ermöglicht.
Hinsichtlich des Aufschließungserfordernisses "Straße" wird im übrigen auf den beiliegenden AV. über das Ergebnis einer diesbezüglichen Besprechung mit der FA. A (Generalverkehrsplanung und Koordinierung) verwiesen. Da die nutzbare Erschließungsstraße benützt werden soll, beinhaltet das Projekt keine Straßenbaumaßnahmen, die der Erfüllung fehlender Baulandvoraussetzungen dienen.
Hinsichtlich des Aufschließungserfordernisses "Abwasserbeseitigung mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserreinigung" geht aus dem gewerberechtl. Bescheid der BH Judenburg v. 17.7.1990, GZ.: 4.1 Ru 21-90 folgendes hervor: "Ein Kanalanschluß ist in diesem Gebiet nicht vorhanden."
Anläßlich der Gemeinderatssitzung in X v. 24.6.1993 wurde in der Debatte über den Widmungsbewilligungsantrag d. Fa. R GmbH u.a. die Frage aufgeworfen, ob die Abwasserentsorgung keine Rolle spiele, und daran die Anregung angefügt, dieser Umstand solle geprüft werden.
Wie das Bauamt X feststellt, ist ein Anschluß an die öffentliche Kanalanlage in diesem Gebiet (Aufschließungsgebiet Industrie- und Gewerbegebiet 1/2, Bebauungsdichte 0,1-1,5) nicht vorhanden, jedoch vorgesehen.
Daher wurde die Fachabteilung IIIa (Wasserwirtschaft) in abwassertechnischer Hinsicht um Stellungnahme ersucht, welche unter GZ.: LBD-IIIa 34 Fo 3-9 v. 28.3.1995 abgegeben wurde. Da das Projekt eine Abwasser-Einleitung in eine Sammelgrube vorsieht, werden damit nicht in abwassertechnischer Sicht fehlende Baulandvoraussetzungen erfüllt.
ad c) Wie das Bauamt X feststellt, ist die Versorgung des ggst.
Aufschließungsgebietes Industrie- und Gewerbegebiet 2 mit Trinkwasser aus dem öffentlichen Leitungsnetz der Gemeinde X vorhanden und als gegebene Baulandvoraussetzung anzusehen. Da die nutzbare, vorhandene Erschließungsstraße benützt werden soll, ist nicht davon auszugehen, daß gleichzeitige Fertigstellung einer fehlenden straßenbaulichen Baulandvoraussetzung mit den Bauvorhaben gesichert ist.
Ein Anschluß des ggst. Aufschließungsgebietes an die öffentliche Kanalanlage ist nicht vorhanden, jedoch grundsätzlich entsprechend der Stellungnahme des Bauamtes Zeltweg vorgesehen, wobei keine Terminangabe abgegeben werden kann. Die Fachabteilung IIIa weist dazu darauf hin, daß diese Frage von ihr nicht beantwortet werden kann, da dies im Entscheidungsbereich der Gemeinde liegt (die z.B. die Kanalisation u.U. so zeitgerecht errichten könnte, daß die gleichzeitige Fertigstellung der fehlenden Baulandvoraussetzungen in bezug auf Abwasser mit dem Bauvorhaben gesichert sein könnte). -
Da auch andere als direkt raumplanungstechnische Fragen zu beantworten waren, wurden hinsichtlich Abwasserbeseitigung mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserreinigung die Fachabteilung IIIa und hinsichtlich der Straßenerschließung die Fachabteilung IIa beigezogen, worüber der Verwaltungsgerichtshof hiemit verständigt wird.
Aufgrund des vorstehenden Befundes ergeht nachstehendes
GUTACHTEN
a)
Als Aufschließungsmangel der im Aufschließungsgebiet Industrie- und Gewerbegebiet 2, Bebauungsdichte 0,1-1,5, gelegenen Grundstücke bestand seinerzeit - unbeschadet des genannten Funktionskonzepts und der genannten Teilbebauungsplanung - der Mangel des Fehlens einer Abwasserbeseitigung mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserreinigung. Dieser Mangel besteht nach wie vor, da die im ggst. Aufschließungsgebiet gelegenen Grundstücke weder eine Aufschließung in Bezug auf Abwasserbeseitigung und -reinigung im vorgenannten Sinn aufweisen noch eine derartige abwassertechnische Aufschließung in Bau befindet.
Die derzeitige Ausbildung der bestehenden Straßenaufschließung ist dermaßen, daß sie auf Grund der geringen gegebenen und zu erwartenden Frequenz als geeignet anzusehen ist, wobei zur Verbesserung ein Verkehrsspiegel zur besseren Sicht anzubringen ist. Wird kein Verkehrsspiegel angebracht, so ist auf Grund der teilweisen, relativen Enge der Zufahrt auf eine Länge von ca. 70 m ein Begegnen von Schwerfahrzeugen nicht möglich, wodurch aber keine langen Wartezeiten verursacht werden. Die bestehende Zufahrts-Anlage dient bereits jetzt als Industrie- bzw. Gewerbe-Zufahrt (f.d.Betrieb "T"), sodaß diese Funktion auch bei geringer Frequenz-Zunahme noch in vertretbarer Weise gewährleistet sein wird.
b)
Die Bewilligung des vorliegenden Projekts würde aus folgenden Gründen nicht der Erfüllung fehlender Baulandvoraussetzungen dienen:
1.
Die Wasserversorgung aus dem öffentlichen Leitungsnetz der Gemeinde X ist vorhanden.
2.
Es besteht eine nutzbare Aufschließungsstraße, hinsichtlich welcher die Gemeinde X bei der gewerberechtlichen Verhandlung vom 18.6.1990 eine Verbesserung und Ergänzung gefordert hat, hinsichtlich welcher das Bauamt jedoch im Bescheidentwurf für die Baugrundwidmung vom 21.6.1993 auf Seite 6 (bzw. S 272 der Seitendurchnummerierung) die Aussage getroffen hat "Für die verfahrensgegenständliche Anlage sind die von der Gemeinde X zu erbringenden Aufschließungserfordernisse Verkehr vorhanden." Diese Aussage erscheint auch unter dem Aspekt der von der FA. A getroffenen Feststellung als zutreffend.
3.
Die beantragte Abwasserentsorgung für die geplante Recycling-Anlage in Form einer Ableitung zu der benachbarten Senkgrube der T-Anlage stellt für ein Aufschließungsgebiet keine dem Stand der Technik entsprechende Abwasserentsorgungsanlage dar. Eine Bewilligung der Recycling-Anlage mit der geplanten Einleitung in eine bestehende Sammelgrube würde aus abwassertechnischer Sicht nicht der Erfüllung der fehlenden Baulandvoraussetzungen für das gesamte Aufschließungsebiet dienen.
c)
Die gleichzeitige Fertigstellung der fehlenden Baulandvoraussetzungen mit dem Bauvorhaben ist aus folgenden Gründen nicht gesichert:
Eine Herstellung des Anschlusses des ggst.
Aufschließungsgebietes bzw. des vorgesehenen Bauplatzes an die öffentliche Kanalanlage, deren Stränge zur vollbiologischen Kläranlage der Gemeinde X (dem Stand der Technik entsprechende Abwasserreinigung) führen, - gleichzeitig mit dem Bauvorhaben - ist nicht vorgesehen. Grundsätzlich ist der vorgenannte Anschluß entsprechend der Stellungnahme des Bauamtes X vorgesehen, wobei derzeit keine Terminangabe für die Durchführung möglich ist."
Der Verwaltungsgerichtshof übermittelte dieses Gutachten den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens zur Stellungnahme.
In der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 19. Mai 1995 heißt es u.a.:
"Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß durch den Betrieb der Mineral-Recycling-Anlage selbst keine industriellen Abwässer anfallen, sodaß die Einleitung der durch die beschäftigten Mitarbeiter verursachten Abwässer in die Sammelgrube, wie im Projekt vorgesehen, ausreichend sein dürfte.
Die Beschwerdeführerin erklärt jedoch ausdrücklich bereit zu sein, einen Anschluß an das öffentliche Kanalnetz der Gemeinde X auf eigene Kosten herzustellen, wobei eine Einleitung in jenen Kanalstrang möglich wäre, welcher den östlichen Ortsteil von X entsorgt und von der geplanten Mineral-Recycling-Anlage der Beschwerdeführerin rund 250 m entfernt ist. Um Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung wird unter einem bei der BH Judenburg angesucht.
Die Beschwerdeführerin weist darüber hinaus darauf hin, daß sich dem aktenkundigen Schreiben der Gemeinde X vom 22. November 1990 eindeutig entnehmen läßt, daß die Gemeinde X selbst auf dem Standpunkt steht, daß das fragliche Widmungsareal ausreichend aufgeschlossen ist, da die Gemeinde X beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung angefragt hat, ob die Bestimmung des § 23 Abs. 3 Stmk ROG, wonach der Gemeinderat mit 2/3-Mehrheit die Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet zu beschließen hat, als Muß-Bestimmung zu verstehen ist.
Selbst wenn derzeit noch Aufschließungsmängel vorhanden sind, muß davon ausgegangen werden, daß diese Aufschließungsmängel durch den unmittelbar bevorstehenden Ausbau des örtlichen Kanalnetzes (die Gemeinde hat bereits den Auftrag, ein einreichungsfähiges Projekt auszuarbeiten, erteilt) spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses der Bauarbeiten für die Errichtung der Mineral-Recycling-Anlage beseitigt sein würden.
...
Sollte der Verwaltungsgerichtshof dies für erforderlich halten, wird beantragt, das gegenständliche Widmungsverfahren bis zum Vorliegen einer rk.-Genehmigung nach dem Wasserrechtsgesetz zu unterbrechen."
Der Gemeinderat äußerte sich in einer Stellungnahme vom 20. Juli 1995 dazu wie folgt:
"Eine Bewilligung der Recyclinganlage mit der geplanten Einleitung in eine bestehende Sammelgrube würde aus abwasser-technischer Sicht nicht der Erfüllung der fehlenden Baulandvoraussetzungen für das gesamte Aufschließungsgebiet dienen.
Wenn nun (die Beschwerdeführerin) mit Schriftsatz vom 19.5.1995 darauf hinweist, daß ... seitens der Gemeinde X der Standpunkt dargestellt wurde, daß das fragliche Widmungsareal ausreichend aufgeschlossen ist, so darf diesbezüglich auf die Rechtsmeinung höheren Ranges durch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung verwiesen werden, der sich auch die Gemeinde X anzuschließen hat.
Mit Schriftsatz vom 19. Mai 1995 erklärte sich die Beschwerdeführerin ausdrücklich bereit, einen Anschluß an das öffentliche Kanalnetz der Gemeinde X auf eigene Kosten herzustellen ...
Hiezu darf angemerkt werden, daß die Projektunterlagen für diese Entsorgung der Abwasseranlage der Gemeinde X nicht bekannt sind und diesbezüglich seitens der Gemeinde X auch keine Stellungnahme abgegeben werden kann.
Grundsätzlich darf festgehalten werden, was den Ausbau des öffentlichen Kanalnetzes betrifft, d.h., daß der Gemeinde X Prioritäten im bestehenden Siedlungsgebiet
- D-Dorf-S-Weg-R-Berg - gesetzt werden mußten, da wiederholt in diesem bereits bestehenden Siedlungsgebiet wasserpolizeiliche Mißstände zur Anzeige gebracht wurden. Es bestand daher Handlungsbedarf in diesen Ortsteilen das öffentliche Kanalnetz zu erweitern.
Der Ordnung halber weist jedoch die Gemeinde X auf die gewerberechtliche Genehmigung bezüglich der Betriebsanlage (ergänze: der Beschwerdeführerin) durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 12. April 1995 ... hin, die das Betriebsanlagengenehmigungsverfahren abschließt. Dieser Bescheid sieht in Auflagepunkt 54 vor, daß die Abwässer aus der Sanitäranlage in eine dichte Senkgrube zu leiten sind. Eine Versickerung ist unzulässig.
Somit ergibt sich eine widersprüchliche Darstellung des Projektes der Mineral-Recycling-Anlage vor der Widmungsbehörde und vor der Gewerbebehörde, die zunächst auch mit dem Beschwerdeführer abzuklären sein wird.
Aus dem oben angesprochenen Gutachten für örtliche Raumplanung und Gemeindeentwicklung ergibt sich auch, daß mit der Fertigstellung des Bauvorhabens die fehlenden Baulandvoraussetzungen nicht erfüllt werden ...
Seitens der Gemeinde muß darauf verwiesen werden, daß die Entsorgungssituation einer derartigen Anlage und deren Änderung wohl eine wesentliche Änderung des Gesamtprojektes darstellen, sodaß unseres Erachtens die einseitige Erklärung des Beschwerdeführers auf eigene Kosten einen Kanalstrang herzustellen, nicht ausreichen kann, um Basis für die Genehmigung dieser Anlage zu sein.
..."
Diesem Schreiben lag der bezogene Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 12. April 1995 betreffend gewerbliche Betriebsanlage der Beschwerdeführerin bei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist ersichtlich, daß die Steiermärkische Landesregierung mit Bescheid vom 30. März 1993 den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde X vom 9. April 1992 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde X verwiesen hat. Dieser Bescheid wurde der Gemeinde X am 7. April 1993 (Einlangen beim Gemeindeamt) zugestellt. Die am 13. Jänner 1994 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Säumnisbeschwerde ist daher - zumal die Beschwerdeführerin zuvor auch die oberste Behörde, die im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, angerufen hat - im Sinne des § 27 VwGG zulässig (zur Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde gegen die Säumnis des Gemeinderates vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 8. September 1969, Slg. Nr. 7626/A, und das Erkenntnis vom 9. Juni 1978, Slg. Nr. 9590/A, uva.).
Vorausgeschickt sei ferner, daß der Verwaltungsgerichtshof auf Grund des (zulässigen) Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin (wegen Untätigkeit des Bürgermeisters als Widmungsbehörde erster Instanz) anstelle des Gemeinderates der Gemeinde X, jedoch - in Anwendung des § 73 Abs. 2 AVG - in erster Instanz zu entscheiden hat.
Mittlerweile ist das Steiermärkische Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995, gemäß dessen § 120 am 1. September 1995 in Kraft getreten. Es sieht jedoch in den Übergangsbestimmungen des § 119 Abs. 2 ausdrücklich vor, daß die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher - weiterhin - die Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, zuletzt geändert durch die Novelle LGBl. Nr. 94/1992, anzuwenden.
Auch die im Beschwerdefall maßgebende Bestimmung des § 32 Abs. 2 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127/1974 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 1/1995, wurde durch Art. II des Landesgesetzes LGBl. Nr. 59/1995 in der Weise abgeändert, daß es anstelle der Worte "vor Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet im Sinne des § 23 Abs. 3 ist die Erteilung von Widmungs- und Baubewilligungen nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, zulässig, wenn ..." nunmehr heißt "Vor Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet im Sinne des § 23 Abs. 3 ist die Erteilung von Festlegungs- und Baubewilligungsbescheiden nach dem Steiermärkischen Baugesetz zulässig, wenn ...". Diese Änderung steht in offenkundigem Zusammenhang mit den tiefgreifenden Änderungen des Steiermärkischen Baurechts durch das Steiermärkische Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995, bezieht sich in mehrfacher Hinsicht auf Rechtsinstitute dieses Gesetzes und ist daher - ungeachtet des Umstandes, daß der Novelle zum Steiermärkischen Raumordnungsgesetz 1974 eine dem § 119 Abs. 2 BauG vergleichbare Übergangsbestimmung nicht beigegeben wurde - nur im Zusammenhang mit den neuen Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes anzuwenden. Soweit daher nach der Übergangsbestimmung des § 119 Abs. 2 des Steiermärkischen Baugesetzes anhängige Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen sind, bezieht sich dies auch jedenfalls auf jene Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes, deren novellierte Fassung ohne die materiellen Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes sinnvollerweise nicht angewendet werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher - weiterhin - § 32 Abs. 2 ROG in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 59/1995, anzuwenden.
Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens und der dazu erstatteten Äußerungen der Beschwerdeführerin und des Gemeinderates steht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes fest, daß zumindest ein für die Widmung der Grundstücke 277/2, 277/4, 340, 356/2 und 289 als Aufschließungsgebiet - Industrie- und Gewerbegebiet II maßgebender Aufschließungsmangel - nämlich der fehlende Kanalanschluß - nach wie vor besteht. Die für die Herstellung eines Anschlusses an das öffentliche Kanalnetz der Gemeinde X erforderlichen Bewilligungen liegen - wie die Beschwerdeführerin selbst einräumt - nicht vor. Ehe solche Bewilligungen vorliegen, kann aber die "gleichzeitige Fertigstellung der fehlenden Baulandsvoraussetzungen mit dem Bauvorhaben" im Sinne des § 32 Abs 2 lit. b des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 nicht als GESICHERT angesehen werden. Dies wäre aber Voraussetzung dafür, daß ungeachtet der Widmung der oben genannten Grundstücke als "Aufschließungsgebiet" eine Widmungsbewilligung erteilt werden dürfte.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag der Auffassung der Beschwerdeführerin, es genüge im Beschwerdefall eine anderweitige Abwasserentsorgung, aus folgenden Gründen nicht zu folgen:
Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 2 ROG dürfen als vollwertiges Bauland nur Grundflächen festgelegt werden, die u.a. eine Aufschließung einschließlich Abwasserbeseitigung mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserreinigung aufweisen oder diese sich im Bau befinden. Wenn daher die Gemeinde X die fraglichen Grundstücke der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die fehlende Erschließung durch eine solche Abwasserbeseitigung nur als Aufschließungsgebiet ausgewiesen hat, so kann ihr darin nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Ob im Einzelfall auch eine andere für die Umwelt ungefährliche Abwasserentsorgung möglich wäre, ist nicht entscheidend, zumal hier der planenden Gemeinde innerhalb der ihr vom Stmk Raumordnungsgesetz gezogenen Grenzen ein eigenständiger Beurteilungsspielraum zukommt. Durfte die Gemeinde aber die fraglichen Grundstücke vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund als Aufschließungsgebiet widmen, bestehen insoweit nicht nur keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwimungsplanes; es ist auch bei Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erteilung einer Widmungsbewilligung im Sinne des § 32 Abs. 2 ROG nicht zu prüfen, ob irgendeine - auch unschädliche - Abwasserbeseitigung möglich ist, sondern - wegen der insoweit Vorrang genießenden Planungsentscheidung der Gemeinde - lediglich, ob die Beseitigung gerade des für die Ausweisung als Aufschließungsgebiet maßgebenden Mangels gesichert ist.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegen auch die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG nicht vor: Dies setzte nämlich voraus, daß der Verwaltungsgerichtshof bei Erteilung der Widmungsbewilligung die Wahl hätte, eine strittige Vorfrage selbst zu entscheiden oder die Hauptfragenentscheidung der zuständigen Behörde abzuwarten. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor, zumal die (sonstige) Bewilligungsfähigkeit des - von der Beschwerdeführerin nicht näher konkretisierten - Kanalanschlußprojektes vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Verfahren nicht als Vorfrage zu beurteilen ist: Das Erfordernis der Sicherung der Aufschließung, wie sie in § 32 Abs. 2 lit. b ROG normiert ist, setzt vielmehr - als aus dem Sinn der gesetzlichen Bestimmung erschließbare Tatbestandsvoraussetzung - auch das Vorliegen rechtskräftiger Bewilligungsbescheide voraus, soweit solche erforderlich sind.
Das Widmungsansuchen der Beschwerdeführerin mußte daher (derzeit) abgewiesen und der Antrag der Beschwerdeführerin, das Verfahren bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Genehmigung nach dem Wasserechtsgesetz zu unterbrechen, mangels gesetzlicher Grundlage zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff insbesondere § 55 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994060012.X00Im RIS seit
12.11.2001