Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §67d impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des Dr. J in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. Oktober 1994, Zl. UVS-08/06/00586/94, betreffend Übertretung nach dem Wiener Parkometergesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 19. April 1994 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug am 3. November 1993 um
15.19 Uhr in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen entwerteten Parkschein gesorgt zu haben, weil der verwendete Parkschein insoferne unrichtig entwertet gewesen sei, als er die Eintragung "3.11.1993,
15.45 Uhr" getragen habe. Hiedurch habe der Beschwerdeführer die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt. Der Beschwerdeführer habe § 1 Abs. 3 iVm § 4 Abs. 1 Parkometergesetz, LGBl. für Wien Nr. 47/1974, verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von S 500,-- verhängt.
Die erstinstanzliche Behörde folgte den Angaben des Meldungslegers in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 15. Februar 1994. Der Rechtfertigung des Beschwerdeführers, wonach er seinen Arbeitsplatz erst nach 15.19 Uhr verlassen und das Fahrzeug erst nach 15.30 Uhr in der in Rede stehenden Kurzparkzone abgestellt habe, schenkte sie keinen Glauben. Die der schriftlichen Rechtfertigung (einer Ladung zu seiner Einvernahme leistete der Beschwerdeführer nicht Folge) beigeschlossene Gleitzeitkarte lasse nicht erkennen, wann der Beschwerdeführer seinen Arbeitsplatz verlassen habe, beziehungsweise wann er wieder dorthin zurückgekehrt sei.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die Berufung des Beschwerdeführers, in der er darlegte, aus der Kopie seiner Stempelkarte gehe hervor, daß er um 15.27 Uhr (die Stempelkarte gebe die Unterteilung der Stunde nicht in Minuten, sondern in Dezimalzahlen an) seinen Arbeitsplatz verlassen hätte. Erst rund zehn Minuten später, also etwa um 15.37 Uhr, sei er bei der in Rede stehenden Kurzparkzone eingetroffen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Der vorgelegten Stempelkarte sei lediglich zu entnehmen, daß er um 15.27 Uhr seinen Arbeitsplatz verlassen habe, nicht jedoch, daß sein Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt in der gegenständlichen Kurzparkzone nicht abgestellt gewesen sei. Die vorgelegte Stempelkarte sei daher nicht geeignet, die glaubwürdigen Angaben des Meldungslegers zu widerlegen. Von der Durchführung einer Verhandlung sei gemäß § 51e Abs. 2, erster Fall, VStG Abstand genommen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, welche Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beschwerdeführer, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, eine mündliche Verhandlung über seine Berufung abzuhalten. In deren Zuge hätte die belangte Behörde nicht nur den Beschwerdeführer selbst, sondern auch den Meldungsleger sowie weitere Beweispersonen einzuvernehmen gehabt, um ihren Verdacht, der Beschwerdeführer hätte sein Kraftfahrzeug schon vor Beginn jenes Aufenthaltes an seinem Arbeitsplatz, der kurz vor 15.30 Uhr geendet habe, in der in Rede stehenden Kurzparkzone abgestellt, einer näheren Überprüfung zu unterziehen.
§ 51e VStG lautet auszugsweise:
"(1) Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.
(2) Wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, dann ist eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.
(3) Von der Verhandlung kann abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erfolgen.
(4) ..."
Die belangte Behörde hat von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 51e Abs. 2, erster Fall VStG Abstand genommen, ohne daß die Voraussetzungen dieser Bestimmung vorlagen. Der Beschwerdeführer hat in der Berufung die Begehung der Tat bestritten, indem er unter Hinweis auf die Eintragungen in seiner Stempelkarte darlegte, daß er frühestens um 15.37 Uhr am Parkplatz angekommen sein könne, er mit
15.45 Uhr den Parkbeginn daher richtig in den Parkschein eingetragen habe und die Angabe des Meldungslegers, das Fahrzeug sei bereits um 15.19 Uhr in der Kurzparkzone abgestellt gewesen, deshalb unrichtig sei. Dieses Vorbringen ist eine Tatsachen- und keine Rechtsrüge. Von ihm wurde daher nicht nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet. Die Berufung richtet sich auch nicht etwa nur gegen die Höhe der Strafe. Die belangte Behörde hat daher dadurch gesetzwidrig gehandelt, daß sie ohne gesetzlichen Grund von der Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung absah. Für den Fall gesetzmäßigen Vorgehens hätte sie im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 51i VStG bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist.
Der Verstoß gegen die verfahrensrechtliche Bestimmung des § 51e VStG stellt jedenfalls einen Verfahrensmangel dar, der, wie andere Verfahrensfehler auch, dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt, wenn die belangte Behörde bei Einhaltung derselben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG).
Da nun der Beschwerdeführer den von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang aufgestellten Erfordernis, in der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde die Relevanz des Verfahrensmangels darzutun, entsprochen hat, indem er die Möglichkeit darlegte, daß die belangte Behörde durch seine und des Meldungslegers unmittelbare Einvernahme zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995170004.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
10.05.2011