TE Vwgh Beschluss 1995/10/17 95/08/0266

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Veröffentlicht am 17.10.1995
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
B-VG Art130 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der E in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, L, gegen das Schreiben des Landesgeschäftsführers der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 14. August 1995, Zl. B1-AlV-7025-7-B, betreffend Rückerstattung von angefallenen Facharztkosten, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit der vorliegenden Beschwerde bekämpft die Beschwerdeführerin das nachstehende, an sie gerichtete Schreiben des Landesgeschäftsführers der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 14. August 1995:

"Betreff: Ihr Schreiben (Berufung) vom 26.7.1995 an das Arbeitsmarktservice Freistadt bezüglich der Rückerstattung von angefallenen Facharztkosten;

Sehr geehrte Frau E

Grundsätzlich kann eine Berufung im Verwaltungsverfahren nur gegen einen Bescheid einer untergeordneten Behörde (Instanzenzug) eingebracht werden. Bezüglich der Nichterstattung der Ihnen entstandenen Facharztkosten von S 800,-- haben Sie keinen Bescheid erhalten und sieht das hier zur Anwendung kommende Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) 1991 eine Bescheidausstellung für Kostenersätze unter gegebenen Umständen auch nicht vor. Das unter Betreff zitierte Schreiben kann daher nicht als Berufung anerkannt werden.

Die Refundierung der Ihnen entstandenen Facharztkosten wird abgelehnt, weil Ihnen das Arbeitsmarktservice Freistadt keinen Auftrag zur fachärztlichen Untersuchung bei Herrn Dr. B erteilt hat.

Gemäß § 74 Abs. 1 AVG 1991 haben Beteiligte in einem Verwaltungsverfahren ihre anfallenden Kosten selbst zu tragen. Inwieweit einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht, bestimmen die Verwaltungsvorschriften. Der Kostenersatzanspruch ist jedenfalls so zeitgerecht zu stellen, daß der Abspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann. Die Höhe der zu ersetzenden Kosten wird ebenfalls von der Behörde bestimmt (§ 74 Abs. 2 AVG).

Das Arbeitsmarktservice Oberösterreich bedauert, Ihnen die angefallenen Kosten aufgrund der voran zitierten Gesetzeslage nicht refundieren zu können.

Für den Landesgeschäftsführer:

Dr. M

Abteilungsleiter"

Die Beschwerdeführerin wertet dieses Schreiben aus nachstehenden Gründen als Bescheid:

Sie sei im Zuge eines Verfahrens auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom Arbeitsmarktservice Freistadt zur Vorlage des Befundes eines Facharztes für Orthopädie aufgefordert worden. Dem sei sie durch die Vorlage des Befundes des Facharztes für Orthopädie Dr. B nachgekommen. Ihrem Antrag auf Refundierung der ihr aus der Beschaffung dieses Befundes erwachsenden Kosten von S 800,-- habe das Arbeitsmarktservice Freistadt mit Schreiben vom 12. Juli 1995 mit der Begründung abgelehnt, daß der Ersatz der Kosten deshalb nicht möglich sei, weil sie auch einen Amtsarzt hätte konsultieren können. Mit dem obzitierten Schreiben habe das Arbeitsmarktservice Oberösterreich als zweite Instanz ihre gegen das Schreiben des Arbeitsmarktservice Freistadt erhobene Berufung mit der (oben wiedergegebenen) Begründung als unzulässig erklärt, daß es sich beim genannten Schreiben um keinen Bescheid handle. Dies sei unrichtig. Zwar fehle es sowohl dem erstinstanzlichen Schreiben des Arbeitsmarktservice Freistadt vom 12. Juli 1995 als auch dem bekämpften Schreiben an den im § 58 AVG genannten Bescheidmerkmalen, nämlich der Bezeichnung als Bescheid und der Rechtsmittelbelehrung. Da jedoch beide Schreiben einen Spruch enthielten, der eine bindende Verfügung der Behörde und somit deren Willen zweifelsfrei wiedergebe, handle es sich in beiden Fällen in tatsächlicher Hinsicht jedenfalls um Bescheide; dies insbesondere auch deshalb, weil sämtliche konstitutive Bescheidmerkmale, wie ausstellende Behörde, Adressat, normativer Inhalt des Spruches und notwendige Unterfertigung, in den Schreiben enthalten seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, sowie das Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zlen. 83/08/0213, 84/08/0045, mit weiteren Judikaturhinweisen) ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung einer behördlichen Erledigung als Bescheid für deren Bescheidcharakter unerheblich, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. In jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen läßt, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell.

Unter Zugrundelegung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze kann das bekämpfte Schreiben - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - weder seiner Form noch seinem Inhalt nach zweifelsfrei als Bescheid gewertet werden. Denn der Form nach stellt es vor dem Hintergrund der diesbezüglichen Bestimmungen des AVG (§§ 58 ff) keinen Bescheid dar. Aber auch gegen die Deutung des mit "Die Refundierung ..."

eingeleiteten Satzes als Bescheidspruch durch die Beschwerdeführerin spricht der Umstand, daß die genannte Behörde diesem Satz die Rechtsauffassung voranstellt, daß weder das von ihr bekämpfte Schreiben des Arbeitsmarktservice Freistadt einen Bescheid darstelle noch in dieser Angelegenheit dem Arbeitsmarktservice eine Bescheidbefugnis zustehe und demgemäß auch die Berufung nicht als solche zu werten sei. Diese dem genannten Satz vorangestellte Rechtsansicht läßt aber jedenfalls Zweifel darüber aufkommen, daß das Arbeitsmarktservice Oberösterreich mit dem genannten Schreiben über den Antrag der Beschwerdeführerin mit normativer Wirkung abgesprochen hat.

Die Beschwerde war daher mangels Vorliegens der für Bescheidbeschwerden essentiellen Voraussetzung des Vorliegens eines Bescheides (Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG) gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Einhaltung der Formvorschriften Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Rechtswidrigkeit von Bescheiden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995080266.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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