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L92057 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Tirol;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3. April 1995, Zl. Va-456-4385/3, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte mit Schriftsatz vom 3. Mai 1994 beim Stadtmagistrat Innsbruck einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe in der Höhe eines monatlichen Betrages von S 4.710,-- sowie "entsprechender Betriebskosten".
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 16. November 1994 wurde daraufhin dem Beschwerdeführer gemäß § 1 iVm § 2 Abs. 4 des Tiroler Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 105/1973 (TSHG), monatlich im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 1994 - längstens jedoch auf die Dauer des Zutreffens der gesetzlichen Voraussetzungen - für den Lebensunterhalt ein Betrag in Höhe von S 1.500,-- und für die Unterkunft S 263,90 gewährt. Nach der Begründung habe die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als Fremdenpolizeibehörde mit Bescheid vom 15. März 1994 über den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot verhängt; deshalb erhalte er in Österreich keine Arbeitsbewilligung. "De-facto-Flüchtlinge" erhielten gemäß § 12 des Aufenthaltsgesetzes einen Betrag in der Höhe von S 1.500,-- monatlich. Aufgrund des dargelegten Sachverhaltes (Aufenthaltsverbot und Fehlen einer Arbeitsgenehmigung) widerspreche es daher den Grundsätzen des § 2 TSHG, dem Beschwerdeführer einen höheren monatlichen Betrag zu gewähren; dies würde eine unverhältnismäßige Schlechterstellung der Flüchtlinge im Sinne des § 12 leg. cit. bedeuten.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, wobei er im wesentlichen vorbrachte, das Bundesgebiet nicht verlassen zu dürfen und auf öffentliche Unterstützung angewiesen zu sein. Er befinde sich deshalb in einer Notlage im Sinne des Tiroler Sozialhilfegesetzes. Es stimme, daß "de-facto-Flüchtlinge" aus dem ehemaligen Jugoslawien nur S 1.500,-- monatlich erhielten; sie könnten mit diesem Zuschuß allerdings nur dann ein menschenwürdiges Leben führen, wenn sie von Gastfamilien finanziell unterstützt bzw. wenn sie "schwarz" arbeiten würden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. Nach der Begründung stehe fest, daß der Beschwerdeführer im Stift W in Innsbruck kostenlos untergebracht sei. Der wesentliche Teil seines Lebensunterhaltes werde daher von dritter Seite gewährt, weshalb diesbezüglich von einer Notlage im Sinne des § 1 Abs. 3 lit. a TSHG nicht gesprochen werden könne. Seine monatlichen Betriebskosten würden aus Sozialhilfemitteln gedeckt. Die Situation des Beschwerdeführers sei mit der von "de-facto-Flüchtlingen" aus dem ehemaligen Jugoslawien vergleichbar. Auch diese Personengruppe werde kostenlos untergebracht und erhalte von der öffentlichen Hand eine monatliche Unterstützungsleistung von S 1.500,--. Die von der Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer zuerkannte monatliche Unterstützung in Höhe von S 1.500,-- könne sohin als angemessen bezeichnet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 1 Abs. 1 TSHG ist Sozialhilfe staatliche Hilfe zur Führung eines menschenwürdigen Lebens. Nach Abs. 2 der genannten Gesetzesbestimmung ist Sozialhilfe nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Personen zu gewähren, die sich in einer Notlage befinden. In einer Notlage im Sinne dieses Gesetzes befindet sich nach § 1 Abs. 3 lit. a TSHG, wer den Lebensunterhalt für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
Bei der Gewährung der Sozialhilfe ist nach § 2 Abs. 4 TSHG nach Maßgabe des Einzelfalles darauf Bedacht zu nehmen, daß bei möglichst geringer Einflußnahme auf die Lebensverhältnisse des Hilfesuchenden und seiner Familie sowie bei möglichst zweckmäßigem, wirtschaftlichem und sparsamem Aufwand der Hilfesuchende zur Selbsthilfe befähigt wird und eine gründliche und dauernde Beseitigung der Notlage zu erwarten ist.
Nach § 3 TSHG umfaßt die Sozialhilfe unter anderem die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes (lit. a).
Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfaßt nach § 1 der Sozialhilfeverordnung neben Unterkunft (lit. b) sowie Bekleidung und Heizung (lit. c) Maßnahmen zur Deckung des Aufwandes für Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege, Instandhaltung der Bekleidung, Beleuchtung, Kleinhausrat, Reinigung, Bildung und Erholung in einem für den Hilfesuchenden angemessenem Ausmaß, Benützung von Verkehrsmitteln und sonstige kleinere Bedürfnisse des täglichen Lebens (lit. a).
Soweit die Hilfe zum Lebensunterhalt in Form von Geldleistungen gegeben wird, sind gemäß § 4 Abs. 1 lit. a Z. 1 der Sozialhilfeverordnung in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 133/1993 unter Anrechnung der gemäß § 7 TSHG einzusetzenden eigenen Kräfte und Mittel zur Deckung des Aufwandes im Sinne des § 1 lit. a der Sozialhilfeverordnung für Alleinstehende (ab 1. Jänner 1994) monatliche Leistungen bis zum Höchstbetrag (Richtsatz) von S 4.710,-- zu gewähren.
Zur Deckung des Aufwandes für Unterkunft ist gemäß § 4 Abs. 1 lit. b der Sozialhilfeverordnung eine Beihilfe in der Höhe der tatsächlichen Kosten zu gewähren.
In der Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, daß der Beschwerdeführer im Stift W nicht "kostenlos" untergebracht sei. Das Stift W stelle der Caritas ein Stockwerk zur Verfügung, damit dort jene Menschen untergebracht werden könnten, bei denen feststehe, daß sie einerseits aus rechtlichen Gründen in Österreich nicht intergrierbar seien und andererseits aber auch durch die Fremdenpolizei aus rechtlichen bzw. tatsächlichen Erwägungen nicht abgeschoben werden könnten. Das Stift verlange von der Caritas die bloßen Betriebskosten, also keine Miete, und zusätzlich die Kosten der Betreuung durch eine Person. Es könne also nicht davon gesprochen werden, daß die Unterbringung dort "kostenlos" sei, da immerhin Betriebskosten anfielen. Der Beschwerdeführer befinde sich im übrigen in einer Notlage im Sinne des § 1 Abs. 3 TSHG, da er die Mittel für den Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen könne. Die in § 1 lit. a der Sozialhilfeverordnung aufgezählten Bedürfnisse seien durch den dem Beschwerdeführer gewährten Betrag in keiner Weise gedeckt. Ein Vergleich mit bosnischen "De-facto-Flüchtlingen" sei völlig unzulässig, da der Betrag von S 1.500,--, der diesen gewährt werde, keine Sozialhilfe darstelle.
Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 3. Mai 1994 einen Antrag auf Sozialhilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes gestellt hat. Dies ergibt sich aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer in seinem Antrag ausdrücklich die Gewährung des entsprechenden Richtsatzes für Alleinstehende in der seit 1. Jänner 1994 geltenden Höhe von S 4.710,-- (zuzüglich der von ihm zu entrichtenden Betriebskosten) beantragt hat. Aus einem in den Verwaltungsakten erliegenden Schreiben ergibt sich ferner, daß der Beschwerdeführer im Stift W für Betriebs- und Heizkosten monatlich einen Betrag von S 263,89 zu entrichten hat.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag des Beschwerdeführers - in Bestätigung der Entscheidung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck - dem Grunde nach entsprochen und ihm für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 1994 für den Lebensunterhalt ein monatlicher Betrag in Höhe von S 1.500,-- und für die Unterkunft monatlich ein Betrag in Höhe von S 263,90 gewährt. Im Hinblick darauf, daß im Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz der monatliche Betrag von S 1.500,-- ausdrücklich "für den Lebensunterhalt" zugesprochen worden ist, ist davon auszugehen, daß damit dem Beschwerdeführer Hilfe zum Lebensunterhalt in Form von Geldleistungen und nicht etwa Hilfe in besonderen Lebenslagen (etwa Hilfe zur Überbrückung außergewöhnlicher Notstände) gewährt worden ist. Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer im Stift W kostenlos untergebracht sei, weshalb diesbezüglich gar nicht von einer Notlage im Sinne des § 1 Abs. 3 lit. a TSHG gesprochen werden könne. Da seine Situation mit der von "de-facto-Flüchtlingen" aus dem ehemaligen Jugoslawien vergleichbar sei, erhalte er, wie diese, eine monatliche Unterstützungsleistung in der Höhe von S 1.500,--.
Für die im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung, die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers sei unter Berücksichtigung des Betrages, der bosnischen "de-facto-Flüchtlingen" gewährt werde, zu bemessen, fehlt im Gesetz allerdings jegliche Grundlage. Auch wenn der Beschwerdeführer im Stift W kostenlos untergebracht ist, also keine Miete zu bezahlen hat, fehlt im angefochtenen Bescheid jegliche Begründung dafür, inwieweit die in der Sozialhilfeverordnung im § 1 lit. a aufgezählten Bedürfnisse des Beschwerdeführers zur Sicherung des Lebensunterhaltes durch den ihm gewährten Betrag gedeckt sind.
Wenn sich die belangte Behörde in der Gegenschrift auf § 7 Abs. 5 THSG beruft, wonach die soziale Hilfe auf das unerläßliche Mindestmaß einzuschränken ist, wenn ein Hilfesuchender seine Notlage vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt oder trotz Belehrung und Ermahnung mit den eigenen oder ihm zur Verfügung gestellten Mitteln nicht sparsam umgeht, so ist sie darauf zu verweisen, daß dieses Vorbringen nicht geeignet ist, eine unterlassene Begründung des angefochtenen Bescheides nachzuholen; abgesehen davon, fehlen auch dazu jegliche Feststellungen. Dies hat auch für die Begründung in der Gegenschrift zu gelten, der Umstand, daß der Beschwerdeführer im Stift W kostenlos untergebracht sei, ergebe sich aus seinem Antrag vom 3. Mai 1994, wo unter der Rubrik "Ausgaben", Punkt 29.) "Miete inkl. Betriebskosten" vom Beschwerdeführer keinerlei Angaben gemacht worden seien, woraus schlüssig entnommen werden könne, daß dem Beschwerdeführer aus dem genannten Titel keinerlei Ausgaben erwüchsen.
Aufgrund ihrer unrichtigen Rechtsauffassung, für das Ausmaß an Sozialhilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers sei ohne weitere Prüfung auf die "de facto-Flüchtlingen" - aus welchem Rechtsgrund immer - gewährten Zahlungen abzustellen, fehlt es im angefochtenen Bescheid an den oben erwähnten Feststellungen, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte nur für zwei Beschwerdeausfertigungen (S 240,--) und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides (S 30,--) zugesprochen werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995080150.X00Im RIS seit
01.02.2002