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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremdem untereinander betreffend betreffend die Anwendbarkeit der VertriebenenV; Verkennung des Umstands, dass der Wohnsitz in der Ukraine — trotz seines kurzzeitigen Verlassens — nicht aufgegeben wirdRechtssatz
In Ausübung des den Mitgliedstaaten überlassenen Spielraums (vgl Art7 MassenzustromRL - RL 2001/55/EG) legt die auf Grundlage des §62 Abs1 AsylG 2005 erlassene VertriebenenV (BGBl II 92/2022) den Personenkreis, dem ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gewährt wird, weiter als der Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 fest. Nach Art2 Abs1 lita Durchführungsbeschluss haben die Mitgliedstaaten insbesondere ukrainischen Staatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, die vor dem 24.02.2022 "ihren Aufenthalt" in der Ukraine hatten und die am oder nach dem 24.02.2022 aus der Ukraine vertrieben wurden. Gemäß §1 Z1 VertriebenenV haben Staatsangehörige der Ukraine "mit Wohnsitz" in der Ukraine ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, wenn sie auf Grund des bewaffneten Konflikts ab dem 24.02.2022 vertrieben wurden. Unter Wohnsitz ist jener Ort zu verstehen, an dem eine Person sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort einen Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen. Daher erfasst §1 Z1 VertriebenenV auch Staatsangehörige der Ukraine, welche die Ukraine nicht lange vor dem 24.02.2022 verlassen haben, weil diese am 24.02.2022 nach wie vor einen Wohnsitz in der Ukraine hatten und durch den Ausbruch des bewaffneten Konflikts aus der Ukraine vertrieben wurden.
Die VertriebenenV stellt nicht darauf ab, ob eine Person im Einzelfall Schutz in einem anderen Staat bzw einem Drittstaat finden könnte, sondern auf den Wohnsitz. Deshalb sind auch Überlegungen für eine Einzelfallprüfung, in der allenfalls auf einen sicheren Aufenthalt in einem anderen Staat abgestellt wird, nicht anzustellen.
§1 Z1 VertriebenenV gewährt Staatsangehörigen der Ukraine mit Wohnsitz in der Ukraine, die auf Grund des bewaffneten Konflikts vertrieben wurden, die also nicht an ihrem Wohnsitz bleiben können bzw die nicht an diesen Wohnsitz zurückkehren können, Schutz in Form eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet. Ob eine Person am oder nach dem 24.02.2022 in der Ukraine anwesend war, ist für die Frage des Wohnsitzes in der Ukraine nicht entscheidend. Ein ukrainischer Staatsangehöriger hat seinen Wohnsitz auch dann in der Ukraine, wenn er diesen Ort kurzzeitig verlässt, um zB einen Urlaub im Ausland zu verbringen. Auch Personen wie der Beschwerdeführer, welche die Ukraine nicht lange vor dem 24.02.2022 verlassen haben, sind von §1 Z1 VertriebenenV erfasst, weil sie am 24.02.2022 einen Wohnsitz in der Ukraine hatten und durch den Ausbruch des bewaffneten Konflikts aus der Ukraine vertrieben wurden.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Wohnsitz, Stichtag, Aufenthaltsrecht, EU-Recht RichtlinieEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2023:E3249.2022Zuletzt aktualisiert am
14.04.2023