TE OGH 2023/3/21 1Ob22/23a

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Veröffentlicht am 21.03.2023
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwalt in St. Pölten, sowie den Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei Mag. Dr. G*, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, sowie 2. Mag. (FH) M*, vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 443.951,04 EUR, über die Revisionen der klagenden Partei sowie des Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei (Revisionsinteresse hinsichtlich der erstbeklagten Partei 409.991,04 EUR und hinsichtlich der zweitbeklagten Partei 179.618,59 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2022, AZ 5 R 78/22p, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. März 2022, GZ 14 Cg 60/21w-18, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

         I. Soweit die Revisionen das Begehren gegen die erstbeklagte Partei betreffen, wird ihnen nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt insofern dem Erstgericht vorbehalten.

II. Soweit die Revisionen das Begehren gegen die zweitbeklagte Partei betreffen, werden sie zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei deren mit 5.169,24 EUR (darin 861,54 EUR USt) bestimmten Kosten beider Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe und Begründung:

[1]            Der Kläger wirft den Organen der Erstbeklagten vor, gesetzwidrig ein – mit Freispruch beendetes – Strafverfahren wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung gegen ihn geführt zu haben. Der Zweitbeklagte habe in diesem ein unrichtiges Gutachten erstattet. Er begehrt den Ersatz der Kosten für seine rechtsanwaltliche Vertretung im Strafverfahren (70.772,45 EUR) sowie für die zu seiner Verteidigung notwendige „Aufarbeitung der strafrechtlichen Vorwürfe“ durch einen mitangeklagten emeritierten Rechtsanwalt (339.218,59 EUR); außerdem den Ersatz der Kosten eines von ihm eingeholten graphologischen Gutachtens (3.960 EUR) sowie Schmerzengeld für erlittene psychische Beeinträchtigungen (30.000 EUR). Sein Verteidiger im Strafverfahren trat dem Prozess nach Streitverkündung als Nebenintervenient auf seiner Seite bei.

[2]                     Die Beklagten beantragten die Abweisung der Begehren. Beide wandten insbesondere Unschlüssigkeit in Bezug auf die begehrten Beträge ein, die Erstbeklagte zudem die Verletzung der Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG.

[3]                     Das Erstgericht wies die Begehren gegenüber der Erstbeklagten im Umfang von 409.991,04 EUR und gegenüber dem Zweitbeklagten im Umfang von 179.618,59 EUR mit Teilurteil ab. Dem Ersatz der Verteidigungskosten durch die Erstbeklagte stehe eine Verletzung der Rettungspflicht nach dem AHG entgegen, weil der Kläger keinen Einstellungsantrag nach § 108 StPO gestellt habe. Im Umfang von 179.618,59 EUR sei das Begehren zudem unschlüssig geblieben, weshalb auch das gegen den Zweitbeklagten erhobene Zahlungsbegehren insofern nicht zu Recht bestehe.

[4]                     Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und ließ die Revision zur Frage zu, ob ein Einstellungsantrag nach § 108 StPO unter den Rechtsmittelbegriff des § 2 Abs 2 AHG falle.

[5]                     Die Revisionen des Klägers und des Nebenintervenienten sind insoweit, als damit die Abweisung eines Teils des gegen die erstbeklagte Partei erhobenen Klagebegehrens (409.991,04 EUR) bekämpft wird, zur Klarstellung der in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts genannten Frage zulässig, aber nicht berechtigt.

[6]                     Soweit sich die Revisionen gegen die Abweisung des auf Zahlung von 179.618,59 EUR gerichteten Begehrens gegenüber dem Zweitbeklagten wenden, sind sie entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[7]                     Aufgrund ihres thematischen Zusammenhangs werden beide Revisionen – allerdings getrennt danach, ob sie sich auf die Ansprüche gegen die erst- oder zweitbeklagte Partei beziehen – gemeinsam behandelt:

         I. Zum Begehren gegen den Erstbeklagten:

Rechtliche Beurteilung

[8]                     1. Gemäß § 2 Abs 2 AHG besteht keine Amtshaftung, wenn der Geschädigte den Schaden durch ein Rechtsmittel abwenden hätte können. Das Gesetz überlässt diesem zunächst die Wahrung seiner Interessen. Er hat sämtliche ihm zur Verfügung stehenden und eine Abwendung seines Schadens ermöglichenden Rechtsbehelfe auszuschöpfen (RS0026901). Eine Amtshaftung käme nur in Betracht, wenn das primär zur Verfügung stehende Sicherheitsnetz an Rechtsbehelfen nicht ausreicht, um den Schaden zu verhindern (RS0053077) und alle Mittel zur Abwendung oder zum Ersatz des Schadens vergeblich waren (RS0053128).

[9]                     2. Der Begriff des „Rechtsmittels“ iSd § 2 Abs 2 AHG ist extensiv auszulegen (RS0050097). Er umfasst neben ordentlichen oder außerordentlichen Rechtsmitteln auch alle anderen Rechtsbehelfe (RS0026901 [T2] = 1 Ob 18/95) sowie prozessualen Anfechtungsmittel im weiteren Sinn (RS0026901 [T1, T3]). Diese müssen nur geeignet gewesen sein, die schadensverursachenden Folgen eines rechtswidrigen und schuldhaften Organverhaltens durch direkte Einwirkung auf das betreffende Verfahren zu verhindern oder zu verringern (RS0050199).

[10]                    3. Auch den Beschuldigten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren trifft grundsätzlich eine Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG. Der Fachsenat legte bereits zu 1 Ob 44/74 (RZ 1974/85) zur StPO in der Fassung vor dem Strafprozessreformgesetz dar, dass der Geschädigte eine Entscheidung der Ratskammer nach § 113 StPO alt begehren hätte müssen, wenn er aus dem Verhalten des Untersuchungsrichters eine Amtshaftung ableiten möchte. Zu 1 Ob 215/18a qualifizierte er das Unterlassen von Einwänden gegen die Bestellung eines Sachverständigen im Ermittlungsverfahren sowie der Darlegung von Mängeln seines Gutachtens als Verstoß gegen die Rettungspflicht.

[11]                    4. Diese Erwägungen sind auf den Einstellungsantrag nach § 108 StPO zu übertragen.

[12]                    4.1. Gemäß § 108 Abs 1 Z 2 StPO hat das Gericht das Ermittlungsverfahren auf Antrag des Beschuldigten einzustellen, wenn der bestehende Tatverdacht nach Dringlichkeit und Gewicht sowie im Hinblick auf die bisherige Dauer und den Umfang des Ermittlungsverfahrens dessen Fortsetzung nicht rechtfertigt und von einer weiteren Klärung des Sachverhalts keine Intensivierung des Verdachts zu erwarten ist. Der Antrag ist bei der Staatsanwaltschaft einzubringen, die das Verfahren entweder einzustellen oder den Antrag – seit der Novelle durch BGBl I 71/2014 binnen vier Wochen – mit einer allfälligen Stellungnahme an das Gericht weiterzuleiten hat. Dieses muss – sofern es den Antrag nicht zurückweist – „in der Sache“ entscheiden (Abs 3 leg cit). Dagegen steht dem Beschuldigen eine Beschwerde nach § 87 StPO an das Rechtsmittelgericht zu (Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz, WK-StPO [2017] § 108 StPO Rz 41).

[13]                    4.2. Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach es sich beim Antrag nach § 108 StPO um ein Rechtsmittel iSd § 2 Abs 2 AHG handelt, begegnet keinen Bedenken. Der Einstellungsantrag bietet dem Beschuldigten die Möglichkeit, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vom Gericht kontrollieren zu lassen. Er löst letztlich dessen Entscheidungspflicht aus, wobei die Verfahrenseinstellung keine Ermessensentscheidung ist. Erscheint ein Freispruch wahrscheinlicher als ein Schuldspruch, ist das Ermittlungsverfahren einzustellen (Pilnacek/Stricker aaO § 108 StPO Rz 30 mwN; vgl auch Venier, Einstellung und Anklage im neuen Strafprozessrecht, ÖJZ 2007/78, 907). Der Antrag nach § 108 StPO ist daher geeignet, weitere Kosten des Beschuldigten hintanzuhalten, was seine Qualifikation als Rechtsmittel iSd § 2 Abs 2 AHG rechtfertigt. Dies entspricht auch der Ansicht in der rechtswissenschaftlichen Literatur (Mader/Vollmaier in Schwimann/Kodek4 [2016] § 2 AHG Fn 62). Ob dies auch auf den Antrag nach § 106 StPO zutrifft, muss hier nicht geprüft werden.

[14]                    4.3. Aus der Entscheidung zu 1 Ob 123/15t ergibt sich keine andere Beurteilung. Dort wandte die beklagte Partei ein, der Amtshaftungskläger habe es in dem gegen ihn geführten Strafverfahren unterlassen, die Beischaffung eines ihn entlastenden Beweismittels zu beantragen. Der Fachsenat hielt dem entgegen, dass im Strafverfahren keine Mitwirkungspflicht des Beschuldigten bestehe und von ihm nicht verlangt werden könne, auf die Vorlage von Beweismitteln zu dringen; dem Beschuldigten sei auch der Inhalt und Beweiswert des Beweismittels unbekannt gewesen und der von ihm unterlassene Antrag auf dessen Beischaffung hätte keine Entscheidung der Staatsanwaltschaft bewirkt. Schon aus letztgenanntem Grund kann der – eine Entscheidungspflicht (letztlich) des Gerichts auslösende – Einstellungsantrag aber nicht mit einem Antrag auf Beischaffung von Beweismitteln verglichen werden. Warum der Kläger im Fall der Erhebung eines Antrags nach § 108 StPO an den Ermittlungen gegen ihn mitwirken hätte müssen, ist nicht ersichtlich; ebensowenig, warum die Obliegenheit zur Erhebung eines Einstellungsantrags dem im Strafprozess geltenden Selbstbelastungsverbot widersprechen sollte.

[15]            5. Ein Rechtsmittel iSd § 2 Abs 2 AHG muss nur seiner Art nach abstrakt geeignet sein, den Schaden zu verhindern (RS0053073). Lediglich das Unterlassen offenbar aussichtsloser Abhilfemaßnahmen ließe die Rechtsfolgen des § 2 Abs 2 AHG nicht eintreten (RS0052920). Es ist nicht Aufgabe des Amtshaftungsprozesses, den hypothetischen Erfolg eines unterlassenen Rechtsbehelfs nachzuvollziehen (RS0053073 [T2]; RS0053068 [T1, T2]).

[16]                    Dass der Einstellungsantrag nach seiner abstrakten Wirkungsmöglichkeit zu einer Schadensabwehr gänzlich ungeeignet gewesen wäre, ist nach seiner dargelegten Funktion nicht anzunehmen. Ausgehend von der Klagebehauptung, das Ermittlungsverfahren sei willkürlich gegen den Kläger geführt worden, ist auch nicht ersichtlich, warum der Antrag im vorliegenden Fall von vornherein offenbar aussichtslos gewesen sein soll, hätte er seiner Art nach doch gerade Abhilfe gegen die vom Kläger behaupteten grob fehlerhaften Ermittlungshandlungen geboten. Da die Eignung eines Rechtsbehelfs zur Schadensabwehr ex ante zu beurteilen ist, kommt es auch nicht darauf an, ob dem Einspruch des Klägers gegen die Anklage Folge gegeben wurde, und ob Einstellungsanträge anderer Beschuldigter erfolgreich waren.

[17]                    6. Das Unterlassen eines Rechtsmittels muss – um eine Amtshaftung auszuschließen – schuldhaft erfolgt sein (RS0027200; RS0027565). Im Allgemeinen begründet aber bereits das Unterlassen eines Rechtsbehelfs iSd § 2 Abs 2 AHG ein Verschulden (RS0027565 [T2, T4]). Der Geschädigte kann sich im Regelfall nicht dadurch entschuldigen, dass er ein Rechtsmittel für aussichtslos hielt (1 Ob 318/01y = RS0053063 [T2]).

[18]                    Die Revisionen enthalten keine überzeugenden Argumente, die ein mangelndes Verschulden des Klägers an der unterbliebenen Erhebung eines Einstellungsantrags nach § 108 StPO in dem gegen ihn geführten Strafverfahren erkennen ließen:

[19]                    6.1. Soweit die Rechtsmittelwerber auf dem Standpunkt stehen, der Kläger habe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Kenntnis von einzelnen Vorwürfen gehabt, wurde nicht behauptet, dass ihm für die Verteidigung gegen diese bereits zuvor Kosten entstanden wären.

[20]                    6.2. Mit ihrem Revisionsvorbringen, ein Einstellungsantrag hätte aufgrund der „freien Wahl der Verteidigungsstrategie“ nicht erhoben werden müssen, verkennen die Rechtsmittelwerber, dass es nach § 2 Abs 2 AHG nicht darauf ankommt, was der Geschädigte im Anlassverfahren unterlassen durfte, sondern nur darauf, welche Maßnahmen er dort zur Vermeidung oder Minderung eines Schadens ergreifen hätte können (1 Ob 41/99g). Dass mit einem Rechtsmittel Verzögerungen einhergehen, vermag per se nicht von der Rettungsobliegenheit zu befreien. Warum ein Antrag nach § 108 StPO wegen damit einhergehender Verfahrensverzögerungen oder weil dies der „Verteidigungsstrategie“ des Klägers widersprochen hätte, konkret unzumutbar gewesen wäre, legen die Revisionswerber nicht plausibel dar.

[21]                    6.3. Auf die Rechtsprechung, wonach sich Rechtsunkundige grundsätzlich auf ein rechtskonformes Behördenverhalten verlassen dürfen (vgl RS0087633), kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil er nach seinem eigenen Vorbringen nicht auf die Rechtmäßigkeit des Organverhaltens vertraute.

[22]                    6.4. Ein durch Erhebung eines Rechtsmittels allenfalls bewirkter „Konflikt“ mit der entscheidenden Behörde wäre jedenfalls hinzunehmen. Daraus, dass nach einer Entscheidung des Fachsenats (1 Ob 418/60 = RS0050289) vom Geschädigten nicht erwartet werden könne, dass er Abhilfe bei jener Behörde sucht, der er einen Missbrauch ihrer Entscheidungsgewalt vorwirft, ist hier schon deshalb nichts zu gewinnen, weil über einen gegen die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft gerichteten Einstellungsantrag letztlich das Gericht zu entscheiden hat. Die Gefahr einer „Vorverurteilung“ durch eine solche Entscheidung ist nicht erkennbar, liegt dieser doch ein ganz anderer Prüfungsmaßstab zugrunde als der Entscheidung im Hauptverfahren.

[23]                    6.5. Ob unter besonderen Umständen auch mehrere Einstellungsanträge erhoben werden müssten, um der Rettungspflicht des § 2 Abs 2 AHG zu entsprechen, muss hier nicht beurteilt werden, weil der Kläger gar keinen solchen Antrag gestellt hat.

[24]                    7. Zusammengefasst wiesen die Vorinstanzen das auf eine Amtshaftung der Erstbeklagten gerichtete Begehren auf Ersatz der Verteidigungskosten des Klägers von 409.991,04 EUR somit zu Recht wegen einer Verletzung seiner Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG ab. Auf die für ein Teilbegehren von 179.618,59 EUR herangezogene Alternativbegründung der Vorinstanzen (Unschlüssigkeit) muss aus diesem Grund nicht weiter eingegangen werden (vgl aber Punkt II.2).

[25]                    8. Den Revisionen ist daher nicht Folge zu geben. Der Vorbehalt der Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 3 ZPO, weil das Erstgericht die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vorbehielt.

[26]                    9. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden: Der Einstellungsantrag nach § 108 StPO ist ein „Rechtsmittel“ iSd § 2 Abs 2 AHG.

         II. Zum Begehren gegen den Zweitbeklagten:

[27]                    1. Vom Berufungsgericht verneinte Verfahrensmängel erster Instanz können in dritter Instanz nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden (RS0042963).

         2. Zur (Un-)Schlüssigkeit:

[28]                    2.1. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn es aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516). Setzt sich ein auf einen einheitlichen Anspruchsgrund gestütztes Begehren aus zahlreichen Einzelforderungen zusammen, kann auch ein Verweis auf dazu vorgelegte Urkunden ausreichen (RS0037907 [T14, T19]). Eine Aufschlüsselung im Vorbringen wäre nur erforderlich, wenn dies dem Kläger im Einzelfall (RS0037907 [T16]) zumutbar ist (RS0037907 [T13]), was in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (vgl allgemein RS0037780).

[29]                    2.2. Aufwendungen, die einem Verfahrensbeteiligten durch eine rechtlich unvertretbare Verfahrensführung oder ein im Verfahren eingeholtes unrichtiges Sachverständigengutachten (RS0026319) erwachsen, können ein ersatzfähiger Rettungsaufwand sein, soweit sie zweckmäßig und angemessen waren (RS0023516 [T5]; RS0023577 [T3, T5]; RS0106806).

[30]                    2.3. Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach sich dem Klagevorbringen nicht ausreichend klar entnehmen lasse, ob der für die „Aufarbeitung der strafrechtlichen Vorwürfe“ getätigte Aufwand von 179.618,59 EUR zur zweckentsprechenden Verteidigung im Strafverfahren notwendig und angemessen gewesen sei, begründet keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlentscheidung, bezeichnete der Kläger doch nicht einmal die diesem Anspruch konkret zugrunde liegenden Leistungen. Die Behauptung, diese seien zu seiner Verteidigung „zweckentsprechend und geboten“ gewesen, ersetzt das für die rechtliche Beurteilung erforderliche Sachvorbringen nicht. Es ist den Vorinstanzen auch nicht als korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vorzuwerfen, dass sie die vom Kläger vorgelegten Honorarnoten für die Beurteilung der Angemessenheit der begehrten Kosten als unzureichend ansahen, weil den einzelnen Leistungen in diesen Urkunden keine konkreten Kosten zugeordnet wurden. Ob sich die Unschlüssigkeit des auf Ersatz eines Verfahrensaufwands von 179.618,59 EUR gerichteten Klagebegehrens auch daraus ergibt, dass die Honorarnoten mit dem Klagevorbringen insoweit in Widerspruch stehen (RS0127187; RS0017844), als sie neben dem Kläger weitere Leistungsempfänger nahelegen, kann dahingestellt bleiben.

[31]                    2.4. Mit ihrer Bezugnahme auf die zu 1 Ob 253/15k ergangene Entscheidung, in der ebenfalls der Ersatz von Prozessaufwendungen begehrt wurde, zeigen die Revisionswerber schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil dieser Zurückweisungsbeschluss den konkreten Inhalt der dort vorgelegten Honorarnoten nicht klar erkennen lässt.

[32]                    3. Soweit sich die Revisionen die teilweise Abweisung des gegen den Zweitbeklagten erhobenen Begehrens richteten, sind sie daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

[33]                    4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Zweitbeklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers sowie seines Nebenintervenienten hingewiesen (RS0112296). Der in erster Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt erfasst nur die vom Prozesserfolg in der Hauptsache abhängigen Kosten und steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (RS0129365 [T3]). Für die Beantwortung der Revision des Nebenintervenienten trifft die Kostenersatzpflicht nur den Kläger (vgl RS0035816; RS0036057; Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.377).

Textnummer

E137874

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00022.23A.0321.000

Im RIS seit

14.04.2023

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2023
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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