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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch willkürliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs infolge Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks im Sinne des Vlbg GVGSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid - soweit sich dieser an sie wendet und die Grundstücke 1827/3, 1827/2, 1831/8; 1827/4, 1839/2 und 1839/1, alle KG Vandans betrifft - im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird in diesem Umfang aufgehoben.
Das Land Vorarlberg ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters, die mit je S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Mit Antrag vom 14. März 1991 ersuchten H, B und D A (alle österreichische Staatsbürger) um die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zum Erwerb der Grundstücke Nr. 1835/1 und 1835/2 (H A), der Grundstücke Nr. 1827/3, 1827/2, 1831/8 (B A), sowie der Grundstücke Nr. 1827/4, 1839/2 und 1839/1 (D A), alle KG Vandans; sie hätten diese Grundstücke mit Vertrag vom 20. Dezember 1990 von R B gekauft.
Die (Vorarlberger) Grundverkehrs-Landeskommission versagte mit Bescheid vom 28. Juni 1991 gemäß §5 Abs1 und §6 litb des (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetzes, LGBl. 18/1977 idF der Novelle LGBl. 63/1987, (Vlbg. GVG) die begehrte Genehmigung. Die Frage, ob die Grundstücke land- und forstwirtschaftlich iS des §1 Abs1 lita und Abs2 Vlbg. GVG sind, wurde im erstinstanzlichen Bescheid nicht erörtert.
b) Gegen diesen Bescheid erhoben H, B und D A Berufung. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Grunderwerb seien gegeben.
Im Zuge des vom (Vorarlberger) Grundverkehrssenat geführten Berufungsverfahrens wurden die Kaufgrundstücke zunächst am 20. Jänner 1992 besichtigt. Der darüber vom Berichterstatter angelegte Aktenvermerk vom 21. Jänner 1992 lautet:
"Anläßlich der Besichtigung der Kaufliegenschaften durch den Grundverkehrssenat (u.a. E G (Mitglied des Grundverkehrssenates - 'Fachmann für Land- und Forstwirtschaft')) am 20.1.1992 wurde festgestellt, daß die Grundstücke höchstwahrscheinlich landwirtschaftlich genutzt sind. Bei einer Schneelage von 15 cm Neuschnee (in der Nacht gefallen) waren im hügeligen Randbereich Weidereste sichtbar; auf dem übrigen überwiegenden Teil der Grundstücke dagegen nicht. Die Grundstücke befinden sich überwiegend in leichter Hanglage, sodaß sie leicht maschinell bewirtschaftbar sind.
Die Grundstücke grenzen an einen größeren landwirtschaftlich genutzten Bereich in leichter Hanglage. Am nördlichen Rand der Liegenschaften befinden sich bestockte Baumgruppen entlang eines im Flächenwidmungsplan eingezeichneten Fußweges."
Am 9. Juni 1992 wurden - dem Aktenvermerk vom 10. Juni 1992 zufolge - die Liegenschaften neuerlich besichtigt:
"Bei einer Besichtigungsfahrt des Grundverkehrssenates am 9.6.1992 hat Dipl.-Ing. W G festgestellt, daß die gegenständlichen Grundstücke landwirtschaftlich genutzt sind (Wiese)."
Mit Bescheid vom 3. Juli 1992 wies sodann der Grundverkehrssenat die Berufung gemäß §5 Abs1 und §7 Abs1 Vlbg. GVG ab. Die Berufungsbehörde geht davon aus, daß die Kaufgrundstücke landwirtschaftlich genützt wurden (§1 leg.cit).
"Der landwirtschaftliche Sachverständige hat unwidersprochen festgestellt, daß die gegenständlichen Grundstücke landwirtschaftlich als Wiese genutzt sind. Es handelt sich somit um landwirtschaftliche Grundstücke gemäß §1 Grundverkehrsgesetz."
Sodann wird im Bescheid begründet, weshalb die Rechtserwerbe nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht zu genehmigen seien.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid erhoben B und D (nicht jedoch auch H) A die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung näher bezeichneter, verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Unter anderem machen die Beschwerdeführer geltend, daß die Kaufgrundstücke zwei Wiesen seien; die Grundstücke würden aber nicht durch Landwirte genützt, weshalb die Rechtserwerbe gar keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürften.
3. Der Grundverkehrssenat als jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete zu beiden Beschwerden eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichte Abweisung der Beschwerden begehrt.
Zur Frage, ob es sich bei den Kaufgrundstücken um "landwirtschaftliche" iS des §1 Vlbg. GVG handelt, wird in der Gegenschrift ausgeführt:
"Der landwirtschaftliche Sachverständige hat festgestellt, daß die gegenständlichen Grundstücke landwirtschaftlich genützt sind, und zwar als Wiese. Die beiden Beschwerdeführer bestreiten nicht, daß es sich um Wiesen handelt, vielmehr geben sie dies in der Beschwerde (Seite 2 Mitte) neuerlich an. Die gegenständlichen Grundstücke werden als Wiese landwirtschaftlich genutzt, wie der Sachverständige feststellte. Dabei ist es für die Frage der landwirtschaftlichen Nutzung gemäß §1 Abs2 Grundverkehrsgesetz unerheblich, ob sie als Weide oder als Mähwiese oder in beiden Formen verwendet werden. Dadurch, daß der Sachverständige sie als landwirtschaftlich genutzt qualifizierte, ist klargestellt, daß sie nicht lediglich als Hausgarten (etwa mit Rasenmäher gemäht) oder gar nicht genutzt werden.
Die Beschwerdeführer behaupten in beiden Beschwerden (jeweils Seite 5 Mitte), daß eine Nutzung durch Landwirte nicht stattfindet. Eine solche Behauptung wurde im grundverkehrsbehördlichen Verfahren bisher nicht aufgestellt und unterliegt dem Neuerungsverbot im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof. Für die Frage der tatsächlichen landwirtschaftlichen Nutzung gemäß §1 Abs1 Grundverkehrsgesetz ist es unerheblich, wer die gegenständlichen Grundstücke nutzt. Wesentlich ist lediglich, daß sie überhaupt landwirtschaftlich genutzt werden, was vom Sachverständigen unwidersprochen festgestellt wurde. Diese Ansicht des Grundverkehrssenates stützt sich auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1991, Zl. B1388/90-7 (= VfSlg. 12710/1991), wonach ein Grundstück als landwirtschaftlich zu qualifizieren ist, wenn es in einer für Land- oder Forstwirte signifikanten Art genutzt wird, auch wenn die nutzende Person nicht Land- oder Forstwirt ist."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die beiden vorliegenden Beschwerden fechten verbal zwar den gesamten Berufungsbescheid vom 3. Juli 1992 (s.o. I.1.b) an. Offenkundig wird jedoch jeweils nur der Teil des Bescheides in Beschwerde gezogen, mit dem die Berufung gegen jenen Abspruch des erstinstanzlichen Bescheides vom 28. Juni 1991 (s.o.I.1.a) abgewiesen wurde, der sich auf den Antrag des jeweiligen Beschwerdeführers bezieht. Die im einzelnen angefochtenen Bescheidteile sind trennbar (s.u. II.2.e).
Die Beschwerden sind, da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.
2.a) In §1 Abs1 lita und Abs2 Vlbg. GVG werden jene Grundstücke bezeichnet, die den Bestimmungen über die Beschränkung des Verkehrs mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken unterliegen:
"§1
(1) Den Bestimmungen des Gesetzes unterliegen
a) der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, sofern er nicht unter litb fällt,
b) der Verkehr mit Grundstücken, sofern an diesen Ausländer Rechte erwerben.
(2) Ob ein Grundstück ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §1 Abs1 lita ist, ist nicht nach der aus dem Grundsteuer- oder Grenzkataster ersichtlichen Benützungsart, sondern nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner tatsächlichen Verwendung zu beurteilen."
b) Primär ist also die Frage zu klären, ob der in Rede stehende Rechtserwerb durch Inländer der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedarf. Das wäre nur dann der Fall, wenn das Kaufobjekt ein "land- und forstwirtschaftliches Grundstück" iS des §1 Abs1 lita iVm §1 Abs2 Vlbg. GVG wäre.
Bei verfassungskonformer Auslegung dieser Bestimmungen ist davon auszugehen, daß damit der Inländergrundverkehr mit Grundstücken nur dann verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen wird, wenn die Liegenschaften gegenwärtig einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind, das sind solche, auf denen Land- und Forstwirtschaft betrieben wird (vgl. zB VfSlg. 8257/1978, 9005/1981, 10447/1985, 12710/1991). Dies ist jedenfalls hinsichtlich solcher Grundstücke der Fall, die von einem Land- oder Forstwirt auf eine für einen Land- oder Forstwirt signifikante Art genutzt werden. Hiebei ist es unerheblich, ob die Grundstücke im Eigentum dessen stehen, der sie nutzt, oder ob er sie auf Grund eines Pachtvertrages, einer Bittleihe oder auf Grund irgendeines anderen Rechtstitels nutzt.
Gleiches gilt aber auch für Grundstücke, die zwar von einer Person, die nicht Land- oder Forstwirt ist, aber doch in einer für Land- oder Forstwirte signifikanten Art wirtschaftlich genutzt werden.
Ob die Nutzung in einer für einen Land- oder Forstwirt signifikanten Weise erfolgt, ist vor allem danach zu beurteilen, was und auf welche Weise auf dem Grundstück produziert wird und welchen primären Verwendungszweck das Grundstück hat. Die Umstände, auf die es ankommt, können hiebei nicht nach starren Regeln beurteilt werden, können also nach Maßgabe des jeweiligen Falles unterschiedliches Gewicht besitzen; entscheidend ist, daß durch sie Sachverhalte verwirklicht werden, wie sie sich in der Land- und Forstwirtschaft, wenn auch in verschiedenen Spielarten,finden.
Ein land- oder forstwirtschaftliches, dem GVG unterliegendes Grundstück ist daher ein solches, auf dem gegenwärtig Land- oder Forstwirtschaft im Sinne der vorstehenden Ausführungen betrieben wird. Um Umgehungshandlungen hintanzuhalten, dürfen aber auch Grundstücke, die gegenwärtig diese Voraussetzung nicht erfüllen, in die Grundverkehrsregelung einbezogen werden; der Entfall der Widmung als land- und forstwirtschaftliches Grundstück darf nur so lange zurückliegen, als dies aus dem Zweck der Umgehungshandlung erklärbar ist (VfSlg. 7838/1976, 10447/1985, 12710/1991).
Wesentlich ist, ob das Grundstück tatsächlich land- und forstwirtschaftlich im erwähnten Sinn genutzt wird; unerheblich ist daher, ob es land- und forstwirtschaftlich nutzbar wäre (VfSlg. 12710/1991).
c) Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß die Verkäuferin der in Rede stehenden Grundstücke Hausfrau (nicht Landwirtin) ist; ferner daß die Liegenschaften bereits seit dem Jahre 1974 im "Besitz und Genuß" der Beschwerdeführer stehen und daß sie im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Vandans als "Baufläche - Wohngebiet" ausgewiesen sind.
Obgleich feststeht, daß die Liegenschaften Wiesen sind, war - bei Vorliegen der soeben geschilderten Umstände - keineswegs offenkundig, daß sie "landwirtschaftliche Grundstücke" iS des §1 Vlbg. GVG sind (siehe hiezu die in der vorstehenden litb geschilderte Vorjudikatur), ist es doch - vor allem im Wohngebiet - nicht unwahrscheinlich, daß eine Wiese nicht von einem Landwirt oder auf eine für Landwirte signifikante Art genützt wird; so kann etwa das Gras zwar gemäht, aber dann nicht an (Haus-)Tiere verfüttert, sondern etwa kompostiert werden.
Die Behörde hat sich mit der Bemerkung begnügt, daß die Grundstücke "höchstwahrscheinlich landwirtschaftlich genützt sind" (AV vom 21. Jänner 1992) und daß der Sachverständige festgestellt habe, daß sie "landwirtschaftlich genützt sind (Wiese)" (AV vom 10. Juni 1992). Irgendwelche Anhaltspunkte, worin denn diese landwirtschaftliche Nutzung (verstanden im Sinne der Ausführungen in der vorstehenden litb) konkret bestehe, finden sich in den Verwaltungsakten nicht.
Ehe die Grundverkehrsbehörde in die Sache eingeht, hat sie primär zu klären, ob die Kaufgrundstücke überhaupt dem Vlbg. GVG unterliegen, dies unabhängig davon, ob die Verfahrensparteien entsprechende Anträge stellen oder nicht.
d) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt (vgl. zB VfSlg. 8808/1980, 10338/1985, 11213/1987).
Ein solcher in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist der Behörde hier anzulasten: Die in Rede stehenden Liegenschaften wurden nicht von einem Landwirt im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebes genutzt, sodaß es keineswegs offenkundig war, sie seien "landwirtschaftliche Grundstücke" iS des §1 Vlbg. GVG, dessen Inhalt in der vorstehenden litb umschrieben wurde. Anscheinend ausgehend von der verfehlten Rechtsmeinung, es genüge für die Qualifikation einer Liegenschaft als "landwirtschaftliches Grundstück", daß diese eine Wiese ist, unterließ die Behörde ein Verfahren zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Umstandes, ob die kaufgegenständlichen Liegenschaften auf eine für einen Landwirt signifikante Weise genutzt werden, sondern begnügte sich mit bloßen Vermutungen.
Der Grundverkehrssenat wird vor Erlassung des Ersatzbescheides das Ermittlungsverfahren in dieser Richtung zu ergänzen haben.
e) Die Beschwerdeführer wurden sohin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher - soweit er sich an sie wendet - aufzuheben. Aufgehoben wird also der Ausspruch des Grundverkehrssenates, mit dem die von B und D A gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission vom 28. Juni 1991 (soweit er die Versagung der Genehmigung zum Erwerb der Gste. 1827/3, 1827/2 und 1831/8, KG Vandans - B A und der Gste. 1827/4, 1839/2 und 1839/1, KG Vandans - D A betrifft) erhobene Berufung abgewiesen wird.
Weiterhin dem Rechtsbestand gehört sohin die im Instanzenzug ergangene Entscheidung des Grundverkehrssenates vom 3. Juli 1992 an, den Erwerb der Gste. 1835/1 und 1835/2, KG Vandans, durch H A die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu verweigern. Darüber wird daher der Grundverkehrssenat bei Erlassung des Ersatzbescheides nicht mehr abzusprechen haben.
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG.
In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je S 2.500,-- enthalten.
4. Die Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Trennbarkeit, Bescheid Trennbarkeit, Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Ermittlungsverfahren, Auslegung eines AntragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B1333.1992Dokumentnummer
JFT_10069073_92B01333_00