TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/18 95/21/0183

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Veröffentlicht am 18.10.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8;
FrG 1993 §21 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in F, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 13. Oktober 1994, Zl. III 248-6/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 13. Oktober 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 8 sowie den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer, der sich seit dem Jahr 1992 in Österreich aufhalte, sei am 24. Juni 1993 von Organen des Arbeitsamtes Kitzbühel auf einer näher bezeichneten Baustelle in R bei Kitzbühel bei der Ausübung von Maurerarbeiten angetroffen worden, obwohl er nicht im Besitz einer entsprechenden Beschäftigungsbewilligung gewesen sei. Der Verantwortliche der Arbeitgeberfirma sei wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes infolge rechtswidriger Beschäftigung des Beschwerdeführers mit mittlerweile rechtskräftigem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 16. Juli 1994 bestraft worden. Damit sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG erfüllt. Überdies sei zu berücksichtigen, daß die Gültigkeitsdauer des dem Beschwerdeführer zuletzt von der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel erteilten Sichtvermerks am 15. Dezember 1993 abgelaufen sei und er sich seither unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Damit liege eine bestimmte Tatsache vor, welche die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertige. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar. Der Beschwerdeführer halte sich im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern seit ca. zwei Jahren im Bundesgebiet auf. Er gehe keiner legalen Beschäftigung nach. Die Familie lebe von der "Flüchtlingsunterstützung" der öffentlichen Hand bzw. von Zuwendungen caritativer Institutionen sowie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der "Schwarzarbeit" des Beschwerdeführers. Weiters lebe eine Schwester des Beschwerdeführers mit ihrer eigenen Familie in Kitzbühel. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen (hier: zum Schutz der öffentlichen Ordnung im Interesse einer geordneten Fremden- und Beschäftigungspolitik) dringend geboten und daher zulässig (§ 19 FrG). Angesichts des rechtswidrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit 15. Dezember 1993 und des hohen Stellenwertes, der einem geordneten Fremdenwesen zukomme, müsse den öffentlichen Interessen an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes der Vorrang gegenüber den mit dieser Maßnahme verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers eingeräumt werden. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers während seines relativ kurzen Aufenthalts im Bundesgebiet und der dadurch gegebenen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ordnung sei die belangte Behörde der Auffassung, daß es bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes einer Dauer von zehn Jahren benötige.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung hat die belangte Behörde sachverhaltsbezogen den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG zu Recht als erfüllt angesehen. Dieser Tatbestand ist bereits dann erfüllt, wenn ein Fremder von einem Organ eines Arbeitsamtes (nunmehr: Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice) bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen. Ob es zu einer Bestrafung wegen Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz kam/kommt, ist im gegebenen Zusammenhang rechtlich unerheblich. Die im angefochtenen Bescheid ausdrücklich getroffene Feststellung, wonach der Beschwerdeführer im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 8 leg. cit. betreten worden sei, wird nicht nur durch die Bestrafung des Verantwortlichen der Arbeitgeberfirma dokumentiert, sondern findet auch im Akteninhalt Deckung. So kann insbesondere nach den Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung am 13. Juli 1993 kein Zweifel daran bestehen, daß der Beschwerdeführer am 24. Juni 1993 von in der Anzeige des Arbeitsamtes Kitzbühel namentlich genannten Beamten bei einer Beschäftigung (nämlich bei Maurerarbeiten auf einer näher bezeichneten Baustelle) betreten wurde, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen. Die diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid werden in der Beschwerde auch nur mit dem lapidaren Hinweis bekämpft, daß aufgrund einer Anzeige lediglich der Verdacht einer Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bestehe. Dabei wird jedoch übersehen, daß der Beschwerdeführer selbst in der erwähnten Niederschrift zugegeben hatte, bei Arbeiten ohne einer entsprechenden Beschäftigungsbewilligung betreten worden zu sein.

Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG ist auch dann erfüllt, wenn der Fremde nur einmal bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0458).

Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und der Verhinderung der "Schwarzarbeit" die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtete und den mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zur Erreichung dieser im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Grunde des § 19 FrG für dringend geboten ansah. Die belangte Behörde hatte zu berücksichtigen, daß sich der Beschwerdeführer seit 15. Dezember 1993 unerlaubt im Bundesgebiet aufhält. Daß mit diesem Zeitpunkt die Gültigkeitsdauer des dem Beschwerdeführer zuletzt erteilten Sichtvermerkes abgelaufen war, wird auch in der Beschwerde nicht weiter bestritten. Dem diesbezüglichen Verweis des Beschwerdeführers auf ein anhängiges Verfahren aufgrund eines gestellten Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ist entgegenzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (nach der hier zu beurteilenden Rechtslage) nicht schon die Erlaubtheit des Aufenthaltes begründet.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung und deren Ergebnis, wonach den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes größeres Gewicht beigemessen werden müsse als den damit verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, nicht als rechtswidrig zu beanstanden. Warum der Beschwerdeführer, der sich seit etwas mehr als zwei Jahren im Bundesgebiet aufhält und hier keiner legalen Beschäftigung nachgeht, ein beachtliches Ausmaß an Integration erreicht haben soll, ist nicht ganz verständlich, zumal sich der Beschwerdeführer seit Mitte Dezember 1993 illegal im Bundesgebiet befindet. Da mit dem Aufenthaltsverbot nicht eine Verpflichtung zur Ausreise (oder eine allfällige Abschiebung) in ein bestimmtes Land verbunden ist, kommt dem Hinweis in der Beschwerde auf die Verhältnisse im Heimatstaat der Familie des Beschwerdeführers keine maßgebliche Bedeutung zu. Die belangte Behörde hat zutreffend auf das große Gewicht des öffentlichen Interesses an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" und den seit Mitte Dezember 1993 andauernden unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers hingewiesen.

Der Beschwerdeführer bekämpft aber mit Recht die Dauer des ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes. Die im Gesetz vorgesehene Abstufung nach der Dauer des Aufenthaltsverbotes erfordert notwendigerweise eine Gewichtung der jeweils im Einzelfall herangezogenen Umstände nach ihrem Unrechtsgehalt. Im hier zur Beurteilung anstehenden Fall vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, warum unter Bedachtnahme auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände (§ 21 Abs. 2 FrG) der Wegfall des Grundes für diese Maßnahme unter der Voraussetzung künftigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers erst nach Ablauf der gesetzlichen Höchstdauer von zehn Jahren angenommen werden könne.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210183.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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