Index
E6JNorm
AusG 1989 §15Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm, Mag. Nedwed, Dr. Faber und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. E P in W, vertreten durch Mag. Christian Puck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dorotheergasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2022, Zl. W183 2248392-1/3E, betreffend die Zurückweisung von Anträgen im Bestellungsverfahren nach § 47a StPO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 I. 1. Der Revisionswerber wurde mehrfach, zuletzt bis zum 30. September 2021, zu einem der Stellvertreter des Rechtsschutzbeauftragten nach § 47a Strafprozessordnung 1975 (StPO) bestellt. Am 8. März 2021 bewarb er sich im Hinblick auf die am 19. Februar 2021 veröffentliche Ausschreibung der Funktion des Rechtsschutzbeauftragten und seiner Stellvertreter um die Bestellung für eine weitere Funktionsperiode. Er wurde neben weiteren Bewerberinnen und Bewerbern in den gemäß § 47a Abs. 1 StPO erstatteten gemeinsamen Vorschlag des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft und des Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages für diese Funktion aufgenommen.
2 Mit Schreiben vom 31. März 2021 teilte ihm die für die Bestellung des Rechtsschutzbeauftragten und seiner Stellvertreter zuständige Bundesministerin (und nunmehrige belangte Behörde) mit, dass sie zwei andere Bewerber zu Stellvertretern der Rechtsschutzbeauftragten für die Funktionsperiode ab 1. Oktober 2021 bestellt habe.
3 2. Mit Eingabe vom 7. Mai 2021 beantragte der Revisionswerber bei der belangten Behörde erstens einen bescheidförmigen Abspruch über sein Ansuchen auf Wiederbestellung als Stellvertreter des/der Rechtsschutzbeauftragten mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 2021 und zweitens die Zustellung der Bescheide (Bestellungsdekrete), mit denen die beiden anderen, namentlich genannten Bewerber mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 2021 zu Stellvertretern der Rechtsschutzbeauftragten bestellt wurden.
4 3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. September 2021 wurde der Antrag auf bescheidförmigen Abspruch zurückgewiesen und der Zustellantrag abgewiesen.
5 4. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe ab, dass auch der Zustellantrag nicht ab- sondern zurückgewiesen wird. Eine Revision dagegen erklärte es für nicht zulässig.
6 Begründend führte es aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Ernennungen und keine Parteistellung im Ernennungsverfahren bestehe, es sei denn, die Parteistellung ließe sich aus besonderen Rechtsvorschriften ableiten (Hinweis auf VwGH 15.11.2006, 2006/12/0178). Bei einer bestimmten „rechtlichen Verdichtung“ stehe dem in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis befindlichen Beamten ein Rechtsanspruch auf Überprüfung eines Ernennungsakts zu. Eine solche „rechtliche Verdichtung“ sei aber nur dann gegeben, wenn die für die Entscheidung maßgebenden Aspekte normativ gefasst seien und es sich hierbei nicht bloß um Selbstbindungsnormen handle; zudem dürfe ein Rechtsanspruch (rechtliches Interesse) nicht ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen sein (Hinweis auf VwGH 30.1.2019, Ra 2019/12/0003; 11.11.2016, Ro 2016/12/0010, 0011, 0013; 27.9.2011, 2011/12/0122, 0123; 19.12.2012, 2012/12/0147).
Der Verfassungsgerichtshof bejahe in seiner ständigen Judikatur bei derartigen Verfahren, insbesondere bei Bestellungen von Schulleitern, das rechtliche Interesse und die Parteistellung der in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber, sodass in solchen Fällen eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft vorliege (Hinweis auf VfGH 11.6.2018, E 1660/2018, und 27.6.1991, B 793/90).
Aus der Bestimmung des § 47a StPO sei keine „rechtliche Verdichtung“ im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ersichtlich, und es handle sich bei dieser Bestimmung lediglich um eine Selbstbindungsnorm. Dem Revisionswerber komme daher kein rechtliches Interesse und somit auch keine Parteistellung im Ernennungsverfahren zu. § 47a StPO selbst sehe auch keine Parteistellung der Bewerber um diese Funktionen vor.
Eine Parteistellung könne auch nicht aus der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Parteistellung im Ernennungsverfahren für (v.a. Schulleiter-)Bestellungen abgeleitet werden, weil es sich bei dem in § 47a StPO normierten Vorschlag um keinen „bindenden“ Vorschlag im Sinne der dargelegten Judikatur handle.
Dem Beschwerdeführer komme somit im Verfahren nach § 47a StPO keine Parteistellung zu, weshalb die belangte Behörde zu Recht Punkt 1. des Antrags zurückgewiesen habe. Mangels Parteistellung habe sie aber auch Punkt 2. des Antrags zurückzuweisen gehabt, weshalb der Bezug habende Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides zu berichtigen gewesen sei.
7 5. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 1. Juli 2022, E 748/2022-15, ablehnte. Begründend führte er aus, dass die vom Revisionswerber gerügte Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes wären. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegung seien zur Beurteilung dieser Fragen nicht anzustellen. Soweit der Revisionswerber aber insofern verfassungsrechtliche Fragen aufwerfe, als er die Verfassungswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behaupte, bestehe für die Beschwerde vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Hinweis auf VfSlg. 8066/1977, 14.732/1997, 15.365/1988, 19.061/2010; VfGH 9.6.2017, E 1476/2017 und E 1885/2017; 11.6.2018, E 1295/2018 und E 1660/2018) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es sei von Verfassung wegen in der vorliegenden Konstellation, wonach die Bundesministerin für Justiz an den Bestellungsvorschlag nicht gebunden sei, nicht erforderlich, Bewerbern im Verfahren zur Bestellung des Stellvertreters des Rechtsschutzbeauftragten Parteistellung einzuräumen.
8 Mit weiterem Beschluss vom 21. Juli 2022, E 748/2022-17, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung ab.
9 6. Daraufhin wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht, die sich zu ihrer Zulässigkeit einerseits auf eine behauptete (näher dargestellte) uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und andererseits auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Parteistellung im Bestellungsverfahren nach § 47a StPO unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse der Lehre und unionsrechtlicher Erwägungen stützt.
10 7. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattet. Der Revisionswerber hat darauf repliziert.
II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 1. Die Revision ist zulässig, weil sie zutreffend aufzeigt, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob einem Bewerber um die Funktion des Rechtsschutzbeauftragten oder einer seiner Stellvertreter im Bestellungsverfahren nach § 47a Abs. 1 StPO Parteistellung zukommt.
12 2.1. Dazu ist zunächst die gesetzliche Regelung des § 47a StPO in den Blick zu nehmen, die auszugsweise lautet:
„Rechtsschutzbeauftragter
§ 47a. (1) Der Bundesminister für Justiz hat zur Wahrnehmung besonderen Rechtsschutzes nach diesem Bundesgesetz nach Einholung eines gemeinsamen Vorschlages des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft und des Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages einen Rechtsschutzbeauftragten sowie die erforderliche Anzahl von Stellvertretern mit deren Zustimmung für die Dauer von drei Jahren zu bestellen; Wiederbestellungen sind zulässig. Der Vorschlag hat zumindest doppelt so viele Namen zu enthalten wie Personen zu bestellen sind.
(2) Der Rechtsschutzbeauftragte und seine Stellvertreter müssen besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Grund- und Freiheitsrechte aufweisen und mindestens fünf Jahre in einem Beruf tätig gewesen sein, in dem der Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften Berufsvoraussetzung ist und dessen Ausübung Erfahrungen im Straf- und Strafverfahrensrecht mit sich brachte. Richter und Staatsanwälte des Dienststandes, Rechtsanwälte, die in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen sind, und andere Personen, die vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen ausgeschlossen oder zu diesem nicht zu berufen sind (§§ 2 und 3 des Geschworenen- und Schöffengesetzes 1990), dürfen nicht bestellt werden.
(3) Die Bestellung des Rechtsschutzbeauftragten und seiner Stellvertreter erlischt bei Verzicht, im Fall des Todes, mit Ende der Bestellungsdauer oder wegen nachträglicher Unvereinbarkeit gemäß Abs. 2; im Fall des Endes der Bestellungsdauer jedoch nicht vor der neuerlichen Bestellung eines Rechtsschutzbeauftragten. In den Fällen des § 43 Abs. 1 hat sich der Rechtsschutzbeauftragte von dem Zeitpunkt, zu dem ihm der Grund bekannt geworden ist, des Einschreitens in der Sache zu enthalten.
(4) Der Rechtsschutzbeauftragte ist in Ausübung seines Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Er unterliegt der Amtsverschwiegenheit. Seine Stellvertreter haben gleiche Rechte und Pflichten.
(5) ...
(6) Dem Rechtsschutzbeauftragten gebührt als Entschädigung für die Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Bundesgesetz für jede, wenn auch nur begonnene Stunde ein Zehntel der Entschädigung eines Ersatzmitgliedes des Verfassungsgerichtshofes für einen Sitzungstag (§ 4 Abs. 3 des Verfassungsgerichtshofgesetzes). Für die Vergütung seiner Reisekosten gelten die Bestimmungen der Reisegebührenvorschrift für Bundesbedienstete sinngemäß mit der Maßgabe, dass sein Wohnsitz als Dienstort gilt und dass ihm die Reisezulage in der Gebührenstufe 3 gebührt. Für die Bemessung der dem Rechtsschutzbeauftragten zustehenden Gebühren ist der Bundesminister für Justiz zuständig.
(7) ...“
13 2.2. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung über die Parteistellung von Bewerbern, räumt eine solche also weder ein noch schließt es sie aus. Insbesondere sind auf die Bestellung des Rechtsschutzbeauftragten und seiner Stellvertreter - wie auch die Revision ausführt - weder das Ausschreibungsgesetz 1989 (dort §§ 15, 36) noch das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (dort § 188 für Bewerber um die Planstelle eines Staatsanwaltes) anzuwenden.
14 2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Ernennungen und keine Parteistellung im Ernennungsverfahren, es sei denn, die Parteistellung ließe sich aus besonderen Rechtsvorschriften ableiten. Auch aus dem Vorliegen von an die Behörde gerichteten und diese verpflichtenden Normen über die bei Ernennungen zu beachtenden Gesichtspunkte erwächst dem einzelnen Beamten weder ein Rechtsanspruch noch ein rechtliches Interesse. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Anspruch als Partei auf Verfahrensteilnahme bei Ernennungen (oder ernennungsgleichen Akten) dann angenommen, wenn ein solcher Anspruch der materiellrechtlichen Grundlage - ausdrücklich oder schlüssig - zu entnehmen war. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass dem in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis befindlichen Beamten bei einer bestimmten „rechtlichen Verdichtung“ ein Rechtsanspruch auf Überprüfung eines Ernennungsakts zukommt. Eine solche rechtliche Verdichtung ist aber nur dann gegeben, wenn die für die Entscheidung maßgebenden Aspekte normativ gefasst sind und es sich hiebei nicht bloß um Selbstbindungsnormen handelt und - andererseits - wenn ein Rechtsanspruch (rechtliches Interesse) nicht ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen wird (vgl. VwGH 11.11.2016, Ro 2016/12/0010, 0011, 0013, mwN und 26.6.2002, 2002/12/0176, zuletzt VwGH 27.5.2020, Ra 2019/12/0055, mwN).
15 Der vorliegende Fall betrifft die Bestellung in eine öffentliche Funktion und nicht die Aufnahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis oder eine Ernennung innerhalb eines solchen. Schon deshalb ist aus der dargestellten Rechtsprechung für die Frage der Parteistellung des Revisionswerbers nichts zu gewinnen.
16 2.4. Die Revision hält der dargestellten Rechtsprechung zu öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen entgegen, dass sie in der Lehre nahezu einhellig kritisiert werde und diese Kritik in jüngerer Zeit wieder aufgenommen und neu formuliert worden sei. Unter Bezugnahme auf diese jüngeren Literaturstimmen bringt sie dazu im Wesentlichen mit näherer Begründung vor, Art. 3 StGG (über die Zugänglichkeit öffentlicher Ämter), der Gleichheitssatz samt Willkürverbot (Art. 2 StGG), das Legalitätsprinzip (insb. Art. 18 B-VG) und das Rechtstaatprinzip (samt „Vorwirkungen“ der Art. 129 ff und Art. 144 B-VG) verböten es, dem Bewerber um die Ernennung in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis jegliches subjektiv-öffentliches Recht vorzuenthalten.
17 Zu dieser verfassungsrechtlichen Argumentation ist lediglich zu bemerken, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde des Revisionswerbers abgelehnt und dabei ausgeführt hat, dass im vorliegenden Fall die Einräumung einer Parteistellung verfassungsrechtlich nicht geboten sei. Bei dieser Ausgangslage kommt auch für den Verwaltungsgerichtshof die vom Revisionswerber geforderte Einräumung eines Ernennungsanspruchs samt Parteistellung in „verfassungskonformer Interpretation“ gegen die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht in Betracht.
18 2.5. Überdies - und insofern über eine rein verfassungsrechtliche Argumentation hinaus - stützt sich der Revisionswerber darauf, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zweifelsfall im Rechtsstaat die Vermutung für die Befugnis einer Person, in deren Interesse eine objektive Verpflichtung normiert wurde, zur Rechtsverfolgung streite („Bachofsche Vermutungsthese“), auch wenn dem Gesetz eine Qualifikation des Interesses nicht zu entnehmen sei (Hinweis auf VwGH 14.10.1976, 722/76, VwSlg 9151 A/1976).
19 Allerdings ist nicht erkennbar, dass die Regelung über den Rechtsschutzbeauftragten und seine Stellvertreter samt dem vorgesehenen Bestellungsvorgang nach § 47a StPO im Interesse eines Bewerbers festgelegt wurde. Im Übrigen ist auch nicht vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, wenn der Gesetzgeber bei der (erstmaligen) Regelung der Bestellung des Rechtsschutzbeauftragten und seiner Stellvertreter (als § 149n StPO mit BGBl. I Nr. 105/1997) angesichts der bereits damals bestehenden ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur fehlenden Parteistellung von Bewerbern bei mangelnder rechtlicher Verdichtung gerade keine ausdrückliche abweichende Regelung getroffen hat.
20 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang ein subjektives Interesse an seiner Bestellung aus der mit einer solchen verbundenen finanziellen Entschädigung nach § 47a Abs. 6 StPO ableitet, geht die Revision fehl. Dafür, dass dieses Interesse des Revisionswerbers derart rechtlich geschützt wäre, dass es einen Anspruch auf Bestellung zu begründen vermag, gibt die Regelung des § 47a StPO schon ihrem Wortlaut nach keinen Anhaltspunkt.
21 Was schließlich das - im Zuge der Replik zur Revisionsbeantwortung ausdrücklich formulierte - Interesse an einem Mitsprache- und Kontrollrecht gegenüber dem ernennenden (politischen) Verwaltungsorgan zur Sicherstellung der verfassungs- und konventionsrechtlich (nach Art. 8 EMRK) gebotenen Unabhängigkeit der Rechtsschutzbeauftragten betrifft, ist ebensowenig zu erkennen, woraus ein darauf gerichtetes subjektiv-öffentliches Recht des Bewerbers abgeleitet werden soll.
22 2.6. Weiters macht der Revisionswerber unionsrechtliche Gesichtspunkte geltend: So sei aus Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) aus jüngerer Zeit (insbesondere EuGH 27.2.2018, Rs C-64/16, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, und EuGH 16.11.2021, verb. Rs. C-748/19 bis C-754/19, Strafverfahren gegen W.B. u.a.) abzuleiten, dass die Unabhängigkeit, die dem Auftrag eines Richters inhärent sei, auch auf Ebene der Mitgliedstaaten für die nationalen Gerichte zu gewährleisten sei, und dass dafür auch das Verfahren der Organkreation von wesentlicher Bedeutung sei. Dies führe nach dem Revisionsvorbringen dazu, dass ein ausschließlich an objektivierbaren Eignungsvoraussetzungen orientierter Bestellungsmodus geboten sei. Eine Befugnis der Bundesministerin für Justiz, hinsichtlich jeder Richterernennung eine Umreihung des Vorschlages vornehmen zu können, ohne die Gebrauchnahme des Auswahlermessens begründen und den nicht zum Zuge gekommenen Mitbewerbern einen vor den Verwaltungsgerichten bekämpfbaren Bescheid zustellen zu müssen, sei mit der Verpflichtung zur Beachtung des Erfordernisses der Unabhängigkeit nicht vereinbar. Dies müsse auch für die Bestellung des Rechtsschutzbeauftragten und seiner Stellvertreter gelten, die als nichtrichterliches Rechtsschutzorgan nur durch Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit eine effektive Kontrolle geheimer, in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK eingreifender Ermittlungsmaßnahmen gewährleisten könnten.
23 Ob die vom Revisionswerber aus der Rechtsprechung des EuGH abgeleiteten Anforderungen an ein Bestellungsverfahren tatsächlich unionsrechtlich geboten sind, muss schon deshalb nicht weiter untersucht werden, weil sich diese Rechtsprechung ausschließlich auf die Unabhängigkeit von Richtern bezieht. Für die Übertragbarkeit der dafür aufgestellten Anforderungen auf den Rechtsschutzbeauftragten und seine Stellvertreter wäre es daher zumindest erforderlich, dass dieser als nichtrichterliches Kontrollorgan anstelle eines Gerichtes einen unionsrechtlich gebotenen Rechtsschutz gewährleistet (vgl. dazu etwa auch die vom Revisionswerber angeführte Entscheidung EuGH 2.3.2021, C-746/18, Strafverfahren gegen H.K., Rn 53, mwN, über die Anforderungen an die Stellung einer unabhängigen Verwaltungsbehörde, wenn die unionsrechtlich geforderte ex-ante-Kontrolle von bestimmten Strafverfolgungsmaßnahmen nicht von einem Gericht, sondern von dieser wahrgenommen wird).
24 Der Rechtsschutzbeauftragte nach § 47a StPO gewährt aber keinen Rechtsschutz anstelle eines Gerichtes. Seine Befugnisse sind vielmehr jeweils darauf gerichtet, eine Entscheidung des zuständigen Strafgerichtes zu erwirken. Dies erfolgt entweder im Form der Erhebung eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung (§ 147 Abs. 1 Z 1 oder 2 iVm Abs. 3 StPO), einer Beschwerde gegen eine gerichtliche Bewilligung (§ 147 Abs. 1 Z 2a bis 5 iVm Abs. 3 StPO), der Einholung einer gerichtlichen Entscheidung über die Vernichtung von Ergebnissen einer Ermittlungsmaßnahme (§ 147 Abs. 4 iVm § 139 Abs. 4 StPO), der Stellung eines Fortführungsantrages (§ 195 Abs. 2a, § 209a Abs. 6 und § 209b Abs. 2 StPO, § 29c Abs. 4 Staatsanwaltschaftsgesetz) oder der Anregung an die Generalprokuratur, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetztes einzubringen (§ 23 Abs. 1a StPO). Auch in jenen Fällen, in denen die Zulässigkeit einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsmaßnahme von der Einwilligung des Rechtsschutzbeauftragten abhängt (§ 144 Abs. 3 iVm § 147 Abs. 2 StPO), ist jedenfalls auch eine gerichtliche Bewilligung einzuholen.
25 Ungeachtet der Bedeutung dieser Mechanismen für die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes lässt sich vor diesem Hintergrund aus der Rechtsprechung des EuGH zur Unabhängigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte für die Bestellung des Rechtsschutzbeauftragten und seiner Stellvertreter nichts zu Gunsten des Standpunktes des Revisionswerbers ableiten.
26 2.7. Aus den vorliegenden Regelungen ergibt sich somit nicht, dass einem Bewerber um die Funktion des Stellvertreters des Rechtsschutzbeauftragten ein rechtlicher Anspruch auf seine Bestellung zukäme. Es besteht daher weder ein Recht auf bescheidmäßigen Abspruch über seine Nichtbestellung noch eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft und insofern auch keine Parteistellung in Bezug auf die Bestellung eines anderen Bewerbers.
27 2.8. Die Revision bringt schließlich unter dem Gesichtspunkt einer angeblich uneinheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, dass „Bewerber in Fällen einer notwendigen Konkurrentensituation“ außerhalb des Dienstrechtes (etwa im Apotheken-, Glücksspiel- oder Telekommunikationsrecht) sehr wohl durch Bildung einer Verwaltungsverfahrensgemeinschaft in die Lage versetzt würden, nicht nur die Abweisung ihres eigenen Antrags, sondern auch die Konzessionserteilung an den Konkurrenten zu bekämpfen.
28 Diese Fälle unterscheiden sich vom vorliegenden Bestellungsverfahren für eine öffentliche Funktion jedoch dadurch, dass dort - anders als hier - ein rechtlicher Anspruch eines Antragstellers auf positive Erledigung seines Antrages bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen besteht. Nur in einem solchen Fall erfordert nämlich der Umstand, dass Anträge mehrerer Antragsteller aus rechtlicher oder tatsächlicher Sicht nicht in unbeschränkter Anzahl bewilligt werden können, die Bildung einer Verwaltungsverfahrensgemeinschaft, weil ein unterlegener Antragsteller sein Rechtsschutzinteresse nur durch die Bekämpfung der Antragsstattgabe an seinen „Konkurrenten“ durchsetzen kann, soweit gerade diese der positiven Erledigung seines eigenen Antrags entgegen steht (vgl. zu Apothekenkonzessionen grundlegend VwGH 30.8.1994, 90/10/0129, Pkt. 2.2.3; zur Einschränkung des „Mitspracherechts“ auf die für die Entscheidung zwischen mehreren Bewerbern allein maßgeblichen Fragen VwGH 25.6.2019, Ra 2019/10/0063, Rn 9, mwN; zur Übertragung dieser Überlegungen auf die Konzessionsvergabe nach dem Glücksspielgesetz VwGH 4.8.2005, 2004/17/0035, Pkt. 2.5.2; zur bedarfsgebundenen Gewerbeberechtigung für das Rauchfangkehrergewerbe VwGH 11.5.2017, Ro 2016/04/0008, Pkt. 3.3., mit weiteren Beispielen; zur Frequenzvergabe nach dem Telekommunikationsgesetz VwGH 7.6.2000, 2000/03/0058).
29 3. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass dem Revisionswerber im Verfahren zur Bestellung der Stellvertreter des Rechtsschutzbeauftragten für die Funktionsperiode ab 1. Oktober 2021 keine Parteistellung zukam. Das Verwaltungsgericht hat daher seine Anträge zu diesem Verfahren zu Recht zurückgewiesen.
30 Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
31 Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 8. März 2023
Gerichtsentscheidung
EuGH 62016CJ0064 Associacao Sindical dos Juízes Portugueses VORABSchlagworte
Dienstrecht VerwaltungsverfahrensgemeinschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022030214.L00Im RIS seit
13.04.2023Zuletzt aktualisiert am
13.04.2023