TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/18 95/21/0839

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Veröffentlicht am 18.10.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §22 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. Dezember 1994, Zl. Fr 3243/94, betreffend Ausweisung und Zurückweisung eines Antrages gemäß § 22 Abs. 1 FrG,

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Ausweisung richtet, als unbegründet abgewiesen.

II. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des vorgenannten Antrages richtet, zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 9. Dezember 1994 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 FrG ausgewiesen. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes wurde zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe am 22. Dezember 1992 bei der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes eingebracht. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 18. Juni 1993 sei dieser Antrag gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG abgewiesen worden. Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung sei davon ausgegangen, daß sich der Beschwerdeführer seit 17. April 1992 unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist sei. Der gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung erhobenen Beschwerde sei keine Folge gegeben worden (Hinweis auf Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0543). Der Beschwerdeführer verfüge über keine Aufenthaltsberechtigung. Nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes dürfe dem Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, bei dem ein Sichtvermerksversagungsgrund vorliege. Am Sichtvermerksversagungsgrund der Umgehung der Grenzkontrolle bzw. der illegalen Einreise habe sich offensichtlich nichts geändert. Zudem sei der Erstantrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der rechtswidrige Aufenthalt des Beschwerdeführers währe bereits über zwei Jahre und es bestehe sohin die Notwendigkeit, der Berufung (gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid) die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Das Beschäftigungsverhältnis und die vorgebliche soziale Integration seien nur bei einem allfälligen langandauernden rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet von entscheidender Bedeutung. Weitere Bindungen zu im Inland aufhältigen Personen seien vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden und es fänden sich dafür in den Akten keine Anhaltspunkte.

Gemäß § 22 Abs. 1 FrG könne die Behörde auf Antrag bei der Erlassung einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 den Eintritt der Durchsetzbarkeit auf höchstens drei Monate hinausschieben. Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes sei, soferne nichts anderes bestimmt sei, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese. Mangels Zuständigkeit sei daher der diesbezügliche Antrag zurückzuweisen gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen, zunächst an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluß vom 13. Juni 1995, B 223/95, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde (Ergänzung) beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde bleibt die zutreffende - auf der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsannahme beruhende - Rechtsansicht, daß sich der Beschwerdeführer seit seiner illegalen Einreise unrechtmäßig in Österreich aufhalte, unbekämpft.

Der Beschwerdeführer meint, der Umstand, daß sein Aufenthalt noch nicht im Einklang mit dem Aufenthaltsgesetz stehe, sei nicht durch sein Verhalten, sondern durch Behördenuntätigkeit und Einführung neuer gesetzlicher Bestimmungen eingetreten.

Mit diesem Vorbringen kann er jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Die Behörde hat nämlich mangels anderslautender Übergangsbestimmungen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Gesetz anzuwenden.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG. Er wirft der belangten Behörde vor, sie verkenne, daß sein dreijähriger Aufenthalt im Bundesgebiet von den für die Regelung des Fremdenwesens zuständigen Behörden geduldet worden sei und daß er während dieses Aufenthaltes eben diejenigen Bindungen entfaltet habe, welchen der Schutz des Art. 8 MRK sowie des § 19 FrG zukomme.

§ 19 FrG stellt auf den Schutz des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden ab. Bei Vorliegen eines im Sinne dieser Bestimmung relevanten Eingriffes in das Privat- und/oder Familienleben ist zu prüfen, ob die Erlassung einer Ausweisung dringend geboten ist. Es ist unbestritten, daß sich der Beschwerdeführer ab seiner illegalen Einreise bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides ca. 32 Monate lang im Bundesgebiet aufgehalten hat, doch war dieser Aufenthalt von Anfang an unrechtmäßig. Bei einem solchen Sachverhalt bewirkt die Ausweisung keinen relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0850). Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer in seinem Familienleben im Bundesgebiet beeinträchtigt würde, bietet der Sachverhalt nicht. Es ist daher entbehrlich, auf die Frage einzugehen, ob die Ausweisung des Beschwerdeführers nach § 19 FrG dringend geboten war (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1994).

Die Beschwerde vertritt die Auffassung, daß durch die Zurückweisung des gemäß § 22 Abs. 1 FrG gestellten Antrages die belangte Behörde damit die inhaltliche Entscheidung durch die im Instanzenzug berufenen Behörden verweigert und vereitelt habe.

Dies trifft jedoch ausgehend von dem oben wiedergegebenen Begründungsteil des angefochtenen Bescheides nicht zu: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 23. März 1995, Zl. 94/18/1005) ist der Bescheid einer Verwaltungsbehörde als Ganzes zu beurteilen. Für die Lösung der Frage, inwieweit in einem Bescheid die Absicht bestanden hat, über individuelle Rechtsverhältnisse in einer der Rechtskraft fähigen Weise abzusprechen, ist nicht nur vom Spruch des Bescheides auszugehen, sondern zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen. Im Beschwerdefall bedeutet das, daß die belangte Behörde lediglich ihre Unzuständigkeit zu einer meritorischen Entscheidung über den im Berufungsschriftsatz gestellten Antrag des Beschwerdeführers ausgesprochen hat; dies zu Recht, weil der Antrag nicht den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hatte und somit nicht "Sache" des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG sein konnte. Wenn die belangte Behörde diesen Antrag mangels Zuständigkeit zurückwies, konnte der Beschwerdeführer dadurch nicht in seinen Rechten verletzt werden.

Im übrigen wurde dieser Antrag erkennbar an die Behörde erster Instanz gerichtet und von dieser laut Akteninhalt noch nicht erledigt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die hinsichtlich der Ausweisung behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde insoweit gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung des bezeichneten Antrages richtet, war sie mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe.

Schlagworte

Spruch und BegründungInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210839.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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