TE Vwgh Beschluss 2023/3/15 Ra 2022/22/0060

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.03.2023
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §69 Abs1 Z1
AVG §69 Abs3
B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §54 Abs1
NAG 2005 §54 Abs7
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
  1. AVG § 69 heute
  2. AVG § 69 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. AVG § 69 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. AVG § 69 gültig von 01.01.1999 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  5. AVG § 69 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998
  1. AVG § 69 heute
  2. AVG § 69 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. AVG § 69 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. AVG § 69 gültig von 01.01.1999 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  5. AVG § 69 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VwGG § 28 heute
  2. VwGG § 28 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. VwGG § 28 gültig von 01.01.2017 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2017
  4. VwGG § 28 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 28 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 28 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 28 gültig von 01.01.1991 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  8. VwGG § 28 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990
  1. VwGG § 34 heute
  2. VwGG § 34 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 34 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 34 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 34 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 34 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 34 gültig von 01.09.1997 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/1997
  8. VwGG § 34 gültig von 05.01.1985 bis 31.08.1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des J H, vertreten durch die Mag. Wolfgang Auner Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft KG in 8700 Leoben, Parkstraße 1/I, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 23. Jänner 2022, VGW-151/082/5435/2021/E-37, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens hinsichtlich Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 27. Dezember 2019 nahm der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) das auf Grund des Antrags des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Montenegro, vom 9. November 2017 durchgeführte und mit der Ausstellung einer Aufenthaltskarte rechtskräftig abgeschlossene Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder auf, wies den zugrundeliegenden Antrag (gestützt auf § 54 Abs. 1 und 7 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz [NAG]) zurück und stellte fest, dass der Revisionswerber nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle.

2        Mit Erkenntnis vom 28. Februar 2020 gab das Verwaltungsgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers Folge und behob den angefochtenen Bescheid ersatzlos.

3        Mit dem hg. Erkenntnis VwGH 1.4.2021, Ra 2020/22/0113, wurde dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom Verwaltungsgerichtshof - auf Grund der vom Bundesminister für Inneres erhobenen Amtsrevision - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

4        Im fortgesetzten Verfahren wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid (mit einer Maßgabe). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

5        Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe am 10. Oktober 2017 in Montenegro die bulgarische Staatsangehörige S.K. geheiratet und am 9. November 2017 gestützt auf diese Ehe einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gestellt. Am 7. Dezember 2017 sei ihm die beantragte Aufenthaltskarte ausgestellt worden. Der Revisionswerber habe mit S.K. weder vor noch nach der Eheschließung eine tatsächliche gemeinsame Beziehung geführt; ein eheliches Zusammenleben mit einer gemeinsamen Haushaltsführung sowie Freizeit- und Urlaubsgestaltung sei in Wirklichkeit nicht gepflogen und auch nie gesucht worden. Schon Anfang Februar 2018 habe S.K. ihre Erwerbstätigkeit im Inland beendet und sei spätestens im Sommer 2018 nach Bulgarien zurückgekehrt. Seither bestehe kein Kontakt zwischen den Eheleuten. Im Oktober 2021 habe der Revisionswerber in Montenegro eine Scheidungsklage eingebracht. Die Ehe sei ausschließlich zu dem Zweck eingegangen worden, dem Revisionswerber die Dokumentation eines Aufenthaltsrechts in Form der beantragten Aufenthaltskarte zu vermitteln.

6        Beweiswürdigend stützte sich das Verwaltungsgericht insbesondere auf den in der mündlichen Verhandlung erörterten Akteninhalt sowie den vom Revisionswerber gewonnenen persönlichen Eindruck. Der Revisionswerber habe die Widersprüche aus dem gesamten Verfahren zum behaupteten Eheleben nicht glaubwürdig erklären und widerlegen können und es habe unzweifelhaft das Bild überwogen, dass der Revisionswerber ausschließlich den Zuzug nach Österreich und den Zugang zum Arbeitsmarkt vor Augen gehabt habe. Das angegebene eheliche Zusammenleben habe nur wenige Monate gedauert und lege keine ernsthaft beabsichtigte Ehe- und Familienplanung nahe. Die Darstellung des Revisionswerbers, seine Ehefrau habe ihm seinen Seitensprung nicht verzeihen können, sei nicht überzeugend gewesen. Keine der Angaben und kein Verhalten des Revisionswerbers würden auf ein Eheleben oder auf „Rettungsversuche“ dieser Ehe hinweisen. Einen deutlichen Gegensatz dazu stelle die Beschreibung des Revisionswerbers seiner jetzigen Beziehung dar, der bereits eine umfassende Einbeziehung der neuen Freundin in den Familienkreis entnommen werden könne.

Darüber hinaus stützte sich das Verwaltungsgericht auf die Angaben der als Zeugin befragten Beamtin der Landespolizeidirektion Wien zu den gepflogenen Ermittlungen, die den Eindruck einer insgesamt fehlenden familiären Lebensweise der Eheleute bzw. einer von Anfang an nicht vorhandenen, darauf gerichteten Absicht des Revisionswerbers und S.K. bekräftigt hätten. Schließlich verwies das Verwaltungsgericht auf die mündlichen Ausführungen der geschiedenen Ehefrau des Bruders des Revisionswerbers, die zur Aufklärung des Ehelebens wenig hätten beitragen können, in einer Gesamtbetrachtung aber nicht für eine jemals tatsächlich geführte Ehe gesprochen hätten.

7        In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht aus, es sei von Anfang an eine Aufenthaltsehe vorgelegen. Der Revisionswerber hätte sich bei seiner Antragstellung auf eine solche Ehe, die lediglich zum Zweck der Erlangung der Dokumentation eines Aufenthaltsrechts eingegangen worden sei, nicht berufen dürfen. Er habe somit zu seinem Ehe- und Familienleben vor der belangten Behörde unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht. Die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Erschleichens sei daher zu Recht erfolgt, wobei die Wiederaufnahme auch eines Verfahrens über die Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts zulässig sei.

Ausgehend vom nunmehr feststehenden Sachverhalt einer Aufenthaltsehe sei der Revisionswerber zu keinem Zeitpunkt in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gefallen. Sein Antrag sei daher nach § 55 Abs. 3 in Verbindung mit § 54 Abs. 7 NAG zurückzuweisen und dies mit der Feststellung zu verbinden, dass der Revisionswerber nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle.

Abschließend verwies das Verwaltungsgericht noch darauf, dass der Versuch der Ladung der Ehefrau des Revisionswerbers nicht erfolgreich gewesen sei und auch der Revisionswerber seine Ehefrau (ungeachtet der beim ersten Verhandlungstermin noch „als möglich in Aussicht gestellten Verfügbarkeit“) nicht habe stellig machen können. Die beantragte Einvernahme der S.K. sei daher nicht möglich gewesen.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Einvernahme der Ehegattin des Revisionswerbers abgegangen. Das Verwaltungsgericht habe auch selbst Anstrengungen zu unternehmen, um einen Zeugen, der sich im Ausland aufhalte, zu laden (Hinweis auf VwGH 18.11.2021, Ro 2021/22/0012). Dem habe das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren nicht im notwendigen Ausmaß entsprochen. Das Verwaltungsgericht sei somit seiner Ermittlungs- und Begründungspflicht nicht entsprechend nachgekommen.

11       Nach den vorgelegten Verfahrensakten wurde die Ehefrau des Revisionswerbers zunächst zum Verhandlungstermin am 4. November 2021 an ihrer - laut Meldeauskunft aufrechten - inländischen Adresse und zum Verhandlungstermin am 20. Dezember 2021 an der - vom Rechtsvertreter des Revisionswerbers am ersten Verhandlungstermin bekannt gegebenen - Adresse in Bulgarien geladen. Laut Verhandlungsprotokoll zur Verhandlung vom 20. Dezember 2021 ist das Ladungsersuchen betreffend S.K. an der bulgarischen Anschrift in der Verhandlung erörtert und „nicht bestritten“ worden. Ausgehend davon kann dem Verwaltungsgericht nicht vorgeworfen werden, keine Bemühungen angestellt zu haben, um mit der in Bulgarien ansässigen Zeugin in Kontakt zu treten. Eine im Ausland ansässige Zeugin kann auch nicht zum persönlichen Erscheinen angehalten werden (vgl. VwGH 10.11.2022, Ra 2021/22/0213, Rn. 16, mwN). Vor diesem Hintergrund ist für den Revisionswerber mit dem Hinweis auf das Erkenntnis VwGH Ro 2021/22/0012 nichts zu gewinnen, weil das Verwaltungsgericht vorliegend (anders als in der dem zitierten hg. Erkenntnis zugrunde gelegenen Konstellation) ohnehin den Versuch unternommen hat, die Zeugin unter Heranziehung der vom Revisionswerber bekannt gegebenen Anschrift zu laden.

12       Sofern mit der behaupteten, jedoch nicht näher konkretisierten Verletzung der Begründungspflicht der Sache nach die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes bekämpft wird, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der zufolge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG im Zusammenhang mit der Überprüfung der Beweiswürdigung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 27.9.2022, Ra 2022/22/0138, Rn. 8, mwN). Eine derartige vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, die - wenn auch in knapper Form - unter Heranziehung einer Mehrzahl von Aspekten und unter Bedachtnahme auf den in der mündlichen Verhandlung vom Revisionswerber gewonnenen persönlichen Eindruck erfolgt ist, wird vom Revisionswerber nicht aufgezeigt.

13       Soweit in der Zulässigkeitsbegründung schließlich auf nähere Ausführungen in den Revisionsgründen verwiesen wird, ist anzumerken, dass ein solcher Verweis auf die Revisionsgründe die erforderliche gesonderte Darlegung der Zulässigkeit der Revision nicht zu ersetzen vermag (vgl. etwa VwGH 29.12.2022, Ra 2022/22/0167, Rn. 16, mwN).

14       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 15. März 2023

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022220060.L00

Im RIS seit

13.04.2023

Zuletzt aktualisiert am

13.04.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten