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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, in der Beschwerdesache des B in R, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Dezember 1994, Zl. St 242-2/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (belangte Behörde) vom 28. Dezember 1994, mit welchem gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 sowie den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein bis zum 29. April 1999 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde.
Begründet wurde der angefochtene Bescheid damit, daß der - am 10. April 1990 in das Bundesgebiet eingereiste und hier seit 1990 unselbständig erwerbstätige - Beschwerdeführer seit seiner Einreise mit sieben Verwaltungsstrafen bestraft worden sei, in drei Fällen, nämlich mit Bestrafungen vom 6. Juli 1992, vom 1. Oktober 1993 und vom 21. Februar 1994 jeweils wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung (§ 64 Abs. 1 erster Satz KFG). Der Beschwerdeführer weise "noch andere Verwaltungsstrafen, darunter auch eine wegen Übertretung des Paßgesetzes" wegen unrechtmäßiger Einreise im Jahre 1990 auf. Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG seien, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgestellt habe, als schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG anzusehen. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei nicht nur zwingende Folge dieser Bestrafungen, sondern erscheine auch trotz des Umstandes, daß sich die Ehegattin des Beschwerdeführers in Österreich aufhalte, auch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des § 19 FrG dringend geboten. Dem Beschwerdeführer hätte bewußt sein müssen, daß er auf Straßen mit öffentlichem Verkehr Kraftfahrzeuge nicht lenken hätte dürfen. Der Beschwerdeführer halte sich seit dem Jahr 1990 im Bundesgebiet auf, eine Aufenthaltsdauer von vier Jahren vermöge jedoch noch keinen hohen Integrationsgrad zu bewirken. Er habe hohe Verbindlichkeiten ausständig, was nicht auf einen hohen Grad der Integration schließen lasse. Seine Ehegattin sei in das Bundesgebiet nachgekommen, somit bestünden intensive familiären Bindungen. Zu bedenken sei jedoch, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers erst seit dem 7. Juni 1994 einer Beschäftigung nachgehe. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schienen daher schwerer zu wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation und jene der Familie des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei somit auch im Sinne des § 20 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Eine fünfjährige Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei angesichts der Tilgungsfrist für die vom Beschwerdeführer gesetzten Verwaltungsübertretungen im Hinblick auf § 21 Abs. 2 FrG angemessen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die Abweisung der Beschwerde, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden "ein
Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter
Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt
1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder
2. anderen in Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958,
genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft". Gemäß § 18
Abs. 2 Z. 2 FrG hat als "bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1
... insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder ... im Inland mehr
als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung
... rechtskräftig bestraft worden ist".
2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß gegen ihn sieben Verwaltungsstrafen, davon drei wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung verhängt worden seien. Er meint aber, daß bei der Beurteilung, ob der Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet tatsächlich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet, "nicht von einer formalistischen, eher geradezu automatisierten Betrachtungsweise ausgegangen werden" dürfe. Der Beschwerdeführer besitze nämlich seit vielen Jahren den polnischen Führerschein und verfüge über eine langjährige Fahrpraxis sowohl mit Personenkraftwagen als auch mit Lastkraftwagen. Nach seiner Einreise nach Österreich sei er der Meinung gewesen, daß ihn der polnische Führerschein auch zum Lenken von Fahrzeugen in Österreich berechtige, zumal keine wesentlichen Unterschiede in der Straßenverkehrsordnung der beiden Länder offenkundig seien. Anläßlich seiner ersten Anhaltung im Sommer 1992 darüber belehrt, daß diese Annahme nicht zutreffe, habe er sich in der Folge umgehend einen internationalen Führerschein ausstellen lassen. Daß er auch mit diesem nicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen in Österreich berechtigt sei, sei ihm erst nach seiner nächsten Anhaltung mitgeteilt worden. Der Beschwerdeführer habe in der Folge in einer österreichischen Fahrschule einen Fahrkurs besucht und die Führerscheinprüfung am 9. Februar 1995 erfolgreich abgelegt. Es könne somit nicht die Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich den österreichischen Rechtsvorschriften gemäß zu verhalten. Auch die weiteren, von der belangten Behörde nicht als schwerwiegend qualifizierten Verwaltungsübertretungen seien geringfügig.
In Zukunft sei es ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer Verwaltungsübertretungen nach § 64 KFG begehen werde, da er seit dem 10. Februar 1995 im Besitz eines österreichischen Führerscheines sei. Die diesbezügliche Zukunftsprognose könne daher durchaus als positiv bezeichnet werden.
Das gegen den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot sei im Hinblick auf seinen nunmehr fünfjährigen Aufenthalt und den dadurch bewirkten "hohen Integrationsgrad" nicht notwendig. Durch ein Aufenthaltsverbot würde er von seiner Ehegattin getrennt. Es würde die mühsam aufgebaute neue Existenz seiner Familie zugrundegerichtet werden. Er sei hohe Verbindlichkeiten "ausschließlich zur Gründung eines neuen Heimes für meine Familie in Österreich eingegangen, woraus sich ein hohes Maß an Integration erkennen läßt".
3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich beim Delikt des Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung gemäß § 64 Abs. 1 erster Satz (in Verbindung mit § 134 Abs. 1) KFG grundsätzlich um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Februar 1995, Zl. 95/18/0085 mwN.). Der Beschwerdeführer wurde dreimal wegen einer solchen Tat bestraft, der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG sowie jener des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG ist daher - letzterer im Hinblick auf die Gefährdung der Ordnung auf dem Gebiet des Kraftfahrwesens - erfüllt.
Aus den Akten des Verwaltungsverfahrens geht nämlich hervor, daß der Beschwerdeführer bereits seit Februar 1992 somit - entgegen den Beschwerdeausführungen - bereits vor seiner ersten Anhaltung im Besitz eines internationalen Führerscheins war. Selbst wenn man trotz dieses Umstandes daher davon ausgeht, daß das Verschulden bei der Begehung der ersten Übertretung gemäß § 64 Abs. 1 KFG deswegen gering gewesen und die Verwaltungsübertretung nicht als schwerwiegend anzusehen sein mag, weil der Beschwerdeführer über die Notwendigkeit des Erwerbs eines österreichischen Führerscheins nicht informiert war (vgl. dazu das oben genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Februar 1995), so kann man ihm dies bezüglich der beiden folgenden Übertretungen gemäß § 64 Abs. 1 KFG nicht mehr zugute halten.
Daß dem Beschwerdeführer nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ein österreichischer Führerschein ausgestellt worden ist, muß bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides außer Betracht bleiben. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides war die belangte Behörde darüber nämlich zwar informiert, daß der Beschwerdeführer sich bei einer oberösterreichischen Fahrschule für einen Führerscheinkurs angemeldet, jedoch am 24. Juni 1994 die Lenkerprüfung nicht bestanden habe.
4. Im Hinblick auf § 19 FrG konnte die belangte Behörde davon ausgehen, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Kraftfahrwesen dient. Angesichts des Umstandes, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides fast fünf Jahre im Bundesgebiet aufhielt und sich seine Ehegattin nur während des letzten Teils dieser Zeit ebenfalls in Österreich befand, mußte die belangte Behörde zwar von einer Integration des Beschwerdeführers ausgehen, sie durfte aber den Schluß ziehen, daß das Aufenthaltsverbot im Hinblick auf seine privaten und familiären Interessen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Straßenverkehr dringend geboten erschien (§ 19 FrG). Dies auch angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer im Bundesgebiet hohe Verbindlichkeiten eingangen ist, was das Ausmaß seiner Integration zwar nicht mindert, an der Beurteilung gemäß § 19 FrG vorliegend aber auch nichts ändert.
5. Der belangten Behörde kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden, daß sie das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers bei Anwendung des § 20 Abs. 1 FrG nicht ausreichend berücksichtigt habe. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hielt sich der Beschwerdeführer zwar fast fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet auf, hatte jedoch im Bundesgebiet nur für etwa neun Monate mit seiner Ehegattin zusammengelebt. Dem Akteninhalt zufolge haben der Beschwerdeführer und seine Ehegattin zwei Kinder, die weiterhin in Polen leben. Auch das mit Kreditmitteln sanierte Wohnhaus befindet sich entgegen den Beschwerdeausführungen in Polen. Bei diesem Sachverhalt kann nicht gesagt werden, daß die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familie die gegen seinen Aufenthalt sprechenden öffentlichen Interessen überwögen.
6. Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995210422.X00Im RIS seit
19.03.2001