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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des K in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 19. Jänner 1994, Zl. III 183-1/93, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 19. Jänner 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Abs. 2 Z. 1 und 2 iVm den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei, allerdings mit jeweils kurzen Unterbrechungen, seit dem Jahr 1971 in Österreich aufhältig und arbeite hier als Hilfsarbeiter im Gastgewerbe. An nahen Angehörigen befinde sich die ebenfalls berufstätige Ehefrau des Beschwerdeführers und seine vier bereits volljährigen Kinder sowie seine Mutter im Bundesgebiet, sodaß ein Aufenthaltsverbot einen erheblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers bedeute. Der Beschwerdeführer sei wiederholt durch inländische Gerichte rechtskräftig verurteilt worden, und zwar (nach dem insoweit als integriert anzusehenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel, der sich wiederum auf den im Akt aufliegenden und vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Strafregisterauszug stützte) mit Urteil des Bezirksgerichtes Reutte vom 6. März 1989 und des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 10. Jänner 1991, jeweils wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB, und mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. August 1994 wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB. Der Beschwerdeführer weise überdies insgesamt acht rechtskräftige Verwaltungsstrafen auf, darunter drei rechtskräftige Bestrafungen wegen § 5 Abs. 1 StVO.
Aufgrund der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG, aufgrund der Verwaltungsübertretungen nach § 5 StVO auch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten sei die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.
Das Aufenthaltsverbot sei trotz des Eingriffes in sein Privat- und Familienleben zulässig, weil es zur Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen dringend geboten sei (§ 19 FrG). Aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet und seiner familiären Integration seien die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie sehr gravierend, doch wögen die nachteiligen Auswirkungen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer: Dies ergebe sich aus den (mehrfachen) gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und seiner dadurch dokumentierten schädlichen Neigung sowie der von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden Gefahr für eine große Anzahl von "unbeteiligten Verkehrsteilnehmern".
Auch § 20 Abs. 2 FrG hindere nicht die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer, weil dieser vor Verwirklichung des maßgebenden Sachverhaltes nicht die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz erfülle. Seine (niederschriftliche) Befragung am 2. März und 27. Juli 1992 durch die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel belege, daß er zum vorerwähnten Zeitpunkt nicht zumindest zehn Jahre ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich gehabt habe. Dies könne auch den im Verwaltungsakt aufliegenden Meldezetteln vom 13. Juni 1990, vom 14. Juli 1991 und vom 20. Jänner 1993 entnommen werden. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Verfahrensmängel geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bekämpft nicht die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, daß aufgrund der vorliegenden gerichtlichen Verurteilungen der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (4. Fall) FrG erfüllt sei. Der dazu vorgebrachte Standpunkt in der Beschwerde, daß es sich bei den vorliegenden Betrugsdelikten "lediglich" um geringfügige Vergehen handle, weil der Beschwerdeführer "jeweils nur" zu Geldstrafen verurteilt worden sei, kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden. Zum einen darf allein aus dem Ausmaß der verhängten Strafe nicht auf den Unrechtsgehalt des begangenen Deliktes rückgeschlossen werden; zum anderen findet sich unter den gerichtlichen Verurteilungen auch eine solche wegen schweren Betruges. Die mit der Vollziehung des Fremdengesetzes betrauten Behörden haben das Vorliegen/Nichtvorliegen der im § 18 Abs. 1 FrG bezeichneten Gefährdung eigenständig zu beurteilen. Dem Beschwerdeführer ist weiters die in § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers entgegenzuhalten, wonach wiederholte Bestrafungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen auch dann zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes führen können, wenn der Fremde nicht zu einer hohen Geld- und/oder Freiheitsstrafe verurteilt wurde oder die Verurteilung nicht wegen Straftaten erfolgt ist, die mit hohen Freiheitsstrafen bedroht sind. Mit seiner Auffassung, daß eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO nicht als schwerwiegend zu qualifizieren sei, ist der Beschwerdeführer auf die ständige hg. Rechtsprechung (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0504) zu verweisen, wonach Übertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO grundsätzlich schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 2 darstellen. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, warum dies nicht auch in seinem Fall gelten sollte. Diese Verwaltungsübertretungen erfüllen demnach für sich allein den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG. Bereits aufgrund dieser bestimmten Tatsache ist mit Rücksicht auf die besonderen, von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden Gefahren für die Allgemeinheit die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Wenn die belangte Behörde aufgrund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gesetzten strafbaren Gesamtverhaltens angenommen hat, daß ein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, daß ungeachtet des schweren Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG zulässig, weil dringend geboten sei.
Der Beschwerdeführer hält die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG für unzulässig. Er verweist in diesem Zusammenhang auf seinen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und auf die hier bestehenden familiären Bindungen. Aufgrund der kriegerischen Unruhen in Bosnien, wo sich sein Heimatort befinde, sei ihm eine Rückkehr dorthin unzumutbar.
Der Beschwerdeführer vermag damit aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Seinen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und die dadurch bewirkte Integration sowie seine familiären Bindungen in Österreich hat die belangte Behörde ohnedies berücksichtigt. Sämtliche Kinder des Beschwerdeführers sind mittlerweile bereits volljährig, seine Ehefrau wiederum ist nach der insoweit unbekämpften Feststellung im angefochtenen Bescheid selbst berufstätig. Die belangte Behörde hat bereits darauf hingewiesen, daß mit dem Aufenthaltsverbot nicht eine Verpflichtung zur Ausreise oder eine allfällige Abschiebung in ein bestimmtes Land verbunden ist, sondern lediglich das Verbot ausgesprochen wird, sich weiter in Österreich aufzuhalten. Im Hinblick darauf, daß die zahlreichen, dem Beschwerdeführer zur Last liegenden schweren Gesetzesverstöße den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sehr großes Gewicht verleihen, ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertreten hat, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Insbesondere die wiederholte Bestrafung durch inländische Gerichte wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen war letztlich auch für das Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes und damit für das Ergebnis der Interessenabwägung von ausschlaggebender Bedeutung.
Der Beschwerdeführer hält die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG für unzulässig, weil ihm "seit längerem bereits" die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Der dazu von der belangten Behörde zum Ausdruck gebrachten Auffassung, daß der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitpunkt, also vor Verwirklichung des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Sachverhaltes die Verleihungsvoraussetzungen nicht erfüllt gehabt habe, weil er entgegen § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz nicht seit mindestens 10 Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich gehabt habe, hält die Beschwerde lediglich entgegen, daß der Beschwerdeführer seit 1971 "praktisch ununterbrochen" im Bundesgebiet seinen Lebensmittelpunkt gehabt habe. Mit den von der belangten Behörde zur Begründung ihrer Schlußfolgerung angeführten konkreten Beweisquellen, nämlich der Aussage des Beschwerdeführers vom 2. März und 27. Juli 1993 vor der Behörde erster Instanz sowie den genannten, im Akt erliegenden Meldezetteln setzt sich die Beschwerde überhaupt nicht auseinander. Damit bestehen aber aus Sicht der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden allgemeinen Schlüssigkeitsprüfung keine Bedenken gegen die Feststellung, daß der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitpunkt, also dem der Rechtskraft der vorletzten - zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen - Verurteilung (nach dem im Akt aufliegenden Strafregisterauszug: 29. August 1991) nicht die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 erfüllt hat. Ergänzend ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer im vorerwähnten Zeitpunkt die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz auch deshalb nicht erfüllt hat, weil aufgrund der bis dahin erfolgten gerichtlichen Verurteilungen und verwaltungsgerichtlichen Bestrafungen die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz nicht vorgelegen war. Wegen der wiederholten Verstöße gegen zum Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen und deren Vermögen erlassene Rechtsvorschriften bot der Beschwerdeführer nicht die im § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz verlangte Gewähr, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bilde.
Auf dem Boden der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0011) ist auch die Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Beschwerde bringt dagegen nichts Konkretes vor.
Da sich sohin die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995210133.X00Im RIS seit
11.07.2001