Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §39a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. Oktober 1994, Zl. St 243-5/94, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen einen Bescheid nach dem Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, ist am 19. Juli 1994 über Ungarn in das Bundesgebiet eingereist. Am 21. Juli 1994 hat der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt einen Antrag auf Gewährung von Asyl eingebracht, der mit Bescheid dieser Behörde vom gleichen Tag abgewiesen wurde. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. August 1994 keine Folge gegeben. Dagegen hat der Beschwerdeführer eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht. Mit Bescheid vom 21. Juli 1994 der Bundespolizeidirektion Linz wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. August 1994 keine Folge gegeben.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 2. August 1994 wurde der Beschwerdeführer schließlich gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG ausgewiesen. Innerhalb der dagegen zur Verfügung gestandenen Frist hat der Beschwerdeführer kein Rechtsmittel erhoben.
Am 8. September 1994 hat er gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen diesen Bescheid einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde dieser Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Der Beschwerdeführer habe seinen Wiedereinsetzungsantrag darauf gestützt, daß er zwar anläßlich seiner Inhaftierung bei Mitarbeitern von Amnesty International um ihren Rechtsbeistand zur Erhebung der Berufung gegen den Ausweisungsbescheid ersucht habe, jedoch sei es anläßlich der Besprechung der Angelegenheit zu Verständigungsproblemen gekommen. Dies habe dazu geführt, daß die Mitarbeiter von Amnesty International offensichtlich ein unrichtiges Zustelldatum vermerkt hätten. Weiters habe der Wiedereinsetzungswerber seinen Antrag damit begründet, daß er sich in Schubhaft befinde und deshalb seine Bewegungs- und Kontaktmöglichkeiten beschränkt gewesen seien. Er sei auch der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig.
Der Beschwerdeführer könne sich jedoch nicht auf seine mangelnden deutschen Sprachkenntisse berufen. Es wäre ihm offen gestanden, seiner Besprechung mit den Mitarbeitern von Amnesty International einen Dolmetscher beizuziehen. Seine Bewegungs- und Kontaktmöglichkeiten seien zwar durch die Schubhaft eingeschränkt gewesen, jedoch sei deswegen nicht seine Dispositionsfähigkeit ausgeschlossen gewesen. Selbst wenn es aufgrund der Verständigungsprobleme bei den Mitarbeitern von Amnesty International zu einem Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides gekommen sei, so würde dieser Irrtum ebenfalls keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellen.
Demnach träfen die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG nicht zu, sodaß der den Wiedereinsetzungsantrag abweisende Bescheid der Erstbehörde zu Recht ergangen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, die Schubhaft in Verbindung mit mangelnder Kenntnis der deutschen Sprache habe für ihn ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dargestellt, wobei er sich aber redlich bemüht gehabt habe, über Mitarbeiter von Amnesty International ein Rechtsmittel fristgerecht zu erstatten. Bedenke man die Kurzfristigkeit der Rechtsmittelfrist und den Umstand seiner eingeschränkten Dispositionsfähigkeit infolge der Haftsituation könne ihm aus dem Umstand der Fristversäumung kein Vorwurf gemacht werden.
Angesichts der dem genauen Tag der Zustellung eines anzufechtenden Bescheides für den Lauf der Rechtsmittelfrist zukommenden besonderen Bedeutung kann mit der belangten Behörde in den geltend gemachten Umständen nicht bloß ein minderer Grad des Versehens des Beschwerdeführers bzw. der zur Verfassung des Rechtsmittels herangezogenen Mitarbeiter von Amnesty International im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG erblickt werden. Im Hinblick auf die vor Zustellung des Ausweisungsbescheides vom Beschwerdeführer bereits erhobenen zahlreichen Rechtsmitteln mußte diesem die Bedeutung der mit Zustellung eines derartigen behördlichen Schriftstückes in Gang gesetzten Rechtsmittelfrist bewußt gewesen sein, sodaß es an ihm gelegen war, die ihm auch in der Schubhaft zur Verfügung gestandenen erforderlichen Maßnahmen zur fristgerechten Einbringung der Berufung zu ergreifen. Mit dem Verweis auf die "Kurzfristigkeit der Rechtsmittelfrist" und seiner Haftsituation vermag er kein unvorhergesehenes und/oder unabwendbares Ereignis im Sinne dieser Gesetzesstelle darzutun, behauptet er doch selbst nicht, daß ihm aufgrund dieses Zustandes die Dispositionsfähigkeit soweit gefehlt habe, daß er zur Wahrung der Rechtsmittelfrist außerstande gewesen wäre, zumal er auch die Schubhaftbeschwerde und die Berufung gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes fristgerecht erheben konnte. Ebensowenig vermögen - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten mangelnden Sprachkenntnisse seinem Antrag zum Erfolg zu verhelfen. Daß es ihm nicht möglich gewesen wäre, sich um die Zuziehung eines geeigneten Dolmetschers zu kümmern, wird in der Beschwerde gar nicht geltend gemacht. Wenn sich der Beschwerdeführer im Bewußtsein seiner mangelhaften Sprachkenntnisse dennoch ohne Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers auf Beratungsgespräche mit den von ihm selbst gewählten Rechtsbeiständen einließ, ohne dabei mit entsprechender Deutlichkeit auf das für den Lauf der Rechtsmittelfrist entscheidende Datum der Zustellung hinzuweisen, so können dabei entstandene "Verständigungsprobleme" zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrages mit Erfolg nicht herangezogen werden.
Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Verfahrensrüge geltend macht, die belangte Behörde habe es unterlassen, Feststellungen zu den von ihm geltend gemachten Asylanträgen zu treffen und Beweisaufnahmen in diesem Zusammenhang durchzuführen, kann diesem Vorbringen nicht entnommen werden, welche konkreten Umstände damit gemeint sind, und wie sich deren Beachtung auf die Entscheidung der belangten Behörde hätte auswirken können. Aus der Erhebung einer nicht näher konkretisierten Verfahrensrüge kann daher für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995210180.X00Im RIS seit
20.11.2000