TE Dok 2023/3/7 2022-0.574.773

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Veröffentlicht am 07.03.2023
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Norm

BDG 1979 §§43 Abs2 und 43a iVm §91

Schlagworte

Beschimpfung, Diskriminierung und KV einer Kollegin

Text

Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 07.03.2023 nach der am 08.02.2023, am 16.02.2023 und am 07.03.2023, durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beamtin ist schuldig, sie hat

am 20.05.2022 zwischen 23.00 Uhr und 23.25 Uhr A.A. während einer außerdienstlichen Feierlichkeit unter Kolleginnen und Kollegen im Hof der PI mit den Worten „Gschissene“ und „Depperte“ beschimpft,

sie hat dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß §§ 43 Abs. 2 und 43a BDG 1979 i. V. m. § 91 BDG 1979 begangen,

über die Beamtin wird gemäß § 92 Abs. 1, Z. 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von € 300,- verhängt.

Der Beamtin werden gemäß § 117 Abs. 2 BDG 1979 i. V. m. § 284 Abs. 115 BDG 1979 keine Kosten für das Disziplinarverfahren auferlegt.

Die am 04.07.2022 verfügte Suspendierung wird gemäß § 112 Abs. 2 BDG 1979 mit dem heutigen Tag aufgehoben

Begründung

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige des BPK vom 15.06.2022, GZ N.N. bzw. auf das Schreiben der Landespolizeidirektion N.N., Personalabteilung-PA3 vom 01.06.2022.

Die Dienstbehörde hat am 30.05.2022 zunächst durch eine mündlich und in weiterer Folge durch schriftliche Meldungen des BPK Kenntnis vom Sachverhalt erlangt.

Inhalt der Disziplinaranzeige

Darstellung der schuldhaften Dienstpflichtverletzungen

Die Beamtin (27 Jahre) wird beschuldigt, A.A. (28 Jahre) am 20.05.2022 zwischen 23:30 Uhr und 24:00 Uhr während einer außerdienstlichen Feierlichkeit unter Kolleginnen und Kollegen im Hof der PI, durch tätliche Angriffe in Form von Schlägen und Tritten am Körper verletzt, diese mit den Worten „du unnötige türkische Hure“, „Gschissene“ und „Depperte“ beschimpft und diskriminiert, sowie durch das Überschütten mit einem Glas Spritzwein gedemütigt zu haben. Tatmotiv dürfte Eifersucht aufgrund einer Unterhaltung von A.A. mit B.B. gewesen sein.

A.A. erlitt dadurch Hämatome am linken und rechten Oberarm, sowie eine Prellung am rechten Handgelenk und war durch die Verletzungen mehrere Tage im Krankenstand. Außerdem wurde sie durch die teils rassistischen Beschimpfungen und das Überschütten mit Spritzwein vor der Kollegenschaft bloßgestellt, in ihrer Würde herabgesetzt und in ihrer Ehre gekränkt, was in weiterer Folge einen mittelbaren Einfluss auf die Arbeitsbedingungen für A.A. auf der PI hat.

Die Beamtin steht daher im Verdacht, durch ihr Verhalten gegen die Bestimmungen der

§ 43 Ab. 2 BDG, § 43a BDG, § 8a iVm § 9 B-GlBG sowie § 13 Abs. 1 Z 6 iVm § 16 und § 16a B-GlBG verstoßen und dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 91 BDG begangen zu haben.

Beweismittel

Bekanntwerden der Dienstpflichtverletzungen:

Am 21.05.2022 wurde der stellvertretende Dienststellenleiter der PI, C.C., von A.A. und den Beamten D.D. und E.E., welche die körperliche Auseinandersetzung bei der Feierlichkeit teilweise wahrgenommen hatten, über den Vorfall in Kenntnis gesetzt.

In weiterer Folge wurden der Dienststellenleiter der PI, F.F. und der mit der Leitung des BPK betraute G.G. über den Vorfall in Kenntnis gesetzt. Dieser beauftragte F.F. mit der Durchführung der strafprozessualen und dienst-/disziplinarrechtlichen Erhebungen. (siehe Beilage 1 - „AV D.D.“; Beilage 2 - „AV C.C.“; Beilage 3 - „AV G.G.“).

Aufgrund des Hinzukommens eines weiteren Vorfalles bei der Feierlichkeit (Geschlechtliche Nötigung der A.A. durch B.B. – GZ: PAD/22/01041288/005/AA) wurde am 30.05.2022 um 07:30 Uhr die Leiterin des Büro N.N. der LPD, H.H. durch G.G. fernmündlich über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt und um weitere Absprache mit der Geschäftsführung ersucht. Aufgrund des unmittelbaren Zusammenhanges der beiden Vorfälle, wurde die Kontaktfrau, I.I., in sämtliche Erhebungen miteinbezogen.

Erhebungen:

Am 30.05.2022 gegen 10:00 Uhr wurde A.A. durch F.F. und I.I. zum Sachverhalt einvernommen. Sie gab dabei folgendes sinngemäß an:

„Bei der Grillfeier im Hof der PI sprach ich mit B.B. über den Vorfall, dass er mir auf die Brust gegriffen hatte und teilte ihm mit, dass das nicht geht. Da bemerkte ich, dass mich die Beschuldigte von ihrem Platz aus, wo sie mit J.J. und K.K. saß, mit den Worten „unnötige türkische Hure“, „Depperte“ und „Gschissene“, mehrmals massiv beschimpfte und in meine Richtung gestikulierte. Plötzlich kam sie zu uns und schüttete ein Glas Spritzwein über mich. Sie schrie B.B. an „dann fick sie halt diese unnötige türkische Hure“. Dann griff sie mich tätlich an, wobei ich nicht mehr genau sagen kann wie das alles ablief, weil es so schnell ging. K.K. und B.B. zogen sie dann von mir weg, wodurch sie zu Boden stürzte. Ich erlitt dadurch Hämatome am rechten und linken Oberarm, sowie eine Prellung des Handgelenkes“. (näheres siehe Beilage 6 – „NS A.A.“).

Am 01.06.2022 gegen 08:30 Uhr wurde K.K. durch F.F. und I.I. zum Sachverhalt einvernommen. Er gab dabei folgendes sinngemäß an:

„Ich saß mit der Beamtin an einem Tisch, während sich B.B. und A.A. an einem etwa 10m entfernten Nebentisch glaublich über den angeblich zuvor stattgefunden sexuellen Übergriff unterhielten. Die Beamtin war zu diesem Zeitpunkt meines Erachtens mäßig alkoholisiert. Ihre Aggressionen gegen A.A. steigerten sich und sie schimpfte sie bspw. als „Scheiss Schlampe“, „Scheiss Hure“, „Scheiss Kopftuchträgerin“ und „Scheiss Türkin“. Plötzlich sprang sie auf, ging zu dem Tisch von A.A. und B.B. rüber und versuchte mit Füßen und Fäusten in ihre Richtung zu schlagen bzw. treten. Ich versuchte sie durch eine Umklammerung von hinten festzuhalten, was auch mir, als geschulter Einsatztrainer, schwerfiel. Wir fielen dann beide zu Boden. Ob sie A.A. auch getroffen hat, kann ich nicht angeben. (näheres siehe Beilage 5 – „NS K.K.“)

Am 01.06.2022 gegen 11:30 Uhr wurde J.J. durch F.F. und I.I. zum Sachverhalt einvernommen. Er gab dabei folgendes sinngemäß an:

„Ich habe auf der Feier nur mitbekommen, dass die Beamtin sehr aufgebracht war und über A.A. schimpfte, wie ich vermute aus Eifersucht. Sie sagte mir auch, dass sie die Unterhaltung von B.B. und A.A. stören würde. Die Tätlichkeit selbst konnte ich nicht wahrnehmen, da ich gerade in der Garage war. Als ich rauskam lag zumindest eine Person am Boden. Mehr konnte ich nicht erkennen. (näheres siehe Beilage 7 – „NS J.J.“)

Am 06.06.2022 gegen 17:00 Uhr wurde E.E. durch F.F. und I.I. zum Sachverhalt einvernommen. Er gab dabei folgendes sinngemäß an:

„Ich habe nicht an der Feierlichkeit teilgenommen, da ich mit D.D. von 20.05.2022, 14:00 Uhr bis 21.05.2022, 07:00 Uhr Kriminaldienst auf der PI versah. Um 23:00 Uhr traten wir unsere Bereithaltezeit an. Zu diesem Zeitpunkt waren noch J.J., B.B., A.A., die Beamtin und K.K. anwesend. Um etwa 23:25 Uhr hörte ich Lärm aus dem Garten und Schreie von der Beamtin. Kurz darauf hörte ich „N.N. hör auf“, woraufhin ich mit D.D. in den Garten ging. Dort wurde uns mitgeteilt, dass die Beamtin aus Eifersucht auf A.A. ausgezuckt sei und es zu Handgreiflichkeiten zwischen den beiden kam. A.A. weinte und zitterte. Am nächsten Morgen haben wir den Sachverhalt unserem stellvertretenden PI-Kommandanten gemeldet, da dieser um 07:00 Uhr in den Tagdienst kam. (näheres siehe Beilage 8 – „NS E.E.“)

Am 06.06.2022 gegen 17:00 Uhr wurde D.D. durch F.F. und I.I. zum Sachverhalt einvernommen. Er bestätigte dabei sinngemäß die Angaben von E.E. (näheres siehe Beilage 9 – „NS D.D.“)

Lichtbilder von den Verletzungen der A.A. wurden von E.E. und D.D. angefertigt (siehe Beilage 4 – „Verletzungsdoku“. A.A. befand sich aufgrund der Prellung des rechten Handgelenkes von 24.-26.05.2022 im Krankenstand. Aufgrund neuerlicher Beschwerden am Handgelenk befindet sie sich seit 13.06.2022 bis voraussichtlich 19.06.2022 erneut im Krankenstand.

Ergebnis und Zusammenfassung:

Die Vorwürfe gegen die Beamtin können nach derzeitigem Ermittlungsstand verifiziert werden.

Die Feierlichkeit verfolgte ursprünglich den Zweck, den Teamgeist auf der Dienststelle nach den pandemischen Einschränkungen wieder zu stärken, wodurch dieser durchaus ein dienstlicher Charakter zugemessen werden kann.

Die Anzeige gemäß § 83 StGB wird durch die PI nach Abschluss der Erhebungen unter der GZ: N.N. an die StA erstattet.

Angaben der Beamtin

Die Beamtin verweigerte vorerst jegliche Aussage zu den Vorwürfen. Eine Stellungnahme ihrerseits wird erst nach der Konsultierung und Absprache mit ihrer rechtsanwaltlichen Vertretung ergehen.

Die Beamtin wurde mit Bescheid der Landespolizeidirektion, Personalabteilung vom 01.06.2022, GZ: N.N. vorläufig vom Dienst suspendiert.

Mit Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde vom 04.07.2022, GZ 2022-0.413.932, Senat 26 wurde die Beamtin vom Dienst suspendiert. Der seitens der Beamtin dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Urteil des BVwG vom 20.09.2022, GZ N.N. keine Folge gegeben.

Die Beamtin gab in ihrer Stellungnahme zu den im Zusammenhalt mit dem Bescheid der Landespolizeidirektion, Personalabteilung vom 01.06.2022, mit welchem diese vorläufig vom Dienst suspendiert worden ist, darin dargelegten Vorwürfen an, dass es wohl zu einer Auseinandersetzung gekommen ist, jedoch anders als diese von der Belastungszeugin dargestellt worden ist.

Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls habe sie zusätzlich Schmerztabletten eingenommen - zwei Seractil Forte 400 mg und ein Metagelan 500 mg -, was zwar nicht dazu geführt habe, dass sie sich in einem Zustand der Zurechnungsunfähigkeit befunden hätte, doch wäre sie auf jeden Fall beeinträchtigt gewesen, weshalb ihr der konkrete Verlauf des Abends nicht zur Gänze in Erinnerung geblieben wäre.

Sie habe kurz vor dem Vorfall in Erfahrung gebracht hat, dass sie von A.A. vor anderen Kollegen schlecht dargestellt werde und diese über sie herziehe, weshalb sich Emotionen aufgestaut hätten. Sie habe A.A. an diesem Tag damit konfrontieren wollen. Es sei zu einer Diskussion gekommen, im Zuge der sie ihren Unmut darüber geäußert habe, dass A.A. vor anderen Kollegen über sie herzieht. Aufgrund der Alkoholisierung und der eingenommenen Medikamente könne sie sich nicht an die konkrete wörtliche Auseinandersetzung erinnern. Jedenfalls sei es in weiterer Folge zu einem Gerangel gekommen, bei welchem sie zu Sturz gekommen sei und über eine Heurigenbank gefallen wäre, wodurch sie ein Hämatom am rechten Oberschenkel erlitten habe.

Insoweit A.A. im Zuge des Gerangels durch sie verletzt worden ist, täte ihr das Leid und hätte sie sich bereits bei dieser entschuldigt.

Nachdem sie zu Sturz gekommen ist, wären ihr Kollegen zu Hilfe geeilt; vermutlich B.B. und K.K., die ihr vom Boden helfen wollten, was sie aber verweigert habe. Sie könne sich konkret nicht daran erinnern, sei aber der Meinung, dass sie sich gewehrt habe. Sie habe aber definitiv auch dabei niemanden verletzen wollen.

Zu den vorgeworfenen Beschimpfungen könne sie keine detaillierten Angaben machen, vermag sich aber nicht vorzustellen, dass solche Aussagen gefallen sind, da diese nicht ihrem gewöhnlichen Umgangston entsprechen würden. Sie lege Wert auf die Klarstellung, keinerlei Probleme mit türkischen Staatsbürgern zu haben.

Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie in Erfahrung gebracht hat, dass A.A. sie vor anderen Kollegen schlecht darstellt, habe sie zu dieser ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt. Als diese private Probleme hatte, habe sie dieser sogar angeboten, bei ihr zu wohnen. Die von ihr allenfalls getätigten Beschimpfungen hätten somit keineswegs mit der ethnischen Zugehörigkeit von A.A. zu tun.

Dass Beschimpfungen wegen der ethnischen Herkunft von A.A. auszuschließen sind, ergebe sich aus den Angaben von J.J., der betonte, dass eine solche Beschimpfung ihm im Gedächtnis geblieben wäre.

Ungeachtet dessen sei eine in diesem Zusammenhang erfolgte Beschimpfung als milieubedingte Unmutsäußerung zu werten und nicht auf einen Migrationshintergrund zurückzuführen.

Unabhängig davon, mit welchem Wortlauten A.A. von ihr beschimpft wurde, sei ihr bewusst, dass dies ein Fehlverhalten dargestellt hat, wofür sie sich bereits am nächsten Tag entschuldigt hat und hiermit nochmals ihr Bedauern zum Ausdruck bringen möchte.

Verletzt durch die negativen Verhaltensweisen von A.A. habe sie aufgrund der Alkoholisierung und des Medikamenteneinflusses überreagiert, was ihr leidtue.

Die von A.A. behaupteten Verletzungen, nämlich das geprellte Handgelenk und die Hämatome wären allerdings nicht schlüssig und nachvollziehbar. Diese habe am Tag nach dem Vorfall, als sie dieser mitgeteilt hat, im Zuge des Gerangels verletzt worden zu sein, geäußert, auch blaue Flecken zu haben, welche aber von dem Hund eines Bekannten stammen würden. Erst am Tag darauf, sohin zwei Tage nach dem Vorfall, habe diese, nachdem sie von Kollegen auf blaue Flecken, die aufgrund des Kurzarmshirts, das sie getragen hat, sichtbar waren, angesprochen wurde, behauptet, dass diese von ihr verursacht worden wären.

Auch habe diese am 24.05. zunächst ohne Probleme den Dienst angetreten und verrichtet und erst um 14.00 Uhr, als sie ihren Dienst angetreten hat, diesen wegen vermeintlicher Schmerzen abgebrochen und schmerzbedingt den Krankenstand angetreten. Diese habe sich aber in weiterer Folge am 25.05., sohin im Krankenstand, cocktailtrinkend in der Strandbar befunden.

Zwar tut ihr leid, habe sie A.A. im Zuge des Gerangels am Körper verletzt, doch stünde die zwei Tage nach dem Vorfall behauptete Prellung eher nicht im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 20.05.

Aus dem Amtsvermerk von C.C. gehe auch hervor, dass A.A. weder beim ersten Gespräch mit ihm, noch zunächst gegenüber D.D. und E.E. Verletzungen erwähnt hat. Erst am 22.05., sohin zwei Tage nach dem Vorfall, hat diese erstmals behauptet von ihr verletzt worden zu sein. Dabei hat diese aber, dass sie sich nicht erklären kann, wie ihre Verletzungen entstanden sind.

Keiner der anwesenden Zeugen habe wahrnehmen können, dass sie A.A. Verletzungen zugefügt hätte.

Die Aussage des Zeugen K.K., der sich im Zuge seiner Vernehmung am 01.06.2022 offenbar an jedes Detail und den konkreten Wortlaut allfälliger Beschimpfungen erinnern will, sei fragwürdig. Dieser hätte am Tag nach dem Vorfall einen Alkovortest durchgeführt, bei dem hervorgekommen wäre, dass er 1,4 Promille Blutalkohol hatte, sodass fraglich sei, dass dieser irgendwelche Wahrnehmungen vom Vorfalltag hat. Über den Tag verteilt habe dieser mehrere Messungen durchgeführt, wobei die Ergebnisse immer wieder sehr hoch ausgefallen wären, die dieser lautstark in der Polizeiinspektion verkündet habe, sodass dieselben von C.C., B.B., A.A., L.L., M.M. und ihr selbst wahrgenommen werden konnten.

Außerdem würde es sich bei K.K. um ihren Ex-Freund handeln, der zwischenzeitig eine intensive, sei es auch nur eine freundschaftliche Beziehung, zu A.A. pflegen würde, wodurch sich dessen Behauptungen, die nicht den Tatsachen entsprechen würden, erklären lassen.

Am 04.07.2022 wurde zur GZ 2022-0.451.916, Senat 26 hinsichtlich des im Spruch angeführten Sachverhalts ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Am 13.12.2022 wurde das gegen die Beamtin wegen § 83 StGB geführte Ermittlungsverfahren nach Durchführung eines seitens der Staatsanwaltschaft angebotenen außergerichtlichen Tatausgleichs eingestellt.

Die Beamtin wurde mit Strafverfügung vom 02.12.2022 wegen ungerechtfertigter Benachteiligung von A.A. infolge erfolgter Beschimpfung zu einer Geldstrafe in Höhe von € 100,- verurteilt, welcher Betrag seitens der Beamtin unpräjudiziell der Sach- und Rechtslage am 23.12.2022 bezahlt worden ist.

In weiterer Folge wurde für den 02.02.2023, den 08.02.2023, den 16.02.2023 und den 07.03.2023 eine Verhandlung anberaumt. Infolge Erkrankung eines Senatsmitgliedes wurden die Termine auf den 08.02.2023, 16.02.2023, 07.03.2023 und 09.03.2023 verlegt und diese jeweils in Anwesenheit der Beamtin durchgeführt.

Der Senat hat dazu erwogen:

Rechtsvorschriften:

§ 43 Abs. 2 BDG zufolge hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Gemäß § 43 a BDG 1979 haben Beamtinnen und Beamte als Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Vorgesetzen sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. Sie haben im Umgang mit ihren Vorgesetzen, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminieren sind.

Laut § 93 Abs. 1 BDG ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist, hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.

Die Staatsanwaltschaft trat nach außergerichtlichem Tatausgleich von der Verfolgung der Beamtin zurück.

Die Anwendung einer Diversionsbestimmung - im vorliegenden Fall ein außergerichtlicher Tatausgleich - durch das Gericht begründet keine Bindung der Disziplinarbehörde an eine derartige Entscheidung gemäß § 95 Abs. 2 BDG, weshalb der Sachverhalt einer gesonderten disziplinarrechtlichen Überprüfung zu unterziehen war.

Zwar wurde die Beamtin von der BH N.N. wegen Diskriminierung der Belastungszeugin durch Beschimpfung derselben mit den ihr auch im Disziplinarverfahren zum Vorhalt gemachten Verbalinjurien mittels Strafverfügung rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt, doch besteht gemäß § 95 Abs. 2 BDG eine Bindung nur an die einem rechtskräftigen Straferkenntnis eines Verwaltungsgerichts zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen. Ein solches liegt jedoch nicht vor.

Aufgrund des im Akt aufliegenden Screenshots von der vom Zeugen O.O. der Belastungszeugin um 23.11 Uhr übermittelten Warnung, dass die Situation möglicherweise eskalieren könnte und der Rückmeldung an ihn um 23.48 Uhr, dass dies bereits der Fall gewesen ist, der Zeugenaussage des Zeugen P.P., wonach er um 23.00 Uhr gemeinsam mit O.O. die Feier verlassen hat, es bis diesem Zeitpunkt jedoch weder zu Beschimpfungen noch zu einem tätlichen Angriff gekommen ist sowie der Aussage des Zeugen D.D., wonach er um 23.25 Uhr eine Schreierei gehört hat sowie ein Geräusch, als würde eine Bank oder ein Tisch umfallen, ist davon auszugehen, dass nunmehr von einem Gesamttatzeitraum von 23.00 Uhr bis 23.25 auszugehen ist.

In der Sache selbst räumte die Beamtin ein, dass es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen ihr und der Belastungszeugin gekommen ist und im Gefolge dessen auch zu einer „Rangelei“ bzw. „Schubserei“. Allerdings stellte sie in Abrede, die von der Belastungszeugin behaupteten Verletzungen verursacht zu haben. Diese würden nicht schlüssig und nachvollziehbar von ihr verursacht worden sein, zumal die Belastungszeugin ihr am Tag nach dem Vorfall mitgeteilt hätte, dass dieselben von einem Hund ihrer Bekannten stammen würden.

Dass es zu einem unfreiwilligen physischen Kontakt zwischen der Beamtin und der Belastungszeugin gekommen ist, ist unzweifelhaft. Hingegen konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob dieser eine Folge des - von der Beamtin behaupteten und in dieser Form weder beleg- noch widerlegbaren - Umstands war, dass diese keine Berührungen wünscht oder diese tatsächlich die Belastungszeugin attackiert hatte. Die Belastungszeugin selbst konnte nicht ausschließen, dass die Beamtin aufgrund ihrer (von der Belastungszeugin gesetzten) Abwehrbewegungen geglaubt hatte, dass sie berührt wird. Die Belastungszeugin gibt auch an, dass diese gerufen hat: „greif mich nicht an“ und dass es sich dann so angefühlt hat, als ob diese sie an den Oberarmen wegdrückt.

Es ist auch aufgrund der im Akt aufliegenden Lichtbildaufnahmen verifiziert, dass die Belastungszeugin Verletzungen aufgewiesen hatte. Ob diese jedoch aus dem physischen Kontakt mit der Beamtin resultierten, konnte aber nicht mit einer für das Disziplinarverfahren notwendigen Sicherheit geklärt werden.

Die als Zeugin befragte Chefärztin Q.Q. erklärte nämlich, dass die auf den Fotos abgelichteten Verletzungen auf den Oberarmen nur dann entstanden sein konnten, wenn längere Zeit fest zugepackt worden ist. Die Schmerzen im rechten Handgelenk wären zudem schon sehr weit hergeholt und würden diese nicht entstehen, wenn mit den Händen bloß Abwehrbewegungen durchgeführt werden.

Die Verletzung am Handgelenk sieht so aus, als wäre die Hand irgendwo aufgeschlagen worden. In diesem Fall wäre der Schmerz im Handgelenk jedoch sofort spürbar gewesen. Nicht ausreichend wäre es, würde man mit der Hand auf das Handgelenk schlagen. Ebenso wenig wäre es ausreichend, das Handgelenk zu halten. Würde das Handgelenk gehalten werden, würde man zudem nur einen kurzen Druckschmerz verspüren.

Dass diese -wie dies von der Beamtin behauptet worden ist- durch einen Hund verursacht worden sein konnten, wurde von ihr allerdings nicht bestätigt. Die Zeugin erklärte auch, dass es sich bei den abgebildeten Verletzungen um solche handelt, wie sie von einer Rangelei stammen können. Es handelt sich bei diesen auch um „frische“, also nicht lange zurückliegende Verletzungen.

Die Belastungszeugin gab allerdings bei der Verhandlung in Bezug auf die Verletzungen an, dass die Beamtin mit einem in der Hand befindlichen Glas in ihre Richtung gestikuliert hatte, sodass sie gefürchtet habe, das Glas in ihr Gesicht zu bekommen. Deshalb habe sie die Hände hoch- bzw. vorgestreckt. In weiterer Folge habe es sich so angefühlt, als hätte die Beamtin sie an den Oberarmen von sich weggedrückt. Wo sich das Glas zu diesem Zeitpunkt befunden hat, wisse sie nicht. Es ist alles sehr schnell abgelaufen. Sie wisse nur, dass Scherben gefunden worden sind. Diese Darstellung deckt sich im Wesentlichen mit jener am 30.05.2022 vor dem BPK abgegebenen.

Wie die Verletzung oberhalb des linken Ellenbogengelenks zustande gekommen ist, könne sie sich nicht erklären. Jedenfalls habe sie, als sich die Beamtin am nächstfolgenden Tag bei ihr entschuldigt hat, keine Schmerzen am Handgelenk verspürt. Diese hätten sich erst nach einigen Tagen eingestellt.

Gegenständliche Schilderung ist damit in keinster Weise mit den Angaben der Chefärztin in Einklang zu bringen. Diese sprach davon, dass die Verletzungen an den Oberarmen nur durch längeres Zupacken mit aller Kraft (Dauer mindestens fünf Minuten) entstehen hätten können, wohingegen die Belastungszeugin angibt, dass „alles so schnell gegangen sei.“

Selbst wenn man von der am BPK zu Protokoll gegebenen Darstellung ausgeht, wonach die Beamtin A.A. fest am Oberarm nach hinten gedrückt habe, ist nicht die Rede von einem längeren Zupacken und erklärt das auch nicht die Verletzung oberhalb des Ellenbogengelenks und dem Fleck am bzw. die Schmerzen im Handgelenk.

Die Zeugin R.R. bestätigte zunächst die Behauptung von B.B., wonach sie diesen in Kenntnis gesetzt hatte, dass A.A. ihr bereits im Mai bei einem Einsatz von Schmerzen im Handgelenk erzählt hat. Dies nachdem B.B. Ende vergangenen/Anfang dieses Jahres an die Dienststelle gekommen ist und sie ihn nach dem Grund seiner Versetzung und seiner Suspendierung befragt hatte.

Allerdings war sich diese nach Erhalt der Zeugenladung zur mündlichen Verhandlung vor der Bundesdisziplinarbehörde nicht mehr sicher, ob ihr A.A. tatsächlich im Mai von Schmerzen in der Hand erzählt hat oder nicht doch im Rahmen eines später stattgefundenen Einsatzes, zumal sie sich darin erinnern konnte, dass sie diese aufgrund der sich im Umlauf befundenen Gerüchte darauf angesprochen hatte, ob diese zutreffender Weise sexuell belästigt worden ist. Sie habe daraus geschlossen, dass ihr diese wohl nur nach dem Vorfall von den Schmerzen schildern konnte, weshalb sie nachgesehen hatte, ob sie mit A.A. nicht noch später einen Einsatz gehabt hat. Tatsächlich habe sie mit dieser am 24.06.2022 einen Einsatz am Donauinselfest gehabt, weshalb sie daraus schließt, dass ihr A.A. erst am 24.06.2022 von den Schmerzen erzählt hat. Den Grund für diese habe sie nicht hinterfragt und wurde ihr der auch nicht genannt bzw. vermöge sie sich daran nicht mehr zu erinnern.

Zudem erschließt sich aus der von A.A. zu Protokoll gegebenen Schilderung vor dem Senat auch nicht, wie die Beamtin, wenn sie ein Glas in der Hand gehalten hat, im Stande gewesen wäre, A.A. am Oberarm zu packen. Ebenso wenig ist damit die Entstehung des oberhalb des linken Ellenbogengelenks ersichtlichen blauen Flecks erklärbar. Behauptet doch die Belastungszeugin in der mündlichen Verhandlung, dass sie teilweise die Hände in Abwehrbewegung nur nach oben bzw. nach vorne gehalten hat.

Tatsächlich findet sich auch auf den von der Dienstbehörde nachgereichten Lichtbildaufnahmen, kein zerbrochenes Trinkglas. Am Asphaltboden liegt nur ein beschädigtes Insektenlicht. Bei den von den Tischen bzw. vom Garten aufgenommenen Lichtbildaufnahmen findet sich auch kein zerbrochenes Trinkglas, nicht einmal ein unversehrtes Trinkglas, von dem die Belastungszeugin vor dem BPK behauptet hatte, dass die Beamtin es weggeworfen hätte.

Abgesehen davon vermögen die Aufnahmen nach dem Vorfall auch nur bedingt zur Aufklärung beizutragen, zumal beispielsweise nicht nachvollziehbar ist, über welche Bank die Beamtin gestürzt sein soll. Abgesehen davon geben die Lichtbilder Nr. 5 bis 8, wie dort angegeben wird, eine nachgestellte Situation wieder, von der behauptet wird, dass dies zu 90 % zutreffend sei.

Auch steht die nachgestellte Tischsituation im Widerspruch zu den Aussagen sowohl der Beamtin als auch der Zeugen und der Belastungszeugin. Diese erklären übereinstimmend, dass Tisch 2 und 3 nebeneinander aufgestellt waren.

Resümierend ist festzuhalten, dass nicht zweifelsfrei die Ursache der Verletzungen geklärt werden konnte, zumal nicht einmal die Belastungszeugin sagen konnte, ob sie - wie sie zumindest vor dem BPK am 30.12.2022 vorbrachte - allenfalls durch Tritte, welche die Beamtin am Boden liegend abgegeben habe, verletzt worden ist. Auch der Zeuge K.K. vermochte nicht anzugeben, ob die Beamtin, als diese auf die Belastungszeugin losgegangen ist, diese mit ihren Händen und Füssen getroffen habe.

Die Belastungszeugin erklärte zwar in weiterer Folge im Zusammenhang mit ihrer Einvernahme als der falschen Zeugenaussage Verdächtige am 30.12.2022 am BPK, dass die Beamtin das Glas weggeworfen habe, sie (A.A.) im Bereich der Schulter und den Oberarmen gepackt und sie (A.A.) zurückgedrückt habe, was richtige Griffe gewesen wären, doch ist wohl davon auszugehen, dass die Angaben, die sie zeitnah nach dem Vorfall zu Protokoll gegeben hat (nämlich am 30.05.2022), eher den Tatsachen entsprechen, zumal zu diesem Zeitpunkt das Erinnerungsvermögen noch ein klareres ist als sieben Monate später.

Der einzige Zeuge, der tatsächlich zweckdienliche Angaben machen hätten können, zumal er sich in unmittelbarer Nähe zur Belastungszeugin und der Beamtin befunden hatte, war B.B. Dieser stellte sich jedoch auf den - zwar unglaubwürdigen aber auch nicht widerlegbaren – Standpunkt, nichts gesehen zu haben.

Es konnte daher in Hinblick auf den Vorwurf, wonach A.A. durch tätliche Angriffe der Beamtin in Form von Schlägen und Tritten am Körper verletzt worden ist, kein Schuldspruch erfolgen.

Was das Anschütten mit Flüssigkeit anbelangt, behauptete der Zeuge K.K. darauf fokussiert gewesen zu sein, die Beamtin aufzuhalten („nachdem die Beamtin aufgesprungen und in Richtung B.B. und A.A. gelaufen sei, dabei sehr aggressiv gewesen wäre, habe er einen „Tunnelblick“ bekommen, weil er bemerkt habe, dass die Beamtin auf A.A. losgehen will“). Er habe deshalb nicht bemerkt, ob die Beamtin ein Glas in der Hand gehalten habe und habe er auch nicht wahrgenommen, dass die Beamtin A.A. angeschüttet hat.

Erscheint diese Sachverhaltsdarstellung nicht nachvollziehbar, - hätte er tatsächlich sein Augenmerk ausschließlich daraufgelegt, die Beamtin zurückzuhalten, hätte ihm sehr wohl auffallen müssen, ob diese etwas in der Hand hält oder nicht -, steht sie zudem im Widerspruch zu den Angaben des Zeugen J.J., der erklärte, dass sich K.K. mit ihm in der Garage aufgehalten hatte, als die Beamtin dazugestoßen wäre. Diese habe in weiterer Folge die Garage verlassen. Sie sei aufgebracht aber nicht aggressiv gewesen. K.K. sei ihr gefolgt. Eine Zeitlang wäre nichts zu hören gewesen und erst dann habe er ein Schreien vernommen.

K.K., wie von der Belastungszeugin aber behauptet wurde, erwähnte bei seiner ursprünglichen Befragung (AS 105) nicht angeschüttet worden zu sein. In der Verhandlung auf diesen Umstand angesprochen meinte er, sich nicht daran erinnern zu können, dass er nass geworden wäre.

Der einzige Zeuge, der in Bezug auf das Ausleeren der Flüssigkeit Auskunft geben hätte können, zumal er sich in unmittelbarer Nähe befunden hat, war B.B. Dieser erklärte, bemerkt zu haben, dass er nass wird und dürfte auch die Belastungszeugin nass geworden sein, doch führt dieser das nicht auf einen Anschüttvorgang zurück. Seiner Schilderung nach, hat er zuvor ein „ups“ gehört. Als er sich umgedreht hat, habe er die Beamtin nicht unmittelbar hinter ihm und A.A. stehen sehen.

Der Zeuge C.C. räumte ein, dass ihm zwar von K.K. und B.B. nur mitgeteilt worden ist, dass die Beamtin auf die Belastungszeugin losgegangen sei. Von einem Anschütten mit Flüssigkeit wurde nichts erwähnt. Er habe aber den Sachverhalt nicht hinterfragt. Ebenso wenig den Umstand, dass A.A. sich Vorwürfe gemacht hatte, dass die Beamtin „ausgezuckt“ sei.

Sohin konnte nicht mit einer für das Disziplinarverfahren an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit erklärt werden, ob die Beamtin gestolpert ist und diese aufgrund dessen B.B. und die Belastungszeugin benässt hatte oder dies ein bewusster Anschüttvorgang gewesen ist. Ein Schuldspruch konnte daher auch diesbezüglich nicht erfolgen.

Bleibt als Letztes das Faktum der Beschimpfungen.

Dass die Beamtin die Belastungszeugin beschimpft hat, wurde von ihr selbst zugestanden, wenngleich sie in Abrede stellte, diese als „unnötige türkische Hure“ betitelt zu haben. Hat sie zunächst eingeräumt, nicht ausschließen zu können, dass sie diese als „Gschissene“ und „Depperte“ bezeichnet hat, behauptete sie in weiterer Folge, dass der Begriff „Gschissene“ nicht zu ihrem Repertoire gehören würde, weshalb sie diesen nicht verwendet hätte.

Was den Zeitpunkt der Beschimpfung anbelangt, vermochte sie nicht auszuschließen, dass dies während der Auseinandersetzung mit der Belastungszeugin erfolgt ist. Es sei zwar möglich, dass, während sie sich mit K.K. und J.J. am Tisch befunden habe, sie K.K. bekundet hätte, mit A.A. nicht klarzukommen. Beschimpft habe sie diese aber nicht.

Der Zeuge J.J. vermochte sich nur daran zu erinnern, dass die Beamtin in der Garage über die Belastungszeugin geschimpft hat. Rassistische Beschimpfungen wären nicht gefallen.

Im Gegensatz dazu erklärte der Zeuge K.K., dass die Beamtin, während diese mit ihm am Tisch gesessen sei, die Belastungszeugin als „scheiß Hure“, „scheiß Schlampe“, „scheiß Kopftuchträgerin“ und „scheiß Türkin“ beschimpft habe.

Dass die Beamtin in dieser Form beleidigend geworden wäre, wurde aber nicht einmal von der Belastungszeugin ins Treffen gebracht.

Der Zeuge B.B. vermochte überhaupt keine Beschimpfungen wahrzunehmen.

Ob nun die Beamtin die Belastungszeugin während der Auseinandersetzung beleidigt hat oder aber während sie mit K.K. an einem Tisch gesessen ist und zu dem Tisch, an dem sich die Belastungszeugin zu diesem Zeitpunkt befunden hat, hinübergeschimpft hat, ist an sich unerheblich, hat sie doch selbst eingestanden, diese beschimpft zu haben.

Mit Ausnahme der Belastungszeugin konnte aber keiner der einvernommenen Zeugen wahrnehmen, dass diese von der Beamtin als „unnötige türkische Hure“ bezeichnet worden ist. Sohin konnte nicht mit einer für das Disziplinarverfahren nötigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass die Beamtin die Belastungszeugin aufgrund deren ethnischer Zugehörigkeit diskriminiert/belästigt hat.

Hingegen steht aufgrund deren Geständnis fest, dass die Beamtin die Belastungszeugin als „Depperte“ und als „Gschissene“ beleidigt hat. Wenn sie sich in weiterer Folge auf die Position zurückzieht, dass „Gschissene“ nicht zu ihrem Wortschatz gehöre, wertete der Senat gegenständliche Aussage als Schutzbehauptung.

Wenn die Verteidigung ins Treffen führt, dass die bei der Beschimpfung verwendete Wortwahl nicht feststeht, sohin ein Schuldspruch nicht möglich sei, ist ihr insofern entgegenzutreten, als die Beamtin zumindest die Bezeichnung als „Depperte“ zugestanden hatte. Zudem ist die genaue Wortwahl auch insofern unbeachtlich, als die Beamtin die Belastungszeugin nicht zu beschimpfen hat.

Dass sich die Beamtin in einem sehr emotionalen Zustand befunden hat - die Zeugen sprechen davon, dass diese wie ein anderer Mensch gewesen wäre - wird sogar von ihr selbst eingestanden.

Allerdings ist - welcher Grund auch immer diesen Emotionen zugrunde gelegen ist, mag es Eifersucht und/oder Empörung darüber gewesen sein, weil sich die Belastungszeugin negativ über die Beamtin ausgelassen hat, was auch von den Zeugen S.S. und D.D. bestätigt worden ist - mit dieser Rechtfertigung für sie nichts gewonnen. Eine Exekutivbeamtin ist tagtäglich mit aufgestauten Emotionen, mitunter bzw. sogar oftmals mit Aggression konfrontiert. Aufgabe eines Exekutivbeamten in derartigen Situationen ist es, kalmierend zu wirken und nicht selbst durch eigene Emotionen beeinflusst bzw. davon getrieben, in gleicher Weise zu agieren. Es muss und kann daher von ihr erwartet werden, dass sie ihre eigene Emotion in Griff hat. Insofern dies nicht der Fall ist - wie offenkundig vorliegenden Falls - können daher durchaus berechtigte Zweifel aufkommen, ob die Beamtin dienstlich immer ihre Emotionen unter Kontrolle hat.

Auch ihr Hinweis darauf, dass sie bedingt durch die Einnahme von Alkohol und Schmerzmittel beeinträchtigt gewesen ist, vermag nicht exkulpierend zu wirken. Von einem Normunterworfenen darf erwartet werden und wird erwartet, seinen Emotionen oder auch Aggressionen selbst unter Alkoholeinfluss keinen freien Lauf zu lassen. Würde man daher dies bei einem Exekutivbeamten tolerieren, wäre dies für die Normunterworfenen nicht nachvollziehbar.

Dazu kommt, dass einerseits nicht feststeht, in welchem Ausmaß die Beamtin dem Alkohol zugesprochen hat. Die bei ihr am Folgetag durchgeführte Messung der Atemluft auf Alkoholgehalt blieb der Zeugenaussage von C.C. zufolge jedenfalls ergebnislos.

Zwar hat die Beamtin zu ihrer Rechtfertigung auch angeführt, dass sie zudem durch den Alkoholkonsum in Verbindung mit der Einnahme von Schmerzmittel (2 Tabletten Seractil forte à 400 mg und 1 Tablette Metagelan 500 mg) beeinträchtigt war, wenngleich nicht unzurechnungsfähig gewesen wäre, doch hat die als Zeugin einvernommene Chefärztin diesbezüglich klargestellt, dass die Anzahl und die Wirkungsstärke der eingenommenen Tabletten im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol nichts bewirkt hätten. Dies hätte weder Auswirkungen auf das Erinnerungsvermögen der Beamtin noch auf deren Schuldfähigkeit gehabt.

Die votierten Verbalinjurien stellen daher keineswegs einen achtungsvollen Umgang mit einer Kollegin dar und hat die Beamtin somit eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43a BDG zu verantworten. Von vorsätzlicher Begehung ist auszugehen.

Gegenständliches Verhalten, einer Kollegin gegenüber einen derartigen Umgangston anzuschlagen, ist aber auch geeignet, Bedenken an der sachlichen Wahrnehmung ihrer Agenden aufkommen zu lassen, weshalb sie auch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG zu vertreten hat.

Mit dem Einwand der Verteidigung, wonach der Zeuge D.D. seine Kollegen als „Deppen“ und „Trottel“ bezeichnet hat, weshalb der Beamtin eine Beschimpfung der Belastungszeugin nicht als Dienstpflichtverletzung zur Last gelegt werden könne, ist für die Beamtin nichts gewonnen. Allfällige durch Andere begangene Dienstpflichtverletzungen vermögen nicht das eigene Fehlverhalten zu exkulpieren.

Die Schuld- und Straffrage war daher zu bejahen.

Mildernd wurde gewertet, dass die Beamtin grundsätzlich eingestanden hat, die Belastungszeugin beschimpft zu haben, dass sie sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen hat lassen, sie sich entschuldigt hatte und dass sie bislang disziplinarrechtlich unbescholten ist.

Die Verhängung der Strafe war daher vor allem aus generalpräventiven Gründen erforderlich, um zu verdeutlichen, dass ein derartiges Vorgehen nicht geduldet wird. Der Hinweis der Verteidigung, wonach keine spezialpräventiven Gründe für eine Verurteilung der Beamtin sprechen, weshalb mit Freispruch vorzugehen ist, geht insofern ins Leere, zumal es ausreichend ist, nur aus generalpräventiven Gründen eine Strafe zu verhängen.

Aufgrund des Umstandes, dass eine Vielzahl von Milderungsgründen keinem Erschwerungsgrund gegenübersteht, erachtete der Senat das umseits erkannte Strafausmaß für tat- und schuldangemessen.

Ergänzend ist noch hinzuzufügen, dass im einvernehmlichen Einverständnis der Parteien von der neuerlichen Ladung der erkrankten Zeugen M.M. und E.E. Abstand genommen wurde

In Bezug auf M.M. wurde davon ausgegangen, dass dieser - wie auch L.L. - keine zweckdienlichen Angaben zum Sachverhalt macht. Was E.E. anbelangt, hat bereits D.D. bei seiner Befragung durch das BPK bestätigt, die Einvernahme von E.E. mitgehört zu haben und hat D.D. bestätigt, die gleichen Wahrnehmungen wie E.E. gemacht zu haben. Er könne daher den Angaben von E.E. weder etwas hinzufügen noch etwas daran ändern.

In der Verhandlung kam zwar hervor, dass die Angaben von D.D. zu den von E.E. in einem Punkt insofern abweichen, als nur D.D. gesehen hat, wie K.K. die Beamtin von hinten umfasst und zurückgehalten hat. Doch hat er auch erklärte, dass er in dem von ihm angefertigten Aktenvermerk die Wahrnehmungen sowohl von ihm als auch von E.E. verschmelzen hat lassen.

Es war daher auszuschließen, dass der Zeuge E.E. neue zweckdienliche Angaben zum Sachverhalt machen kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2023
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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