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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §938;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 15. März 1995, Zl. 293/2-9/Mü-1994, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Z M hatte mit notariellem Übergabsvertrag vom 18. Jänner 1974 ihrem Sohn J M die Liegenschaft EZ 5, KG O, das sogenannte "Weckengut N. 8 und Häusl N. 26" samt allem Zubehör und Inventar, Genossenschaftsanteilen und allen sonstigen damit verbundenen Rechten übergeben, wobei zur Versorgung der Übergeberin verschiedene Gegenleistungen (Ausgedinge) vereinbart wurden.
Der Übernehmer J M verstarb am 23. Oktober 1992. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 30. Dezember 1992 wurde sein Nachlaß seiner Mutter Z M zur Gänze eingeantwortet.
Daraufhin setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern mit Bescheid vom 9. Februar 1993 gegenüber der Erbin Erbschaftssteuer fest, wogegen diese mit der Begründung berief, das geerbte Vermögen zuvor dem späteren Erblasser selbst unentgeltlich zugewendet zu haben. Das Vermögen sei jetzt wieder an die seinerzeitige Übergeberin im Erbweg zurückgefallen.
In einer Anfragebeantwortung vom 27. Mai 1993 legte die Berufungswerberin den notariellen Übergabsvertrag vom 18. Jänner 1974 vor und führte in einer weiteren Anfragebeantwortung vom 7. September 1993 in Darlegung der von ihr behaupteten Unentgeltlichkeit der seinerzeitigen Übergabe aus, es sei für die Übergabe Schenkungssteuer entrichtet worden.
Am 8. Jänner 1994 verstarb Z M. Ihr Erbe und Universalsukzessor ist (nach dem diesbezüglich übereinstimmenden Standpunkt beider Streitteile des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) der Beschwerdeführer.
Gegen die (noch an die Verlassenschaft nach Z M, vertreten durch den Beschwerdeführer gerichtete) Berufungsvorentscheidung begehrte die Verlassenschaft rechtzeitig die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei ausdrücklich behauptet wurde, der Übergabsvertrag vom 18. Jänner 1974 habe eine unentgeltliche Zuwendung dargestellt (großes landwirtschaftliches Gut - bescheidenes Ausgedinge) und die Bewertung der Leistungsverhältnisse im Wege der Einholung eines Sachverständigengutachtens begehrt wurde.
Die belangte Behörde gab der Berufung zwar (in einem jetzt nicht beschwerdegegenständlichen Punkt) der Höhe nach teilweise Folge, vertrat in der Hauptsache aber die Auffassung, § 15 Abs. 1 Z. 7 ErbStG sei nicht anwendbar, weil im Wege des Übergabsvertrages vom 18. Jänner 1974 keine unentgeltliche Zuwendung stattgefunden habe.
In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe allgemeiner Rechtssätze zum Wesen des bäuerlichen Übergabsvertrages ohne konkrete Bezugnahme auf den Inhalt des Notariatsaktes vom 18. Jänner 1974 folgendes aus:
"Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht von einer Schenkung oder gemischten Schenkung auszugehen, weil es sich um einen durchaus üblichen bäuerlichen Übergabsvertrag mit den gewöhnlich vereinbarten Ausgedingsleistungen handelt, der schon auf Grund der Ortsüblichkeit die Unentgeltlichkeit ausschließt.
Auf die Einholung des Sachverständigengutachtens wurde deshalb verzichtet, weil ein solches zwar möglicherweise ein Mißverhältnis zwischen dem Wert des übergebenden Vermögens und der Gegenleistung aufgezeigt hätte, jedoch keinesfalls über die beabsichtigte Unentgeltlichkeit eine Aussage hätte treffen können und im übrigen ohnehin nur die Rechtsfrage zu klären war, ob ein entgeltliches oder unentgeltliches Rechtsgeschäft anzunehmen ist.
Es ist somit davon auszugehen, daß ein unentgeltlicher Erwerb ... nicht stattgefunden hat ..."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 15 Abs. 1 Z. 7 ErbStG verletzt und steht im Kern seines Vorbringens auf dem Standpunkt, die seinerzeitige Übergabe des Vermögens durch Z M an ihren Sohn J M sei "mehr oder weniger unentgeltlich erfolgt"; es sei dafür auch Schenkungssteuer entrichtet worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 7 ErbStG bleibt Vermögen steuerfrei, soweit es von Eltern, Großeltern oder weiteren Voreltern ihren Abkömmlingen unentgeltlich zugewendet wurde und an diese Personen zurückfällt.
Die einzige entscheidungsrelevante Frage des vorliegenden Beschwerdefalles ist die der Qualifikation des Übergabsvertrages vom 18. Jänner 1974 als entgeltlich oder unentgeltlich.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt dazu in ständiger Rechtsprechung (vgl. die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, 4. Teil in Rz 52 zu § 3 ErbStG referierten Erkenntnisse vom 21. April 1983, 82/16/0172, 19. Mai 1983, 82/15/0110; 28. November 1956, Slg. N.F. Nr. 1538/F und vom 17. April 1957, Slg. N.F. Nr. 1635/F) die Auffassung, daß Übergabsverträge durchaus gemischte Schenkungen darstellen können. In der Regel bleibt bei landwirtschaftlichen Übergabsverträgen der Wert der Gegenleistung (z.B. der Kapitalwert des Ausgedinges) hinter dem Wert des übergebenen Gutes zurück. Ob eine gemischte Schenkung vorliegt, kann immer nur anhand der Umstände des Einzelfalles und der bestehenden bäuerlichen Lebensordnung beurteilt werden.
Indem nun die belangte Behörde ausgehend von ihrer zur zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Widerspruch stehenden Rechtsmeinung, ein bäuerlicher Übergabsvertrag schließe schon auf Grund der Ortsüblichkeit die Unentgeltlichkeit aus, die gebotene konkrete Auseinandersetzung mit den einzelnen Aspekten des Übergabsvertrages vom 18. Jänner 1974 und den damit zusammenhängenden Bewertungsfragen unterlassen und zum Inhalt dieses Vertrages keinerlei Feststellungen getroffen hat, belastete ihren Bescheid mit einem sogenannten sekundären Verfahrensmangel (Feststellungsmangel), was zu seiner Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.
Die Entscheidung konnte mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtsfrage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995160133.X00Im RIS seit
20.11.2000