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41/03 PersonenstandsrechtNorm
EMRK Art8 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Abweisung des Antrags auf Änderung des Vor- und Familiennamens; Verpflichtung zur Beachtung der langjährigen Verwendung sowie Verbreitung einer bestimmten namensbezogenen Identität ("Wunschname")Rechtssatz
Die Auslegung des §3 Abs1 Z2 dritter Tatbestand NÄG (keine Bewilligung, wenn der Familienname "für die Kennzeichnung von Personen im Inland nicht gebräuchlich ist") ist maßgeblich dadurch bestimmt, dass dieser Bestimmung kein mit Art8 Abs2 EMRK unvereinbarer Inhalt unterstellt werden darf, womit wesentlich auch eine Berücksichtigung der Vorstellung des Einzelnen von seiner namensbezogenen Identität zu erfolgen hat.
Der vom Beschwerdeführer gewählte Familienname (zur Distanzierung von seinem bisherigen) weist erstens einen Bezug zu seinem bestehenden rechtlichen Familiennamen auf, der aber im Sinne der Intention einer Abkehr von seiner früheren Staatsangehörigkeit und der damit verbundenen Sprache abgeändert ist. Dieser Name ist weiters in anderen Staaten gebräuchlich und wird auch in Österreich, wenn auch in etwas abgeänderter Schreibweise, verwendet.
Ein Bezug zu einer wie immer konkretisierten historischen Familientradition kommt im vorliegenden Fall als Beurteilungsmaßstab für die "Gebräuchlichkeit" gemäß §3 Abs1 Z2 dritter Tatbestand NÄG nicht in Betracht. Der gewählte Familienname, eine Eigenkreation ohne realen Bezugspunkt in der gesellschaftlichen Entwicklung der Namen im Inland, stellt im Sinne der Gesetzesmaterialien einen "Wunschnamen" dar, wenn auch nicht einen solchen, den der Gesetzgeber als nicht gebräuchliche Eigenkreation wie etwa durch sinnlose Buchstaben- (zB "ABC") oder Zahlenkombinationen (zB "007") vor Augen hatte und jedenfalls aus Gründen des öffentlichen Ordnungsinteresses vermeiden wollte. Diesen "Wunschnamen" führt der Beschwerdeführer unstrittig seit nunmehr 25 Jahren in Österreich im beruflichen wie sozialen Kontext, freilich nicht als rechtlichen Familiennamen. Der "Wunschname" wird in anderen Staaten als Familienname geführt und findet auch in Österreich, wenn auch in einer für die sprachliche Bedeutung maßgeblich veränderten Schreibweise, Verwendung.
Diese Aspekte sind im Hinblick auf die durch Art8 Abs1 EMRK grundsätzlich geschützte Vorstellung des Beschwerdeführers von seiner namensbezogenen Identität beachtlich. Demgegenüber verpflichtet die zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung den Beschwerdeführer, jedenfalls von dieser Vorstellung Abstand zu nehmen und einen Familiennamen zu wählen, mit dem ihn nichts verbindet. In der vorliegenden Konstellation muss bei der Auslegung des §3 Abs1 Z2 dritter Tatbestand NÄG aber geprüft werden, ob für den vom Gesetz geforderten Inlandsbezug auch die langjährige Verwendung und Verbreitung des an sich gebräuchlichen Namens durch den Beschwerdeführer selbst ausreicht.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Personenstandswesen, Privat- und Familienleben, Namensrecht, Ermittlungsverfahren, EntscheidungsbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2023:E2363.2022Zuletzt aktualisiert am
12.04.2023