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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
EMRK Art8Leitsatz
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens betreffend die Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband binnen zwei Jahren; Berücksichtigung von Umständen des Privat- und Familienlebens bei Prüfung der Unzumutbarkeit des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband gebotenRechtssatz
Es ist durch Art8 EMRK geboten, bei Anträgen auf Beibehaltung der Staatsbürgerschaft für den Fall des Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit auch zu berücksichtigen, ob in Umständen des Privat- und Familienlebens ein für die Beibehaltung besonders berücksichtigungswürdiger Grund vorliegt und es muss Vergleichbares auch im Zusammenhang mit der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß §20 Abs1 StbG gelten, wenn gemäß §10 Abs3 Z1 iVm §20 Abs1 Z3 und Abs3 Z2 StbG zu beurteilen ist, ob dem Staatsbürgerschaftswerber die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen nicht möglich oder nicht zumutbar sind, was (auch) im Zeitpunkt der Zusicherung der Verleihung zu berücksichtigen ist. Denn im Lichte des Privat- und Familienlebens des Art8 EMRK ist es für den Einzelnen vergleichbar von Bedeutung, ob in familiären Beziehungen unter Personen mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit die Verleihung der Staatsbürgerschaft oder ihre Beibehaltung vom (Weiter)Bestehen einer weiteren Staatsangehörigkeit abhängig gemacht wird. Dem steht in verfassungskonformer Interpretation auch §10 Abs3 Z1 StbG nicht entgegen (der VwGH unterscheidet im Erkenntnis vom 24.01.2013, 2010/01/0032, zwischen den Folgen des Verzichtes auf die fremde Staatsangehörigkeit und den Folgen, die der Verlust der fremden Staatsangehörigkeit nach sich zieht, und eröffnet damit selbst Raum, um zwischen unmittelbaren Folgen des Verzichtes auf die fremde Staatsangehörigkeit für das Privat- und Familienleben des Staatsbürgerschaftswerbers und weiteren Nachteilen zu unterscheiden, die sich an den Verlust der fremden Staatsangehörigkeit auch knüpfen mögen).
Indem das VGW (LVwG) von vornherein davon ausgeht, dass Umstände des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin keinesfalls geeignet sein können, eine Unzumutbarkeit ihres Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband zu begründen, hat es §10 Abs3 Z1 bzw §20 Abs3 Z2 StbG einen Art8 EMRK widersprechenden Inhalt unterstellt. Ob und inwieweit Einschränkungen bei der Verfügung über Eigentum oder in der Berufsausübung durch das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband ebenfalls bei der Zumutbarkeit des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband bei der Zusicherung der Staatsbürgerschaft zu berücksichtigen sind, muss daher an dieser Stelle nicht entschieden werden.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Verleihung (Staatsbürgerschaft), Privat- und Familienleben, Staatsbürgerschaftsrecht, EntscheidungsbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2023:E1838.2022Zuletzt aktualisiert am
12.04.2023