Entscheidungsdatum
22.03.2023Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §68 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Aicher über die Beschwerde der AA, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. BB & Dr. CC, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid des Stadtmagistrates der Stadtgemeinde Z vom 03.01.2023, Zl ***, betreffend ein Baugenehmigungsverfahren nach der Tiroler Bauordnung,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
1)
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Baubehörde vom 03.01.2023 wurde der Antrag der Rechtsmittelwerberin vom 02.02.2022 (eingelangt bei der Baubehörde am 09.03.2022) auf Erteilung der baurechtlichen Genehmigung für das Vorhaben „Umbau (Renovierung) und Erweiterung durch Aufstockung der Wohnung Top 2“ auf Gst Nr **1 KG Y an der Grundstücksadresse Adresse 2 auf der Rechtsgrundlage des § 68 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Die belangte Behörde begründete dabei ihre zurückweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Antragstellerin bereits mit einer am 11.11.2016 eingelangten Eingabe einen Umbau sowie eine Aufstockung des Gebäudes Adresse 2 auf Gst Nr **1 KG Y zur baurechtlichen Genehmigung vorgelegt habe, welches Bauansuchen mit Bescheid vom 20.02.2018 zufolge nicht erbrachter Nachweise einer entsprechenden Wasserversorgung sowie Entsorgung der Abwässer sowie der Niederschlagswässer abgelehnt habe werden müssen.
Das nunmehr verfahrensgegenständliche Bauprojekt sehe zwar im Vergleich zum abgelehnten Vorhaben eine Verkleinerung des Zubaus, den Verzicht auf Gebäudevorsprünge und eine geänderte Dachform vor, doch handle es sich dabei um keine wesentliche Änderung der Sachverhaltslage, sondern nur um eine Sachverhaltsänderung in unwesentlichen Nebenumständen.
Verfahrensentscheidend sei aber verblieben, dass unverändert keine Nachweise über die Entsorgung der Abwässer sowie der Niederschlagswässer und über die Wasserversorgung des Bauvorhabens vorgelegt hätten werden können.
Da sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch die Sachlage maßgeblich verändert hätten, sei mit Zurückweisung des neuerlichen Ansuchens wegen entschiedener Sache vorzugehen gewesen.
2)
Gegen diesen Zurückweisungsbescheid der belangten Baubehörde vom 03.01.2023 richtet sich die vorliegende Beschwerde der AA, mit welcher beantragt wurde, das Landesverwaltungsgericht Tirol wolle in Beschwerdestattgabe und unter Abstandnahme des herangezogenen Zurückweisungsgrundes in der Sache selbst entscheiden und dem gestellten Bauansuchen vollinhaltlich stattgeben.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels brachte die Beschwerdeführerin kurz zusammengefasst vor, dass entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht entschiedene Rechtssache vorliege, da sich der nunmehrige baurechtliche Genehmigungsantrag von dem Vorangegangenen insofern wesentlich unterscheide, als die beabsichtigten Umbaumaßnahmen wesentlich geringer ausfielen und insbesondere keine maßgebliche Änderung der zu beseitigenden Niederschlagswassermengen bedingten. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Ing. Mair.
Aus diesem Gutachten gehe auch hervor, dass aufgrund der Bodenbeschaffenheit auf dem Bauplatz eine Einleitung der Niederschlagswässer in das öffentliche Kanalnetz gerechtfertigt sei.
Die belangte Behörde habe konkrete Feststellungen zum angenommenen Zurückweisungsgrund „res judicata“ unterlassen.
Die belangte Baubehörde könne auch nicht vorschreiben, dass (zum Nachweis einer ordnungsgemäßen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung) nur eine Stellungnahme vom örtlichen Wasserversorger bzw Abwasserentsorger (IKB) beigebracht werden könne.
Vielmehr stehe es der Bauwerberin frei, diesen Nachweis auch auf andere Art und Weise zu erbringen. Dies habe die Antragstellerin durch Vorlage des Gutachtens des gerichtlich beeideten Sachverständigen Ing. DD auch gemacht.
Schließlich sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die Rechtsmittelwerberin in die bestehenden Verträge der Rechtsvorgänger hinsichtlich der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung betreffend den Bauplatz eingetreten sei und schon solcherart die geforderten Voraussetzungen nachgewiesen habe.
II. Sachverhalt:
Gegenstand der vorliegenden Beschwerdesache ist ein administrativrechtliches Genehmigungsverfahren nach der Tiroler Bauordnung betreffend beabsichtigte Umbaumaßnahmen sowie eine Aufstockung des Gebäudes Adresse 2 in Z in Bezug auf die Wohnung Top 2 auf dem Gst Nr **1 KG Y, wobei die belangte Baubehörde in Ansehung dieses Bauvorhabens bereits entschiedene Rechtssache angenommen hat.
Mit Antrag vom 02.11.2016 (eingelangt bei der belangten Baubehörde am 11.11.2016) beantragte die Beschwerdeführerin die baurechtliche Genehmigung für Umbaumaßnahmen sowie eine Aufstockung des Gebäudes Adresse 2 in Z auf dem Gst Nr **1 KG Y, dies unter Vorlage von Bauplänen.
Entsprechend diesen Einreichunterlagen sollten insbesondere folgende Baumaßnahmen durchgeführt werden:
- Abbruch des vorhandenen Satteldaches beim Gebäude Adresse 2 und des gesamten Dachgeschosses und Ersatz der abgebrochenen Gebäudeteile durch eine zweigeschossige Aufstockung mit Flachdach;
- Anbau an der Ostseite des Gebäudes;
- weiterer, frei auskragender Anbau an der Gebäudewestseite und
- Abbruch sowie (zurückversetzte) Neuerrichtung einer Stützmauer samt vorgelagertem Kellerraum, Vergrößerung des Bestandschupfens bis zur neuen Stützmauer und darüber eine gemeinsame und nutzbare Decke in Form eines Flachdaches, das zum Teil als Parkdeck zum Abstellen eines PKWs sowie von Fahrrädern genutzt werden kann.
Gemäß den Projektangaben sollten die Wasserversorgung über die kommunale Wasserversorgung und die Entsorgung der Schmutzwässer sowie der Niederschlagswässer über das Kanalnetz des kommunalen Entsorgers sichergestellt werden.
Mit Bescheid der belangten Baubehörde vom 20.02.2018 wurde dem vorstehend näher beschriebenen Bauvorhaben der Rechtsmittelwerberin die baurechtliche Genehmigung versagt, dies mit der Begründung, dass infolge des Bauprojekts zusätzliche versiegelte Flächen auf dem Bauplatz entstünden und auch neue Nasszellen hinzukämen, aber die Bauwerberin die Sicherstellung einer entsprechenden Wasserversorgung sowie einer ordnungsgemäßen Entsorgung der Abwässer sowie der Niederschlagswässer nicht nachweisen habe können.
Ein gegen diese abweisliche Entscheidung der belangten Baubehörde angestrengtes Rechtsmittelverfahren blieb erfolglos. Zunächst wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 15.10.2018 die Beschwerde der Bauwerberin gegen den eine Baugenehmigung versagenden Bescheid als unbegründet ab. Die Behandlung der dagegen beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 26.02.2019 abgelehnt. Der außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof blieb ebenfalls ein Erfolg versagt, mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.08.2020 wurde die Revision zurückgewiesen.
Mit dem das beschwerdegegenständliche Verfahren auslösenden Bauansuchen vom 02.02.2022 (eingelangt bei der Baubehörde am 09.03.2022) ersuchte die Rechtsmittelwerberin um die erforderliche baubehördliche Bewilligung für das nunmehr verfahrensgegenständliche Bauvorhaben, ebenso unter Vorlage von Bauplänen.
Diese Pläne sehen vor, dass
- das Gebäude Adresse 2 in Z auf dem Gst Nr **1 KG Y durch Anhebung des Satteldaches vergrößert wird,
- ostseitig des Gebäudes an Anbau erfolgt und
- unter Belassung der nördlichen Bestandsstützmauer sowie des dort befindlichen Bestandsschupfens daneben ein überdachter Bereich für „Fahrrad/Holz“ neu geschaffen wird, wobei darüber und über dem mit einem neuen Dach zu versehenden Bestandsschupfen ein Parkdeck eingerichtet wird, welches über ein Rigol entwässert werden soll.
Entsprechend der Baubeschreibung soll die Wasserversorgung durch die kommunale Wasserversorgungsanlage erfolgen und sollen die Schmutzwasserentsorgung sowie die Entsorgung der Niederschlagswässer über das kommunale Kanalnetz geschehen.
Vor allem im Bereich des neu zu erstellenden Parkdecks sowie des überdachten Bereichs für „Fahrrad/Holz“ ergeben sich durch das Bauprojekt – im Vergleich zum aktuell gegebenen Baubestand – zusätzliche versiegelte Grundflächen, bei denen die anfallenden Niederschlagswässer zu entsorgen sind.
Das Bauvorhaben bezweckt auch die Vergrößerung der Wohnnutzfläche der im Wohnungseigentum der Beschwerdeführerin stehenden Wohnung Top 2, dies durch Nutzbarmachung des Dachgeschosses (Anhebung des Satteldaches), was grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, dass in der Wohnung Top 2 künftig mehr Personen Wohnsitz nehmen könnten.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 03.01.2023 wurde der baurechtliche Genehmigungsantrag der Beschwerdeführerin vom 02.02.2022 (eingelangt bei der Behörde am 09.03.2022) wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen, und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Bauwerberin unverändert nicht die erforderlichen Nachweise über die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Wasserversorgung sowie einer entsprechenden Entsorgung der anfallenden Schmutzwässer sowie Niederschlagswässer erbringen hätte können.
III. Beweiswürdigung:
Beweiswürdigend ist in der vorliegenden Beschwerdesache festzuhalten, dass sich der zuvor festgestellte Sachverhalt in unbedenklicher Weise aus der gegebenen Aktenlage ergibt, insbesondere aus einem Vergleich der den beiden Genehmigungsanträgen der Rechtsmittelwerberin vom 02.11.2016 sowie vom 02.02.2022 zugrunde liegenden Baupläne.
Gegen die von der belangten Baubehörde vorgelegten Aktenunterlagen bestehen keine Bedenken des entscheidenden Verwaltungsgerichts, solche wurden auch von der Rechtsmittelwerberin nicht vorgebracht.
Die Beschwerdeführerin hat gegenständlich unter Hinweis auf ein von ihr vorgelegtes Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen nur den vorliegenden Sachverhalt einer anderen rechtlichen Beurteilung zugeführt, als dies die belangte Baubehörde getan hat.
IV. Rechtslage:
Die belangte Baubehörde hat die angefochtene Entscheidung auf die Bestimmung des § 68 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr 51/1991 in der Fassung BGBl I Nr 33/2013, gestützt.
Diese Gesetzesvorschrift hat folgenden Inhalt:
„Abänderung und Behebung von Amts wegen
§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) …“
V. Erwägungen:
1)
Die belangte Behörde hat den verfahrensauslösenden Genehmigungsantrag der Beschwerdeführer wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Demnach ist im Gegenstandsfall zu prüfen, ob tatsächlich entschiedene Rechtssache gegeben ist.
Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, welcher dem Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0143), wobei bei der Beurteilung der „Identität der Sache“ in primär rechtlicher Betrachtungsweise festzustellen ist, ob in den entscheidungsrelevanten Fakten eine wesentliche Änderung eingetreten ist (VwGH 21.06.2007, 2006/10/0093).
Der tragende Grundsatz der Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache – also durch die Identität der Rechtssache – über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (vgl VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050). „Sache“ einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat (VwGH 31.03.2022, Ro 2020/10/0034).
Von der Rechtskraft eines Bescheides wird die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage erfasst, eine entsprechende Bindung der Gerichte und Behörden besteht dabei solange, als die Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (VwGH 25.10.2018, Ra 2018/07/0353).
Fallbezogen hat sich im Zeitraum zwischen dem Bescheid der belangten Behörde vom 20.02.2018 und der nunmehr angefochtenen Entscheidung vom 03.01.2023 die verfahrensmaßgebliche Rechtslage in Bezug auf die baurechtliche Vorgabe,
dass Gebäude und sonstige bauliche Anlagen nur auf Grundstücken errichtet werden dürfen, bei denen eine dem vorgesehenen Verwendungszweck entsprechende Wasser- und Energieversorgung sowie Entsorgung der Abwässer und der Niederschlagswässer sichergestellt ist,
nicht wesentlich verändert, dies hat die Rechtsmittelwerberin auch gar nicht behauptet.
Zwar ist die erstere Entscheidung der belangten Baubehörde nach der Tiroler Bauordnung 2011 ergangen und die zweitere Entscheidung im zeitlichen Anwendungsbereich der Tiroler Bauordnung 2022, doch ist die vorliegend maßgebliche Bestimmung des § 3 Abs 5 unverändert geblieben.
Ebenso wenig hat sich die maßgebliche Sachlage in der vorliegenden Rechtssache gegenüber jener, die dem Bescheid der belangten Baubehörde vom 20.02.2018 zugrunde lag, entscheidungsrelevant verändert.
Nach den eigenen Antragsangaben beabsichtigt die Beschwerdeführerin, sämtliche auf den baulichen Anlagen anfallenden Niederschlagswässer in die öffentliche Kanalisation zu entsorgen, da die Untergrundverhältnisse auf dem Bauplatz **1 KG Y eine Versickerung der Niederschlagswässer nicht wirklich zulassen würden.
Nun hat die Rechtsmittelwerberin zwar ihr Bauvorhaben – wie es nunmehr verfahrensgegenständlich ist – gegenüber ihrer (bereits abgelehnten) Einreichplanung des Jahres 2016 verkleinert, jedoch sollen feststellungsgemäß – was vorliegend maßgeblich ist – neu auf dem Bauplatz versiegelte Grundflächen (Parkfläche PKW, überdachter Bereich für „Fahrrad/Holz“) über die öffentliche Kanalisationsanlage entwässert werden, womit zwangsläufig die Niederschlagswasser-Einleitmenge in das öffentliche Kanalnetz erhöht wird. Dies war schon beim (abgelehnten) Bauprojekt des Jahres 2016 ein entscheidungsrelevanter Umstand.
Einen Nachweis darüber, dass die von ihr geplante Entsorgung der Niederschlagswässer (über die öffentliche Kanalisation) rechtlich sichergestellt ist, etwa in Form der Beibringung eines entsprechenden Abwasservertrages mit der Betreiberin des öffentlichen Kanalnetzes, hat die Rechtsmittelwerberin unverändert nicht erbracht.
Genauso wenig hat die Beschwerdeführerin einen entsprechenden Wasserliefervertrag vorgelegt, obschon sich durch ihr Bauvorhaben die Wohnnutzfläche der in ihrem Wohnungseigentum stehenden Wohnung im Gebäude Adresse 2 auf dem Bauplatz **1 KG Y erhöht und solcherart auch mehr Personen in dieser Wohnung einen Wohnsitz nehmen könnten, was mit erhöhtem Wasserverbrauch und Abwasseranfall naturgemäß einherginge. Laut den Projektangaben soll nicht nur die Entsorgung der Abwässer und der Niederschlagswässer, sondern auch die Versorgung mit Wasser aus den öffentlichen Anlagen erfolgen.
Vor diesem Hintergrund kann nicht davon gesprochen werden, dass eine dem vorgesehenen Verwendungszweck der neu zu erstellenden baulichen Anlagen (PKW-Parkplatz und Bereich für „Fahrrad/Holz“) sowie der zu vergrößernden Wohnung der Rechtsmittelwerberin entsprechende Wasserversorgung sowie Entsorgung der Abwässer und der Niederschlagswässer rechtlich sichergestellt ist, was aber Voraussetzung für die baurechtliche Bewilligung des Vorhabens der Beschwerdeführerin ist (vgl VwGH 05.08.2020, Ra 2018/06/0299).
An dieser Bewilligungsvoraussetzung ist schon das Bauvorhaben des Jahres 2016 gescheitert.
Folgerichtig ist in dem in Prüfung stehenden Fall zweifelsohne Identität der Sache anzunehmen, was die beiden Bauansuchen der Beschwerdeführerin vom 02.11.2016 und vom 02.02.2022 anbelangt, sodass die belangte Behörde völlig rechtskonform den letzteren Antrag der Rechtsmittelwerberin vom 02.02.2022 wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen hat.
2)
Die gegen die zurückweisende Entscheidung vorgetragenen Beschwerdeargumente sind nicht geeignet, die vorliegende Beschwerde zum Erfolg zu führen und ein anderes Verfahrensergebnis herbeizuführen, wozu im Einzelnen noch Folgendes zu bemerken ist:
a)
Insoweit die Rechtsmittelwerberin vermeint, sie sei in die bestehenden Verträge ihrer Rechtsvorgänger hinsichtlich Wasserversorgung sowie Entsorgung der Abwässer und der Niederschlagswässer eingetreten und seien damit schon die Voraussetzungen nach § 3 Abs 5 Tiroler Bauordnung nachgewiesen, wenn sich keine besonderen Änderungen im Bauansuchen zum bisherigen Bau ergeben würden, so ist seitens des entscheidenden Verwaltungsgerichts wie folgt klarzustellen:
Die Beschwerdeführerin selbst weist schon darauf hin, dass allfällige, aber nicht näher dargelegte Bestandsverträge ihr nur dann zur Baugenehmigung verhelfen könnten, insoweit sich durch das Bauvorhaben die diesbezüglich relevanten Verhältnisse nicht besonders verändern.
Nach dem festgestellten Sachverhalt entstehen durch das verfahrensgegenständliche Bauprojekt der Rechtsmittelwerberin allerdings auf dem Bauplatz zusätzlich versiegelte Grundflächen (PKW-Parkplatz und überdachter Bereich für „Fahrrad/Holz“), bei denen die darauf anfallenden Niederschlagswässer zusätzlich (zu den Wässern der schon bisher versiegelten Grundflächen) in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden sollen.
Damit ist aber eine maßgebliche Veränderung der Entwässerungssituation gegenüber der Niederschlagswasser-Entsorgung für den bisher schon bestehenden Baubestand auf dem Bauplatz gegeben, womit für die Rechtsmittelwerberin allein mit dem Eintritt in bestehende Entsorgungsverträge im Gegenstandsfall nichts zu gewinnen ist.
Schließlich stellt auch die mit dem Bauprojekt der Rechtsmittelwerberin einhergehende Vergrößerung der Wohnnutzfläche ihrer Wohnung samt der damit verbundenen grundsätzlichen Nutzbarkeit der Wohnung für mehr Personen eine besondere Änderung des gegebenen Baubestands dar, sodass mit den argumentierten Bestandsverträgen allein nicht das Auslangen gefunden werden kann, um die rechtliche Sicherstellung der Wasserversorgung sowie der Entsorgung der Abwässer und der Niederschlagswässer im Sinne der Bestimmung des § 3 Abs 5 Tiroler Bauordnung darzutun.
b)
In der Beschwerde wird vorgetragen, dass die belangte Baubehörde als Nachweis gemäß § 3 Abs 5 Tiroler Bauordnung nicht nur eine Stellungnahme vom örtlichen Wasserversorger sowie Abwasserentsorger (IBK) verlangen könne, sondern es der Antragstellerin durchaus freistehe, den Nachweis anderweitig zu erbringen, etwa durch Vorlage eines Gutachtens einer fachlich geeigneten Person.
Dies habe die Rechtsmittelwerberin durch Vorlage des Gutachtens des gerichtlich beeideten Sachverständigen Ing. DD getan.
Der Rechtsmittelwerberin ist vom Landesverwaltungsgericht Tirol darin beizupflichten, dass die Sicherstellung einer dem vorgesehenen Verwendungszweck entsprechenden Versorgung mit Trink- und Nutzwasser sowie Entsorgung der Abwässer und der Niederschlagswässer entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 3 Abs 5 Tiroler Bauordnung auf verschiedenste Art und Weise nachgewiesen werden kann.
Vorliegend sollen nach der eigenen Erklärung der bauwerbenden Beschwerdeführerin sämtliche auf den baulichen Anlagen auf dem Bauplatz **1 KG Y anfallenden Niederschlagswässer sowie auch die dort anfallenden Schmutzwässer in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden, ebenso soll die Wasserversorgung der baulichen Anlagen auf dem Bauplatz durch die öffentliche Wasserversorgungsanlage sichergestellt werden, sodass es naheliegend wäre, die rechtliche Sicherstellung der Wasserversorgung sowie der Entsorgung der Abwässer und der Niederschlagswässer im Sinne der Bestimmung des § 3 Abs 5 Tiroler Bauordnung durch einen Vertrag oder eine entsprechende Erklärung der Betreiberin dieser öffentlichen Anlagen nachzuweisen.
Selbstverständlich steht es der Rechtsmittelwerberin aber auch frei, die geforderte rechtliche Sicherstellung der Versorgungsleistungen und der Entsorgungsleistungen entsprechend § 3 Abs 5 Tiroler Bauordnung anderweitig darzutun.
Wenn sie vermeint, dies durch Vorlage des Gutachtens des gerichtlich beeideten Sachverständigen Ing. DD bewerkstelligen zu können, ist sie darauf hinzuweisen, dass das angesprochene Gutachten als Nachweis im Sinne des § 3 Abs 5 Tiroler Bauordnung nicht geeignet ist, weil es nur sehr allgemein gehalten ist und bloß rudimentär auf die Fragestellung des § 3 Abs 5 Tiroler Bauordnung eingeht.
Wenn der gerichtlich beeidete Sachverständige ausführt, dass die nunmehr beabsichtigten Umbaumaßnahmen im Vergleich zu jenen gemäß den Einreichplänen vom Oktober 2016 keine „maßgeblichen“ Änderungen der Niederschlagswassermengen erwarten ließen, die in die bestehende öffentliche Kanalisation eingeleitet werden sollen, weshalb mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass die mit den nunmehr von der Beschwerdeführerin beabsichtigten Umbaumaßnahmen zukünftig anfallenden Niederschlagswässer in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden könnten, so ist vom entscheidenden Verwaltungsgericht klarzustellen, dass der gerichtlich beeidete Sachverständige keinesfalls ausreichend nachvollziehbar dargetan hat, aufgrund welcher Befundergebnisse er zu dieser fachlichen Schlussfolgerung gelangt ist.
So ist er nicht näher auf die zusätzlich versiegelten Grundflächen im Bereich der geplanten PKW-Parkfläche sowie im überdachten Bereich für „Fahrrad/Holz“ eingegangen, insbesondere hat er eine Berechnung der auf den zusätzlich versiegelten Grundflächen zu erwartenden Niederschlagswassermenge unterlassen, sondern hat er sich einfach damit begnügt, die Änderungen der Niederschlagswassermengen als nicht „maßgeblich“ zu bewerten.
Zudem hat er sich überhaupt nicht mit der freien Aufnahmekapazität der öffentlichen Kanalisation auseinandergesetzt, ebenso wenig mit dem Umfang eines allenfalls durch Bestandsverträge bereits gegebenen Einleiterechts in die öffentliche Kanalisation.
Der Sachverständige hat seine Einschätzung der nicht gegebenen „Maßgeblichkeit“ der durch das Bauvorhaben zu erwartenden Änderungen der Niederschlagswassermengen auf einen Vergleich der jetzigen Einreichplanung mit jener vom Oktober 2016 gegründet, ohne aber konkrete Niederschlagswassermengen anzuführen, weshalb sich seine fachliche Einschätzung einer nicht „maßgeblichen“ Veränderung nicht wirklich nachvollziehen lässt.
Erschöpft sich aber eine Sachverständigenäußerung im Grunde nur auf die Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn), ohne dass der Sachverständige darlegt, auf welchem Weg er zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist, so ist ein derartiges Sachverständigengutachten mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar (vgl VwGH 05.11.2020, Ra 2020/11/0146, und 27.02.2015, 2012/06/0063).
Dementsprechend ist das von der Rechtsmittelwerberin in Vorlage gebrachte Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Ing. DD jedenfalls nicht als Nachweis gemäß § 3 Abs 5 Tiroler Bauordnung geeignet, um die Sicherstellung einer dem vorgesehenen Verwendungszweck des Bauvorhabens der Rechtsmittelwerberin entsprechenden Wasserversorgung sowie Entsorgung der Abwässer und der Niederschlagswässer darzutun.
3)
In der gegenständlichen Beschwerdesache konnte deshalb von der Durchführung einer mündlichen Rechtsmittelverhandlung Abstand genommen werden, weil der verfahrenseinleitende Antrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen war (vgl § 24 Abs 2 Z 1 erster Fall VwGVG).
Zudem ließen die vorliegenden Aktenunterlagen klar erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und einem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstanden.
Der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt ergibt sich klar aus der gegebenen Aktenlage, weitere Beweisaufnahmen waren zur Feststellung des relevanten Sachverhalts nicht mehr notwendig. Einen Verhandlungsantrag oder konkrete Beweisanträge hat die Rechtsmittelwerberin auch nicht gestellt.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Zur Frage des Vorliegens einer entschiedenen Rechtssache besteht eine sehr umfangreiche und klare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, anhand derer die gegenständliche Beschwerdeentscheidung getroffen werden konnte. Insofern ist im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht hervorgekommen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Aicher
(Richter)
Schlagworte
Res iudicataEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2023.26.0477.1Zuletzt aktualisiert am
11.04.2023