Entscheidungsdatum
03.03.2023Norm
AWG 2002 §79 Abs2 Z11Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, vertreten durch C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 17. November 2022, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstraf-gesetz 1991 (VStG) iVm § 38 VwGVG eingestellt.
2. Gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) ist gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 17. November 2022, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig erkannt:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit: 25.07.2022
Ort: Marktgemeinde ***, KG ***, Gst. Nr. *** und ***
Tatbeschreibung:
Sie haben es als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter bzw. als abfallrechtlicher Geschäftsführer gemäß § 26 Abs. 3 AWG 2002 der B GmbH mit dem Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass der Auflagepunkt 39 des Spruchpunktes III. des Genehmigungsbescheides vom 24. Juli 2018, *** idF des Bescheides vom 19. Dezember 2019, *** verletzt wurde, da die in der Auflage normierte mineralische Dichtfläche nicht dauerhaft dicht gehalten wurde, indem die nördliche Dichtfläche vollständig entfernt und somit nicht dauerhaft dich gehalten wurde.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 79 Abs. 2 Z. 11 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002 idF BGBl. I Nr. 200/2021 iV mit Auflagenpunkt 39 des Spruchpunktes III. des Genehmigungsbescheides vom 24. Juli 2018, *** idF des Bescheides vom 19. Dezember 2019, ***
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
€ 4.200,00 168 Stunden § 79 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002
(AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002 idF BGBl. I
Nr. 200/2021“
Weiters wurde der Rechtsmittelwerber zum Tragen der Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens verpflichtet.
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf die Anzeige der Abfallrechtsbehörde vom 20. Oktober 2022, wonach laut der Verhandlungsschrift vom 25. Juli 2022 die nördliche Dichtfläche vollständig entfernt worden wäre, und gab in ihrer Entscheidung die Auflage 39 des Spruchpunktes III. des Genehmigungsbescheides vom 24. Juli 2018, Zl. *** idF des Bescheides vom 19. Dezember 2019, Zl. ***, vollinhaltlich wieder. Weiters wies sie darauf hin, dass der Rechtsmittelwerber die Frist zur Rechtfertigung ungenützt verstreichen habe lassen.
Da mit Auflage Punkt 39 des Spruchpunktes III. des Genehmigungsbescheides vom 24. Juli 2018, Zl. *** idF des Bescheides vom 19. Dezember 2019, Zl. ***, normiert worden wäre, dass die mineralische Dichtfläche stets dauerhaft dicht zu erhalten sei und die Dichtfläche vollständig entfernt wurde und somit nicht dauerhaft dicht gehalten worden wäre, sei der objektive Tatbestand der Strafnorm des § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 erfüllt.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Der Beschwerdeführer erhob durch seine rechtsfreundliche Vertretung gegen diese behördliche Entscheidung fristgerecht Beschwerde und begründete wie folgt:
„Beschwerdegründe
(1) Das bekämpfte Straferkenntnis ist rechtswidrig, weil die nördliche Dichtfläche seit der Abänderungsanzeige vom 10.12./22.12.2021 nicht mehr Bestandteil der Abfallbehandlungsanlage *** ist.
(2) Dazu im Einzelnen:
(3) Wie bereits in Kapitel 1. Sachverhalt ausgeführt, hat die B GmbH mittels Abänderungsanzeige vom 10.12./22.12.2021 die ursprünglich mit Bescheiden vom 24.7.2018 und 19.12.2019 genehmigte Behandlungsanlage *** auf die „Lagerfläche Süd“ eingeschränkt. Die im bekämpften Straferkenntnis angeführte nördliche Dichtfläche ist auf diese Weise aus dem örtlichen Bereich der Behandlungsanlage ausgeschieden.
(4) Bei der solcherart vorgenommenen Abänderung der Behandlungsanlage handelte es sich um ein Vorhaben iSd § 37 Abs 4 Z 7 AWG 2002, wonach die Auflassung eines Anlagenteils einer Behandlungsanlage bloß anzeigepflichtig ist, es sei denn es besteht Genehmigungspflicht nach § 37 Abs 1 oder Abs 3 AWG 2002.
(5) Eine Genehmigungspflicht nach § 37 Abs 3 AWG 2002 besteht gegenständlich nicht, da es sich in *** um keine IPPC-Behandlungsanlage handelt.
(6) Ebensowenig besteht aber auch eine Genehmigungspflicht nach § 37 Abs 1 AWG 2002, weil die Einschränkung der Behandlungsanlage keine wesentliche Änderung darstellt. § 2 Abs 8 Z 3 AWG 2002 definiert die „wesentliche Änderung“ nämlich als
„eine Änderung einer Behandlungsanlage, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder auf die Umwelt haben kann; als wesentliche Änderung gilt auch eine Änderung einer Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlage für nicht gefährliche Abfälle, welche die Verbrennung gefährlicher Abfälle mit sich bringt; als wesentliche Änderung einer IPPC-Behandlungsanlage gilt auch eine Änderung mit einer Kapazitätsausweitung von mindestens 100 Prozent des im Anhang 5 festgelegten Schwellenwertes; als wesentliche Änderung einer Behandlungsanlage gilt auch eine Änderung oder Erweiterung, durch die die Kapazitätsschwellenwerte in Anhang 5 erreicht werden“
(7) Dafür, dass die gegenständliche Einschränkung erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder auf die Umwelt haben kann, gibt es keine Anhaltspunkte. Dies ergibt sich im Übrigen schon allein daraus, dass die LH von NÖ von der Möglichkeit, bei begründeten Zweifel über die Genehmigungsfreiheit einer nach § 37 Abs 4 AWG 2002 angezeigten Änderung einen Feststellungsbescheid zu erlassen, keinen Gebrauch gemacht hat.
(8) Rechtsfolge dessen ist, dass die B GmbH im Hinblick auf das Vorliegen einer Änderung iSd § 37 Abs 4 Z 7 AWG 2002 nach § 51 Abs 2 AWG 2002 dazu berechtigt war, die angezeigten Änderungen unmittelbar mit Einlagen der Anzeige vorzunehmen, ohne die Zurkenntnisnahme der Anzeige abwarten zu müssen.
(9) Aus § 37 Abs 4 Z 7 iVm § 51 Abs 2 AWG 2002 ergibt sich somit, dass mit Einlangen der Abänderungsanzeige vom 10.12./22.12.2021 bei der LH von NÖ die Genehmigungsbescheide vom 24.7.2018 und 19.12.2019 dahingehend modifiziert wurden, dass Gegenstand der Anlagengenehmigung nur mehr die südliche Lagerfläche ist; die nördliche Dichtfläche ist seither nicht mehr vom Genehmigungskonsens und den sich auf diesen als „bedingte Polizeibefehle“ beziehenden Auflagen umfasst.
(10) Ist nun aber seit dem Einlangen der Abänderungsanzeige vom 10.12./22.12.2021 bei der LH von NÖ die nördliche Dichtfläche nicht mehr Gegenstand des Genehmigungskonsenses, so ist es dadurch seither ausgeschlossen, den Beschwerdeführer in Ansehung dieser nördlichen Dichtfläche für Auflagenverstöße zu bestrafen, weil die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung (mehr) bildet (§ 45 Z 1 VStG).“
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Baden zur Zl. ***, darin inneliegend der Genehmigungsbescheid vom 24. Juli 2018, Zl. ***, sowie der Abänderungsbescheid vom 19. Dezember 2019, Zl. ***.
Mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes vom 31. Jänner 2023 wurde die Anzeigenlegerin ersucht dazu Stellung zu nehmen, ob wie vorgebracht mit der Anzeige vom 10. Dezember/22. November 2021 eine Auflassung der nördlichen Dichtfläche iSd § 37 Abs. 4 Z 7 AWG 2002 erfolgt sei, insbesondere ob eine Beschreibung der vorgesehenen Auflassungsmaßnahmen bezüglich dieses Anlagenteiles iSd § 51 Abs. 2 AWG 2002 der Behörde vorgelegt worden wäre bzw. ob von der Behörde Aufträge nach dieser Rechtsnorm erteilt wurden.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2023 übermittelte die Abfallrechtsbehörde den technischen Bericht zum Vorhaben der B GmbH zur Einschränkung des Betriebes auf die Lagerfläche Süd, den Zurückweisungsbescheid vom 17. August 2022, Zl. ***, sowie das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 09. Jänner 2023 zur Zl. LVwG-AV-1109/001-2022.
4. Feststellungen:
Die B GmbH mit Sitz in ***, ***, ist gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig.
Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 24. Juli 2018, Zl. ***, wurde der D GmbH die abfallrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Behandlungsanlage für Abfälle bestehend aus einer Sortier- und Recyclinganlage samt Zwischenlagerflächen und Nebenanlagen (Gesamtfläche ca. 77.845 m², Jahresdurchsatz max. 190.000 t, max. Gesamtlagerfläche 79.540 m²) auf den Grundstücken Nr. *** bis ***, KG ***, befristet bis 30. Juni 2028, erteilt.
Dieser Bewilligung liegt das mit der Bescheidbezugsklausel versehene Projekt „Sortier- und Recyclinganlage – Konsolidierungsprojekt 2018“, vom 21. März 2018, samt Ergänzungsunterlagen vom 8., 13., 18. und 26. Juni 2018, erstellt von der E GmbH, GZ ***, zugrunde.
Das Projekt beinhaltete drei abgedichtete Lagerflächen, nämlich die Lagerfläche Nord, die Lagerfläche *** und die Lagerfläche ***.
Mit diesem Genehmigungsbescheid wurde in Auflage 39 wie folgt vorgeschrieben:
„Für die nördliche gedichtete Lagerfläche:
Die mit der mineralischen Dichtfläche verbundenen Lehmdämme (zumindest auf die Länge des berechneten Rückstaubereiches von ca. 18m ab Beckenkante nach Süden), die mineralische Dichtfläche selbst und das Abwassersammelbecken sind stets dauerhaft dicht zu erhalten. Allfällige Schäden sind umgehend durch ein befugtes Unternehmen dokumentieren und sanieren zu lassen.
Die Dichtheit des Beckens, der Dämme und der Lagerfläche ist in Abständen von maximal 5 Jahren wiederkehrend nachzuweisen (Standrohrversuch nach Horn, maximale Durchlässigkeit kf?10-9m/s bei i=30; bei der Lagerfläche 1 Versuch je 3.000m³, im Becken mindestens 2 Versuche, Fugen gesondert).
Die erste Folgeuntersuchung ist im Jahr 2023 fällig. Der Prüfbericht ist der Behörde im Wege des Aufsichtsorgans nach Vorliegen umgehend zu übermitteln.“
Diese Auflage dient auch der Sicherung der Altablagerung „Ablagerung ***“.
Diese Anlage wird nunmehr von der B GmbH betrieben und wurde die Grundstücksbezeichnung zwischenzeitlich auf Grundstücksnummer *** und ***, KG ***, geändert.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2021, übermittelt mit Schreiben von F vom 4. Jänner 2022, zeigte dieses Unternehmen der Abfallrechtsbehörde eine Abänderung der Sortier- und Recyclinganlage durch Einschränkung des Betriebs auf die Lagerfläche Süd an.
Das angezeigte Reduktionsprojekt sieht folgende Maßnahmen vor:
? Errichtung einer neuen Ein- und Ausfahrt
? Errichtung eines neuen asphaltierten Weißbereiches und Umstellung der bestehenden Ein- und Ausfahrtsbrückenwaage samt Waagcontainer Büro-, Aufenthalts-, Sanitär- und Lagercontainer
? Modifizierung der Lagerfläche Süd (Schaffung einer östlichen Ein- und Ausfahrt /Errichtung von Boxen mittels mobiler Betonblocksteine / Überdachung eines Teils der Boxen / Positionierung der Reifenwaschanlage)
? Auflassung der befestigten Fläche für Materiallagerungen, Rückbau des asphaltierten Weißbereiches, Rückbau der Randdämme Nord und Ost und Rückbau des Innendamms West
Zur Auflassung von Anlagenteilen ist im Projekt festgehalten:
„Die nicht mehr verwendeten Anlagenteile, wie die bisherige Ein- und Ausfahrt, der asphaltbefestigte Weißbereich, die befestigte Fläche für Materiallagerung, die befestigte Containerabstellfläche und die Rand- und Innendämme werden aufgelassen bzw. rückgebaut. Dies erfolgt in Abstimmung der zukünftigen Nachnutzung. Die Dichtflächen, die eine Sicherung für die Altablagerungen
darstellen, werden belassen.“
Die Projektunterlagen wurden zur fachlichen Beurteilung unter anderem an die Amtssachverständige für Luftreinehaltetechnik weitergeleitet. Diese hielt in ihrer Stellungnahme vom 21. Juni 2022 Folgendes fest:
„[…] Um die mit Schreiben *** vom 04. Februar 2022 von der Abfallrechtsbehörde gestellten Fragen (beispielsweise: „Welche Auswirkungen sind auf die gesetzlichen Schutzinteressen bei projektgemäßer Errichtung und Betrieb der Anlage zu erwarten?“) beantworten zu können, ist eine nachvollziehbare Emissionsanalyse und eine darauf aufbauende Immissionsausbreitungsrechnung vorzulegen.“
Infolgedessen erließ die Abfallrechtsbehörde mit Schreiben vom 23. Juni 2022, Zl. ***, nachstehenden Verbesserungsauftrag und schloss diesem die Stellungnahme der Amtssachverständigen vom 21. Juni 2022 an:
„[…]
Beiliegend wird Ihnen nun die Stellungnahme der Amtssachverständigen für Luftreinhaltetechnik vom 21.06.2022 zur Kenntnis übermittelt. Daraus geht hervor, dass die Projektunterlagen den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 39 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) nicht entsprechen, und die Vorlage einer nachvollziehbaren Emissionsanalyse und einer darauf aufbauenden Immissionsausbreitungsrechnung zur Vorbegutachtung erforderlich ist.
[…]
Gemäß § 13 Abs. 3 Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG fordern wir Sie auf, den Antrag entsprechend dem Gutachten der Amtssachverständigen für Luftreinhaltetechnik zu ergänzen und diese Angaben und Unterlagen innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens der Behörde in 4-facher Ausfertigung vorzulegen. Wir weisen Sie darauf hin, dass bei fruchtlosem Ablauf dieser Frist der Antrag nach dieser verfahrensrechtlichen Bestimmung zurückgewiesen wird.
[…]“
Der Verbesserungsauftrag der Abfallrechtsbehörde wurde der Anlagenbetreiberin am 27. Juni 2022 zugestellt.
Am 25. Juli 2022 führte die Abfallrechtsbehörde eine mündliche Verhandlung am Standort der Behandlungsanlage durch, um die Einreichunterlagen betreffend die Abänderungsanzeige vom 10. Dezember 2021 auf Vollständigkeit und Beurteilbarkeit zu überprüfen und um den Betriebszustand der Anlage und der aufgelassenen Betriebsflächen zu kontrollieren.
In der dazu ergangenen Verhandlungsschrift vom 25. Juli 2022, Zl. ***, hielt die Abfallrechtsbehörde Folgendes fest:
„[…]
Augenscheinlich wurde das Abänderungsprojekt baulich bereits weitgehend
umgesetzt. Details werden in den Stellungnahmen der ASV dokumentiert.
Zu den oben angeführten offenen Fragen konnte in Erfahrung gebracht werden, dass die mineralische Dichtung der Lagerfläche Nord vollständig entfernt worden ist.
[…]
Im Vorprüfungsverfahren hat die ASV für Naturschutz grundsätzliche Bedenken wegen des Entfalls des östlichen Sichtschutzdamms geäußert. Die ASV für Lärmschutztechnik und für Luftreinhaltetechnik haben detailliertere Unterlagen gefordert, weil derzeit die Änderung der Auswirkungen auf das südlich nächstgelegene Wohngebiet nicht beurteilt werden kann. Auch der SV für Brandschutztechnik hat ergänzende Unterlagen gefordert. Diesbezüglich sind Verbesserungsaufträge ergangen.
[…]
Unabhängig bzw. ergänzend zur Vorprüfung der Einreichunterlagen waren zur Klärung des Beurteilungsumfangs und zur Wahl der Verfahrensart folgende Fragen möglichst zu klären:
1. Die Abdichtung der Lagerfläche Nord dient unter anderem auch zur Sicherung der unterlagernden Altablagerungen. [...]
2. Nach dem vorgelegten Abänderungsprojekt soll die betriebliche Tätigkeit ausschließlich auf die Lagerfläche Süd konzentriert werden, jedoch der ursprüngliche Jahresdurchsatz von 190.000 t/a (der im Übrigen in den letzten Jahren mehrfach deutlich überschritten worden ist) beibehalten werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist daher abzuklären, ob dadurch eine Erhöhung der Emissionen an Lärm und Staub im Hinblick auf die nächstgelegene Wohnnachbarschaft in *** zu erwarten ist und damit keine emissionsneutrale Abänderung vorliegt. Die Lagerfläche Süd liegt gegenüber dem bisher genutzten Gesamtareal am exponiertesten in Richtung auf die Wohnnachbarschaft.
[…]
Hinsichtlich der potenziellen Emissionserhöhung für die nächstgelegene Wohnnachbarschaft wurden bereits entsprechende Fachexpertisen in Auftrag gegeben.
[…]
Stellungnahme des ASV für Deponietechnik und Gewässerschutz:
Das Anzeigeprojekt vom 22.12.2021 wurde bis auf die Entfernung der mineralisch gedichteten Fläche im Norden für meinen Fachbereich im Wesentlichen ordnungsgemäß umgesetzt. Die Bauarbeiten wurden durch eine chemisch-technische Aufsicht begleitet (Büro G) und eine Vermessung des nunmehr abgesenkten Nordbereiches veranlasst. Diese Unterlagen werden im Rahmen eines Abschlussberichtes bis längstens 31.08.2022 zur weiteren Prüfung vorgelegt werden. Hinsichtlich der ehemaligen nördlichen Zwischenlagerfläche, die auch die Funktion einer Sicherung von Altablagerungen hatte, wird festgehalten, dass kurzfristig der gesamte Bereich, einschließlich dieser ehemaligen Dichtfläche, in Form eines Logistikcenters genutzt werden soll, wobei neben den Hallenbauten auch eine Versiegelung der übrigen Verkehrs- und Manipulationsflächen vorgesehen ist. Sofern dies erfolgt, wäre es der Dichtungs- und Sicherungsfunktion gleichwertig, lediglich bei der Versickerung der Oberflächenwässer müsste auf die Altablagerungsbereiche Rücksicht genommen werden und müssten diese entsprechend ausgespart werden. Alternativ könnten auch Bodenauswechslungen vorgenommen werden, sodass es zu keiner intensiven Auslaugung der Altablagerungen kommen kann.
[…]
Stellungnahme des ASV für Abfallchemie:
Im Zuge der heutigen Begehung konnten bei der Lagerfläche Süd einige bauliche Änderungen festgestellt werden. Diese betreffen zum einen den neu geschaffenen Ein- und Ausfahrtsbereich und zum anderen die neu geschaffenen Lagerboxen (mit Betonbausteinen). […] Nachzureichen sind noch Gutachten zu den Auswirkungen des Emissionsverhaltens aufgrund der Konzentrierung der Tätigkeiten auf die Lagerfläche Süd (bei gleichbleibenden Jahresumschlag).
[…]
Erklärung des Vertreters der Anlageninhaberin:
Die besprochenen Ergänzungsunterlagen werden so rasch als möglich bis spätestens Ende August 2022 der Behörde nachgereicht.
Abschlusserklärung des Verhandlungsleiters:
Eine Abschrift des Verhandlungsprotokolls wird den Verfahrensparteien übermittelt werden.
[…]“
Mit Bescheid vom 17. August 2022, Zl. ***, wies die Landeshauptfrau von Niederösterreich die Abänderungsanzeige der B GmbH vom 10. Dezember 2021 betreffend die Einschränkung des Betriebes auf der Lagerfläche Süd der Sortier- und Recyclinganlage auf den Grundstücken Nr. ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, KG ***, aufgrund des Fehlens von luftreinhaltetechnischen Unterlagen, nämlich einer nachvollziehbaren Emissionsanalyse und einer darauf aufbauenden Immissionsausbreitungsrechnung, gemäß § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und §§ 39 Abs. 1 und 51 Abs. 2 AWG 2002 zurück.
Begründend führte die Abfallrechtsbehörde aus, dass die Änderungsanzeige der luftreinhaltetechnischen Amtssachverständigen zur fachlichen Beurteilung übermittelt worden sei. Aus ihrer Stellungnahme vom 21. Juni 2022 gehe hervor, dass die Projektunterlagen nicht den Anforderungen gemäß § 39 AWG 2002 entsprächen und die Vorlage einer nachvollziehbaren Emissionsanalyse und einer darauf aufbauenden Immissionsausbreitungsrechnung zur Vorbegutachtung erforderlich sei. Aus diesem Grund sei mit Schreiben der vom 23. Juni 2022 ein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG an die Anlagenbetreiberin ergangen. Trotz Einräumung der Möglichkeit zur Vorlage eines vollständigen Projektes und entsprechenden Verbesserungsauftrag seien die fehlenden Unterlagen gemäß § 39 Abs. 1 Z 9 AWG 2002 für den Fachbereich Luftreinhaltetechnik nicht fristgerecht vorgelegt worden, weshalb das Ansuchen zurückzuweisen gewesen sei.
Eine Anfrage der Anlagenbetreiberin zum angefochtenen Bescheid beantwortete der Verhandlungsleiter mit E-Mail vom 19. August 2022 wie folgt:
„[…] Der Zurückweisungsbescheid vom 17.8.2022 wurde ohne Rücksprache mit mir erlassen […] widerspricht aber dem Verhandlungsergebnis vom 25.7.2022 […].
Ich kann daher nur anbieten, dass Sie eine Beschwerde einbringen und ich den Bescheid dann mit einer Beschwerdevorentscheidung aufhebe.“
Mit Schreiben vom 30. August 2022 übermittelte die Anlagenbetreiberin (bezugnehmend auf den Ortsaugenschein vom 25. Juli 2022) unter anderem die luftreinhaltetechnische Beurteilung vom 30. August 2022 und ersuchte für die Vorlage eines lärmtechnischen Gutachtens um Fristerstreckung bis Ende September.
Mit Schreiben vom 31. August 2022 übermittelte die Abfallrechtsbehörde das Gutachten vom 30. August 2022 an die Amtssachverständige für Luftreinhaltetechnik und antwortete der Anlagenbetreiberin mit Schreiben vom selben Tag wie folgt:
„Die Abfallrechtsbehörde bestätigt das Einlangen ergänzender Unterlagen mit E-Mail vom 30. August 2022.
Die luftreinhaltetechnische Beurteilung der H vom 30.8.2022 wurde bereits an die ASV für Luftreinhaltetechnik zur Beurteilung weitergeleitet. […]
Zum vorgelegten Höhen-und Bestandsplan [...]
Zur Mitteilung der I GmbH, dass die erforderliche schalltechnische Untersuchung erst bis Ende September vorgelegt werden kann, ist Folgendes festzuhalten: […]
Über eine Zustimmung zur neuerlichen Fristverlängerung kann daher erst nach Einlangen einer Stellungnahme der I GmbH entschieden werden.“
Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 09. Jänner 2023, Zl. LVwG-AV-1109/001-2022, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 17. August 2022, Zl. ***, insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben wurde.
In ihrer Entscheidungsbegründung ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass im Ergebnis die mit Verbesserungsauftrag vom 23. Juni 2022 ursprünglich eingeräumte Frist vom 25. Juli 2022 bis 31. August 2022 verlängert worden sei. Der angefochtene Bescheid erging noch während der offenen – in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2022 verlängerten – Verbesserungsfrist, weshalb die Abfallrechtsbehörde zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht zur Zurückweisung des Antrages berechtigt war.
Bis dato erging hinsichtlich der zwischenzeitlich aufgelassenen Lagerfläche Nord kein Bescheid der Abfallrechtsbehörde auf Grundlage der §§ 37 Abs. 4 Z 7 iVm 51 Abs. 2 AWG 2002.
5. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen auf den angeführten, unbedenklichen Inhalt des behördlichen Strafaktes, insbesondere auf den in diesem enthaltenen Genehmigungsbescheiden und der Verhandlungsschrift vom 25. Juli 2022, sowie auf den von der Abfallrechtsbehörde übermittelten ergänzenden Unterlagen, und wird grundsätzlich nicht bestritten, dass die Dichtfläche im Bereich der Lagerfläche Nord zum angelasteten Tatzeitpunkt entfernt war.
6. Rechtslage:
§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet wie folgt:
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses hat überdies zu enthalten:
1. im Fall der Verhängung einer Strafe die vom Verwaltungsgericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten;
2. im Fall des § 45 Abs. 1 VStG eine gedrängte Darstellung der dafür maßgebenden Gründe.
(3) Jedes Erkenntnis hat einen Hinweis auf die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu enthalten.
§ 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 schreibt vor:
Wer die gemäß § 43 Abs. 4, § 44, § 54 Abs. 2 oder § 58 Abs. 2 vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen oder die Auflagen, Bedingungen oder Befristungen der gemäß § 77 übergeleiteten Bescheide oder die gemäß § 48 Abs. 1 vorgeschriebenen Befristungen nicht einhält, begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 € bis 8 400 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 € bedroht.
§ 45 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) lautet:
Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. […]
§ 43 Abs. 4 AWG 2002 lautet wie folgt:
Erforderlichenfalls hat die Behörde zur Wahrung der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 bis 3 geeignete Auflagen, Bedingungen oder Befristungen vorzuschreiben. Dies gilt auch, wenn im Einzelfall durch die Einhaltung der Bestimmungen zum Stand der Technik einer Verordnung gemäß § 65 Abs. 1 die gemäß § 43 wahrzunehmenden Interessen nicht hinreichend geschützt sind. Sofern die Voraussetzungen nicht erfüllt sind und auch durch die Vorschreibung von Auflagen, Bedingungen oder Befristungen nicht erfüllt werden können, ist der Genehmigungsantrag abzuweisen.
§ 37 Abs. 4 AWG 2002 normiert:
Folgende Maßnahmen sind – sofern nicht eine Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 oder 3 vorliegt – der Behörde anzuzeigen:
[… ]
7. die Auflassung der Behandlungsanlage oder eines Anlagenteils oder die Stilllegung der Deponie oder eines Teilbereichs der Deponie oder die Beendigung der Maßnahmen für die Nachsorge der Deponie oder die Auflassung einer IPPC-Behandlungsanlage;
§ 51 Abs. 2 AWG 2002 schreibt vor:
Maßnahmen gemäß § 37 Abs. 4 Z 5 bis 7, 9 und Abs. 4a sind der Behörde anzuzeigen und können mit Einlangen der Anzeige vorgenommen werden. Einer Anzeige gemäß § 37 Abs. 4 Z 7 ist die Beschreibung der vorgesehenen Auflassungs- oder Stilllegungsmaßnahmen anzuschließen. Einer Anzeige gemäß § 37 Abs. 4 Z 9 ist neben den Antragsunterlagen gemäß § 39, soweit diese Unterlagen erforderlich sind, die begründete Darlegung anzuschließen, dass das Emissionsverhalten der Behandlungsanlage nicht nachteilig beeinflusst wird. Anzeigen gemäß § 37 Abs. 4 Z 9 hat die Behörde mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen, Anzeigen gemäß § 37 Abs. 4 Z 5 bis 7 und Abs. 4a nur auf Antrag. Im Fall des § 37 Abs. 4 Z 6 und Z 9 bildet dieser Bescheid einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Reichen bei Maßnahmen gemäß § 37 Abs. 4 Z 4, 5, 7, 8, 9 oder Abs. 4a die vom Inhaber der Behandlungsanlage zur Wahrung der Interessen gemäß § 43 getroffenen Maßnahmen nicht aus, hat die Behörde die erforderlichen Aufträge zu erteilen.
7. Erwägungen:
Zur Nichteinhaltung von Auflagen ist grundsätzlich festzuhalten:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Wesen von Auflagen darin, dass die Verwaltungsbehörde in Verbindung mit einem dem Hauptinhalt nach begünstigenden Bescheid belastende Gebote oder Verbote erlässt, mit denen der Inhaber des Rechtes für den Fall der Gebrauchnahme zu einem bestimmten, im Wege der Vollstreckung erzwingbaren Tun oder Unterlassen verpflichtet wird. Derartige Auflagen müssen so klar gefasst sein, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (zB VwGH 22.05.2003, 2001/04/0188).
Auflagen iSd § 43 Abs. 4 AWG 2002 sind „bedingte Polizeibefehle“, die erst dann wirksam werden, wenn der Bewilligungswerber von der ihm erteilten Bewilligung Gebrauch macht. Im Fall der Gebrauchnahme werden die Auflagen zu unbedingten Aufträgen. Der akzessorische Charakter und die damit verbundene rechtliche Eigenart einerseits als bloß bedingter Polizeibefehl und andererseits als unbedingter Auftrag im Falle der Ausübung der eingeräumten Berechtigung schließt es aus, dass in einer derartigen Auflage einen der Regelung des § 59 Abs. 2 AVG unterliegenden Ausspruch über die Auferlegung der Verbindlichkeit zu einer Leistung oder zur Herstellung eines bestimmten Zustandes zu erblicken (vgl. Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 77, Anm. 23).
§ 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 bezieht sich auf die Übertretung der typischerweise in Genehmigungsbescheiden oder übergeleiteten Bescheiden enthaltenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen. Auch Beschreibungen in den Projektsunterlagen, die in den Bewilligungsbescheid aufgenommen wurden, stellen – soweit sie Verpflichtungen des Anlagenbetreibers umschreiben – nach der Rechtsprechung Bedingungen iSd § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 dar. Eine in Projektsunterlagen enthaltene Vorschreibung von Betriebszeiten in einem Bewilligungsbescheid beinhaltet eine solche Verpflichtung des Anlagenbetreibers; nach der Rechtsprechung ist eine solche Vorschreibung daher einer Bedingung im Sinne des § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 gleichzuhalten. Die Sanktion für den Betrieb einer Betriebsanlage ohne Genehmigung nach § 37 findet sich in § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002. Darunter fällt auch der Vorwurf einer wesentlichen Änderung der Betriebsanlage, ohne dafür eine Genehmigung nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 eingeholt zu haben (so VwGH 26.09.2013, 2013/07/0047).
Dem gegenüber schreibt § 37 Abs. 4 Z 7 AWG 2002 vor, dass der Anlagenbetreiber die Auflassung der Behandlungsanlage oder eines Anlagenteils der Abfallrechtsbehörde anzuzeigen hat. Einer Anzeige gemäß § 37 Abs. 4 Z 7 leg. cit. ist die Beschreibung der vorgesehenen Auflassungs- oder Stilllegungsmaßnahmen anzuschließen (§ 51 Abs. 2 AWG 2002). Eine bescheidmäßige Kenntnisnahme erfolgt nur auf Antrag. Wenn die Maßnahmen zur Wahrung der Interessen gemäß § 43 getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen, hat die Behörde die erforderlichen Aufträge zu erteilen.
Ein auf dieser Rechtsgrundlage gestützter Bescheid wurde betreffend die Auflassung der Lagerfläche Nord von der Abfallrechtsbehörde bis dato nicht erlassen. Auch kann in der Auflassungsanzeige, welche auch die Anzeige zur Umgestaltung der Betriebsanlage im südlichen Bereich zum Inhalt hat, keine dezidierte Antragstellung auf bescheidmäßige Kenntnisnahme der Auflassung des Anlagenteiles „Lagerfläche Nord“ erkannt werden. Dass es sich bei der „Lagerfläche Nord“ um einen abgrenzbaren Anlagenteil handelt, wurde weder im Anlagenverfahren noch im Strafverfahren offensichtlich in Abrede gestellt und geht auch das erkennende Gericht davon aus, dass es sich hierbei um einen trennbaren Anlagenteil handelt.
Zudem bestimmt § 62 Abs. 7 AWG 2002, dass dann, wenn vom Anlageninhaber bei einer Unterbrechung oder bei der Einstellung des Betriebs nicht die zur Vermeidung der Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen erforderlichen Maßnahmen gesetzt werden, die zuständige Behörde diese bescheidmäßig aufzutragen hat. Unstrittig liegt im konkreten Fall auch keine IPPC-Anlage vor.
Faktum ist, dass das Abfallwirtschaftsrecht klar zwischen Genehmigungs- und Stilllegungsverfahren unterscheidet und das Genehmigungsverfahren die Errichtung und den Betrieb der Abfallbehandlungsanlage- (bzw. deren Änderung) zum Inhalt hat. Wenn nun ein trennbarer Anlagenteil stillgelegt wird, wird von der Genehmigung zum Betrieb dieses Teiles der Anlage kein Gebrauch mehr gemacht. Die Nichteinhaltung einer in der Genehmigung als Auflage titulierten Nebenbestimmung, welche diesen aufgelassenen Anlagenteil umfasst, kann deshalb nicht mehr als Übertretung des § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 in Verbindung mit der genannten Auflage des Genehmigungsbescheides vorgeworfen werden.
Festzuhalten ist, dass die Anlagenbetreiberin im Änderungsprojekt betreffend die Einschränkung des Betriebes auf die Lagerfläche Süd – darin enthalten auch die Auflassungsmaßnahmen betreffend die Lagerfläche Nord – im Punkt 4.4 klar der Abfallrechtsbehörde gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, dass „die Dichtflächen, die eine Sicherung der Altablagerungen darstellen, [...] belassen“ werden. Dem gegenüber hat der Rechtsmittelwerber zu verantworten, dass diese Dichtflächen zum angelasteten Tatzeitpunkt offensichtlich vollständig entfernt waren, sodass fraglich ist, ob die Inhaberin der Abfallbehandlungsanlage die zur Wahrung der Interessen gemäß § 43 getroffenen Maßnahmen im ausreichenden Maß gesetzt hat (vgl. § 51 Abs. 2 AWG 2002). Die Nichtbefolgung auf dieser Rechtsgrundlage gestützter Aufträge ist gemäß § 79 Abs. 2 Z 9 AWG 2002 strafbar, wie wohl angemerkt werden muss, dass der Amtssachverständige für Deponie und Gewässerschutz in der Verhandlung vom 25. Juli 2022 angemerkt hat, dass dann, wenn „kurzfristig der gesamte Bereich, einschließlich dieser ehemaligen Dichtfläche, in Form eines Logistikcenters genutzt werden soll, wobei neben den Hallenbauten auch eine Versiegelung der übrigen Verkehrs- und Manipulationsflächen vorgesehen ist […]“ eine gleichwertige Dichtungs- und Sicherungsfunktion gegeben wäre.
Im Ergebnis ist das Straferkenntnis spruchgemäß zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
8. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG abgesehen werden, da der rechtlich relevante Sachverhalt auch ohne mündliche Verhandlung hinreichend geklärt werden konnte. Dem Entfall der Verhandlung stand auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen.
9. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt und die Entscheidung nicht von der im Erwägungsteil zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Es waren vor allem Fragen im Rahmen der Beweiswürdigung zu beantworten, deren Klärung die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten und oben zitierten Grundsätze zu Grunde gelegt wurden. Zu deren Überprüfung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (zB VwGH 26.05.2015, Ra 2014/01/0175, mit Hinweis auf VwGH 24.03.2014, Ro 2014/01/0011). Im Übrigen liegt auf Grund der eindeutigen Rechtslage keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vor (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage zB VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053, oder auch 02.09.2015, Ra 2015/19/0194).
Schlagworte
Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Verwaltungsstrafe; Behandlungsanlage; Genehmigungsbescheid; Auflage; Änderung; Auflassung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2023:LVwG.S.3206.001.2022Zuletzt aktualisiert am
11.04.2023