TE Vfgh Erkenntnis 1993/9/27 B352/93

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.1993
beobachten
merken

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Sbg GVG 1986 §4 Z4

Leitsatz

Keine Bedenken gegen gesetzliche Vorkehrungen zur Verhinderung der Bildung von Enklaven innerhalb land- oder forstwirtschaftlich genutzter Gebiete; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Grundstückserwerbs wegen zu erwartender Enklavenbildung; keine Gesetzwidrigkeit der Grünlandwidmung des Kaufgrundstücks

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk Salzburg-Umgebung versagte mit Bescheid vom 26. Mai 1992 dem zwischen J S als Käufer und A H als Verkäufer geschlossenen Kaufvertrag über das Grundstück Nr. 575/1 sowie über Teile der Grundstücke Nr. 571 und Nr. 577, sämtliche in EZ 16, Grundbuch Großgmain, im Gesamtausmaß von 1.030 m2 unter Berufung auf §4 Z4 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1986, LGBl. 73 (im folgenden: SGVG 1986), die Zustimmung.

b) Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung des Käufers gab die Grundverkehrslandeskommission Salzburg mit Bescheid vom 21. Dezember 1992 keine Folge und versagte - gleichfalls unter Berufung auf §4 Z4 SGVG 1986 - dem Kaufvertrag die Zustimmung.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die ausschließlich vom Käufer erhobene, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, begehrt wird.

3. Die Grundverkehrslandeskommission Salzburg als belangte Behörde hat ihre Akten (nicht jedoch die der Behörde erster Instanz) vorgelegt. Von der Erstattung einer Gegenschrift hat sie abgesehen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige -

Beschwerde erwogen:

1. Die im vorliegenden Fall in erster Linie bedeutsamen

Vorschriften des SGVG 1986 haben folgenden Wortlaut:

"Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke

§1

(1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind Grundstücke, die nach der Art ihrer tatsächlichen Verwendung ganz oder überwiegend einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind. ...

...

Beschränkung des Verkehrs mit

land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken

§2

(1) Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück betreffen und

a) die Übertragung des Eigentums;

...

zum Gegenstand haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde.

Voraussetzung für die Zustimmung

§3

(1) Die Zustimmung ist nur zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse der Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder, soweit dies nicht in Frage kommt, der Erhaltung und Schaffung wirtschaftlich gesunder, mittlerer oder kleiner land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe nicht widerspricht.

...

Besondere Gründe für die Versagung der Zustimmung

§4

Einem Rechtsgeschäft darf insbesondere die Zustimmung nicht erteilt werden, wenn zu besorgen ist, daß

...

4. eine land- oder forstwirtschaftlich nachteilige Agrarstruktur entsteht (z.B. Enklavenbildung im rein land- und forstwirtschaftlichen Siedlungs- und Wirtschaftsraum, Grundstückszersplitterung, Beeinträchtigung der inneren oder äußeren Verkehrslage);

..."

2.a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 9600/1983, 10047/1984, 10846/1986, 10919/1986, 12570/1990) fällt der Behörde Willkür ua. auch dann zur Last, wenn sie in einem entscheidenden Punkt jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen hat; dies inbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 10338/1985).

b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angewendeten gesetzlichen Vorschriften hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht; auch beim Verfassungsgerichtshof sind solche Bedenken aus der Sicht dieses Beschwerdefalles nicht entstanden. Daß insbesondere gegen die dem angefochtenen Bescheid in materieller Hinsicht zugrunde liegende Vorschrift des §4 Z4 SGVG 1986 keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, hat der Verfassungsgerichtshof - aus der Sicht der jeweiligen Beschwerdefälle - bereits im Erkenntnis VfSlg. 12530/1990 sowie im Erkenntnis vom 30.11.1992, B1071/91, ausgesprochen (daß im Rahmen des Grundverkehrsrechtes gesetzliche Vorkehrungen zur Verhinderung der Bildung von Enklaven innerhalb land- oder forstwirtschaftlich genutzter Gebiete verfassungsrechtlich zulässig sind, kann etwa auch den Erkenntnisses VfSlg. 5562/1967, 6094/1969, 7836/1976 und 10565/1985 entnommen werden).

c) Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der sie, hätten sie ihn tatsächlich, verfassungswidrig erscheinen ließe. Auch die Beschwerde bringt in dieser Hinsicht nichts vor.

d)aa) Der Beschwerdeführer macht der belangten Behörde ein willkürliches Vorgehen mit der Begründung zum Vorwurf, daß sie in wesentlichen Punkten jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen habe. So habe sie mangels entsprechender Ermittlungen verkannt, daß das Kaufgrundstück schon deshalb keine Enklave in einem land- und forstwirtschaftlichen Siedlungs- und Wirtschaftsraum bilde, weil sich in unmittelbarer Nähe (mit Wohnhäusern) bebaute Grundstücke befänden. Infolge Unterlassung eines diesbezüglichen ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens habe die belangte Behörde des weiteren übersehen, daß es sich beim Kaufgrundstück nicht um ein Waldgrundstück, sondern um ein Hanggrundstück ohne Baumbestand handle und daß sich in dessen unmittelbarer Nähe ein Lagerplatz mit Gerüstmaterial befinde. Schließlich habe die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers ignoriert, mit dem er die Absicht bekundete, auf dem in Rede stehenden Grundstück keine Baulichkeit zu errichten, sondern - nach Aufarbeitung des derzeit dort gelagerten Holzes - einen Obstgarten anzulegen.

bb) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde darzutun.

Die Erstbehörde traf die Feststellung, daß im Fall der Veräußerung des Kaufgrundstückes eine Enklave in einem landwirtschaftlich genutzten Gebiet entstünde, aufgrund des von ihr eingeholten Gutachtens eines land- und forstwirtschaftlichen Amtssachverständigen. Die belangte Behörde, die der Behörde erster Instanz darin folgte, ergänzte das Ermittlungsverfahren durch Vornahme eines Augenscheines und durch Einholung einer Ablichtung des an den Verkäufer adressierten Grundsteuermeßbescheides des Finanzamtes Salzburg-Land vom 27.9.1989. Sie gründete ihre Entscheidung zusätzlich auf die daraus gewonnene Feststellung, daß das Kaufgrundstück zu dem (eine Gesamtfläche von 6,5143 ha aufweisenden) land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Verkäufers gehört.

Unter diesen Umständen kann der belangten Behörde nicht mit Recht der Vorwurf gemacht werden, sie habe in einem wesentlichen Punkt jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen.

Der Beschwerdeführer tritt der Ansicht der belangten Behörde, das Kaufgrundstück sei als ein landwirtschaftliches Grundstück anzusehen, nicht ausdrücklich entgegen. Durch das Beschwerdevorbringen, es handle sich dabei nicht um ein Waldgrundstück, sondern um ein "abfallendes Hanggrundstück ohne Baumbestand", wird diese Ansicht nicht widerlegt.

Die Auffassung der belangten Behörde, es entstehe im Falle der Veräußerung des in Rede stehenden Grundstückes eine Enklave in einem rein land- und forstwirtschaftlichen Siedlungsraum, erscheint mit Rücksicht darauf, daß dieses dreieckig geformte Grundstück an zwei Seiten von - landwirtschaftlichen - Grundflächen des Verkäufers begrenzt wird und somit in diese Grundflächen keilförmig hineinragt, zumindest vertretbar und daher nicht willkürlich oder denkunmöglich. Der Hinweis des Beschwerdeführers, daß mehrere in geringer Entfernung vom Kaufgrundstück gelegene - nicht an dieses angrenzende - Grundstücke bebaut seien, vermag daran ebensowenig zu ändern wie das Vorbringen, daß in unmittelbarer Nähe ein Lagerplatz bestehe.

Der Vorwurf schließlich, die belangte Behörde habe sich nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, daß er letztlich die Absicht habe, auf dem Kaufgrundstück einen Obstgarten anzulegen, ist aktenwidrig: Die belangte Behörde wies in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf hin, daß auch im Falle der Verwirklichung dieser Absicht die gesetzlich verpönte Enklavenbildung gegeben sei.

Insgesamt ergibt sich, daß der Beschwerdeführer nicht durch ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt wurde.

3.a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zur Übertragung des Eigentums an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken vom bisherigen Eigentümer auf den Erwerber wird sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber in der Ausübung privater, den Schutz des Art5 StGG genießender Rechte beschränkt und somit ein Eingriff in das Eigentum bewirkt (vgl. zB VfSlg. 7539/1975 und die dort zitierte Vorjudikatur; VfSlg. 10565/1985, 11754/1988).

b) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des §4 Z4 SGVG 1986 (s. dazu oben unter II.2.b) als der im Beschwerdefall (in materieller Hinsicht) maßgebenden Rechtsgrundlage könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich ausgelegt hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die belangte Behörde einen mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen hätte (so etwa VfSlg. 10764/1985 mwH, 11635/1988).

c) Wie bereits aus den Ausführungen unter II.2.d)bb) hervorgeht, hat die belangte Behörde das Gesetz nicht so fehlerhaft ausgelegt, daß die Fehlerhaftigkeit mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe gestellt werden könnte.

4. Der Beschwerdeführer erachtet sich schließlich in seinen Rechten durch Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Großgmain, verletzt, der nach Ansicht des Beschwerdeführers insofern gesetzwidrig ist, als er für ein in der Beschwerde nicht näher umschriebenes, jedenfalls aber das Kaufgrundstück einschließendes Areal die Widmung Grünland (statt Bauland) festlegt.

Ein Eingehen auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen erübrigt sich deshalb, weil die Widmung des Kaufgrundstückes für die bekämpfte Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung ohne Relevanz ist: Einerseits schlösse die Widmung des Kaufgrundstückes als Bauland seine Qualifikation als landwirtschaftliches Grundstück nicht aus (s. dazu etwa VfSlg. 7580/1975, 7707/1975, 370, 7836/1976, 10527/1985); zur Beantwortung der Frage, ob es sich bei einem Grundstück um ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück iS des §1 Abs1 SGVG 1986 handelt, ist nämlich aus der Widmung einer Grundfläche unter raumplanerischen und baurechtlichen Gesichtspunkten allein nichts zu gewinnen (s. zB VfSlg. 7898/1976, 8718/1979, 9063/1981, 10921/1986, 12516/1990); hiefür ist vielmehr die Art ihrer tatsächlichen Verwendung maßgebend (§1 Abs1 erster Satz SGVG 1986). Zum anderen vermöchte die allfällige Widmung des Kaufgrundstückes als Bauland nichts daran zu ändern, daß es - wie die belangte Behörde vertretbarerweise annahm (s. dazu oben unter II.2.d)bb) - im Falle seiner Veräußerung eine Enklave in einem land- und forstwirtschaftlich genutzten Gebiet darstellte. Im übrigen kann aus dem Umstand, daß das hier in Rede stehende, als Grünland ausgewiesene Areal an Bauland angrenzt und "straßenmäßig erschlossen" ist, keineswegs auf die Gesetzwidrigkeit der Grünlandwidmung geschlossen werden.

5. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde, wie hier (§17 Abs3 und §18 Abs1 SGVG 1986; Art20 Abs2 B-VG) gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (s. zB VfSlg. 8309/1978, 8317/1978, 9454/1982, 9456/1982, 10565/1985, 11754/1988).

6. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. dazu oben unter II.2.b) sowie aus den unter II.4. dargelegten Gründen ist es auch ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

7. Die Beschwerde war somit abzuweisen.

8. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war ebenfalls abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid von einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG erlassen wurde und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich für zulässig erklärt ist.

9. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B352.1993

Dokumentnummer

JFT_10069073_93B00352_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten