TE Vwgh Beschluss 2023/3/9 Fr 2023/20/0004

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Veröffentlicht am 09.03.2023
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann-Preschnofsky, in der Rechtssache des Fristsetzungsantrags des M A, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Bundesverwaltungsgericht wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Fristsetzungsantrag wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Antragsteller, dem von Deutschland ein von 20. Juli 2022 bis 5. Oktober 2022 gültiges Visum ausgestellt worden war, stellte am 6. Oktober 2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Dezember 2022 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, stellte fest, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 (Dublin III-Verordnung) Deutschland zuständig sei, erließ gegen den Revisionswerber gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 eine Anordnung zur Außerlandesbringung und stellte fest, dass „demzufolge“ seine Abschiebung nach Deutschland nach § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

3        Dagegen erhob der Antragsteller Beschwerde, die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde und dort am 29. Dezember 2022 einlangte. Unter einem stellte er den Antrag, der Beschwerde gemäß § 17 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

4        Der Antragsteller brachte am 24. Jänner 2023 beim Bundesverwaltungsgericht einen Fristsetzungsantrag ein. In diesem begehrt er, dem Bundesverwaltungsgericht eine angemessene Frist zur Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zu setzen.

5        Das Bundesverwaltungsgericht legte den Fristsetzungsantrag - ohne eine Vorentscheidung nach § 30a Abs. 1 und Abs. 8 VwGG getroffen zu haben, obgleich es im Vorlagebericht die Ansicht vertritt, der Fristsetzungsantrag sei wegen des Mangels der Berechtigung zu seiner Erhebung zurückzuweisen - mit Schreiben vom 31. Jänner 2023 dem Verwaltungsgerichtshof vor.

6        Mit Schreiben vom 14. Februar 2023 teilte das Bundesverwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof mit, dass es mittlerweile mit Erkenntnis vom 9. Februar 2023 in der Hauptsache entschieden habe.

7        § 16 und § 17 BFA-VG lauten auszugweise (und samt Überschrift):

„Beschwerdefrist und Wirkung von Beschwerden

§ 16. (1) ...

(2) Einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der

1.   ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist,

2.   ...

...

sowie einem diesbezüglichen Vorlageantrag kommt die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt.

(3) ...

(4) Kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist diese durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

(5) ...

...

Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 17. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und

1.   diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist oder

2.   ...

sowie der Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(2) ...

(3) Bei der Entscheidung, ob einer Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, ist auch auf die unionsrechtlichen Grundsätze der Art. 26 Abs. 2 und 27 Abs. 1 der Dublin-Verordnung und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Unionsrechtes Bedacht zu nehmen.

(4) ...“

8        Gemäß § 38 Abs. 4 erster Satz VwGG sind die §§ 33 Abs. 1 und 34 Abs. 1, 2 und 3 sinngemäß auf Fristsetzungsanträge anzuwenden.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist, Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit den oben wiedergegebenen Bestimmungen des BFA-VG sowie dem Verhältnis zu unionsrechtlichen Vorgaben des Näheren in seinem Beschluss vom 21. Februar 2017, Fr 2016/18/0024, auseinandergesetzt. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG wird sohin auf die Begründung dieses Beschlusses verwiesen.

11       Der vom Antragsteller gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 5. Dezember 2022 - mit diesem wurde sein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen und diese Entscheidung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden - erhobenen Beschwerde kommt gemäß § 16 Abs. 2 Z 1 BFA-VG von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zu.

12       In der oben zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (Fr 2016/18/0024) wurde festgehalten, dass nach den hier maßgeblichen (oben wiedergegebenen) Vorschriften des BFA-VG weder ein Antragsrecht des Asylwerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorgesehen ist (die gerichtliche Überprüfung hat vielmehr von Amts wegen stattzufinden) noch das Verwaltungsgericht darüber einen Beschluss fassen muss, dass die aufschiebende Wirkung nicht gewährt wird. Über einen trotzdem gestellten, aber unzulässigen Antrag hat das Bundesverwaltungsgericht - zumindest bis zur Erlassung seiner Entscheidung in der Hauptsache - in Form einer Zurückweisung zu entscheiden, wobei ihm dafür die Entscheidungsfrist von sechs Monaten nach § 34 Abs. 1 VwGVG zur Verfügung steht. Ist diese Frist bei Einbringung des Fristsetzungsantrages noch nicht abgelaufen, stellt sich ein - sich auf diesen Antrag beziehender - Fristsetzungsantrag als unzulässig dar.

13       Allerdings kann eine Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts in Fällen, in denen trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 BFA-VG keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung innerhalb der einwöchigen Frist erfolgt, vom Asylwerber mittels eines Fristsetzungsantrags geltend gemacht werden. Eine solche Sichtweise ist deshalb geboten, weil ihm bei drohender Verletzung insbesondere seiner durch die Art. 2, 3 und 8 EMRK verfassungsgesetzlich geschützten Rechte durch die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat ein Rechtsanspruch auf das (amtswegige) Tätigwerden des Verwaltungsgerichts (konkret: auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde) zukommt.

14       Um allerdings den Erfordernissen des § 38 Abs. 3 VwGG über den Inhalt des Fristsetzungsantrages in derartigen Fällen Genüge zu tun, hat der Antragsteller schon in seinem Antrag glaubhaft zu machen, dass eine Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts im Sinn der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 17 Abs. 1 BFA-VG vorliegt.

15       Derartiges kann in einem Fall, in dem eine Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen der nach der Dublin III-Verordnung gegebenen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates, über diesen Antrag zu entscheiden, erfolgt, nur dann gelingen, wenn der Antragsteller hinreichend und substantiiert darzulegen vermag, dass entgegen der Sicherheitsvermutung nach § 5 Abs. 3 AsylG 2005 eine reale Gefahr der Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK durch die Überstellung in den betroffenen Mitgliedstaat gegeben ist oder nachvollziehbare Gründe dafür vorliegen, dass die Überstellung in seine durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte auf Wahrung des Privat- und Familienlebens eingreift.

16       Ein solches Vorbringen enthält der Fristsetzungsantrag, in dem lediglich darauf verwiesen wird, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht innerhalb einer Woche entschieden habe, nicht.

17       Dass die dem Bundesverwaltungsgericht eingeräumte Frist von sechs Monaten zur Zurückweisung des in unzulässiger Weise gestellten Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Zeitpunkt der Einbringung des Fristsetzungsantrags (zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunktes für die Prüfung der Zulässigkeit eines Fristsetzungsantrages vgl. etwa VwGH 30.9.2022, Fr 2022/20/0041, mwN) bereits abgelaufen gewesen wäre, wird nicht behauptet. Aus dem im Fristsetzungsantrag geschilderten Verfahrensablauf ergibt sich vielmehr das Gegenteil.

18       Somit steht einer Behandlung des Fristsetzungsantrags der Mangel der Berechtigung zu seiner Erhebung entgegen, weshalb er aus diesem Grund gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 38 Abs. 4 erster Satz VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

Wien, am 9. März 2023

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:FR2023200004.F00

Im RIS seit

11.04.2023

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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