TE Lvwg Erkenntnis 2022/12/9 VGW-101/032/9266/2022, VGW-101/V/032/11030/2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2022
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Entscheidungsdatum

09.12.2022

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
41/03 Personenstandsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren
L00019 Landesverfassung Wien
L10109 Stadtrecht Wien

Norm

B-VG Art. 10 Abs1 Z7
B-VG Art. 109
B-VG Art. 119
PStG 2013 §2 Abs1 Z1
PStG 2013 §2 Abs2 Z2
PStG 2013 §3 Abs1
PStG 2013 §35 Abs2 Z1
PStG 2013 §42 Abs1
VwGVG 2014 §14
WStV 1968 §79 Abs1

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerden der A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, 1. gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 24. Mai 2022, Zl. MA 63-...-2022, mit welchem ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Berichtigung des Geburtsdatums im Zentralen Personenstandsregister gemäß § 42 Abs. 1 Personenstandsgesetz – PStG abgewiesen wurde (VGW-101/032/9266/2022), und 2. gegen die "Beschwerdevorentscheidung" des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022, Zl. MA 63-...-2022, mit welcher der Bescheid vom 24. Mai 2022 wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben und der Antrag der Beschwerdeführerin auf Berichtigung des Geburtsdatums im zentralen Personenstandsregister gemäß § 42 Abs. 1 Personenstandsgesetz – PStG abgewiesen wurde (VGW-101/V/032/11030/2022), nach mündlicher Verhandlung am 10. November 2022 den

BESCHLUSS

gefasst:

I. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 17 VwGVG, §§ 76 Abs. 1 und 53b AVG wird der Beschwerdeführerin der Ersatz der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 16. November 2022, Zl. VGW-KO-032/1599/2022-1, mit € 276,— bestimmten Barauslagen für den zur mündlichen Verhandlung am 10. November 2022 beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher auferlegt. Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Wien die genannten Barauslagen durch Banküberweisung auf das Bankkonto mit der Kontonummer IBAN AT16 1200 0006 9621 2729, BIC BKAUATWW, lautend auf "MA6 BA40" mit dem Verwendungszweck "VGW-KO-032/1599/2022-1" binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

sowie

IM NAMEN DER REPUBLIK

zu Recht erkannt:

II. Der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 24. Mai 2022, Zl. MA 63-...-2022, wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

III. Die "Beschwerdevorentscheidung" des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022, Zl. MA 63-...-2022, wird hinsichtlich des Ausspruchs, wonach der Bescheid vom 24. Mai 2022 wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben werde, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

IV. Im Übrigen wird die gegen die "Beschwerdevorentscheidung" des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022, Zl. MA 63-...-2022, gerichtete Beschwerde gem. § 42 Abs. 1 Personenstandsgesetz, BGBl. I 16/2013 idF BGBl. I 104/2018, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Wortfolge "Das im ZPR eingetragene Geburtsdatum lautet richtig: '... 1973'" zu streichen ist.

V. Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang

1.       Mit Bescheid des "Magistrat der Stadt Wien Standesamt Wien Zentrum" vom 24. Mai 2022 wurde ein Antrag der Beschwerdeführerin vom 10. Februar 2022 auf Berichtigung ihres Geburtsdatums im Zentralen Personenstandsregister abgewiesen.

2.       Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig Beschwerde, mit dem Antrag, ihrem Berichtigungsantrag stattzugeben.

3.       Mit "Beschwerdevorentscheidung" des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022 wurde der Bescheid vom 24. Mai 2022 wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben. Unter einem wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 10. Februar 2022 auf Berichtigung ihres Geburtsdatums im Zentralen Personenstandsregister abgewiesen.

4.       Gegen diese "Beschwerdevorentscheidung" erhob die Beschwerdeführerin einen "Vorlageantrag" vom 22. Juli 2022 mit dem Begehren, die Bescheidbeschwerde dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vorzulegen. Weiters brachte die Beschwerdeführerin am 25. Juli 2022 einen als "Bescheidbeschwerde" betitelten Schriftsatz ein, welcher sich gegen die "Beschwerdevorentscheidung" vom 11. Juli 2022 richtet und in der Sache die Berichtigung des Geburtsdatums der Beschwerdeführerin begehrt.

5.       Der Bürgermeister der Stadt Wien legte diese Eingaben dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor und räumte ihm Zugriff auf den elektronisch geführten Verwaltungsakt ein.

6.       Das Verwaltungsgericht Wien führte am 10. November 2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Beschwerdeführerin als Partei und weitere Personen als Zeugen bzw. Zeuginnen einvernommen wurden. Die Beschwerdeführerin verzichtete auf die mündliche Verkündung der Entscheidung.

II.      Sachverhalt

1.       Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Die Beschwerdeführerin wurde in der Türkei geboren. Die Geburt der Beschwerdeführerin wurde im türkischen Personenstandsregister ursprünglich mit … 1973 eingetragen. Diese Eintragung wurde mit Urteil des türkischen Zivilgerichts C. vom 3. Dezember 2019 dahingehend berichtigt, dass das eingetragene Geburtsdatum in … 1969 geändert werde.

Die Beschwerdeführerin lebt seit dem Jahr 1988 in Österreich. Im Jahr 2000 wurde ihr die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Im Zentralen Personenstandsregister ist als Geburtsdatum der Beschwerdeführerin der … 1973 eingetragen. Es kann nicht festgestellt werden, wann die Beschwerdeführerin tatsächlich geboren wurde, oder dass ihr im Zentralen Personenstandsregister eingetragenes Geburtsdatum … 1973 dahingehend unrichtig ist, dass es tatsächlich auf … 1969 zu lauten hat.

2.       Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens und der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen sowie Einvernahme der Beschwerdeführerin, ihrer Schwester D. E. mittels Videoeinvernahme, ihrer Tochter F. G. und des H. K. in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zum Geburtsland der Beschwerdeführerin, zu ihrer früheren Eintragung im türkischen Personenstandsregister, zu der erfolgten Änderung durch Entscheidung des türkischen Zivilgerichts, zum Zuzug nach Österreich und zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt und dem damit übereinstimmenden Vorbringen der Beschwerdeführerin.

Auf Sachverhaltsebene ist im gegenständlichen Verfahren hingegen strittig, ob das im Zentralen Personenstandsregister eingetragene Geburtsdatum der Beschwerdeführerin (… 1973) korrekt ist bzw. ob die Beschwerdeführerin tatsächlich, wie von ihr behauptet, stattdessen am … 1969 geboren wurde.

Nach der in diesem Zusammenhang glaubhaften Schilderung der Beschwerdeführerin wurde ihre Geburt in der Türkei nicht sofort, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt von ihrem Großvater gleichzeitig mit der Geburt ihrer Schwester D. E. den türkischen Personenstandsbehörden gemeldet. Für das Verwaltungsgericht Wien ist in diesem Zusammenhang nicht auszuschließen, dass bei dieser Meldung damals nicht das korrekte Geburtsdatum der Beschwerdeführerin angegeben wurde, da sie und ihre Schwester dasselbe Geburtsdatum aufweisen, obwohl sie keine Zwillingsschwestern sind, wie sowohl die Zeugin D. E., als auch die Tochter der Beschwerdeführerin und der Zeuge K. übereinstimmend angegeben haben. Ob das Geburtsdatum der Beschwerdeführerin oder jenes ihrer Schwester D. E. unrichtig eingetragen wurde, ist jedoch bis zuletzt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren offengeblieben.

Hinsichtlich des behaupteten richtigen Geburtsdatums der Beschwerdeführerin mit … 1969 liegen äußerst widersprüchliche Beweisergebnisse vor:

Zunächst hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, über ihr tatsächliches Geburtsdatum erst von ihrer Mutter erfahren zu haben, nachdem die Beschwerdeführerin nach Österreich gekommen sei. Als Kind habe sie nicht gewusst, wie alt sie sei. Gleichzeitig hat die Beschwerdeführerin angegeben, (offenbar als Kind) von ihrer Mutter gesagt bekommen zu haben, dass sie mit sechs Jahren in die Schule komme. Für das Verwaltungsgericht Wien ist aus diesen Aussagen nicht eindeutig zu erkennen, wann die Beschwerdeführerin nun von ihrem tatsächlichen Geburtsdatum erstmals erfahren haben will. In weiterer Folge hat die Beschwerdeführerin angegeben, bei der Geburt ihres ersten Kindes im Jahr 1989 geglaubt zu haben, abweichend von ihrem in Dokumenten vermerkten Geburtsdatum tatsächlich 20 Jahre alt zu sein. Unmittelbar danach gab die Beschwerdeführerin wiederum an, zum Zeitpunkt ihres Staatsbürgerschaftsverfahrens im Jahr 2000 ihr richtiges Geburtsdatum noch nicht gewusst zu haben. Auf Vorhalt dieses Widerspruchs machte die Beschwerdeführerin keine klaren Angaben darüber, wann sie nun über ihr tatsächliches Geburtsdatum Bescheid gewusst hatte. Für das Verwaltungsgericht Wien ist dabei der Eindruck entstanden, dass die Beschwerdeführerin bestimmte Erinnerungen bewusst verschwiegen oder elastisch dargestellt hat, um im jeweiligen Kontext die für sie scheinbar günstige Antwort (etwa keine wissentlich falsche Verwendung des Geburtsdatums im Staatsbürgerschaftsverfahren gemacht zu haben) zu wählen. Für die Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin wäre es aber von essentieller Bedeutung, darüber Klarheit zu haben, wann und wie sie von ihrem tatsächlich richtigen Geburtsdatum erfahren hat.

Ins Auge sticht in diesem Zusammenhang, dass die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem türkischen Zivilgericht im Jahr 2019 offenbar selbst noch von ihrem tatsächlichen Geburtsdatum am … 1968 ausging. Nach der vorgelegten Ausfertigung dieses Urteils wurde das Klagsbegehren erst im Laufe des Verfahrens auf eine Berichtigung des Geburtsdatums auf … 1969 geändert. Vor diesem Hintergrund erstaunen die Aussagen der Beschwerdeführerin, wonach sie sich hinsichtlich des Geburtsjahrs 1969 nunmehr sicher sei bzw. sie schon in Kinderjahren und bei Geburt ihres ersten Kindes ihr richtiges Alter gewusst haben will. Auch die Glaubhaftigkeit der Aussage ihrer Schwester D. E., welche in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, immer schon gewusst zu haben, dass ihre Schwester 1969 geboren sei, relativiert sich dadurch. In der Ausfertigung des Urteils des türkischen Zivilgerichts ist nämlich vermerkt, dass D. E. angegeben habe, ihre Schwester sei "in der Wirklichkeit 3 oder 4 Jahre älter"; eine Sicherheit über das Geburtsjahr der Beschwerdeführerin kann zu diesem Zeitpunkt bei der Zeugin D. E. daher nicht bestanden haben.

Nach einer von der Beschwerdeführerin im behördlichen Verfahren vorgelegten von ihr eingeholten ärztlichen Bestätigung des Stadtkrankenhauses C. vom 16. August 2019 war sie zu diesem Zeitpunkt nach ihrem äußerlichen Erscheinungsbild und ihrer körperlichen Gestalt sowie dem Ergebnis einer radiologischen Untersuchung 45 bis 50 Jahre alt. Dieser Bestätigung zufolge wäre die Beschwerdeführerin demnach zwischen 16. August 1974 und 16. August 1969 geboren. Wie die Beschwerdeführerin aus dieser Bestätigung eindeutig das Geburtsjahr 1969 und insbesondere das genaue Geburtsdatum … 1969 ableiten will, konnte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht näher darlegen.

Einer Betrachtung der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen zu ihrer Schulzeit ist vorauszuschicken, dass es sich dabei um keine authentischen Dokumente aus ihrer Schulzeit, sondern um nachträglich im Zuge der Verfahren zur Änderung ihres Geburtsdatums auf Wunsch der Beschwerdeführerin erstellte Bestätigungen handelt. Insofern kommt diesen von vornherein nur eine eingeschränkte Beweiskraft zu, weil für das Verwaltungsgericht Wien nicht zweifelfrei nachvollzogen werden, auf welcher faktischen Grundlage diese Bestätigungen erstellt wurden und wie die Verlässlichkeit solcher später erstellten Bestätigungen türkischer Schulbehörden einzuschätzen ist. Nicht erklärlich ist für das Verwaltungsgericht Wien, weshalb aus der Schulzeit der Beschwerdeführerin überhaupt keine originalen Dokumente, insbesondere keine Zeugnisse oder Bestätigungen über einen Schulabschluss, mehr existieren sollen. Dieser nicht lebensnahe Umstand legt die Vermutung nahe, dass möglicherweise solche Dokumente existieren, diese von der Beschwerdeführerin aber nicht vorgelegt wurden, weil dadurch ihr weiteres Vorbringen nicht untermauert werden könnte.

In der vorgelegten Bestätigung der "Kreisvorstehung L. Stadtschulrat des Kreises Mittelschule M." (Beilage ./2 zur Beschwerde), datierend vom 24. Juni 2022, wird angegeben, dass sich die Beschwerdeführerin "im Schuljahr 1975-1976" in der Volksschule P. eingeschrieben habe. Sie habe die Klasse "im Schuljahr 1975-1976" wiederholt. Im Schuljahr 1976-1977 habe sie "wiederholt die 2. Klasse" besucht. Diese in sich unstimmigen Aussagen lassen nicht zweifelsfrei erkennen, ob die Beschwerdeführerin nun erstmals im Schuljahr 1975-1976 oder schon ein Jahr davor – nur dann macht eine Wiederholung der Klasse im Schuljahr 1975-1976 Sinn – erfolgt sein soll. Zudem legt die Bestätigung nahe, dass jeweils sowohl die erste Klasse, als auch die zweite Klasse wiederholt wurden, was wiederum mit dem in der Bestätigung angeführten Abschluss der fünften Klasse nach fünf Schuljahren nicht in Einklang zu bringen ist. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie im Schuljahr 1975/1976 eingeschult und ein Jahr in ihrem Dorf in der Volksschule gewesen sei. Danach sei sie bis 1980 in der Volksschule "in C." gewesen. Weiters gab sie an, in der "Volksschule P." eingeschult worden zu sein und ergänzte später dazu, dass sie mit der "der Volksschule im Dorf" 1975 begonnen habe und dass "die Schule in P. die Schule in C." gewesen sei. Diese sich widersprechenden Angaben sind in keinen logischen und chronologischen Einklang zu bringen. Nach der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bestätigung (Beilage ./2 zur Beschwerde) wurde die Beschwerdeführerin zudem im Schuljahr 1975-1976 "in der Volksschule P." und im Umkehrschluss nicht in der von der Beschwerdeführerin für dieses Schuljahr genannten Schule in ihrem Dorf eingeschrieben.

Aus einer weiteren von der Beschwerdeführerin im verwaltungsbehördlichen Verfahren – unübersetzt – vorgelegten Schulbesuchsbestätigung vom 26. September 2019 kann wiederum kein eindeutiger Schluss auf den zeitlichen Ablauf der Schulzeiten der Beschwerdeführerin gezogen werden; es fällt dabei nur auf, dass dort das Geburtsdatum der Beschwerdeführerin mit … Februar 1973 vermerkt ist, was per se auf keine besonders hohe Aussagekraft dieser Bestätigung schließen lässt.

All diese Umstände betreffend die vorgelegten Bestätigungen zur Schulzeit der Beschwerdeführerin berücksichtigend, ist für das Verwaltungsgericht Wien nicht zweifelsfrei zu erkennen, wann die Beschwerdeführerin nun tatsächlich welche Schule besucht haben will. Aus diesen Bestätigungen kann daher kein verlässlicher Rückschluss auf das tatsächliche Lebensalter der Beschwerdeführerin gezogen werden. Die diesbezügliche Aussage der Schwester der Beschwerdeführerin, D. E., wonach die Beschwerdeführerin immer "4 Klassen" über ihr gewesen sei, ist schon dahingehend wenig aussagekräftig, als die Schwester der Beschwerdeführerin behauptetermaßen einige Jahre jünger sein soll und die Einschulung der Beschwerdeführerin dementsprechend einige Jahre vor ihrer Schwester erfolgen musste. In Anbetracht der in den Bestätigungen der Schule genannten Wiederholungen einzelner Klassen lässt ein Abstand von "4 Klassen" zum Zeitpunkt der Einschulung der Schwester daher keinen verlässlichen Rückschluss darauf zu, wann die Beschwerdeführerin tatsächlich eingeschult wurde, weil nicht eindeutig erklärbar ist, ob bzw. wie viele Klassen die Beschwerdeführerin in welchem Schuljahr wiederholt hat.

Aus dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Umstand, dass sie nach ihrem aktuell im Zentralen Personenstandsregister vermerkten Geburtsdatum bei der Geburt ihres ersten Kindes 16 Jahre alt gewesen wäre, ist für das Verwaltungsgericht Wien nicht abzuleiten, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich erheblich älter sein muss, als im Zentralen Personenstandsregister vermerkt. Die Mutterschaft einer 16-jährigen ist nach allgemeiner Lebenserfahrung weder biologisch ausgeschlossen noch völlig ungewöhnlich. Zudem könnte selbst aus dem Umstand, dass eine solch junge Mutterschaft unplausibel erschiene, nicht zwingend auf ein vier Jahre früheres Geburtsjahr geschlossen werden, weil dann zumindest eine Mutterschaft mit 18 Jahren bereits als plausibel anzusehen wäre.

Aus den weiteren Angaben der Zeugin G. – die Tochter der Beschwerdeführerin – und des Zeugen K. – ein Bekannter der Beschwerdeführer aus Jugendzeiten – ist schließlich für das genaue Geburtsdatum der Beschwerdeführerin kein zwingender Schluss zu ziehen. Der Zeuge G. konnte keine Aussage zum Alter der Beschwerdeführerin machen und hat nur bestätigt, dass die Beschwerdeführerin älter als ihre Schwester D. E. sei sowie dass die Beschwerdeführerin etwa 18-19 Jahre alt gewesen sei, als sie geheiratet habe. Die Angaben des Zeugen sind dabei äußerst vage geblieben. Die Zeugin G. konnte naturgemäß keine Erinnerungen zu den Kindheitstagen ihrer Mutter haben und war sich aus Erzählungen ihrer Großmutter nur sicher, dass die Beschwerdeführerin im Jänner geboren sei, wobei ihr das genaue Datum nicht geläufig war. Worauf die Zeugin die Angabe, ihre Mutter sei am … 1969 geboren, im Einzelnen stützte, hat sie in Ihrer Einvernahme offengelassen.

Für das Verwaltungsgericht Wien ist schließlich nicht nachvollziehbar, weshalb die Beschwerdeführerin viele Jahre mit einem für sie bekannt unrichtigen Geburtsdatum gelebt hat und auch im Zuge ihrer Einbürgerung in Österreich bzw. ihren weiteren Kontakten mit dem Standesamt nie auf den Fehler hingewiesen hat. In Anbetracht der langen Zeitspanne, in welcher die Beschwerdeführerin das im Zentralen Personenstandsregister aus ihrer Sicht falsch eingetragene Geburtsdatum stillschweigend hingenommen hat, überzeugt ihre Darstellung in der mündlichen Verhandlung nicht, wonach es ihr ohne weitere daran anknüpfende Konsequenzen wichtig sei, dass nunmehr ihr Geburtsdatum korrigiert werde. Sämtliche von der Beschwerdeführerin vorgelegten Ausweisdokumente wurden offenbar schon auf ihren Wunsch hin mit dem von ihr behaupteten Geburtsdatum ausgestellt, nach den Angaben ihrer Tochter wurde der Geburtstag der Beschwerdeführerin ohnehin schon immer im Jänner gefeiert. Es ist davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführerin aus der Berichtigung ihres Geburtsdatums im Zentralen Personenstandsregister irgendeine Art von über die bloße Symbolik hinausgehenden Mehrwert erhofft, etwa in sozialversicherungsrechtlicher Sicht in Hinblick auf einen Pensionsantritt. Dass sie ein solches – bei tatsächlicher Unrichtigkeit des Geburtsdatums keineswegs verwerfliches – Motiv kategorisch verneint, lässt auch ihre weiteren Ausführungen im Beschwerdeverfahren in einem zweifelhaften Licht erscheinen.

In Gesamtschau dieser beweiswürdigenden Erwägungen ist für das Verwaltungsgericht Wien zwar nicht auszuschließen, dass das derzeit im Zentralen Personenstandsregister eingetragene Geburtsdatum der Beschwerdeführerin nicht korrekt ist, es kann aber bei Würdigung aller vorliegenden Beweismittel nicht festgestellt werden, wann das tatsächliche Geburtsdatum der Beschwerdeführerin anzusetzen ist. Auch eine schätzungsweise Näherung ist in diesem Zusammenhang in Anbetracht der großen datumsmäßigen Unsicherheit – so hat die Beschwerdeführerin vor dem türkischen Zivilgericht selbst noch anfänglich ein um ein Jahr abweichendes Geburtsdatum im Vergleich zu dem im vorliegenden Verfahren angestrebten Geburtsdatum behauptet und lässt die vorgelegte ärztliche Bestätigung einen Spielraum fünf Jahren zu – nicht möglich.

III.     Rechtliche Beurteilung

1.       Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Personenstandsgesetzes 2013 – PStG, BGBl. I 16 idF BGBl. I 104/2018, lauten:

"Personenstandsdaten

§ 2.

(1) Personenstandsdaten einer Person sind:

1. allgemeine Personenstandsdaten (Daten zum Personenkern);

[…]

(2) Allgemeine Personenstandsdaten sind:

[…]

2. Tag und Ort der Geburt;

         […]

Pflicht zur Eintragung

§ 35.

(1) Jeder im Inland eingetretene Personenstandsfall sowie Änderungen, Ergänzungen und Berichtigungen des Personenstandes sind einzutragen.

(2) Ein im Ausland eingetretener Personenstandsfall ist einzutragen, wenn der Personenstandsfall betrifft:

1. einen österreichischen Staatsbürger;

2. einen Staatenlosen oder eine Person ungeklärter Staatsangehörigkeit, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben;

3. einen Flüchtling im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, wenn er seinen Wohnsitz, mangels eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.

[…]

Berichtigung

§ 42.

(1) Eine Eintragung ist zu berichtigen, wenn sie bereits zur Zeit der Eintragung unrichtig gewesen ist."

2.       Zum Verfahrensgang:

2.1.    Dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren liegt ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Berichtigung ihres Geburtsdatums im Zentralen Personenstandsregister zugrunde. Zunächst ist zu klären, welche Behörde für ein solches Verwaltungsverfahren zuständig ist:

Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens sind gemäß Art 10 Abs. 1 Z 7 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache und grundsätzlich von den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen. Für Berichtigungen bzw. Änderungen des Geburtsdatums im Zentralen Personenstandsregister wurde im Personenstandsgesetz 2013 keine von diesem Grundsatz abweichende Regelung getroffen. Die vorliegende Angelegenheit betrifft somit den vom Bund übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde.

Gemäß Art. 119 Abs. 2 B-VG werden die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs der Gemeinde vom Bürgermeister besorgt. In Übereinstimmung damit normiert auch § 79 Abs. 1 Wiener Stadtverfassung – WStV, dass der übertragene Wirkungsbereich vom Bürgermeister ausgeübt wird. Art. 109 B-VG sieht für die Bundeshauptstadt Wien besondere Regelungen für den Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung vor. Diese übt in Wien der Bürgermeister als Landeshauptmann und der ihm unterstellte Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde aus. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass in Wien anders als in anderen Städten mit eigenem Statut die Angelegenheiten der Bezirksverwaltung eben nicht vom Bürgermeister wahrzunehmen sind, sondern in die Zuständigkeit des Magistrats der Stadt Wien fallen (vgl. Moritz in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Rz. 3 zu Art. 109 B-VG). Art. 109 B-VG trifft jedoch keine von Art. 119 Abs. 2 B-VG abweichende Regelung über die Vollziehung des übertragenen Wirkungsbereichs der Gemeinde.

Der Bürgermeister kann gemäß Art. 119 Abs. 3 B-VG (vgl. dazu auch § 79 Abs. 2 WStV) einzelne Gruppen von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs wegen ihres sachlichen Zusammenhangs mit den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs zur Besorgung in seinem Namen an bestimmte "Stellen" übertragen, jedoch kann eine solche Übertragung nur an physische Personen erfolgen (vgl. Weber in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg, Band I B-VG – 4. Halbband: Art. 82 – Art 128, 13. Lfg Mai 2017, zu Art. 119). Eine Übertragung der Besorgung von Personenstandsangelegenheiten an das Gemeindeorgan "Magistrat" (vgl. § 8 WStV) kommt somit von vornherein nicht in Betracht, da es sich dabei nicht um eine "physische Person" handelt.

Somit war gemäß § 3 Abs. 1 PStG iVm Art. 119 Abs. 2 B-VG und § 79 Abs. 1 WStV der Bürgermeister der Stadt Wien zuständig, um über den vorliegenden von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf Berichtigung ihres Geburtsdatums im Zentralen Personenstandsregister abzusprechen.

2.2.    Der angefochtene Bescheid vom 24. Mai 2022 weist in seinem Kopf den "Magistrat der Stadt Wien Standesamt Wien Zentrum" auf, die Fertigungsklausel lautet auf "Für den Abteilungsleiter". Fraglich ist in Hinblick auf die behördliche Zuständigkeit des Bürgermeisters, ob diesem der angefochtene Bescheid tatsächlich zuzurechnen ist.

Ob eine Erledigung einer bestimmten Behörde bzw. welcher Behörde sie zuzurechnen ist, ist anhand des äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, Spruches, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung, also nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Die Behörde, der die Erledigung zuzurechnen ist, muss aus der Erledigung selbst hervorgehen (VwGH 12.12.2017, Ra 2016/05/0065). An welcher Stelle des Bescheids die Behörde genannt ist, ist für die rechtliche Qualifikation der Erledigung als Bescheid irrelevant (VwGH 27.10.2017, Ra 2016/17/0214).

Dem Erfordernis der Bezeichnung der Behörde ist Rechnung getragen, wenn – nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann, also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Adressaten des Schriftstücks – erkennbar ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde. Die Entscheidung dieser Frage darf aber in keinem Fall dem "Spürsinn" des durch den Bescheid betroffenen Adressaten überlassen werden. Die Einhaltung der Zuständigkeitsregeln ist vielmehr in enger Nahebeziehung zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter zu sehen und stellt damit eine rechtsstaatliche Forderung von grundlegender Bedeutung dar (vgl. VwGH 30.09.1996, 96/12/0268, mwN; vgl. auch VfGH 15.06.1998, A31/97 und A32/97). Insofern kommt den Bestimmungen der Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien, ABl. für Wien 2007/28 idF 2016/28, für die Zurechnung des angefochtenen Bescheids keine Bedeutung zu, weil deren Bestimmungen, insbesondere jene betreffend die Unterfertigung von Schriftstücken (vgl. § 46 und § 47 GOM), nichts an dem Erfordernis zu ändern vermögen, dass sich aus dem Bescheid selbst ersehen lassen muss, welchem Entscheidungsorgan der Bescheid zuzurechnen ist.

Im Beschwerdefall legt das äußere Erscheinungsbild des Bescheids vom 24. Mai 2022 auf den ersten Blick nahe, dass dieser dem Magistrat der Stadt Wien zuzurechnen ist. Im Kopf des Bescheids ist der Magistrat der Stadt Wien genannt, im Spruch ist keine bescheiderlassende Behörde angeführt und auch aus dem sonstigen Inhalt des Bescheids gibt es keine Hinweise darauf, dass er von einer anderen Behörde als dem Magistrat der Stadt Wien, etwa dem Bürgermeister der Stadt Wien, stammt. Die Fertigungsklausel, die die Wendung "Für den Abteilungsleiter" enthält, lässt keinen eindeutigen Schluss auf die entscheidende Behörde zu, da es sich beim Abteilungsleiter nicht um eine Behörde mit hoheitlichen Befugnisse handelt. Der Fertigungsklausel kommt im vorliegenden Fall daher im Gegensatz zu Konstellationen, in denen Behörden in mehreren Vollzugsbereichen tätig sind oder bei Erledigungen, welche die Bezeichnung von Hilfsorganen tragen, die für mehrere Behörden tätig werden können, keine besondere Unterscheidungs- oder Zuordnungsfunktion zu (vgl. VwGH 19.05.2020, Ra 2019/14/0317, mwN).

Soweit dem Magistrat der Stadt Wien die Funktion eines Hilfsorgans zukommt (vgl. Art. 117 Abs. 7 B-VG sowie § 105 Abs. 1 WStV), ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht schädlich, wenn im Kopf lediglich das Hilfsorgan der entscheidenden Behörde genannt wird, doch ist es dabei erforderlich, dass durch eine entsprechende Fertigungsklausel unmissverständlich offen gelegt wird, für welche Behörde gehandelt wird (vgl. VwGH 26.04.2007, 2006/03/0115; 27.02.2006, 2005/05/0068; 18.11.1998, 96/03/0351). Dies muss umso mehr gelten, wenn dem Hilfsorgan wie im vorliegenden Fall selbst behördliche Zuständigkeiten zukommen und dadurch die Angabe des Hilfsorgans im Kopf Zweifel offenlässt, ob dieses in Wahrnehmung eigener behördlicher Zuständigkeiten oder lediglich in seiner Rolle als Hilfsorgan auftritt. Der angefochtene Bescheid enthält jedenfalls keine Fertigungsklausel, welche nach objektiven Gesichtspunkten unmissverständlich auf eine bestimmte bescheiderlassende Behörde schließen lässt.

In Betrachtung des gesamten Bescheidinhalts ist somit einzig der Magistrat der Stadt Wien als bescheiderlassende Behörde erkennbar. Der angefochtene Bescheid vom 24. Mai 2022 ist folglich dem – unzuständigen – Magistrat der Stadt Wien als bescheiderlassende Behörde zuzurechnen. Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und die Entscheidung der Behörde zu beheben (VwGH 21.11.2019, Ra 2018/10/0050).

2.3.    In der Beschwerdesache erging infolge der Beschwerdeerhebung eine weitere behördliche Erledigung, nämlich die "Beschwerdevorentscheidung" vom 11. Juli 2022 erging. Diese Erledigung weist wie schon der angefochtene Bescheid vom 24. Mai 2022 im Kopf als Behörde den "Magistrat der Stadt Wien Standesamt Wien" auf, die Fertigungsklausel lautet jedoch auf "Für den Bürgermeister". Aus der Begründung der "Beschwerdevorentscheidung" ist ersichtlich, dass der Bescheid vom 24. Mai 2022 als vom unzuständigen Organ erlassen angesehen und mit der "Beschwerdevorentscheidung" eine Sanierung dieses Zuständigkeitsmangels angestrebt wird.

Vor diesem Hintergrund wie auch im Lichte der in Pkt. III.2.2. gemachten Ausführungen ist davon auszugehen, dass die "Beschwerdevorentscheidung" vom 11. Juli 2022 als behördliche Erledigung dem Bürgermeister der Stadt Wien zuzurechnen ist. Damit erging die "Beschwerdevorentscheidung" jedoch nicht von derselben Behörde, wie jener, die den in Beschwerde gezogenen Bescheid erlassen hat. Es ist aber davon auszugehen, dass dem System der Beschwerdevorentscheidung in § 14 VwGVG die Annahme zugrunde liegt, dass nur jene Behörde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen kann, welche auch den angefochtenen Bescheid erlassen hat. In § 14 VwGVG ist schlechthin nur von "der Behörde" die Rede. Es erschiene systemwidrig, wenn eine andere Behörde als die belangte Behörde eine Abänderung des angefochtenen Bescheids im Wege der Beschwerdevorentscheidung vornehmen könnte, weil diesfalls nicht klar wäre, welche Behörde (eindeutig) für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung iSd § 14 Abs. 1 VwGVG zuständig wäre. In Hinblick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter müssen aber Zuständigkeitsregeln klar und eindeutig sein (vgl. unter vielen VwGH 4.10.2018, Ro 2018/22/0001). Eine Auslegung des § 14 VwGVG dahingehend, dass gleichzeitig verschiedene Behörden für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zuständig sein können, kommt in diesem Lichte nicht in Betracht.

Die als "Beschwerdevorentscheidung" bezeichnete Erledigung des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022 kann folglich nicht als Beschwerdevorentscheidung iSd § 14 VwGVG gedeutet werden. Da diese Erledigung jedoch alle Merkmale eines Bescheids aufweist und es auf eine Bezeichnung als Bescheid nicht ankommt (vgl. dazu VwGH 9.9.2009, 2008/10/0252), ist diese Erledigung als Bescheid anzusehen, mit welchem zwei normative Aussprüche getätigt werden. Zum einen wird mit diesem Bescheid der Bescheid der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 24. Mai 2022 "wegen Unzuständigkeit der Behörde" aufgehoben, zum anderen wird der Antrag der Beschwerdeführerin auf Berichtigung ihres Geburtsdatums im Personenstandsregister abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022 wurde zunächst von der Beschwerdeführerin ein "Vorlageantrag" und – innerhalb der Beschwerdefrist – eine "Bescheidbeschwerde" erhoben.

2.4.    Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ist aus diesem Verfahrensgang Folgendes abzuleiten:

Der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 24. Mai 2022 wurde von einer unzuständigen Behörde erlassen. Es wurde dagegen rechtzeitig eine Beschwerde erhoben, eine Beschwerdevorentscheidung iSd § 14 VwGVG durch die dafür zuständig belangte Behörde erging nicht, die Beschwerde wurde vielmehr dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vorgelegt. Dieser Bescheid ist infolge der Unzuständigkeit der belangten Behörde für die Erledigung der Verwaltungsangelegenheit vom Verwaltungsgericht Wien zu beheben.

Gegen die als Bescheid zu deutende "Beschwerdevorentscheidung" des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022 wurde innerhalb der Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG ein "Vorlageantrag" gestellt, welcher sich inhaltlich gegen den Bescheid vom 11. Juli 2022 richtet. Dieser "Vorlageantrag" kann nur als Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid vom 11. Juli 2022 verstanden werden, weil eine Beschwerdevorentscheidung iSd § 14 VwGVG zu diesem Bescheid gar nicht ergangen ist (siehe VwGH 31.3.2009, 2007/06/0235, wonach Parteienerklärungen im Zweifel nicht so auszulegen sind, dass ein von vorneherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird). Die innerhalb der Beschwerdefrist in weiterer Folge eingebrachte "Bescheidbeschwerde" vom 25. Juli 2022 ist mit dem "Vorlageantrag" als einheitlicher Beschwerdeschriftsatz zu sehen (VwGH 23.2.2017, Ro 2017/21/0002).

Soweit mit der "Beschwerdevorentscheidung" des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022 ausgesprochen wurde, dass damit der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben wird, hat der Bürgermeister der Stadt Wien dabei eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm nicht zukommt. Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz eröffnet nämlich nur zwei Wege, auf denen existent gewordene Bescheide wieder aufgehoben oder abgeändert werden können; zum einen auf Grund von ordentlichen Rechtsmitteln und außerordentlichen Rechtsbehelfen (Wiederaufnahme und Wiedereinsetzung gem. §§ 69 ff AVG) und zum anderen durch eine amtswegige "Abänderung und Behebung" von Bescheiden im Rahmen des § 68 AVG (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68, Rz. 21). Die Anwendbarkeit des § 68 (Abs. 4) AVG setzt nach herrschender Ansicht voraus, dass ein Bescheid vorliegt, der nicht oder nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln iSd Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes anfechtbar ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68, Rz. 102).

Im vorliegenden Fall hätte sich der Bürgermeister der Stadt Wien bei der Behebung des Bescheids Magistrats der Stadt Wien allenfalls auf § 68 Abs. 2 oder 4 AVG stützen können. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen setzte aber (unter anderem) die Rechtskraft des von ihm aufzuhebenden Bescheids voraus. Der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 24. Mai 2022 war jedoch im Zeitpunkt der Behebung durch die "Beschwerdevorentscheidung" des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022 auf Grund der rechtzeitigen und zulässigen Beschwerdeerhebung noch nicht rechtskräftig geworden. Der Bürgermeister der Stadt Wien war für eine Aufhebung des Bescheids des Magistrats der Stadt Wien wegen Unzuständigkeit der Behörde daher nicht auf Grundlage des § 68 Abs. 2 oder 4 AVG befugt und ist dieser Ausspruch vom Verwaltungsgericht Wien zu beheben. Eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich beim Bürgermeister der Stadt Wien in Personenstandsangelegenheiten um die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde des Magistrats der Stadt Wien handelt, erübrigt sich vor dem Hintergrund dieses Verfahrensergebnisses, weil § 68 Abs. 2 und 4 AVG jedenfalls keine taugliche Rechtsgrundlage für die Behebung des Bescheids vom 24. Mai 2022 durch den Bescheid vom 11. Juli 2022 bietet. Es kann in Anbetracht der Rechtswidrigkeit dieses Ausspruchs auch dahingestellt bleiben, ob durch die Behebung des Bescheids vom 24. Mai 2022 mit der gegenständlichen Entscheidung die Behebung des Bescheids vom 24. Mai 2022 durch den Bescheid vom 11. Juli 2022 nicht ohnehin gegenstandslos geworden ist.

Soweit mit der "Beschwerdevorentscheidung" des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022 dieser über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Berichtigung ihres Geburtsdatums im Zentralen Personenstandsregister inhaltlich entschieden hat, kam ihm diese Entscheidungsbefugnis auch zu und wurde dagegen rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben. Dass bereits eine andere Behörde – der Magistrat der Stadt Wien – zuvor nicht rechtskräftig über diesen Antrag abgesprochen hatte, steht einem solchen Ausspruch zum Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts Wien jedenfalls nicht entgegen, weil dieser Abspruch des Magistrats der Stadt Wien über den Antrag der Beschwerdeführerin mit der gegenständlichen Entscheidung aufgehoben wird (vgl. im Übrigen zum Grundsatz "ne bis in idem" VwGH 17.5.1991, 89/06/0087; 21.9.2005, 2003/12/0026; 21.10.2009, 2009/06/0165). Die weiteren Ausführungen haben sich in der Sache auf den Antrag der Beschwerdeführerin auf Berichtigung ihres Geburtsdatums im Zentralen Personenstandsregister zu beziehen.

3.       In der Sache:

3.1.    Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin. Gemäß § 35 Abs. 2 Z 1 PStG ist ein im Ausland eingetragener Personenstandsfall, wozu gemäß § 1 Abs. 2 PStG die Geburt zählt, einzutragen.

Eine Eintragung ist gemäß § 42 Abs. 1 PStG zu berichtigen, wenn sie bereits zur Zeit der Eintragung unrichtig gewesen ist. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei das in Zusammenhang mit ihrer Geburt im Zentralen Personenstandsregister vermerkte Datum unrichtig und war bereits im Zeitpunkt der Eintragung unrichtig.

3.2.    Im Beschwerdeverfahren ist nun auf Sachverhaltsebene hervorgekommen, dass zwar möglicherweise das von der Beschwerdeführerin im Zentralen Personenstandsregister eingetragene Geburtsdatum unrichtig sein könnte, sich das richtige Geburtsdatum aber nicht feststellen lässt. In einem solchen Fall ist der Personenstandsbehörde und in weiterer Folge dem in der Sache zuständig gewordenen Verwaltungsgericht eine Berichtigung iSd § 42 Abs. 1 PStG verwehrt. Eine Berichtigung setzt nämlich ein konkretes bekanntes Datum voraus, das statt dem bestehenden Datum in das Zentrale Personenstandsregister eingetragen werden kann. Das von der Beschwerdeführerin im Beschwerdefall als ihr tatsächliches Geburtsdatum angegebene Datum hat sich im Beschwerdefall nicht als solches feststellen lassen. Dementsprechend kann ihrem Antrag auf Berichtigung des Geburtsdatums in der beantragten Form nicht gefolgt werden und ist die dagegen gerichtete Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der in der "Beschwerdevorentscheidung" im Spruch getätigte Ausspruch "Das im ZPR eingetragene Geburtsdatum lautet richtig: '...1973'" ist zum einen redundant, weil sich das eingetragene Geburtsdatum ohnehin schon aus der Abweisung des Antrags auf Berichtigung ergibt, zum anderen war eine solche Feststellung nicht Teil des verfahrensgegenständlichen Antrags auf Berichtigung. Diese Wortfolge ist daher im Zuge der Beschwerdeabweisung zu streichen.

3.3.    Insofern die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf Art. 1 des Abkommens vom 23. Mai 1989 zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 949/1994, (ab hier: Abkommen) verweist, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß Art. 1 dieses Abkommens werden Entscheidungen der Gerichte des einen Vertragsstaates in Zivil- und Handelssachen, gleich ob sie im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren ergangen sind, im anderen Vertragsstaat unter den in diesem Abkommen vorgesehenen Voraussetzungen anerkannt und vollstreckt.

Mit dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Endurteil des erstinstanzlichen Zivilgerichts C. wurde einer Klage der Beschwerdeführerin gegen das Standesamt C. stattgegeben und ausgesprochen, dass das "im Personenstandsregister für Inhaber der blauen Karte der [Beschwerdeführerin], geb. am ...1973 in R., Tochter von S. und T., unter der Republik Türkei, Personenidentifikationsnummer …, standesamtlich registriert in der Provinz C., dem Kreis R., Bezirk U., unter der Band Nr. 77, Rubrik Nr. 10, Personenreihen Nr. 20, eingetragene Geburtsdatum […] in … 1969 BERICHTIGT/GEÄNDERT" werde. Diese Berichtigung/Änderung sei ins Personenstandsregister zu registrieren.

Mit diesem Ausspruch wird eindeutig eine Berichtigung bzw. Änderung des türkischen Personenstandsregisters verfügt, die Entscheidung bezieht sich einzig auf ein im türkischen Personenstandsregister eingetragenes Datum betreffend die Beschwerdeführerin. Somit bleibt für eine Anerkennung oder Vollstreckung dieses Ausspruchs iSd Art. 1 des Abkommens im gegebenen Zusammenhang kein Raum, weil sich das gegenständliche Verwaltungsverfahren nicht auf eine Berichtigung des türkischen Personenstandsregisters, sondern des österreichischen Zentralen Personenstandsregisters bezieht. Über eine solche Eintragung trifft die vorgelegte Entscheidung des türkischen Zivilgerichts aber keine Aussage (vgl. in diesem Sinne auch OGH 8.6.2004, 10 ObS 200/03i). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob es sich bei der vorliegenden Verwaltungssache überhaupt um eine "Zivil- und Handelssache" iSd Art. 1 des Abkommens handelt und dieses Abkommen gegenständlich zur Anwendung gelangt.

Unter der Annahme, dass es sich bei dem Urteil des türkischen Zivilgerichts um eine öffentliche Urkunde handelt (vgl. dazu etwa VwGH 21.2.2022, Ra 2022/01/0041), steht hier in Bezug auf die Richtigkeit des Inhalts der Urkunde dennoch der Gegenbeweis offen (VwGH 19.3.2003, 2002/08/0061). Zudem hat auch die Eintragung des Geburtsdatums im (österreichischen) Zentralen Personenstandsregister den Charakter einer öffentlichen Urkunde, es stehen sich somit zwei gleichwertige Beweismittel gegenüber. Das Verwaltungsgericht Wien hat selbst ein umfassendes Beweisverfahren durchgeführt, um das tatsächliche Geburtsdatum der Beschwerdeführerin zu klären. Diese Beweise wurden mit der vorliegenden Entscheidung entsprechend gewürdigt. Zudem ist im Beschwerdeverfahren nicht weiter strittig, dass das türkische Zivilgericht eine Eintragung im türkischen Personenstandsregister geändert hat; nur über diesem Umstand gibt das vorgelegte Urteil beurkundenden Aufschluss. Strittig ist vielmehr der dieser Entscheidung des türkischen Zivilgerichts zugrundeliegende Lebenssachverhalt der biologischen Tatsache des Geburtsdatums der Beschwerdeführerin (vgl. dazu erneut OGH 8.6.2004, 10 ObS 200/03i, wonach es sich dabei um kein Recht oder Rechtsverhältnis handelt).

4.       Im Ergebnis ist der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 24. Mai 2022 wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Auch der Ausspruch in der als Bescheid zu deutenden "Beschwerdevorentscheidung" des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022, wonach der Bescheid vom 24. Mai 2022 aufgehoben werde, ist wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. In der Sache ist schließlich die mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 11. Juli 2022 ausgesprochene Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerin vom 10. Februar 2022 auf Berichtigung ihres Geburtsdatums mit Maßgabe einer Streichung im Spruch zu bestätigen und die dagegen gerichtete Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

5.       Zur Auferlegung der Barauslagen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine klare und verlässliche Verständigung in einer mündlichen Verhandlung zu gewährleisten (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 19.3.2014, 2013/09/0109). Insoweit hat die antragstellende Partei für die in Rechnung gestellten Gebühren von zu diesem Zweck beizuziehenden nichtamtlichen Dolmetschern aufzukommen (vgl. zur Tragung allfälliger Kosten für die zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts erforderlichen Amtshandlungen das Erkenntnis des VwGH vom 20.9.2012, 2010/06/0108).

Die Übersetzung in der mündlichen Verhandlung war aufgrund der nicht ausreichenden Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin sowie einer beantragten Zeugin für eine gänzlich unbeeinträchtigte Verständigung sowie zur verlässlichen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts erforderlich und erfolgte auf ausdrücklichen Wunsch der Beschwerdeführerin.

Dem Verwaltungsgericht Wien stand eine amtliche Dolmetscherin oder ein amtlicher Dolmetscher für die türkische Sprache nicht zur Verfügung. Für die mündliche Verhandlung hat es daher eine externe Person zur Übersetzung beigezogen.

Der Dolmetscher legte in der Verhandlung am 10. November 2022 seine Gebührennote, welche der Beschwerdeführerin zur Einsicht vorgelegt wurde. Es bestanden keine Einwände.

Die in der Gebührennote (nach dem Gebührenanspruchsgesetz – GebAG, BGBl. Nr. 136/1975) verzeichneten Gebühren hat das Verwaltungsgericht Wien geprüft und in der im Spruch genannten Höhe für in Ordnung befunden (siehe den hg. Beschluss vom 16. November 2022, Zl. VGW-KO-032/1599/2022). Die Buchhaltungsabteilung der Stadt Wien wurde zur Bezahlung der Gebühr aus Amtsmitteln angewiesen (vgl. zu alldem § 53b in Verbindung mit § 53a Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 erster Satz AVG).

Gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 erster und zweiter Satz sowie § 53b AVG hat die Beschwerdeführerin für diese Barauslagen aufzukommen. Die Gebühren sind nunmehr nach Anweisung an den Dolmetscher der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.

6.       Die ordentliche Revision ist unzulässig, da bei der Entscheidung keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im Beschwerdefall stellen sich vorrangig Beweiswürdigungsfragen, die vom Verwaltungsgericht Wien nach den in der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien gelöst wurden (vgl. aus der ständigen Judikatur zB VwGH 15.9.2016, Ra 2016

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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