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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der I-Gesellschaft m.b.H. & Co in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 19. Mai 1993, Zl. 361.141/1-III/B/12a/92, betreffend Zulassung von Zusatzstoffen nach dem Lebensmittelgesetz 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 8. Juli 1991 beantragte die Beschwerdeführerin, für das Produkt "Fisherman"s Friend extra frische Pastillen mit Mint ohne Zucker" den künstlichen Süßstoff "Aspartam" in einer Menge von 600 mg je kg gemäß § 12 Abs. 2 LMG 1975 zuzulassen.
In dem von der belangten Behörde eingeholten Fachgutachten wird dargelegt, Aspartam sei gemäß der Verordnung über künstliche Süßstoffe, BGBl. Nr. 625/1988 (Süßstoff-VO), als Zusatzstoff für einzelne Lebensmittel (z.B. Limonaden, diätetische Lebensmittel für Diabetiker) in einer Menge von 750 mg pro kg verzehrfertiges Produkt zugelassen. Die Verzehrmenge der in Rede stehenden Pastillen (Packungsgröße 25 g) sei gering. Der Zustz von Aspartam in der beantragten Menge sei daher mit dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung vereinbar, soferne alle in der zitierten Verordnung genannten Bestimmungen (Warnhinweise, Reinheitsanforderungen) eingehalten würden. Handelsübliche Produkte wie das in Rede stehende enthielten als süßende Komponente Zucker (Zuckerarten). Beim gegenständlichen Produkt sei Zucker (Zuckerarten) durch künstlichen Süßstoff ersetzt. Der Verbraucher müsse daher von der Beschaffenheit der Ware, die von handelsüblichen Produkten deutlich abweiche, klar und unmißverständlich informiert werden. Gegen den Zusatz des künstlichen Süßstoffes Aspartam im beantragten Ausmaß werde kein Einwand erhoben, wenn zum Schutze des Verbrauchers vor Täuschung zusätzlich zu den sonstigen vorgeschriebenen Angaben gemäß Lebensmittelkennzeichnungsverordnung und Verordnung über künstliche Süßstoffe im Zusammenhang mit der Sachbezeichnung an einer in die Augen fallenden Stelle deutlich sichtbar und leicht lesbar die Angabe "mit künstlichem Süßstoff" angebracht sei.
Mit Schreiben vom 12. September 1991 und 28. April 1992 hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin dieses Beweisergebnis vor.
Die Beschwerdeführerin äußerte sich in einer Eingabe vom 26. Juni 1992 zur Frage des Süßstoffhinweises wie folgt:
"Während § 7 Abs. 1 Süßstoff-VO 1939 noch "mit künstlichem Süßstoff zubereitet" ausdrücklich und zwingend vorschrieb, sieht § 3 Abs. 2 Z. 1 Süßstoff-VO 1988 nur mehr die "Bezeichnung der verwendeten künstlichen Süßstoffe mit ihrem Handelsnamen" vor, wobei das Erfordernis "in die Augen fallender Stelle" (§ 7 Abs. 1 Süßstoff-VO 1939) ebenfalls nicht übernommen wurde, sondern § 3 Abs. 2 Süßstoff-VO 1988 einen "deutlich sicht- und lesbaren sowie dauerhaft angebrachten Hinweis" genügen läßt. Einen "Zusammenhang mit der Sachbezeichnung" sieht weder die Süßstoff-VO noch die LMKV vor.
Daß handelsübliche Produkte - offenbar: üblicherweise - als süßende Komponente Zucker enthalten, trifft überdies längst nicht mehr zu, da gerade zur Vermeidung übermäßiger Zuckerzufuhr und daraus resultierender Zahnschäden heute schon ein großer, wenn nicht überwiegender Teil derartiger Produkte mit künstlichem Süßstoff hergestellt wird."
Mit dem angefochtenen Bescheid ließ die belangte Behörde gemäß § 12 Abs. 2 und 3 LMG 1975 die Verwendung von höchstens 600 mg Aspartam pro kg des Produktes "Fishermen"s friend extra frische Pastillen mit Mint ohne Zucker" zu. Punkt 3 der mit der Zulassung verbundenen Nebenbestimmungen lautet:
"Zum Schutz des Verbrauchers vor Täuschung ist zusätzlich an einer in die Augen fallenden Stelle deutlich sichtbar und leicht lesbar im Zusammenhang mit der Sachbezeichnung die Angabe "mit künstlichem Süßstoff" anzubringen."
Anstelle einer Bescheidbegründung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, eine solche entfalle gemäß § 58 Abs. 2 AVG, da dem Parteibegehren vollinhaltlich stattgegeben worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird geltend gemacht, die belangte Behörde habe es zu Unrecht unter Berufung auf § 58 Abs. 2 AVG unterlassen, ihren Bescheid zu begründen. Dem Standpunkt einer Partei werde nämlich auch dann nicht im Sinne der zitierten Vorschrift vollinhaltlich entsprochen, wenn diesem nur unter Bedingungen, Beschränkungen oder Anordnungen Rechnung getragen werde. Dies sei hier - vor allem unter Bedachtnahme auf den Schriftsatz vom 26. Juni 1992 - der Fall.
Damit ist die Beschwerde im Recht. Ein in der Hauptsache dem Antrag der Partei stattgebender Bescheid ist auch angesichts der Vorschrift des § 58 Abs. 2 zweiter Satz AVG zu begründen, wenn dabei belastende Nebenbedingungen beigefügt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Jänner 1977, Zl. 1590/76). Im vorliegenden Fall konnte schon deshalb kein Zweifel daran bestehen, daß es sich nicht um einen dem Parteibegehren im Sinne des § 58 Abs. 2 zweiter Satz AVG vollinhaltlich stattgebenden Bescheid handle, weil die Beschwerdeführerin schon im Verwaltungsverfahren gegen die sodann in Spruchpunkt 3. enthaltene Vorschreibung Stellung genommen und Gründe vorgetragen hatte, aus denen ihrer Auffassung nach die beabsichtigte Vorschreibung nicht den heranzuziehenden Vorschriften entspreche.
Die Auffassung der belangten Behörde, eine Begründung könne gemäß § 58 Abs. 2 AVG entfallen, entspricht daher nicht dem Gesetz. Dies führt im Beschwerdefall aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, weil die belangte Behörde zu einem der Rechtslage entsprechenden Ergebnis gelangte und die Grundlagen ihrer Entscheidung der Beschwerdeführerin im Zuge des Verwaltungsverfahrens vollinhaltlich zur Kenntnis gebracht hat; diese war somit nicht an der zweckmäßigen Verfolgung ihrer Rechte gehindert (vgl. das Erkenntnis vom 20. Dezember 1993, Zl. 93/10/0133).
Im soeben zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die auch im vorliegenden Fall vertretene Auffassung der Beschwerdeführerin nicht geteilt und dargelegt, daß sich § 3 Abs. 2 Süßstoff-VO nur auf die Verwendung der in § 2 Abs. 1 der Verordnung genannten Zusatzstoffe in den im Abs. 2 genannten Produkten bezieht. Die Verwendung von Zusatzstoffen - seien es auch solche der in § 2 Abs. 1 angeführten Art - in anderen Produkten ist nicht in der Süßstoff-VO geregelt, sondern bedarf einer eigenen bescheidmäßigen Zulassung nach § 12 Abs. 2 LMG 1975. Die letztgenannte Bestimmung räumt aber der Behörde ausdrücklich die Befugnis ein, zu bestimmen, ob und in welcher Weise die Verwendung dieser Zusatzstoffe zu deklarieren ist.
Das im vorliegenden Fall in Rede stehende Produkt zählt nicht zu den in § 2 Abs. 2 der Süßstoff-VO genannten; die belangte Behörde hatte sich bei ihren Vorschreibungen betreffend die Deklaration des Zusatzstoffes daher nicht, wie die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren darlegte, an § 3 Abs. 2 der Süßstoff-VO, sondern an § 12 Abs. 2 letzter Halbsatz LMG 1975 zu orientieren.
Eine Rechtswidrigkeit der auf die zuletzt zitierte Gesetzesstelle gegründeten Vorschreibung liegt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Annahme vor, daß (vergleichbare) handelsübliche Produkte als süßende Komponente Zucker (Zuckerarten) enthielten. Dies war der Beschwerdeführerin einschließlich der von der belangten Behörde daraus abgeleiteten Auffassung, der Verbraucher müsse von der Beschaffenheit des vorliegenden Produktes, die - infolge Verwendung von künstlichem Süßstoff - von jener handelsüblicher Produkte deutlich abweiche, klar und unmißverständlich informiert werden - vollinhaltlich vorgehalten worden. Die dagegen vorgetragene Behauptung der Beschwerdeführerin, dies treffe längst nicht mehr zu, da gerade zur Vermeidung übermäßiger Zuckerzufuhr und daraus resultierender Zahnschäden heute schon ein großer, wenn nicht überwiegender Teil derartiger Produkte mit künstlichem Süßstoff hergestellt werde, bot mangels einer ins einzelne gehenden Begründung und fachkundiger Untermauerung keinen Anlaß zu Bedenken gegen die Richtigkeit und Schlüssigkeit der fachkundigen Stellungnahme.
Der dem angefochtenen Bescheid anhaftende Begründungsmangel hinderte den Verwaltungsgerichtshof somit nicht daran, den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, weil die für die Beurteilung der Rechtsfrage maßgeblichen Sachverhaltsgrundlagen in einem ordnungsgemäßen, das Parteiengehör wahrenden Ermittlungsverfahren festgestellt wurden und auf der Basis dieser Sachverhaltsgrundlagen festgestellt werden kann, daß der angefochtene Bescheid inhaltlich dem Gesetz entspricht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Sachverhalt VerfahrensmängelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993100109.X00Im RIS seit
20.11.2000