TE Lvwg Erkenntnis 2023/2/22 LVwG-2022/20/2989-1

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Veröffentlicht am 22.02.2023
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Entscheidungsdatum

22.02.2023

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
23/04 Exekutionsordnung

Norm

BAO §308
BAO §229
AbgEO §15
  1. BAO § 308 heute
  2. BAO § 308 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2013
  3. BAO § 308 gültig von 31.12.2005 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 161/2005
  4. BAO § 308 gültig von 20.12.2003 bis 30.12.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 124/2003
  5. BAO § 308 gültig von 01.01.2003 bis 19.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 97/2002
  6. BAO § 308 gültig von 15.07.1999 bis 31.12.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 106/1999
  7. BAO § 308 gültig von 13.01.1999 bis 14.07.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 28/1999
  8. BAO § 308 gültig von 31.12.1996 bis 12.01.1999 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 797/1996
  9. BAO § 308 gültig von 27.08.1994 bis 30.12.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 680/1994
  10. BAO § 308 gültig von 18.07.1987 bis 26.08.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 312/1987
  11. BAO § 308 gültig von 19.04.1980 bis 17.07.1987 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 151/1980
  1. BAO § 229 heute
  2. BAO § 229 gültig ab 01.01.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2013
  3. BAO § 229 gültig von 19.04.1980 bis 31.12.2012 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 151/1980
  1. AbgEO § 15 heute
  2. AbgEO § 15 gültig ab 20.07.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 108/2022
  3. AbgEO § 15 gültig von 01.07.2020 bis 19.07.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 104/2019
  4. AbgEO § 15 gültig von 01.01.1963 bis 30.06.2020 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 53/1963

Text

I.

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Stöbich auf Grund des Vorlageantrages vom 13.10.2022 gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 08.09.2022 über die Beschwerde der AA GmbH, **** Z, vertreten durch die Rechtsanwälte BB und CC, **** Y, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28.03.2022, GZl ***, betreffend

?    einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung in Verbindung mit einem Rückstandsausweis vom 01.11.2021, Zl ***,

?    einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Einreichung des Erklärungsformulars für den Pflichtbeitrag nach dem Tiroler Tourismusgesetz betreffend das Jahr 2018

?    einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.08.2020, mit dem der Pflichtbeitrag nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006 für das Jahr 2018 festgesetzt wurde,

?    betreffend die Erhebung einer Beschwerde gegen den endgültigen Bescheid vom 11.08.2020, mit dem der Pflichtbeitrag nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006 für das Jahr 2018 festgesetzt wurde,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird in Bezug auf den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung betreffend einen Rückstandsausweis (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) Folge gegeben und der Rückstandsausweis vom 15.11.2021,Zl ***, aufgehoben.

2.       Der Beschwerde betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Einreichung des Erklärungsformulars für den Pflichtbeitrag nach dem Tiroler Tourismusgesetz betreffend das Jahr 2018 (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) wird mit der Maßgabe keine Folge gegeben, dass der Spruch wie folgt zu lauten hat: „Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.“

3.       Der Beschwerde betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den endgültigen Bescheid vom 11.08.2020 über die Festsetzung des Pflichtbeitrages nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006 für das Jahr 2018 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) wird mit der Maßgabe keine Folge gegeben, dass Spruch wie folgt zu lauten hat: „Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.“

4.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

II.

In Bezug auf die Beschwerde gegen den endgültigen Bescheid vom 11.08.2020, mit dem der Pflichtbeitrag nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006 für das Jahr 2018 festgesetzt wurde (unter Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wurde diese Beschwerde als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen) wird der Vorlageantrag zurückgewiesen und die verfahrensmäßige Anordnung getroffen, dass diesbezüglich die Angelegenheit zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung an die belangte Behörde rückübermittelt wird.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde in Bezug auf die von der Beschwerdeführerin eingebrachten Anträge vom 03.12.2021 wie folgt:

I.       Der Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nach § 7 Abs 4 EO, hinsichtlich des Rückstandsausweises vom 15. November 2021, Zl ***, betreffend der aushaftenden Pflichtbeiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006 für das Beitragsjahr 2018 samt Nebengebühren, wird gemäß § 13 AbgEO iVm § 15 AbgEO abgewiesen.

II.      Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO hinsichtlich der Frist zur Einreichung des Erklärungsformulars für das Jahr 2018 wird abgewiesen.

III.    Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO hinsichtlich der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 11. August 2020, hinsichtlich der endgültigen Festsetzung der Pflichtbeiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006 zum Tourismusverband DD und zum Tiroler Tourismusförderungsfonds für das Jahr 2018, wird abgewiesen.

IV.      Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 11. August 2020, hinsichtlich der endgültigen Festsetzung der Pflichtbeiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006 zum Tourismusverband DD und zum Tiroler Tourismus-förderungsfonds für das Jahr 2018 wird gemäß § 260 BAO iVm § 262 BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde in Bezug auf den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Einwand, dass hinsichtlich des Abgabenfestsetzungsbescheides für 2018 keine ordnungsgemäße Zustellung vorliege, aus, dass sich in der E-Mail-Nachricht vom 18.12.2018 nur die Signatur der Steuerberatungskanzlei bzw von EE befinde. Es fehle jedoch eine Berufung auf eine Vollmacht. Auch aus dem Erklärungsformular sei kein Vermerk oder eine Berufung auf eine Vollmacht jeglicher Art ersichtlich. Es würden zwar die Tätigkeiten der Beschwerdeführerin näher beschrieben und sei das Formular mit einem Stempel der Kanzlei versehen worden. Aus dem Abgabenakt würden sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sämtliche Schriftstücke nicht ausschließlich an die Antragstellerin selbst zugestellt werden dürften. Die an die Antragstellerin selbst vorgenommenen Zustellungen seien daher rechtmäßig.

Weitere Ausführungen betreffen die Zustellung behördlicher Schriftstücke über das Unternehmerserviceportal. Es sei dort nachweislich und rechtmäßig zugestellt worden. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme des Schriftstückes komme es wie bei einer Zustellung durch Hinterlegung nicht an.

Im Hinblick auf die rechtswirksamen Zustellungen (unter anderem der Abgabenfestsetzungsbescheide) liege keine gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit vor, weshalb der diesbezüglich gestellte Antrag als unbegründet abzuweisen gewesen wäre.

Ab Beginn der Zusendungen wären sämtliche Schriftstücke ausschließlich an die Beschwerdeführerin selbst und nicht an die steuerliche Vertretung zugestellt worden. Dies wäre auch nach Einreichung des Erklärungsformulars für das Jahr 2016 am 18.12.2018 so erfolgt und hätte dies der Beschwerdeführerin bewusst sein müssen. Ihr hätte auch bewusst sein müssen, dass sie aufgrund der Änderungen des E-Gouvernement-Gesetzes ab 01.01.2020 zur Teilnahme an der elektronischen Zustellung verpflichtet gewesen sei. Das Unternehmerserviceportal sei vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin in Bezug auf dessen persönliche Angelegenheiten sowie in Bezug ein weiteres Unternehmen verwendet worden. Es liege daher weder ein unvorhergesehenes, noch ein unabwendbares Ereignis vor und sei auch nicht ein bloß minderer Grad des Versehen auf Seiten der Beschwerdeführerin gegeben.

In Bezug auf die Einreichung der Erklärungsformulare bestehe keine gesetzliche Verpflichtung der Abgabenbehörde, den Abgabenpflichtigen eine solche Erklärung zukommen zu lassen. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien daher abzuweisen gewesen. Aufgrund der rechtswirksamen Zustellung des Festsetzungsbescheides für 2018 am 11.08.2020 sei die mit Eingabe vom 03.12.2021 erhobene Beschwerde verspätet.

Gegen diesen Bescheid hat die AA GmbH durch ihre Rechtsvertreter Beschwerde erhoben. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass das Schreiben vom 18.12.2018 bzw das abgestempelte und unterfertigte Erklärungsformular eindeutig zeige, dass EE Vollmacht erteilt und sie in Vertretung der Beschwerdeführerin tätig geworden sei. Es sei eindeutig von einer Vertretungs- und Zustellvollmacht von EE als Steuerberaterin auszugehen. Eine Zustellung werde im Falle der Bestellung eines Zustellbevollmächtigten erst in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zukomme. Eine allgemeine Vertretungsvollmacht im Sinn des § 10 AVG schließe im allgemeinen die Zustellvollmacht ein. EE hätten ab dem Zeitpunkt der Übermittlung der Erklärung für das Jahr 2016 sämtliche Schriftstücke zugestellt werden müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen.

In Bezug auf die Zustellung über das Unternehmerserviceportal wurde ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin nicht zum Unternehmerserviceportal angemeldet habe. Eine Anmeldung bzw eine Verknüpfung der Beschwerdeführerin mit dem Unternehmerserviceportal sei erst nach den Zustellungen im Exekutionsverfahren und den anschließend durchgeführten Recherchen vorgenommen worden. Die belangte Behörde hätte sich nicht mit den Einwendungen der Beschwerdeführerin betreffend das Unternehmerserviceportal auseinandergesetzt. Sie hätte von einer Registrierung keine Kenntnis gehabt. Recherchen des Rechtsvertreters bei der Erstbehörde hätten ergeben, dass die Beschwerdeführerin behördlich zum Unternehmerserviceportal angemeldet worden sei und von diesem gesetzwidrigen und unzulässigen Anmeldevorgang nicht in Kenntnis gesetzt worden sei. Mangels Mitteilung der Behörde über die vorgenommene Registrierung hätte die Beschwerdeführerin keine Kenntnis von irgendwelchen Zustellungen im Unternehmerserviceportal erhalten. Mangels rechtswirksamer Zustellung des Erklärungsformulars bzw der endgültigen Vorschreibung/des Bescheides wären die Fristen zur Einbringung und Erklärung und Erhebung des Rechtsmittels gegen die endgültige Vorschreibung noch offen. Es hätte auch kein Rückstandsausweis erstellt werden dürfen und sei der gegenständliche Rückstandsausweis samt Vollstreckbarkeits-bestätigung in gesetzwidriger Weise ausgestellt worden.

Weitere Ausführungen betreffen die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Beschwerdeführerin treffe kein Verschulden daran, dass sie von den in das Unternehmerserviceportal eingestellten Schriftstücken keine Kenntnis erlangt habe. Sie sei damit durch ein unvorhergesehenes und für sie auch nicht abwendbares Ereignis daran gehindert worden, Kenntnis von den im Unternehmerserviceportal eingestellten Unterlagen zu erlangen und entsprechend zu reagieren. Die Beschwerdeführerin führte auch aus, dass die Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid zu Unrecht als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen worden sei.

In Bezug auf den Rückstandsausweis bzw den Festsetzungsbescheid führte die Beschwerdeführerin aus, dass gemäß § 31 Abs 1 lit a Tourismusgesetz 2006 Umsätze im Sinne des § 6 Abs 1 Z 9 lit a TG 2006 beitragsfrei wären. Es handle sich hierbei um Umsätze aus der Lieferung von Grundstücken, auch wenn diesbezüglich eine Umsatzsteuerpflicht gegeben sei. Die Beschwerdeführerin habe im Jahr 2018 Euro 2.270.013,54 aus Immobilienverkäufen erzielt. Diese seien beitragsfrei und somit bei der Bemessung des Pflichtbeitrages nicht zu berücksichtigen. Es seien lediglich Euro 228.564,95 als beitragspflichtige Umsätze für die Bemessung des Tourismusbeitrages heranzuziehen.

Abschließend beantragte bzw regte die Beschwerdeführerin an, die belangte Behörde möge gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) bzw § 299 Bundesabgaben-ordnung (BAO) vorgehen und den Abgabenfestsetzungsbescheid im Hinblick auf die zuvor dargelegten beitragsfreien Umsätze, welche bei der Bemessungsgrundlage außer Acht zu bleiben hätten, aufheben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 08.09.2022 wies die belangte Behörde die Beschwerde betreffend die Spruchpunkte I., II. und III. des Bescheides vom 28.03.2022 als unbegründet ab. Ein Abspruch über Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung der Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid) erfolgte nicht. In der Begründung verwies die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass die Zustellungen an die Beschwerdeführerin (im Unternehmerserviceportal) rechtmäßig erfolgt seien. Es liege daher auch keine gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit vor.

In Bezug auf die Abweisung der Wiedereinsetzungsanträge verwies die belangte Behörde vor allem darauf, dass der Beschwerdeführerin die Teilnahmeverpflichtung am Unternehmerserviceportal bekannt gewesen sei. Es liege kein unvorhergesehenes und auch kein unabwendbares Ereignis vor. Eine allfällige Unkenntnis sei auch nicht unverschuldet. Seitens der Beschwerdeführerin hätte man entsprechend Maßnahmen und Veranlassungen im Zusammenhang mit der Zustellung treffen müssen.

Mit Eingabe vom 13.10.2022 beantragte die Beschwerdeführerin, die Bescheidbeschwerde vom 02.05.2022 dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Mit Vorlagebericht vom 23.11.2022 wurde die Beschwerde von der belangten Behörde samt Abgabenakt dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt. In diesem Bericht wurde im Wesentlichen der bisherige Verfahrensgang kurz dargestellt und wurde auf die Ausführungen im abweisenden Bescheid und in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen

II.      Sachverhalt:

Die AA GmbH wurde im Jahr 2012 gegründet und erzielte im Jahr 2016 erste Umsätze. Unternehmensgegenstand ist der Kauf und Verkauf von Immobilien bzw die Vermietung von Ferienwohnungen. Der Unternehmenssitz ist in Z. Die Tätigkeit wird in **** X ausgeübt.

Im Jahr 2017 wurde die belangte Behörde vom zuständigen Finanzamt davon in Kenntnis gesetzt, dass die Beschwerdeführerin für das Kalenderjahr 2016 einen Gesamtumsatz in Höhe von Euro 1.804.000,00 erzielt habe. Im Zusammenhang mit der Festsetzung des Pflichtbeitrages nach dem Tiroler Tourismusgesetz richtete die belangte Behörde eine entsprechend vorgefertigte „Erklärung 2016“ vom 20.11.2017 an die Beschwerdeführerin. Damit wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, das Formular entsprechend vollständig auszufüllen und binnen eines Monats an die Abteilung FF des Amtes der Tiroler Landesregierung zurückzuübermitteln.

Am 30.11.2017 übermittelte eine (für die Bilanzbuchhaltung tätige) Mitarbeiterin der GG GmbH & Co KG ein E-Mail an die belangte Behörde, mit welchem „im Auftrag unserer Klientin AA GmbH“ die Erklärung für 2016 an die belangte Behörde rückübermittelt wurde. In dieser Erklärung wurden die vom Finanzamt der belangten Behörde mitgeteilten Umsätze in Höhe von Euro 1.804.000,00 zur Gänze als beitragsfreie Umsätze erklärt. Ergänzend wurde ausgeführt, dass im Jahr 2016 erstmals Umsätze erzielt worden und davor nur Baukosten entstanden seien. Diese Erklärung war mit der Versicherung versehen, dass alle Angaben richtig und vollständig gemacht worden wären. Die Eingabe wies neben Ort und Datum (Y, 28.11.2017) einen Stempel der GG GmbH & Co KG samt unleserlicher Paraphe auf. Auch die gesonderte Aufstellung der beitragsfreien Umsätze, in denen der genannte Betrag angeführt ist, weist einen Stempel der GG auf.

Nach Einlangen dieser Eingabe richtete die belangte Behörde ein Erhebungsformular vom 30.11.2017 direkt an die AA GmbH. Dieses Erhebungsformular wurde am 05.12.2017 vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin (JJ) an die belangte Behörde und „CC“ an KK von der GG übermittelt.

In der Folge setzte die belangte Behörde den Pflichtbeitrag nach dem Tiroler Tourismusgesetz für 2017 mit einem Bescheid vom 14.12.2017 mit insgesamt mit Euro 54,00 fest.

Für 2018 setzte belangte Behörde die Abgabe mit einem vorläufigen Bescheid vom 16.01.2018 fest. Dabei ging sie von einem beitragspflichtigen Umsatz in der Höhe von Euro 200.000,00 aus. Der Pflichtbeitrag wurde in Höhe von insgesamt Euro 2.840,00 festgesetzt.

Im November 2018 erhielt die belangte Behörde vom Finanzamt W V Informationen über die Umsätze laut Umsatzsteuerbescheid für das Kalenderjahr 2016. In der Folge wurde die Beschwerdeführerin neuerlich mit einer Erklärung 2016 mit einem Gesamtumsatz in der Höhe von Euro 1.804.000,00 und der Aufforderung, diese Erklärung ausgefüllt zu retournieren, konfrontiert. Am 18.12.2018 nahm die Steuerberaterin und Wirtschaftstreuhänderin EE auf diese Aufforderung Bezug und übermittelte per E-Mail die Erklärung 2016 samt Angaben über die Tätigkeit der Beschwerdeführerin. So wurde, ähnlich wie bereits vor einem Jahr ausgeführt, dass das Unternehmen 2012 gegründet worden sei und erste Umsätze 2016 erzielt worden wären. Unter diesen Angaben findet sich Ort und Datum (Y, 18.12.2018) und die Versicherung, dass alle Angaben richtig und vollständig gemacht worden wären, sowie der Stempel von EE (Steuerberaterin und Wirtschaftstreuhänderin) samt einer unleserlichen Paraphe.

In Bezug auf das Jahr 2018 setzte die belangte Behörde den Pflichtbeitrag nach dem Tiroler Tourismusgesetz an den Tourismusverband DD und an den Tiroler Tourismusförderungsfonds mit einem endgültigen Bescheid vom 11.08.2020 in Höhe von insgesamt Euro 35.479,80 fest. Dabei wurde von einem beitragspflichtigen Umsatz in Höhe von Euro 2.498.580,00 ausgegangen. Vom festgesetzten Betrag wurde ein bereits entrichteter Abgabenbetrag in Höhe von Euro 2.840,00 in Abzug gebracht.

Die an die Beschwerdeführerin gerichteten Festsetzungsbescheide wurden allesamt im Unternehmerserviceportal zugestellt. Die Steuerberaterin (Wirtschaftstreuhänderin) hatte zunächst keinen Zugang zu den im Unternehmerserviceportal eingestellten Daten der Beschwerdeführerin. Erst mit 01.12.2021 erhielt sie einen Zugang zum Unternehmerserviceportal.

Aufgrund nicht entrichteter Pflichtbeiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz erging an die Beschwerdeführerin (über das Unternehmerserviceportal) eine Mahnung vom 20.09.2021 und wurde letztlich ein Rückstandsausweis vom 15.11.2021 erstellt. In diesem Rückstandsausweis sind folgende Beträge angeführt:

a)     Pflichtbeiträge an den Tourismusverband

DD für das Jahr 2018    € 29.881,51

b)     Pflichtbeiträge an den Tiroler Tourismusförderungsfonds

für das Jahr 2018        € 2.758,29

c)     Nebenansprüche gemäß §§ 217, 227 und 227a der

BAO, BGBl.Nr. 194/1961 in der geltenden Fassung    € 682,80

Die Summe aller Rückstände beträgt      € 33.322,60

Ergänzend wurde angeführt, dass dieser Rückstandsausweis rechtkräftig und vollstreckbar sei.

In der Folge kam es nach einer Mahnung vom 17.11.2021 zur Erstellung eines weiteren Rückstandausweises vom 07.12.2021 betreffend Pflichtbeiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz samt Nebenansprüche für das Jahr 2021. Aufgrund dieser Rückstandsausweise wurde vom Bezirksgericht U mit Beschluss vom 10.12.2021 gegenüber der Beschwerdeführerin eine Fahrnisexekution bewilligt.

Der Beschwerdeführerin wurde am 22.11.2021 ein Schreiben des Gerichtsvollziehers des Bezirksgerichtes U vom 17.11.2021 sowie eine Exekutionsbewilligung vom 16.11.2021 durch Hinterlegung am 19.11.2021 zugestellt. Dieses Schriftstück wurde am 03.12.2021 beim Postamt abgeholt. Durch die Registrierung im Unternehmerserviceportal am 01.12.2021 erlangte die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin erstmals Kenntnis von den Abgabenfestsetzungen der belangten Behörde betreffend den Pflichtbeitrag nach dem Tiroler Tourismusgesetz. In der Folge wurde (durch die Rechtsvertretung) Einsicht in den Exekutionsakt genommen. Dabei kam hervor, dass die Exekution auf der Grundlage des Rückstandsausweises der Tiroler Landesregierung vom 15.11.2021 samt Vollstreckbarkeitsbestätigung erfolgte.

Mit der verfahrensgegenständlichen Eingabe vom 03.12.2021 bezog sich die Beschwerdeführerin auf diesen Rückstandsausweis samt Vollstreckbarkeitsbestätigung und machte im Wesentlichen geltend, dass es an einer ordnungsgemäßen Zustellung der Erklärung für das Jahr 2018 sowie des endgültigen Bescheides für 2018 mangle. Dabei wurde darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin EE als Steuerberaterin bestellt habe und diese zustellbevollmächtigt gewesen sei.

Tatsächlich ist EE jedenfalls seit der Übermittlung der Eingabe im Zusammenhang mit der Erklärung 2016 (18.12.2018) als steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin bevollmächtigt. Diese Vollmacht schließt auch die Zustellung von Schriftstücken mit ein. Die steuerliche Vertreterin hat erst im Zusammenhang mit der Durchführung der vorerwähnten Exekutionsverfahren von der endgültigen Vorschreibung für 2018 durch Registrierung der Vertretung im Unternehmerserviceprotal Kenntnis erlangt.

III.    Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Akt der Behörde. Dass die Beschwerdeführerin bzw deren Geschäftsführer erst im Zusammenhang mit der Durchführung des Exekutionsverfahrens (durch Abholung der Exekutionsbewilligung am 03.12.2021 beim Postamt) Kenntnis erlangt hat, stützt sich auf die eidesstättige Erklärung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin JJ vom 03.12.2021. Dass EE von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Einreichung der Erklärung für 2016 bevollmächtigt wurde und deren Vollmacht auch die Zustellung von Schriftstücken umfasst hat, stützt sich auf deren eidesstättige Erklärung. Die diesbezüglichen Angaben erscheinen glaubhaft. Die Steuerberaterin war in Bezug auf den hier relevanten Zeitraum nicht im Unternehmerserviceportal angemeldet, sodass es nachvollziehbar erscheint, dass sie erst durch die Vollstreckungsmaßnahmen Kenntnis von den (vermeintlich) an die Beschwerdeführerin direkt zugestellten Schriftstücke erlangt hat.

IV.      Erwägungen:

IV.1. Zur Rechtswirksamkeit der Zustellung:

Entscheidungswesentlich ist die Frage, inwieweit die Festsetzungsbescheide der belangten Behörde rechtswirksam zugestellt wurden. Konkret geht es um die Frage, ob die belangte Behörde die Bescheide der Beschwerdeführerin direkt zustellen durfte oder ob sie insbesondere durch die Eingabe der Wirtschaftstreuhänderin/ Steuerberaterin EE vom 18.12.2018 ein Vertretungsverhältnis samt Zustellbevollmächtigung annehmen hätte müssen und somit sämtliche für die Beschwerdeführerin bestimmten Schriftstücke an die steuerliche Vertreterin zuzustellen gewesen wären. Schließlich geht es auch um die Frage, ob bzw wann eine Heilung eines allfälligen Zustellmangels eingetreten ist.

Die belangte Behörde setzte sich im angefochtenen Bescheid ausführlich mit der Frage des Vorliegens einer Vollmacht der steuerlichen Vertretung auseinander. Sie gelangte zur Auffassung, dass sich die steuerliche Vertretung nicht auf eine Vollmacht oder auf § 77 Wirtschaftstreuhänderberufsgesetz 2017 berufen oder eine Vollmachtsurkunde beigebracht habe. Eine Bevollmächtigung sei insbesondere auch nicht im Zusammenhang mit der Eingabe vom 18.12.2018 angezeigt worden. Sie verneinte daher das Vorliegen einer Vertretungs- bzw einer Zustellvollmacht von EE.

Die Bestellung eines Vertreters wird (erst) mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde oder mit der mündlichen Erteilung der Vollmacht der Behörde gegenüber oder mit der Berufung auf die Vollmacht gegenüber der Behörde wirksam (vgl VwGH 28.06.2012, 2010/16/0275). Bringt eine von der Partei verschiedene Person eine Eingabe ein, dann ist diese bis zum Nachweis der Bevollmächtigung nicht dem (behaupteten) Machtgeber, sondern dem einschreitenden Vertreter zuzurechnen, sofern dieser eine für die Bevollmächtigung geeignete Person ist (vgl. VwGH 10.03.2022, Ra 2020/15/0042; 13.12.2000, 2000/03/0336). So ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein berufsmäßig agierender Parteienvertreter, der ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid einbringt, dies im Namen jener Person tut, die zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert ist (vgl. VwGH 10.02.2022, Ra 2021/15/0104; 16.12.2010, 2009/16/0091).

In Abgabenverfahren stellt die Einreichung von (Abgaben-)Erklärungen durch Wirtschaftstreuhänder bzw Steuerberater eine Handlung dar, die typischerweise im Rahmen von deren Berufsbefugnis auf Grund einer Bevollmächtigung für den Abgabepflichtigen erbracht wird. Wird daher von einem berufsmäßig befugten Parteienvertreter eine Abgabenerklärung eingebracht, so spricht dies dafür, dass dies auf Grund einer Bevollmächtigung erfolgt, auch wenn darauf nicht ausdrücklich wie zB durch den Vermerk „Vollmacht erteilt“ hingewiesen wird.

Dies hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19.12.2002, 2002/16/0146, zum Ausdruck gebracht. Dieser Entscheidung lag ein Antrag auf Verlängerung einer Rechtsmittelfrist, der von einer Wirtschaftstreuhandgesellschaft ohne (ausdrücklichen) Zusatz auf das Vorliegen einer Vollmacht gestellt wurde, zugrunde. Der Verwaltungsgerichtshof stellte klar, dass die Abgabenbehörde nach Einbringung eines solchen Ansuchens durch die Wirtschaftstreuhandgesellschaft jedenfalls nicht mehr direkt an den Abgabepflichtigen zustellen durfte. Vielmehr hätte die Abgabenbehörde diesfalls das Vorliegen einer Bevollmächtigung klären müssen.

Dies bedeutet für den gegenständlichen Fall, dass mit der von der Eingabe der Steuerberaterin und Wirtschaftstreuhänderin vom 18.12.2018, die auf ihre Berufsbefugnis hinwies und im Zusammenhang damit eine Abgabenerklärung einreichte, entweder (von vorneherein) vom Vorliegen einer Bevollmächtigung ausgehen oder diesbezüglich jedenfalls eine Klärung herbeiführen hätte müssen.

Dazu kommt, dass bereits ein Jahr vor der gegenständlichen Eingabe von der ebenfalls beruflich einschlägig tätigen GG GmbH & Co KG eine „Erklärung 2016“ eingereicht und ergänzende Angaben zur Tätigkeit der Beschwerdeführerin gemacht wurden, wobei im Begleitschreiben ausdrücklich auf den „Auftrag unserer Klientin AA GmbH“ verwiesen wurde. Diese Formulierung lässt aber auch nach Auffassung der belangten Behörde keinen Zweifel über das Vorliegen einer Bevollmächtigung zur berufsmäßigen Parteienvertretung aufkommen (vgl Ritz/Koran BAO7, TZ10 zu § 83, uHa VwGH 28.06.2001, 2001/16/0060). Die belangte Behörde hat diesen eindeutigen Hinweis auf eine Bevollmächtigung ignoriert. Das Einschreiten der GG GmbH & Co KG liefert jedoch ein zusätzliches Indiz dafür, dass sich die Beschwerdeführerin auch in Bezug auf die Einreichung der Erklärungen für 2016 (durch die Steuerberaterin und Wirtschaftstreuhänderin EE) auf der Grundlage einer Bevollmächtigung vertreten ließ.

Eine (allgemeine) Bevollmächtigung umfasst auch die Zustellungsbevollmächtigung (vgl. VwGH 28.10.2014, 2012/13/0102, uHa Ritz, BAO5, § 9 ZustG Tz 20). Da nicht von einem Ausschluss der Zustellvollmacht auszugehen ist, umfasste die Vertretung von EE auch den Empfang von mit ihrer Vertretung im Zusammenhang stehenden Schriftstücken.

Wird statt an den Zustellungsbevollmächtigten an den von diesem Vertretenen zugestellt, so ist die Zustellung unwirksam (VwGH 24.01.2013, 2012/16/0011). Eine rechtswirksame Zustellung wird diesfalls erst dann bewirkt, wenn das zuzustellende Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zukommt. Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhaltes war dies im gegenständlichen Fall am 01.12.2021 durch Registrierung der steuerlichen Vertretung im Unternehmerserviceportal der Fall.

IV.2. Zur Vollstreckbarkeitsbestätigung bzw zum Rückstandausweis:

§ 229 BAO, in der hier maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 141/2013, lautet samt Überschrift:

"1. Rückstandsausweis.

Als Grundlage für die Einbringung ist über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis elektronisch oder in Papierform auszustellen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, daß die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.“

Ein Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit eines Rückstandsausweises ist der Sache nach auch die Bestreitung der Richtigkeit des Rückstandsausweises, dessen Teil die Vollstreckbarkeitsklausel ist.

Wird eine nicht rechtswirksame Zustellung der Abgabenbescheide behauptet, so bedeutet dies nichts anderes, als dass die Berechtigung der Abgabenbehörde zur Ausstellung eines Rückstandsausweises gemäß § 229 BAO bestritten wird. Darüber ist nur in einem Verfahren gemäß § 15 Abs 2 AbgEO abzusprechen (vgl. VwGH 09.11.2011, 2009/16/0175, uHa  Liebeg, Abgabenexekutionsordnung, Rz 4 zu § 15 idF vor BGBl I Nr 108/2022, mwN).

Gemäß § 15 AbgEO idF BGBl I Nr 108/2022 sind im Exekutionstitel (§ 4) unterlaufene offenbare Unrichtigkeiten von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabenschuldners zu berichtigen.

Erkennt die Behörde, die den Exekutionstitel ausgestellt hat (Titelbehörde), von selbst, dass der Exekutionstitel an Mängeln leidet (offenbare Unrichtigkeit, gesetzwidrig oder unrichtig erteilte Vollstreckbarkeitsklausel), so hat sie ihn von Amts wegen zu berichtigen bzw. aufzuheben (formlos, ohne dass es eines förmlichen Bescheides bedarf). Ebenso hat die Behörde vorzugehen, wenn sie auf solche Mängel durch einen Antrag des Vollstreckungsschuldners hingewiesen wird und den Antrag für gerechtfertigt erachtet. Glaubt jedoch die Behörde, einem solchen Vorbringen nicht oder nicht voll entsprechen zu können, muss das Vorbringen als eine Einwendung nach § 13 AbgEO in Behandlung genommen und hierüber mit Bescheid abgesprochen werden (vgl VwGH 25.03.2004, 2002/16/0266, mwN).

Der verfahrensgegenständliche Rückstandsausweis betrifft die Pflichtbeiträge an den Tourismusverband DD sowie an den Tiroler Tourismus-förderungsfonds für das Jahr 2018 samt Nebenansprüchen. Oben (siehe Punkt IV.1. dieser Entscheidung) wurde ausführlich dargelegt, dass die Festsetzungsbescheide der belangten Behörde erst am 01.12.2021 der Zustellbevollmächtigten zugekommen sind und erst zu diesem Zeitpunkt eine rechtswirksame Zustellung bewirkt wurde. Die gemeinsam mit der dem Wiedereinsetzungsantrag erhobene Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid für 2018 ist daher rechtzeitig. Es liegt somit keine rechtskräftige Festsetzung der im Rückstandsausweis angeführten Abgaben vor. Der Rückstandsausweis war daher entsprechend aufzuheben.

IV.3.   Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Einbringung der Erklärung:

Voraussetzung für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iSd § 308 BAO ist die Versäumung einer Frist (oder einer mündlichen Verhandlung). Im Hinblick auf die oben näher dargestellten Umstände betreffend die Zustellung der von der belangten Behörde an die Beschwerdeführerin gerichteten Schriftstücke fehlt es an einer Säumnis. Im Übrigen liegt auch kein Rechtsnachteil vor, zumal die Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid als rechtzeitig anzusehen ist, sodass die von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Einbringung der Erklärung gemachten Umstände (Steuerfreiheit der von ihr erzielten Umsätze) im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geltend gemacht werden können.

IV.4.   Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Erhebung der Beschwerde:

Diesbezüglich sei auf die vorgenannten Ausführungen betreffend die Zustellung der an die Beschwerdeführerin gerichteten Eingaben verwiesen. Die Beschwerde erweist sich somit als rechtzeitig und liegt daher auch keine Fristversäumnis vor.

IV.5. Zur Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid:

Gemäß § 262 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) ist von der Abgabenbehörde, wenn keiner der in den Abs 2 bis 4 leg cit aufgezählten Ausnahmefälle vorliegt, zwingend eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Dies gilt auch für verfahrensrechtliche Bescheide. Insofern hätte die Abgabenbehörde über die gemeinsam mit dem Wiedereinsetzungstrag eingebrachte (aus deren Sicht verspätete) Beschwerde mit einem als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnenden Bescheid absprechen müssen. Die Abgabenbehörde hat die Beschwerde jedoch mit dem eingangs erwähnten Ausgangsbescheid unter Spruchpunkt IV. zurückgewiesen.

Auf Seite 6 der Beschwerde gegen diesen Ausgangsbescheid wird ausdrücklich auf die Zurückweisung der Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid Bezug genommen und geltend gemacht, dass die Beschwerde keinesfalls als verspätet zurückgewiesen werden hätte dürfen. Insofern wendet sich die Beschwerdeführerin auch gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides.

Der Spruch der Beschwerdevorentscheidung vom 08.09.2022 nimmt nur auf die Spruchpunkte I.II. und III. des Ausgangsbescheides Bezug. Über die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wurde nicht entschieden. Da es in Bezug auf diesen Punkt an einer Beschwerdevorentscheidung fehlt und ein Vorlageantrag unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraussetzt, war der Vorlageantrag zurückzuweisen.

Im fortgesetzten Verfahren wird die Abgabenbehörde mittels Beschwerdevorentscheidung über rechtswidrig im Ausgangsbescheid ausgesprochene Zurückweisung der Beschwerde gegen den endgültigen Festsetzungsbescheid für 2018 zu entscheiden haben. Auf der Grundlage des vom Verwaltungsgericht festgestellten Zustellzeitpunktes des Festsetzungsbescheides wird einerseits die Zurückweisung der Beschwerde zu beheben und andererseits inhaltlich zu entscheiden sein.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

B e l e h r u n g und H i n w e i s e

Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.

Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Die für eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder eine Revision zu entrichtende Eingabegebühr beträgt Euro 240,00.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Stöbich

(Richter)

Schlagworte

Wiedereinsetzung
Fristversäumnis
Abgabenerklärung
Zustellvollmacht
Heilung eines Zustellmangels
Rückstandsausweis
Exekutionstitel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.20.2989.1.

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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