TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/23 93/10/0009

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Veröffentlicht am 23.10.1995
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Auskunftspflicht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs2;
AuskunftspflichtG 1987 §2;
AuskunftspflichtG 1987;
AVG §17;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art20 Abs3;
B-VG Art20 Abs4;
LMG 1975 §18 Abs1;
LMG 1975 §18 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der F-OHG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 3. Dezemember 1992, Zl. 368.084/4-III/B/12a/92, betreffend Erteilung einer Auskunft in einer Angelegenheit des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 13. Mai 1992 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde den Antrag auf Auskunft, ob auch "Galama Vital-Kapseln" und "Lyssia Vital-Kürbiskern-Kapseln" als Verzehrprodukte angemeldet und nicht untersagt wurden und welche Verzehrprodukte mit dem Bestandteil "Vital" in der Produktbezeichnung sonst noch angemeldet und nicht untersagt wurden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag ab. Begründend vertrat sie nach Darlegung der Rechtslage die Auffassung, die Amtsverschwiegenheit im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG stehe der Erteilung der begehrten Auskünfte entgegen. Die Beschwerdeführerin habe nur ein wirtschaftliches Interesse an der Auskunft; eine Verwertung derselben in einem Wettbewerbsprozeß sei naheliegend. Es könne jedoch nicht Aufgabe der Behörde sein, Mitbewerbern im marktwirtschaftlichen Wettbewerb derartige Auskünfte zu erteilen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/1987 (APG), haben die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. Als gesetzliche Verschwiegenheitspflicht im Sinne der zitierten Vorschrift kommt insbesondere die durch Art. 20 Abs. 3 B-VG normierte Amtsverschwiegenheit in Betracht. Danach sind alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist.

Die um Auskunft ersuchte Behörde hat zu beurteilen, ob und inwieweit dem Auskunftsbegehren die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit entgegensteht. Sie hat somit im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG die Interessen der Gebietskörperschaft und der Parteien zu beurteilen. Der Begriff "Parteien" in Art. 20 Abs. 3 B-VG ist im weitesten Sinn zu verstehen und umfaßt alle Personen, die aus irgendeinem Anlaß mit Behörden in Berührung kommen. Als Partei im Sinne der zitierten Verfassungsvorschrift, auf deren Interessen bei der vorzunehmenden Interessenabwägung Bedacht zu nehmen ist, ist somit auch ein vom Auskunftswerber verschiedener Dritter, der vom Auskunftsverlangen betroffen ist, anzusehen (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/11/0233, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde hat ihren die Auskunft verweigernden Bescheid ausschließlich auf das Bestehen einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht gegründet; sie hat dabei die Auffassung vertreten, es käme dem Geheimhaltungsinteresse der von der Auskunft betroffenen Mitbewerber der Beschwerdeführerin das größere Gewicht zu, weil hinter dem Interesse der Beschwerdeführerin an der Auskunft bloß ein wirtschaftliches Interesse - insbesondere jenes an der Verwertung der Auskunft in Wettbewerbsprozessen - stehe. Diese Auffassung entspricht nicht dem Gesetz. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 25. Jänner 1993, Zl. 90/10/0061 (in einem die Erteilung einer Auskunft, ob ein bestimmtes Produkt als diätetisches Lebensmittel im Sinne des § 17 Abs. 2 LMG 1975 angemeldet ist, betreffenden Fall) das Interesse des Antragstellers am Schutz vor Wettbewerbsverletzungen als geeignet angesehen, ein gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Mitbewerbers überwiegendes, nicht bloß wirtschaftliches Interesse an der Auskunft zu begründen (vgl. weiters das Erkenntnis vom 22. September 1992, Zl. 92/05/0131, sowie H. Mayer, Vollziehung des Lebensmittelrechts und Amtsverschwiegenheit, ern 1992, 725).

Der vorliegende, eine Auskunft über die Anmeldung und Nichtuntersagung von Produkten mit bestimmten Bezeichnungen bzw. Bezeichnungsbestandteilen als Verzehrprodukte im Sinne des § 18 LMG betreffende Fall ist in der Frage der Abwägung des Interesses an der Erteilung der Auskunft gegen das Geheimhaltungsinteresse des von der Auskunft Betroffenen nicht anders gelagert. Der angefochtene Bescheid entspricht in der soeben erwähnten Frage somit nicht dem Gesetz; dies muß zu seiner Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen.

Daran vermag auch die in der Gegenschrift - mit näherer Begründung - erfolgte Berufung darauf, daß der Erteilung der begehrten Auskünfte im Beschwerdefall auch § 1 Abs. 2 APG entgegenstehe, nichts zu ändern; denn auf der Grundlage des im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhaltes kann ohne weitere Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, ob der angefochtene Bescheid in seinem Ergebnis (allenfalls zum Teil) im Hinblick auf § 1 Abs. 2 APG dem Gesetz entspräche.

Nach § 1 Abs. 2 APG sind Auskünfte nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden.

Zur Auslegung des Begriffes der wesentlichen Beeinträchtigung der übrigen Aufgaben der Verwaltung durch ein Auskunftsbegehren hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. September 1991, Zlen. 90/18/0193 ff, unter Hinweis auf die RV zum APG, 41 Blg. NR 17. GP, 3, folgendes dargelegt:

Auskünfte haben Wissenserklärungen zum Gegenstand, wobei ihr Gegenstand ausschließlich solche Informationen sind, die zum Zeitpunkt der Anfrage der Verwaltung bereits bekannt sind und nicht erst von der ersuchten Verwaltungseinheit zum Zweck der Erfüllung der Auskunftspflicht beschafft werden müssen. Auskunftserteilung bedeutet auch nicht die Gewährung der im AVG geregelten Akteneinsicht, sondern die Weitergabe von Informationen über einen Akteninhalt, die in aller Regel nicht jene Detailliertheit an Informationen aufweisen wird, die bei der Einsicht in die Akten zu gewinnen wäre. Darüber hinaus bedingt schon die Verwendung des Begriffes "Auskunft", daß die Verwaltung unter Berufung auf dieses Gesetz nicht etwa zu umfangreichen Ausarbeitungen, zur Erstellung von Gutachten, zur Beschaffung von auch anders zugänglichen Informationen udgl. verhalten ist. Aus dem Gesetz selbst ist schließlich ein Nachrang der Auskunftserteilung gegenüber den übrigen Aufgaben der Verwaltung ableitbar, woraus sich ergibt, daß Auskunftsbegehren konkrete, in der vorgesehenen kurzen Frist ohne Beeinträchtigung der übrigen Verwaltungsabläufe beantwortbare Fragen enthalten müssen.

Ob im Beschwerdefall die Verweigerung der begehrten Auskünfte unter dem Gesichtspunkt des Vorranges der übrigen Aufgaben der Verwaltung dem Gesetz entsprach, ist auf der Grundlage von Tatsachenfeststellungen - insbesondere betreffend die konkreten Gegebenheiten der Verwaltungsorganisation, von denen es abhängt, welcher Aufwand mit dem Auffinden der Daten, die zur richtigen und vollständigen Erteilung der begehrten Auskünfte erforderlich sind - zu entscheiden. Diese Umstände wurden im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt und sind auch im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beschwerdeführerin nicht zur Sprache gekommen. Daß sich die belangte Behörde in der Gegenschrift mit näherer Begründung auf § 1 Abs. 2 APG beruft, kann somit den Erfolg der Beschwerde nicht abwenden.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie erscheint jedoch eine Auseinandersetzung mit den in der Gegenschrift nachgetragenen Gründen zweckmäßig.

Die belangte Behörde verweist zunächst darauf, daß der auf der (offenbar von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten) Etikette aufscheinende Erzeuger, Verpacker oder Vertreiber nicht immer derjenige sei, der das Produkt bei der Behörde als Verzehrprodukt bzw. diätetisches Lebensmittel anmelde. Die Kartei der Behörde sei lediglich nach Geschäftszahlen bzw. Antragstellern oder Anmeldenden aufgebaut. Sie biete keinen umfassenden Überblick. Seit Anfang 1992 werde "die anmeldende Firma computergespeichert". Die Frage, welche Verzehrprodukte mit dem Bestandteil "Vital" in der Produktbezeichnung angemeldet und nicht untersagt worden seien, könne (offenbar: an Hand der der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Behelfe) überhaupt nicht beantwortet werden.

Das Auskunftspflichtgesetz geht vom Vorrang der übrigen Aufgaben der Verwaltung aus; demgemäß verpflichtet es die Behörde nicht dazu, bei der Organisation der Verwaltungsabläufe darauf Bedacht zu nehmen, daß ein Zugriff auf die im Zusammenhang mit jeder denkbaren Auskunft erforderlichen Daten jederzeit ohne besonderen Aufwand möglich wäre. Ebensowenig verpflichtet das Gesetz die Behörde zu Nachforschungen, die im Hinblick auf den damit verbundenen Aufwand geeignet wären, die Erfüllung der übrigen Aufgaben der Behörde zu beeinträchtigen. Im Hinblick auf den durch das Auskunftspflichtgesetz eingeräumten subjektiven Anspruch auf Auskunftserteilung erfordert eine Verweigerung der Auskunft unter Berufung auf § 1 Abs. 2 erster Satz APG jedoch nachvollziehbare Feststellungen über jene Gegebenheiten der Verwaltungsorganisation, die einem Auffinden der für die richtige und vollständige Auskunft benötigten Daten ohne aufwendige Nachforschungen entgegenstehen. Im Hinblick auf den Zweck des § 1 Abs. 2 APG, einem übermäßigen Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Auskunftspflicht vorzukehren, dürfen im Zusammenhang mit der Verweigerung der Auskunft unter Berufung auf die zitierte Vorschrift auch die Anforderungen an die Begründung eines solchen Bescheides nicht überspannt werden; insbesondere dürfen im Zusammenhang mit der Begründung eines solchen Bescheides nicht Erhebungen gefordert werden, die im Hinblick auf den damit verbundenen Aufwand ihrerseits geeignet wären, die Erfüllung der übrigen Aufgaben der Verwaltung zu beeinträchtigen. Allgemeine Feststellungen über die Vorgangsweise bei der Nachforschung nach den Daten, die Gegenstand des Auskunftsbegehrens sind, und den Umfang des vorhandenen Datenmaterials sind für die ordnungsgemäße Begründung eines auf § 1 Abs. 2 erster Satz APG beruhenden Bescheides jedoch erforderlich. Unter diesen Gesichtspunkten kommt dem oben wiedergegebenen Hinweis der belangten Behörde auf den Aufbau ihrer Geschäftsbehelfe im Zusammenhang mit der Offenkundigkeit des Umstandes, daß eine Durchsicht sämtlicher Anmeldungen und Nichtuntersagungen nach § 18 LMG mit einem Aufwand verbunden wäre, der die Behörde an der Erfüllung ihrer übrigen Aufgaben hindern könnte, Bedeutung zu. Auf die Verpflichtung, zu diesen - dem Tatsachenbereich zuzuordnenden - Umständen Parteiengehör zu gewähren, wird hingewiesen.

Der Hinweis der Gegenschrift, daß angemeldete Produkte mit einer Aufmachung in Verkehr sein könnten, die von der Anmeldung und Nichtuntersagung nicht gedeckt sei, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend; denn das Auskunftsbegehren war im vorliegenden Fall nicht auf die Mitteilung der (zum Gegenstand der Anmeldung und Nichtuntersagung gehörenden) Aufmachung bestimmter Produkte gerichtet, sondern lediglich auf die Mitteilung der Tatsache der Anmeldung und Nichtuntersagung von Produkten mit einer bestimmten Bezeichnung. Mit der Frage des Umfanges und der rechtlichen Wirkung der Nichtuntersagung - in welchem Zusammenhang die Aufmachung des Produktes in der Fassung der Anmeldung von Bedeutung ist - hätte sich die belangte Behörde bei Erteilung der begehrten Auskunft nicht auseinandersetzen müssen.

Ohne Bedeutung wären im Zusammenhang mit dem vorliegenden Auskunftersuchen auch jene Darlegungen der Gegenschrift, die im Ergebnis in die Richtung gehen, aus der Tatsache der Nichtuntersagung einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware könne nicht zwingend auf die Verzehrprodukteigenschaft geschlossen werden; die Nichtuntersagung innerhalb der Untersagungsfrist - etwa trotz Vorliegens der Arzneimitteleigenschaft des Produktes - könne auch auf "behördeninterne Gründe" zurückzuführen sein. Die Anfrage richtete sich nicht auf die Bekanntgabe der Gründe der Nichtuntersagung. Diese könnten im übrigen nicht Gegenstand eines zulässigen Auskunftsersuchens sein, weil kein Recht auf Auskunft im Hinblick auf eine Begründung des behördlichen Handelns oder Unterlassens besteht (vgl. das Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 94/06/0094). Der von der belangten Behörde zutreffend hervorgehobene Umstand, daß die Beschwerdeführerin aus der ihr allenfalls mitgeteilten Tatsache der Nichtuntersagung eines bestimmten angemeldeten Produktes nicht zwingend dessen Verzehrprodukteigenschaft folgern könnte, stellt keinen Umstand dar, der der Erteilung der Auskunft im Sinne des § 1 Abs. 2 APG entgegenstünde.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinBegründung Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993100009.X00

Im RIS seit

25.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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