TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/24 91/07/0122

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Veröffentlicht am 24.10.1995
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Index

81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

WRG 1959 §29 Abs1;
WRG 1959 §29 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde

1. des MK, 2. des OK und 3. der LS, alle in B, alle vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des BM für Land- und Forstwirtschaft vom 16. Juli 1991, Zl. 512.320/02-I5/91, betreffend letztmalige Vorkehrungen und Überlassung von Wasseranlagen (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Spruchabschnitt II. des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. Jänner 1991 stellte der Landeshauptmann von Niederösterreich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. September 1990 gemäß §§ 27 und 29 WRG 1959 fest, daß das unter Postzahl n1 des Wasserbuches für den Verwaltungsbezirk X eingetragene Waserbenutzungsrecht für eine die sogenannten H-Teiche umfassende Abwasserbeseitigungsanlage auf Grund des von den Beschwerdeführern ausgesprochenen Verzichtes erloschen sei. Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern als bisher Berechtigten die Durchführung letztmaliger Vorkehrungen aufgetragen, die die Einstellung der Einleitung von Färbereiabwässern und von Abwässern aus der Nutzwasseraufbereitung sowie die flüssigkeitsdichte Verschließung aller diese Abwässer führenden Ableitungskanäle wie auch die Räumung des abgesetzten Schlammes von der Abwasserreinigung vorsahen. Für die Durchführung dieser Maßnahmen wurden Fristen mit 30. Juli 1991 bzw. 30. Juli 1992 festgesetzt. Weiters wurden die Beschwerdeführer verpflichtet, die H-Teiche nach Durchführung der letztmaligen Vorkehrungen der mitbeteiligten Partei (mP) zur weiteren Erhaltung der Anlage zu überlassen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. Juli 1991 wies die belangte Behörde in Spruchabschnitt I. die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung der F Ges.m.b.H. gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und änderte in Spruchabschnitt II. auf Grund der von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung den erstinstanzlichen Bescheid gemäß §§ 66 Abs. 4 und 59 Abs. 2 AVG dahin ab, daß die Fristen für die Durchführung der letzmaligen Vorkehrungen mit 31. Jänner 1992 bzw. bis 30. Juni 1993 neu festgesetzt wurden und für die Zeit zwischen der Einstellung der Einleitung und der Räumung des Schlammes die Führung des ankommenden Wassers über Umgehungsgerinne angeordnet wurde. Die Verpflichtung der Beschwerdeführer zur Übergabe der H-Teiche nach Durchführung der letztmaligen Vorkehrungen an die mP wurde gleichzeitig wiederholt. Im übrigen wurde die Berufung der Beschwerdeführer abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde - soweit für den Beschwerdefall von Belang - unter Zitierung einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, bei der angeordneten Überlassung der H-Teiche handle es sich bei verfassungskonformer Auslegung des § 29 Abs. 3 WRG 1959 entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht um einen Vermögensentzug, weshalb keine Enteignung vorliege. Vielmehr liege im Fall der Übernahme von Wasserbauten, die an sich gemäß § 29 Abs. 1 WRG 1959 zu beseitigen wären, keine Verschlechterung der vermögensrechtlichen Situation der bisher Berechtigten vor. Allerdings sei für den Übergang des betreffenden Liegenschaftseigentums ein besonderer Rechtstitel vonnöten. Ein Anspruch auf Überlassung bzw. weitere Erhaltung einer Wasserbenutzungsanlage, die trotz Erlöschen des zugrunde liegenden Wasserbenutzungsrechtes - wegen entgegenstehender öffentlicher oder sonstiger Interessen anderer Wasserbenutzungsberechtigter - nicht beseitigt werden könne, könne aus § 29 Abs. 3 WRG 1959 für einen bisher Berechtigten nicht abgeleitet werden, weil diesem die Stellung des Überlassungspflichtigen zukomme. Den erstmals in der Berufung von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen gegen die Verpflichtung zur Überlassung der H-Teiche an die mP sei entgegenzuhalten, daß es sich bei den H-Teichen um künstlich errichtete Anlagen handle, deren Zweck der mechanischen und teilbiologischen Reinigung nunmehr nach Verzicht auf das Wasserbenutzungsrecht entfallen sei. Ohne den gegenständlichen Überlassungsantrag der mP wäre daher die Beseitigung der Teiche anzuordnen gewesen. Den Beschwerdeführern wäre zwar die Möglichkeit offen gestanden, einen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zu stellen, doch hätten sie davon keinen Gebrauch gemacht. Die öffentlichen Interessen an der Übertragung seien aus einem Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen der Wasserrechtsbehörde erster Instanz ersichtlich, in dem die Weiterverwendung bzw. Umgestaltung der Teiche als Landschaftsteiche bzw. Biotop als Teil des Orts- und Landschaftsbildes möglich und sinnvoll bezeichnet worden sei. Die Unentgeltlichkeit der Übertragung ergebe sich aus dem Gesetz.

Gegen den inhaltlich umschriebenen Spruchabschnitt II. dieses Bescheides richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführer deswegen beschwert erachten, "weil ihnen aufgetragen wurde, die H-Teiche - nach Durchführung der letztmaligen Vorkehrungen - der Stadtgemeinde B zur weiteren Erhaltung der Anlage zu überlassen".

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, und ebenso wie die mP eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 27 Abs. 1 lit. a WRG 1959 erlöschen Wasserbenutzungsrechte durch den der Wasserrechtsbehörde zur Kenntnis gebrachten Verzicht des Berechtigten.

Gemäß § 29 Abs. 1 leg. cit. hat die zur Bewilligung zuständige Wasserrechtsbehörde den Fall des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes festzustellen und hiebei auszusprechen, ob und inwieweit der bisher Berechtigte aus öffentlichen Rücksichten, im Interesse anderer Wasserberechtigter oder in dem der Anrainer binnen einer von der Behörde festzusetzenden, angemessenen Frist seine Anlagen zu beseitigen, den früheren Wasserlauf wiederherzustellen oder in welcher anderen Art er die durch die Auflassung notwendig werdenden Vorkehrungen zu treffen hat.

Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen können die öffentlichen Körperschaften (Bund, Land, Bezirk, Gemeinde), wenn die weitere Erhaltung einer Anlage nach Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutze, zur Abwehr oder zur Pflege der Gewässer erforderlich ist, wenn dagegen die Erhaltung nur im Interesse von Beteiligten wünschenswert erscheint, diese Beteiligten von dem bisher Berechtigten die Überlassung der vorhandenen Wasserbauten, soweit dies notwendig ist, ohne Entgelt verlangen.

Die mP hat in der Verhandlung vom 13. September 1990 den Antrag gestellt, ihr die H-Teiche nach Durchführung der letztmaligen Vorkehrungen ohne Entgelt zur weiteren Erhaltung zu überlassen. Den Beschwerdeführern ist zunächst beizupflichten, wenn sie aufzeigen, daß die mP nicht näher dargetan hat, aus welchem öffentlichen Interesse sie die kostenlose Überlassung der H-Teiche begehrt. Ebenso ist ihnen darin zu folgen, daß auf fachkundige Basis gestützte Feststellungen der belangten Behörde darüber fehlen, daß die Teiche - wenn ein Überlassungsantrag nicht gestellt worden wäre - aus öffentlichen oder anderen Rücksichten zu beseitigen wären. Derartige Feststellungen wären aber als Grundlage für die Art und das Ausmaß der anzuordnenden letzmaligen Vorkehrungen des § 29 Abs. 1 WRG 1959 (arg. "oder in welcher anderen Art er die durch die Auflassung notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat") aber auch für die Frage, ob eine unentgeltliche Überlassung überhaupt Platz greifen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1972, Slg. Nr. 8292/A), erforderlich gewesen.

Das Verlangen der mP auf Überlassung der H-Teiche nach Durchführung der letztmaligen Vorkehrungen durch die Beschwerdeführer konnte aber keine rechtliche Grundlage für die mit dem an die Beschwerdeführer gerichteten Auftrag zur Vornahme letztmaliger Vorkehrungen verknüpfte Verpflichtung zur Überlassung der Teiche an die mP bilden. Die Bestimmungen des ersten Absatzes des § 29 WRG 1959 über die Anordnung letztmaliger Vorkehrungen für eine aufgelassene Anlage und jene des dritten Absatzes dieser Gesetzesstelle über die unentgeltliche Überlassung der Anlage an einen Dritten stehen nämlich zueinander im Alternativverhältnis, das ihre gleichzeitige Anwendung für dieselbe Anlage ausschließt. Der scheidende Wasserberechtigte hat seine Anlagen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 WRG 1959 einem Dritten zu überlassen oder sie mangels Vorliegens der Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle nach § 29 Abs. 1 WRG 1959 unter Wiederherstellung des vorigen Zustandes zu beseitigen oder nach Maßgabe dieser Vorschrift auf andere Art das Erforderliche vorzukehren. Die zu einem Verlangen nach § 29 Abs. 3 WRG 1959 Berechtigten stehen rechtlich nur vor der Wahl, die Anlage in dem Zustand zu übernehmen, in dem sie sich befindet, oder von einem Verlangen nach § 29 Abs. 3 WRG 1959 Abstand zu nehmen. Nicht hingegen eröffnet das Wasserrechtsgesetz dem zur Stellung eines Verlangens nach § 29 Abs. 3 WRG 1959 Berechtigten eine rechtliche Möglichkeit, vom scheidenden Wasserberechtigten vor Übernahme der Anlage deren Versetzung in den gewünschten Zustand zu verlangen. Eine solche Möglichkeit ist selbst für den Fall zu verneinen, daß der scheidende Wasserberechtigte den ihm gesetzlich obliegenden Instandhaltungsaufwand versäumt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, Zl. 93/07/0049, 0150, 0151).

Für den Beschwerdefall ergibt sich somit, daß die belangte Behörde nicht berechtigt war, die Beschwerdeführer gleichzeitig gemäß § 29 Abs. 1 WRG 1959 zur Vornahme letztmaliger Vorkehrungen und gemäß § 29 Abs. 3 WRG 1959 zur unentgeltlichen Überlassung der H-Teiche an die mP zu verpflichten.

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid in seinem allein angefochtenen Spruchabschnitt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Stempelgebühren standen nur im Umfang des Betrages von S 480,-- zu.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1991070122.X00

Im RIS seit

12.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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