TE Vfgh Beschluss 1993/9/27 G94/93

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Veröffentlicht am 27.09.1993
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/11 Grundbuch

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
GBG 1955 §38

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags wegen Anwendung der angefochtenen Bestimmung durch das Gericht; Vermeidung der Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Einschreiter begehrt in seiner - nicht von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebrachten - Eingabe, der Verfassungsgerichtshof möge von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren zur Prüfung des §38 litc Grundbuchsgesetz (im folgenden kurz GBG) einleiten.

Der Einschreiter führt dazu aus, "... es kann doch in einem Rechtsstaat nicht möglich sein, daß auf eine bloße Behauptung der Finanzbehörde hin eine Liegenschaft mit einer Pfandrechtsvormerkung belastet, sohin völlig entwertet wird, die Kreditwürdigkeit des Eigentümers öffentlich (für jedermann einsehbar!) auf diskriminierende Weise vernichtet wird, ohne daß die Stichhältigkeit des Antrages der Finanzbehörde überhaupt geprüft wird, oder der betroffene Eigentümer in Verletzung des Parteiengehörs die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt erhält. ..."

2. §38 des Grundbuchsgesetzes 1955 idF BGBl. Nr. 343/1989 lautet:

"§38. Die Vormerkung findet statt:

a) auf Grund gerichtlicher Erkenntnisse erster oder höherer Instanz, durch die das dingliche Recht zwar unbedingt zugesprochen oder abgesprochen wird, die aber noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind;

b) auf Grund gerichtlicher Verfügungen, wodurch die Vormerkung als Exekution zur Sicherstellung bewilligt wird;

c) auf Grund des Einschreitens öffentlicher Behörden in Fällen, wenn diese nach ihrem Wirkungskreise berufen sind, von Amts wegen die pfandweise Sicherstellung von Ansprüchen des Bundes oder eines Landes zu verfügen."

3.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof "über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist ...".

Wie der Verfassungsgerichtshof - beginnend mit VfSlg. 8009/1977 - in ständiger Judikatur ausspricht, setzt die Antragslegitimation nicht nur voraus, daß die antragstellende Partei behauptet, unmittelbar durch die als verfassungswidrig angefochtene Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sondern sie erfordert auch, daß dieses Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam wurde. Grundlegende und unabdingbare Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden Person - im Falle der Verfassungswidrigkeit - verletzt. Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein "unmittelbarer" Eingriff ist aber u.a. dann nicht gegeben, wenn dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr der Rechtsverletzung zur Verfügung steht (siehe zB VfSlg. 10251/1984).

3.2. Wie aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen ersichtlich, ist die bekämpfte Gesetzesstelle dem Antragsteller gegenüber dadurch wirksam geworden, daß sie bei Erlassung einer Pfandrechtsvormerkung gegen ihn vom Grundbuchsgericht angewendet wurde.

Der Antragsteller konnte im Zuge eines Rechtsmittelverfahrens gegen diesen Beschluß von der Möglichkeit Gebrauch machen, eine Gesetzesprüfung des §38 litc GBG anzuregen, weil diese Gesetzesbestimmung gegen Art5 und 11 StGG sowie gegen Art3 und 6 EMRK verstoße; der Antragsteller hat dies auch tatsächlich getan.

Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG ist das Rechtsmittelgericht, sofern es - gleich dem Antragsteller - Bedenken gegen die angewendete Gesetzesstelle hätte, zur entsprechenden Anrufung des Verfassungsgerichthofes verpflichtet (vgl. zB VfSlg. 9394/1982). Daß das Gericht einen solchen Antrag bisher nicht gestellt hat, ändert nichts daran, daß der Individualantrag unzulässig ist, da man andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtschutzes gelangte, was mit dem Grundprinzip des Individualantrages, ein bloß subsidiärer ("lückenschließenden") Rechtsbehelf zu sein, nicht in Einklang stünde (vgl. VfSlg. 10251/1984).

Die Eingabe war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Grundbuch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G94.1993

Dokumentnummer

JFT_10069073_93G00094_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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