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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BAO §20;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des W in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 16. Februar 1994, 75/5-5/Nw-1994, betreffend Haftung für Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezog für seine drei Kinder seit deren Geburt Familienbeihilfe. Mit Bescheid vom 16. Mai 1991 forderte das Finanzamt von ihm die Familienbeihilfe für den Zeitraum September bis Dezember 1990 mit der Begründung zurück, seine von ihm seit Juni 1990 geschiedene Ehegattin habe im August 1990 einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für die gemeinsamen Kinder gestellt und diese ab September 1990 bezogen. Der Beschwerdeführer bekämpfte diesen Bescheid mit dem Vorbringen, die Kinder hätten über den strittigen Zeitraum hinaus dem weiterhin gemeinsam mit seiner geschiedenen Ehegattin geführten Haushalt angehört. Die im nunmehrigen Verfahren belangte Behörde folgte diesem Vorbringen mit der Begründung, auf Grund der Aussagen der vom Beschwerdeführer genannten Auskunftspersonen sei davon auszugehen, die Kinder seien im strittigen Zeitraum noch bei beiden Eltern haushaltszugehörig gewesen, weswegen dem Beschwerdeführer die Familienbeihilfe für den strittigen Zeitraum zustehe. Ein Anspruch der geschiedenen Ehegattin auf Familienbeihilfe habe erst ab 1. Jänner 1991 bestanden.
Mit Bescheid vom 6. Juli 1993 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer, nachdem es zur Geltendmachung des Rückforderungsanspruches gegen seine geschiedene Ehegattin Ermittlungen hinsichtlich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse durchgeführt hatte, zur Haftung für die von ihr zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe für den nunmehr ebenfalls strittigen Zeitraum September bis Dezember 1990 heran.
Strittig ist, ob der Beschwerdeführer nach § 26 Abs 3 FLAG für die Rückzahlung der von seiner geschiedenen Ehegattin zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe haftet.
Die belangte Behörde vertritt unter Hinweis auf die Ausführungen des Beschwerdeführers im Verfahren betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe im wesentlichen die Ansicht, der Haftungstatbestand des § 26 Abs 3 FLAG sei erfüllt, weil der Beschwerdeführer im strittigen Zeitraum mit seiner geschiedenen Ehegattin im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Der gegenteilige Einwand des Beschwerdeführers im nunmehrigen Verfahren betreffend Haftung für Familienbeihilfe sei unglaubwürdig.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Abgabenbehörde habe es verabsäumt, die von seiner geschiedenen Ehegattin zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe rechtzeitig von ihr zurückzufordern. Hätte die Abgabenbehörde bereits im Jahr 1991 ihren Rückforderungsanspruch geltend gemacht, so wäre der strittige Betrag einbringlich gewesen, weil seine geschiedene Ehegattin damals über Vermögen verfügt habe. Die Geltendmachung der Haftung sei rechtswidrig, weil die Gewährung der Familienbeihilfe an seine geschiedene Ehegattin für den strittigen Zeitraum auf einem Versehen der Abgabenbehörde beruhe. Die belangte Behörde habe auch Verfahrensvorschriften verletzt, weil sie bei Ermittlung des Sachverhaltes hätte feststellen müssen, er habe im strittigen Zeitraum mit seiner geschiedenen Ehegattin nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt. Sie sei am Wohnort lediglich gemeldet gewesen. Im von der belangten Behörde erwähnten Verfahren betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe sei lediglich die Frage von Bedeutung gewesen, ob er mit seinen Kindern im gemeinsamen Haushalt gelebt habe, nicht hingegen, ob auch ein gemeinsamer Haushalt mit seiner geschiedenen Ehegattin geführt worden sei.
Gegen den im Spruch dieses Erkenntnisses genannten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge gemäß § 26 Abs 1 FLAG zurückzuzahlen, soweit der unrechtmäßige Bezug nicht ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch den Dienstgeber oder eine auszahlende Stelle verursacht worden ist. ....
Nach § 26 Abs 3 FLAG haftet für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.
Mit seinem Vorbringen, die belangte Behörde hätte den strittigen Betrag bereits im Jahr 1991 von seiner geschiedenen Ehegattin zurückfordern müssen, zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die Geltendmachung einer Haftung im Ermessen der Abgabenbehörde. Diese Ermessensentscheidung ist gemäß § 20 BAO in den Grenzen zu halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl das Erkenntnis vom 10. November 1993, 91/13/0181). Im vorliegenden Fall war es nicht unbillig, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer erst dann zur Haftung herangezogen hat, nachdem sie einerseits ihn als den für die strittige Familienbeihilfe tatsächlich Anspruchsberechtigten, anderseits die Uneinbringlichkeit des strittigen Betrages bei seiner geschiedenen Ehegattin festgestellt hatte.
Mit seinem Einwand, die Geltendmachung der Haftung nach § 26 Abs 3 FLAG sei ausgeschlossen, weil die Gewährung der Familienbeihilfe an seine geschiedene Ehegattin auf ein Versehen der Abgabenbehörde beruhe, zeigt der Beschwerdeführer ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. § 26 Abs 1 FLAG sieht eine Ausnahme von der Rückzahlungspflicht vor, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch ein Versehen des Dienstgebers oder einer auszahlenden Stelle verursacht worden ist. Nach der - auf die Definition des § 17 Abs 2 FLAG gestützten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind jedoch die Dienststellen der Finanzverwaltung keine auszahlenden Stellen im Sinn des § 26 Abs 1 FLAG. Eine auf einem Versehen dieser Dienststellen beruhende unrichtig ausgezahlte Familienbeihilfe kann daher gemäß § 26 Abs 1 FLAG zurückgefordert werden (vgl die Erkenntnisse vom 17. Oktober 1969, 697/69, und vom 14. Juni 1974, 1372/73). Das eben Ausgeführte gilt auch hinsichtlich der Haftung nach § 26 Abs 3 FLAG.
Mit seinem Einwand, die belangte Behörde hätte feststellen müssen, er habe im strittigen Zeitraum mit seiner geschiedenen Ehegattin nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt, macht der Beschwerdeführer die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und bekämpft insoweit die Beweiswürdigung der belangten Behörde.
Was die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften betrifft, wird zunächst auf das Beschwerdevorbringen hingewiesen, wonach sich die geschiedene Ehegattin im strittigen Zeitraum um die Kinder gekümmert hat und "ein gemeinsamer Haushalt noch vorlag" (Beschwerde 2, 2. Absatz). Auch im Verfahren betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe, das im unmittelbaren Zusammenhang mit dem nunmehrigen Verfahren betreffend Haftung für Familienbeihilfe steht, hat der Beschwerdeführer stets behauptet, daß er mit den Kindern und seiner geschiedenen Ehegattin über den strittigen Zeitraum hinaus einen gemeinsamen Haushalt geführt hat, was von den von ihm genannten Auskunftspersonen bestätigt worden ist. Ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers und dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens kann daher von einer Verletzung von Verfahrensvorschriften auf Grund mangelhafter Sachverhaltsermittlungen keine Rede sein.
Der Verwaltungsgerichtshof kann im Rahmen der ihm zustehenden Schlüssigkeitsprüfung (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 548 f) nicht finden, die Beweiswürdigung der belangten Behörde wäre rechtswidrig. Bereits das Beschwerdevorbringen spricht nicht für, sondern gegen die Behauptung des Beschwerdeführers im nunmehrigen Verfahren, er habe im strittigen Zeitraum mit seiner geschiedenen Ehegattin nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt. Wenn die belangte Behörde überdies auf Grund der Ausführungen des Beschwerdeführers im Verfahren betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe,
"Ich bezog Familienbeihilfe bis einschließlich 31.12.1990, die
nach dem Gesetze den Kindern zukommen. Ab 1.1.1991 bezog die Kindesmutter, die im selben Haushalt lebt, Kinderbeihilfe."
(Berufung vom 8. Juni 1991),
"Bis August 1991 bestand trotz Ehescheidung im Juni 1990 ein
gemeinsamer Wohnsitz und Haushalt. Ab 1.11.1991 wurde der Haushalt aufgelöst, weil das Haus .... geräumt werden mußte."
(Schreiben vom 5. November 1991),
"Daß ich anspruchsberechtigt war, liegt nach § 2 FLAG auf der Hand (Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes)."
(Schreiben vom 14. November 1991) und
"Ich habe die Familienbeihilfe im genannten Zeitraum zu Recht
bezogen, da ich mich zu diesem Zeitpunkt sehr wohl um die Pflege der Kinder kümmern mußte, für sämtliche Kosten aufzukommen hatte und mit meiner geschiedenen Frau nach wie vor im gemeinsamen Haushalt lebte."
(Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 27. November 1991),
zu dem Schluß gelangt ist, daß der Beschwerdeführer zumindest im strittigen Zeitraum mit den Kindern und seiner geschiedenen Ehegattin im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, kann dies nicht als unschlüssig erkannt werden.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994140049.X00Im RIS seit
01.06.2001