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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §80 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der D in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat III) vom 30. Dezember 1994, Zl. 6/73/4-Bk/Km-1994, betreffend Einkommensteuer 1983 bis 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 13.040 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war seit 1977 Dienstnehmerin eines Unterstützungsvereines in L, der ua gastgewerbliche Aktivitäten entfaltet. Zum 30. Juni 1986 wurde ihr Dienstverhältnis durch Kündigung seitens des Arbeitgebers beendet.
Die Beschwerdeführerin brachte beim Finanzamt die als "Selbstanzeige" bezeichneten Eingabe vom 22. Juni 1989 ein. In dieser Eingabe führte sie aus, sie sei als Dienstnehmerin des Vereins zunächst als Serviererin, ab August 1981 als Bürokraft und ab Jänner 1984 als Leiterin des Büros der Küchen- und Restaurantbetriebe des Vereins tätig gewesen. Ca. Ende des Jahres 1983 sei PP Obmann des Vereins geworden und habe damit PR in dieser Funktion abgelöst. Im ersten Monat der Tätigkeit als Büroleiterin sei ihr aus unerledigt gebliebenen Abrechnungen der letzten Monate des Jahres 1983 ein Überschuß von 60.000 S verblieben; sie habe nicht gewußt, in welcher Weise sie diesen verbuchen solle. Sie habe hierüber mit dem Obmann PP gesprochen. Dabei sei ihr klar geworden, daß die Zigarettenerlöse in den verbuchten Umsätzen der gastgewerblichen Betriebe nicht enthalten gewesen seien und somit nicht über die Buchhaltung des Vereines gelaufen seien. Ergebnis des Gespräches mit PP sei gewesen, daß diese Praxis, die möglicherweise bereits früher bestanden habe, beibehalten werde. Die Beschwerdeführerin solle als Entgelt für ihre Mehrarbeit (über die vereinbarten 6 Stunden pro Tag hinaus) einen Pauschalbetrag von 5.000 S pro Monat erhalten, der nicht versteuert werden und aus den genannten Zigarettenerlösen stammen solle. Auf diese Weise habe sie in den Jahren 1984 und 1985 24 Mal 5.000 S erhalten. Offensichtlich aus diesen Schwarzeinnahmen habe sie im Jahr 1983 einen weiteren Betrag von 16.000 S und im Jahr 1985 einen solchen von 60.000 S erhalten. Anläßlich der Kündigung zum 31. Juni 1985 habe die Beschwerdeführerin, offensichtlich um sie zu bestimmen, über die Malversationen im Bereich des Vereins Stillschweigen zu wahren, den zusätzlichen Betrag von 200.000 S erhalten. Von den gesamten nicht versteuerten Geldzugängen (396.000 S) habe sie am 17. Mai 1989 296.000 S zurückgezahlt.
Im Zuge einer beim Verein durchgeführten Prüfung schätzte das Finanzamt den vom Verein in den Streitjahren erzielten Gewinn. Die sich aufgrund der Prüfung ergebenden Erhöhung des Gewinnes des Vereins rechnete das Finanzamt zum Teil der Beschwerdeführerin - zum Teil dem Obmann - als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu und veranlagte sie zur Einkommensteuer. Dabei wurden jedem der beiden die in der Selbstanzeige der Beschwerdeführerin und in jener des PP genannten Beträge und die Hälfte des Betrages, um den die Gewinnzuschätzung die Summe der in den Selbstanzeigen angegebenen Beträge überstieg, zugerechnet. Auf die Beschwerdeführerin entfielen folgende Beträge:
Gesamtbetrag Anteil Beschwerdeführerin
S S
1983:
Verkürzungsbetrag 2,314.115 116.000
1984:
Verkürzungsbetrag 1,748.523
- Selbstanzeigen 440.000 260.000
Rest 1,308.523 654.261
914.261
1985:
Verkürzungsbetrag 1,228.714
- Selbstanzeigen 486.000 120.000
Rest 742.714 371.357
491.357
1986:
Verkürzungsbetrag 143.096
- Selbstanzeigen 40.000
Rest 103.096 51.548
In der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 1983 bis 1986 brachte die Beschwerdeführerin vor, mangels Gewährung der Einsichtnahme in die Akten des Vereins könne sie die ihr zugerechneten Beträge nicht überprüfen. Sie habe als Dienstnehmerin des Vereins sowohl einen laufenden monatlichen Lohn als auch die zusätzlichen, in der Selbstanzeige enthaltenen Beträge erhalten. Sie hätte die Beträge niemals ohne Zustimmung ihres Vorgesetzten, des Obmannes des Vereins, erhalten können. Beide Arten von Bezügen unterlägen jedoch dem Lohnsteuerabzug, sie wären daher nicht im Wege einer Veranlagung zur Einkommensteuer zu erfassen.
Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 17. November 1992, 29 Vr n1/89, 29 Hv n2/92, wurde die Beschwerdeführerin als Beitragstäterin (§§ 12 dritter Fall, 14 StGB) des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil PP dem Verein entzogene Beträge an die Beschwerdeführerin weitergegeben habe und diese sich die Beträge - in den Jahren 1984 und 1985 insgesamt 80.000 S, in den Jahren 1985 oder 1986 insgesamt 200.000 S, Ende 1983 16.000 S - zugeeignet habe.
Mit Vorhalt vom 29. März 1994 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, es könne davon ausgegangen werden, daß während des gesamten Jahres 1983 Geld an sie geflossen sei, weshalb die Zurechnung von Einkünften des Jahres 1983 in Höhe von 412.333 S (einschließlich des sich aus der Selbstanzeige ergebenden Betrages von 16.000 S) erwogen werde. Im Berufungsverfahren betreffend den Verein sei es zu einer Reduktion der geschätzten Gewinne für 1984 (um 76.798 S), 1985 (um 20.000 S) und 1986 (um 20.000 S) gekommen; die der Beschwerdeführerin zuzurechnenden Einkünfte seien daher entsprechend (um die Hälfte der Gewinnminderung) zu senken. Für das Jahr 1986 ergebe sich im Hinblick auf die bereits im März 1986 ausgesprochene Kündigung eine weitere Minderung des der Beschwerdeführerin zuzurechnenden Anteiles, sodaß auf sie nur mehr ein Betrag von 20.774 S entfalle.
In der Folge wurde der Beschwerdeführerin auch ein Auszug aus dem Betriebsprüfungsbericht betreffend die Prüfung beim Verein für den Zeitraum 1983 bis 1986 übermittelt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Dem Vorhalt vom 29. März 1994 entsprechend änderte sie den Einkommensteuerbescheid 1983 zum Nachteil und die Einkommensteuerbescheide 1984 bis 1986 zum Vorteil der Beschwerdeführerin. Zur Begründung wird ausgeführt, nach den Feststellungen des Prüfers seien Einnahmen aus dem Zigarettenverkauf, aus dem Betrieb von gastgewerblichen Einrichtungen und aus der Dressenreinigung nicht in die Buchhaltung des Vereins aufgenommen und daher nicht versteuert worden. Die Abgabenbescheide gegenüber dem Verein seien rechtskräftig, die vom Prüfer geschätzten Ergebnisse des Vereins seien im Berufungsverfahren hinsichtlich der Jahre 1984 bis 1986 geringfügig reduziert worden. Es stelle sich nun die Frage, wem die nicht verbuchten Einnahmen (abzüglich der geschätzten Ausgaben) zugekommen seien. Die Beschwerdeführerin habe ebenso wie der Obmann PP die Veruntreuung von Geldern einbekannt. Im Berufungsverfahren sei nicht hervorgekommen, daß außer der Beschwerdeführerin sowie PP (und im Jahr 1983 PR) weitere Personen als Empfänger der strittigen Beträge in Betracht kämen. Aufgrund der Tatsache, daß die Zigarettenerlöse nicht in den Hauptkassenberichten, die die Beschwerdeführerin geführt habe, enthalten seien, schließe die belangte Behörde, daß die Beschwerdeführerin Kenntnis vom "Schwarzgeldtopf" gehabt und diesen verwaltet habe. Die belangte Behörde gelange daher zu dem Ergebnis, daß nicht nur PR und PP, sondern auch die Beschwerdeführerin Schwarzgelder an sich genommen bzw erhalten habe. Die Höhe der Beträge sei im Berufungsverfahren betreffend den Verein festgestellt worden, sodaß die belangte Behörde von ihrer Richtigkeit ausgehe. Für die Zeit nach September 1983 (nach dem Ausscheiden von PR) gehe die belangte Behörde vom Zutreffen der vom Finanzamt vorgenommenen Verteilung der nicht erklärten Gewinne auf die Beschwerdeführerin und auf PP aus, weil die Beschwerdeführerin die Schwarzgelder verwaltet habe und mit PP befreundet gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe zwar eingewendet, daß die Gelder überwiegend bzw. zur Gänze PP zugekommen seien, was sich auch aus dessen Hausbau(aufwendungen) ergebe. Sie habe aber die Hausbaukosten des PP nicht beziffert, außerdem lasse sich die Finanzierung durch das offizielle Einkommen des PP und ein Bauspardarlehen erklären. Arbeitgeber der Beschwerdeführerin sei nicht der jeweilige Obmann (PR oder PP), sondern der Verein gewesen. Es bedürfe keiner weiteren Erörterung, daß die Veruntreuungen ohne Zustimmung des Vereins erfolgt seien, der bei veruntreuendem Verhalten seines Obmannes nicht mehr durch ihn vertreten werde. Im gegenständlichen Fall hätten sich PP als Obmann, somit der Vertreter des Vereins, und die Beschwerdeführerin in gemeinsamem Einvernehmen Geldbeträge angeeignet. Eine Rückzahlung der Beträge sei im Einvernehmen mit dem Vertretungsorgan des Vereins von vornherein nicht beabsichtigt gewesen. Die wirtschaftliche Veranlassung für die Bereicherung der Beschwerdeführerin liege in ihren Dienstleistungen gegenüber dem Arbeitgeber. Es erscheine der belangten Behörde aber als unrichtig, den Verein als unbeteiligten, aber von der Vermögensminderung betroffenen Dritten noch zusätzlich mit der Lohnsteuer zu belasten. Durch die Zustimmung des Obmannes sei der wahre wirtschaftliche Gehalt für die Bereicherung der Beschwerdeführerin in den Dienstleistungen an den Verein zu sehen, sodaß sie als Vorteil aus dem Dienstverhältnis zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führten, die im Veranlagungsweg zu erfassen seien.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Höhe der für den Verein geschätzten, nicht in dessen Rechenwerk ausgewiesenen Gewinne. Mit ihrem Vorbringen gegen die Verteilung dieser zugeschätzten Beträge und den daraus resultierenden Anteil der Beschwerdeführerin vermag sie aber eine Rechtswidrigkeit nicht aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat die Zuschätzung zunächst in jenem Ausmaß auf den Vereinsobmann einerseits und die Beschwerdeführerin andererseits aufgeteilt, das sich aus deren Selbstanzeigen ergeben hat. Durch diese Verteilung wurde der Beschwerdeführerin ein insgesamt um 190.000 S niedrigerer Anteil zugewiesen als dem Obmann, wodurch dessen leitende Stellung Berücksichtigung gefunden hat. Wenn aber die belangte Behörde annahm, für 1983 bis 1985 sei der verbleibende Betrag zu gleichen Teilen dem Obmann und der Beschwerdeführerin zugeflossen, so stellt sich dies als Ergebnis schlüssiger Beweiswürdigung dar. Auf den von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwand, PP habe Gelder zur Finanzierung seines Hausbaues benötigt, ist die belangte Behörde eingegangen, indem sie darauf verwies, daß die Finanzierung durch das versteuerte Einkommen des PP und durch Darlehensgewährung erklärbar ist. Im übrigen hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan, daß dem Vereinsobmann ein solcher Beitrag an den nicht im Rechenwerk des Vereins aufscheinenden Geschäften zukommt, der es wahrscheinlich machen würde, daß ihm - über die erhöhte Zuweisung aufgrund der Selbstanzeigen hinaus - ein höherer Betrag zugekommen wäre als der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerde ist aber im Recht, wenn sie - ihm Rahmen des Beschwerdepunktes der Verletzung im Recht, entgegen den Bestimmungen der §§ 39 und 41 EStG 1972 zur Einkommensteuer veranlagt worden zu sein - die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides rügt:
Die belangte Behörde räumt ein, daß der Beschwerdeführerin die Einnahmen, die im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfaßt worden sind, mit Zustimmung des Vereinsobmannes als des vertretungsbefugten Organs der Körperschaft zugekommen sind. Für die Frage, ob die Bezüge dem Lohnsteuerabzug unterliegen, ist sodann entscheidend, ob das Handeln des Obmannes im gegenständlichen Fall dem Verein (als Arbeitgeber) zugerechnet werden kann. Vorteile aus dem Dienstverhältnis, die dem Dienstnehmer mit Wissen und Willen des Arbeitgebers zukommen, unterliegen dem Lohnsteuerabzug. Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß der Verein bei "veruntreuendem Verhalten des Obmannes insofern nicht mehr vom Obmann vertreten wird". Damit hat sie aber die Rechtslage verkannt. Die Körperschaft muß auch für allfällige rechtswidrige Organhandlungen ihrer Vertretungsorgane einstehen. Die Vertretungsbefugnis des Obmannes bringt es mit sich, daß auch Rechtshandlungen, die keinen rechtsgeschäftlichen Charakter im engen Sinn des Wortes haben, und auch sogenannte Realakte bis hin zu deliktischem Verhalten den Verein verpflichten, wobei nur Voraussetzung ist, daß der Obmann sein Verhalten in seiner Eigenschaft als Organ des Vereins gesetzt hat (vgl. hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, 92/13/0061). Daß diese Voraussetzung im Beschwerdefall nicht erfüllt sei, hat die belangte Behörde nicht aufgezeigt.
Da der Obmann, soweit er als vertretungsbefugtes Organ des Vereins der Überlassung von im Rechenwerk des Vereins nicht erfaßten Einnahmen dieser juristischen Person an die Beschwerdeführerin zustimmte, den Willen des Vereins repräsentierte, hat die belangte Behörde mit der Ansicht, die in Streit stehenden Beträge seien nicht mit Willen des Vereins der Beschwerdeführerin zugeflossen, die Rechtslage verkannt.
Stellen sich die Einkünfte der Beschwerdeführerin aber als solche dar, von denen der Verein als Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1972 Lohnsteuer einzubehalten hat, so ist gemäß § 41 Abs. 1 leg. cit. eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht vorzunehmen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995140058.X00Im RIS seit
20.11.2000