TE Vfgh Erkenntnis 1993/9/27 B31/93

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Veröffentlicht am 27.09.1993
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
Oö GVG 1975 §4 Abs1
Oö GVG 1975 §6 litf

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs mangels Selbstbewirtschaftung und wegen erheblichen Übersteigens der Gegenleistung über den wahren Wert

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Drittbeschwerdeführerin veräußerte mit Kaufverträgen vom 29. April 1992 aus dem Gutsbestand der Liegenschaft in EZ 98, Grundbuch Zell bei Zellhof, an den Erstbeschwerdeführer die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke Nr. 715, 716/1 und 717/1 sowie das Grundstück Nr. 716/2 (Weg) im Gesamtausmaß von 9196 m2, an den Zweitbeschwerdeführer das landwirtschaftlich genutzte Grundstück Nr. 718 im Ausmaß von 6315 m2. Der Kaufpreis wurde jeweils mit S 100,-- pro Quadratmeter festgelegt.

Die Bezirksgrundverkehrskommission Pregarten versagte den vorgesehenen Eigentumsübertragungen die Genehmigung.

2. Der gegen diese Bescheide jeweils von beiden Vertragsteilen eingebrachten Berufung gab die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oö. Landesregierung nicht Folge.

3. Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten, jeweils von beiden Vertragsteilen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird (ausschließlich) die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

4. Die Landesgrundverkehrskommission als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) Nach §1 Abs1 erster Satz des Oö. Grundverkehrsgesetzes 1975 - Oö. GVG 1975, LGBl. 53, bedarf ua. die Übertragung des Eigentums an einem ganz oder teilweise der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmeten Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Genehmigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. Gemäß §4 Abs1 Oö. GVG 1975 müssen Rechtsgeschäfte den öffentlichen Interessen an der Schaffung und Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen und an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes entsprechen. Rechtsgeschäfte, die den Voraussetzungen gemäß §4 Abs1 (2 oder 3) Oö. GVG 1975 nicht entsprechen, dürfen nicht genehmigt werden (§4 Abs4 Oö. GVG 1975). In §6 Oö. GVG 1975 sind - in einer lediglich beispielhaften Aufzählung (arg. "insbesondere" im ersten Halbsatz dieser Bestimmung) - Fälle angeführt, in denen die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes jedenfalls nicht gegeben sind. Dies ist ua. der Fall, wenn zu besorgen ist, daß die Gegenleistung den wahren Wert erheblich übersteigt (litf).

b) Die belangte Behörde hat, indem sie den Berufungen der Beschwerdeführer nicht Folge gab, einen mit den erstinstanzlichen Bescheiden übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen (s. zB VfSlg. 5970/1969, 6016/1969, 8084/1977), mit dem sie den beabsichtigten Eigentumsübertragungen die Genehmigung versagte. Während jedoch die Behörde erster Instanz die Versagung der Genehmigungen allein auf §6 litf Oö. GVG 1975 stützte - danach sind die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes nicht gegeben, wenn zu besorgen ist, daß die Gegenleistung den wahren Wert erheblich übersteigt -, trat die belangte Behörde zwar dieser Auffassung der Erstbehörde bei, doch ging sie zusätzlich davon aus, daß auch die in §4 Abs1 Oö. GVG 1975 (allgemein) umschriebenen Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung nicht vorlägen, weil anzunehmen sei, daß die Käufer, also der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer, die jeweiligen Kaufgrundstücke nicht selbst bewirtschaften werden.

2. Dem von den Beschwerdeführern ausdrücklich erhobenen Vorwurf, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes (Art6 StGG) verletzt worden zu sein, ist entgegenzuhalten, daß sich dieses Grundrecht, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl. etwa VfSlg. 7539/1979 mwH, 9541/1982, 10745/1986, 12712/1991), nur gegen jene historischen Beschränkungen richtet, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Klassen bestanden haben. Art6 StGG verbietet es auch, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte dadurch zu schaffen, daß ihnen - ohne Rücksicht darauf, ob es die nach dem Gesetz zu schützenden Grundverkehrsinteressen erfordern - nur deswegen, weil sie bereits Landwirte sind, gegenüber Personen, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft, das vorzugsweise oder gar ausschließliche Recht eingeräumt wird, landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben (VfSlg. 5683/1968, 7927/1976, 9070/1981, 10797/1986, 10822/1986, 11411/1987, 11516/1987, 12597/1991). Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie die Grundverkehrsgesetze enthalten, werden dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa VfSlg. 9682/1983, 10896/1986, 10902/1986).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die grundverkehrsbehördlichen Genehmigungen nicht versagt, um den Erwerb der in Rede stehenden Grundstücke durch den Erst- und den Zweitbeschwerdeführer, die nicht Landwirte sind, zugunsten eines Landwirtes, der diese Grundstücke zu erwerben beabsichtigt, zu verhindern. Vielmehr wurden diese Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt grundverkehrsrechtlicher Interessen deshalb getroffen (s. dazu VfSlg. 8309/1978, 320; 8766/1980, 142; 9454/1982, 562; 9456/1982, 571; 10566/1985, 166), weil nach Ansicht der belangten Behörde die in §4 Abs1 Oö. GVG 1975 umschriebenen Voraussetzungen für die Genehmigung nicht vorlagen (s. dazu auch unten unter II.3.b) und zudem der Versagungsgrund nach §6 litf Oö. GVG 1975 gegeben war.

3.a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zur Übertragung des Eigentums an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken vom bisherigen Eigentümer auf den Erwerber wird sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber in der Ausübung privater, den Schutz des Art5 StGG genießender Rechte beschränkt und somit ein Eingriff in das Eigentum bewirkt (vgl. zB VfSlg. 7539/1975 und die dort zitierte Vorjudikatur; VfSlg. 10565/1985, 11756/1988).

Ein solcher Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 11413/1987, 12119/1989, 14) dann verfassungswidrig, wenn der Bescheid entweder ohne jede gesetzliche Grundlage oder unter Heranziehung eines verfassungswidrigen Gesetzes erlassen worden wäre, wobei die denkunmögliche Anwendung des Gesetzes als Gesetzlosigkeit anzusehen ist. Ein solcher Fall läge nur dann vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. etwa VfSlg. 9693/1983, 10566/1985).

b) Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde die Frage, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurden, ungeachtet dessen geprüft, daß in der Beschwerde ein derartiger Vorwurf jedenfalls nicht ausdrücklich erhoben wurde.

Eine Verletzung des Eigentumsrechtes liegt indessen nicht vor.

Gegen die dem angefochtenen Bescheid in materieller Hinsicht zugrundeliegenden Rechtsvorschriften bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zu §4 Abs1 Oö. GVG 1975 etwa VfSlg. 9313/1982, 9454/1982, 9765/1983, 10566/1985 mwH, 10644/1985, 10744/1986, 10921/1986, 11614/1988; zu §6 litf Oö. GVG 1975 zB VfSlg. 10047/1984, ferner zu den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bestimmungen des §8 Abs2 liti des NÖ Grundverkehrsgesetzes 1964 VfSlg. 5831/1968, des §6 Abs1 litg des (Tiroler) Grundverkehrsgesetzes 1966 VfSlg. 6572/1971 und des §6 Abs1 litg des (Tiroler) Grundverkehrsgesetzes 1970 VfSlg. 7539/1975).

Die belangte Behörde hat diese Rechtsvorschriften aber auch nicht denkunmöglich angewendet.

Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, daß im Grundverkehrsrecht seit jeher der Gedanke tragend war, es komme darauf an, ob "ein ausreichender Grund für die Annahme vorliege, daß vom Erwerber das Gut nicht selbst ... bewirtschaftet wird" (VfSlg. 5683/1968, 7654/1975 mwH, 10789/1986, 10797/1986, 10890/1986; vgl. etwa auch VfSlg. 10563/1985, 10744/1986, 10747/1986, 10764/1986, 11754/1988). Demnach ist es in den durch das Oö. GVG 1975 zu schützenden öffentlichen Interessen gelegen, daß die im Rahmen des Grundverkehrs erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke von den Erwerbern selbst bewirtschaftet werden (VfSlg. 11516/1987; s. etwa auch VfSlg. 10564/1985).

Die belangte Behörde, die das von der Behörde erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren durch Vornahme eines Augenscheines unter Beiziehung der Vertragsparteien sowie je eines Vertreters der Marktgemeinde Bad Zell und der Bezirksbauernkammer Freistadt ergänzt hatte, ging - insofern durchaus im Einklang mit dem Parteienvorbringen - davon aus, daß es sich bei den Kaufgrundstücken um landwirtschaftlich genutzte Grundstücke handle, die außerhalb bzw. am Rand des Ortsgebietes der Marktgemeinde Bad Zell gelegen und nach dem geltenden Flächenwidmungsplan dieser Gemeinde als Grünland gewidmet seien und die - abgesehen von dem an einer Seite an eine als Bauland gewidmete Fläche angrenzenden Grundstück Nr. 717/1 - an landwirtschaftliche Nutzflächen angrenzten. Die belangte Behörde ging des weiteren, auch insofern in Übereinstimmung mit dem Parteienvorbringen, davon aus, daß beide Käufer (also der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer) auf den entsprechenden Grundflächen je ein Wohnhaus zu errichten beabsichtigten, bis zur Verwirklichung dieses Vorhabens aber die Grundstücke einem Vollerwerbslandwirt zur landwirtschaftlichen Nutzung überlassen wollten. Schließlich ging die belangte Behörde, gestützt auf die Angaben der Marktgemeinde Bad Zell und unter Berücksichtigung des Gesamtausmaßes der im Gebiet dieser Gemeinde derzeit als Bauland gewidmeten Flächen davon aus, daß eine Umwidmung der hier in Rede stehenden Grundstücke in Bauland (frühestens) erst in etwa zehn Jahren "denkbar" sei.

Die belangte Behörde konnte bei diesen von ihr festgestellten Gegebenheiten denkmöglich zu der Auffassung gelangen, der Erwerb der Kaufgrundstücke durch den Erst- und den Zweitbeschwerdeführer widerspreche dem durch §4 Abs1 Oö. GVG 1975 geschützten Interesse an der Erhaltung landwirtschaftlicher Nutzflächen, weil der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer sie nicht selbst nutzen werden (s. dazu etwa VfSlg. 9456/1982, 10563/1985, 10747/1987, 11754/1988).

Auch die Auffassung der belangten Behörde, die Gegenleistung übersteige iS des §6 litf des GVG 1975 erheblich den wahren Wert, ist durchaus denkmöglich, zumal die belangte Behörde, indem sie vom "ortsüblichen Verkehrswert" ausging, der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 7539/1975 mwH) folgte. Die Unrichtigkeit der Ermittlung des ortsüblichen Verkehrswertes der Kaufgrundstücke durch die belangte Behörde wird von den Beschwerdeführern nicht behauptet. Offenkundig verfehlt ist die Auffassung der Beschwerdeführer, unter der in §6 litf des GVG 1975 erwähnten Gegenleistung sei nicht der Kaufpreis, sondern der Wert der Kaufgrundstücke zu verstehen. Auch diesbezüglich ist auf die zuletzt zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen.

4. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem sonstigen von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sind.

Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z4 B-VG nicht zulässig ist (zB VfSlg. 6877/1972, 8309/1978, 8317/1978, 9454/1982, 9456/1982, 10565/1985, 10659/1985, 11754/1988).

5. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. dazu oben unter II.3.b) ist es auch ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung, Preis ortsüblicher, Liegenschaftserwerbsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B31.1993

Dokumentnummer

JFT_10069073_93B00031_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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