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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde
1. der Stadtbetriebe L GesmbH in L und 2. des Wasserverbandes Fernwasserversorgung M in H, beide vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 24. März 1995, Zl. WA-600948/21/Ort/Stu, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Wasserrechtsangelegenheit (mitbeteiligte Partei: J), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Bechwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 16. Juni 1994 wurde der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung zur Kiesgewinnung in Form einer Trockenbaggerung auf Grundstück Nr. 746, KG M., und zur fortgesetzten Kiesgewinnung im Bereich der Trockenbaggerung auf Grundstück Nr. 747 derselben KG erteilt. Beide Grundstücke liegen im Grundwasserschongebiet "Nördliches Eferdinger Becken". Die beschwerdeführenden Parteien, die in diesem Grundwasserschongebiet Wasserwerke betreiben, wurden zu der der Bewilligung vorangehenden mündlichen Verhandlung nicht persönlich geladen. Nachdem sie von der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung an die mitbeteiligte Partei erfahren hatten, begehrten sie die Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 16. Juni 1994 und erhoben nach dessen Zustellung Berufung.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. März 1995 wurden die Berufungen als unzulässig zurückgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt, aus den im Akt befindlichen Rückscheinen sei ersichtlich, daß der Bewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung am 20. Juni 1994 den am Verfahren tatsächlich beteiligten Parteien zugestellt worden sei. Daraus folge, daß mit Ablauf des 4. Juli 1994 dieser Bescheid rechtskräftig geworden sei. Die mündliche Verhandlung sei ordnungsgemäß durch Edikt beim Marktgemeindeamt Feldkirchen a.d.D. kundgemacht worden. Da die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien nach Eintritt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides erhoben worden seien, seien sie auf Grund des § 107 Abs. 2 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 21. Juni 1995, B 1483/95, ihre Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten die beschwerdeführenden Parteien eine Beschwerdeergänzung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführenden Parteien bringen vor, ihre Berufungen seien bis zum Eintritt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides zulässig gewesen. Der erstinstanzliche Bescheid sei nicht vor seiner Zustellung an die beschwerdeführenden Parteien rechtskräftig geworden. Sie hätten rechtzeitig innerhalb der Berufungsfrist nach Zustellung dieses Bescheides Berufung erhoben. Die Berufung hätte daher nicht als unzulässig zurückgewiesen werden dürfen.
Nach § 107 Abs. 2 WRG 1959 kann eine Partei (§ 102 Abs. 1), die eine mündliche Verhandlung ohne ihr Verschulden versäumt hat, ihre Einwendungen auch nach Abschluß der mündlichen Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen. Solche Einwendungen sind binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt, in dem die Partei nachweislich davon Kenntnis erhalten hat, daß ihre Rechte durch das Bauvorhaben berührt werden, bei der Behörde einzubringen, die die mündliche Verhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine rechtskräftige Entscheidung der Angelegenheit im Sinne des § 107 Abs. 2 WRG 1959 vor, wenn Unanfechtbarkeit des Bescheides im Hinblick auf alle tatsächlich am Verfahren beteiligten Parteien, also auf alle anderen Parteien als die übergangene, eingetreten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. November 1981, Zl. 81/07/0108 u.a.). Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall vor. Es ist daher bereits vor der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an die beschwerdeführenden Parteien Rechtskraft dieses Bescheides im Sinne des § 107 Abs. 2 WRG 1959 eingetreten. Die nach Eintritt dieser Rechtskraft von den beschwerdeführenden Parteien erhobene Berufung war daher unzulässig.
Die beschwerdeführenden Parteien bringen weiters vor, § 107 Abs. 2 WRG sei auf das gegenständliche Verfahren nicht anzuwenden. Die Bestimmung gelte nur für wasserrechtliche Genehmigungsverfahren, mit denen ein "BAUVORHABEN" genehmigt werden solle. Die Genehmigung eines Schotterabbaues sei aber kein Bauvorhaben, weil ein Bauvorhaben eine "Baulichkeit", also ein von Menschenhand angelegtes Gebäude, voraussetze.
§ 107 Abs. 2 WRG 1959 ist Teil des mit "mündliche Verhandlung" überschriebenen § 107 WRG 1959. Dessen Abs 1 verwendet den Begriff des "Vorhabens", der alles umfaßt, was einer wasserrechtlichen Bewilligung bedarf. Es ist kein Anhaltspunkt dafür zu finden, daß der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffes "Bauvorhaben" im § 107 Abs. 2 WRG 1959 den Anwendungsbereich dieser Bestimmung gegenüber jenem des Abs. 1 einschränken wollte. Auch ein Blick auf andere Bestimmungen des WRG 1959 zeigt, daß der Begriff "Bauvorhaben" in einem umfassenden, auch einen Schotterabbau beinhaltenden Sinn zu verstehen ist.
§ 38 WRG 1959 ist mit "Besondere bauliche Herstellungen" überschrieben. Abs. 1 des § 38 leg. cit. erfaßt die Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer. Die Bestimmung erfaßt daher nicht nur Bauten, sondern auch andere Anlagen. Darunter sind Anlagen aller Art, z.B. Uferanschüttungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juli 1978, Zl. 2077/77), Baugruben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1979, Zl. 1713/79), kurz alles, was durch die Hand des Menschen angelegt, also errichtet wird, zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1991, Zl. 90/07/0107 u.a.). Solche Anlagen sind, wie aus der Überschrift zu § 38 WRG 1959 hervorgeht, "bauliche Herstellungen". Verwendet das WRG 1959 aber den Begriff der "baulichen Herstellung" in einem derart umfassenden Sinn, dann kann auch für den Begriff des "Bauvorhabens" nichts anderes gelten. Schottergewinnungsanlagen sind daher Bauvorhaben im Sinn des § 107 Abs. 2 WRG 1959.
Die beschwerdeführenden Parteien machen schließlich Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 107 Abs. 2 WRG 1959 geltend und regen an, der Verwaltungsgerichtshof möge gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG den Antrag an den Verfassungsgerichtshof stellen, § 107 Abs. 2 WRG 1959 wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben.
Die beschwerdeführenden Parteien haben jene verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 107 Abs. 2 WRG 1959, auf die sie sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof stützen, bereits in ihrer Verfassungsgerichtshofbeschwerde vorgebracht. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem die Behandlung der Beschwerde ablehnenden Beschluß vom 21. Juni 1995, B 1483/95, ausgesprochen, daß das Vorbringen in der Beschwerde, soweit die Verfassungswidrigkeit des § 107 Abs. 2 WRG 1959 behauptet wird, vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes
(VfSlg. Nr. 5884/1969, 8661/1979, 8797/1980, 8838/1980, u.a.) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
Neue Aspekte werden im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof von den beschwerdeführenden Parteien nicht vorgebracht. Der Verwaltungsgerichtshof hegt unter dem Blickwinkel des Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 107 Abs. 2 WRG 1959 und sieht sich daher auch nicht veranlaßt, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieser Bestimmung zu beantragen.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von den beschwerdeführenden Parteien behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995070159.X00Im RIS seit
12.11.2001