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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Verleihung der Staatsbürgerschaft und ihre Erstreckung auf die minderjährigen Kinder; Zulässigkeit des Nachweises der Identität im Staatsbürgerschaftsverfahren mittels Dokumenten und Zeugen aus einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen SchutzRechtssatz
Ein Fremder hat seine Identität gem §5 Abs3 StbG durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, wenn seine Identität nicht bereits durch Einsicht in das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister (ZSR) oder in andere den Behörden zur Verfügung stehende Register unzweifelhaft festgestellt werden kann. Für einen Nachweis kommen nur amtliche Lichtbildausweise in Betracht, die Vorlage anderer amtlicher Dokumente, wie einer Geburtsurkunde, genügen hiefür nicht. Gelingt dem Fremden ein solcher Nachweis seiner Identität nicht, kann die Behörde die Abnahme der Papillarlinienabdrücke der Finger anordnen, "um davon ausgehend beweiswürdigend die Identität des Fremden für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zweifelsfrei festzustellen". Führt auch dies allein oder im Zusammenhang mit anderen Dokumenten und daran allenfalls anzuschließenden Ermittlungen nicht zur zweifelsfreien Feststellung der Identität, so hat die Behörde bzw das Verwaltungsgericht von Amts wegen auf andere Weise zu versuchen, die Identität des Fremden zweifelsfrei festzustellen.
Es geht im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren darum, einer ganz bestimmten, durch ihren Namen identifizierbaren Person die Staatsbürgerschaft zu verleihen und insofern ihren rechtlichen Status zu gestalten. Dies bedeutet nicht, dass die von §5 Abs3 StbG geforderte Identitätsfeststellung nur dann vorliegt, wenn ein Identitätsnachweis im Zusammenhang mit Identitätsdokumenten (oder allenfalls in Verbindung mit Identitätszeugen) erbracht werden kann, die außerhalb der im Zuge des Asylverfahrens festgestellten "Verfahrensidentität" der Beschwerdeführerin liegen. Hätte §5 Abs3 StbG diesen Inhalt, würde diese Bestimmung Personen wie die Beschwerdeführerin, (die schon als Flüchtling geboren wurden und) denen es (objektiv) nicht möglich ist, Nachweise über ihre Identität zu erbringen, die nicht mit ihrer Identitätsfeststellung im Verfahren auf internationalen Schutz im Zusammenhang stehen, letztlich von der Verleihung der Staatsbürgerschaft ausschließen. Eine solche Anordnung wäre sachlich nicht zu rechtfertigen und stünde daher im Widerspruch zu den Anforderungen des aus ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 folgenden Gleichbehandlungsgebotes von Fremden untereinander, deren Ungleichbehandlung nur dann und insoweit zulässig ist, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Staatsbürgerschaftsrecht, Amtswegigkeit (Ermittlungsverfahren), Asylrecht, KinderEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2023:E3480.2022Zuletzt aktualisiert am
05.04.2023