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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
EO §237;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des H in Graz, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 23. März 1993, Zl. B 162-3/92, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hat mit Kaufvertrag vom 13. Juli 1982 jeweils einen 1/4-Anteil an zwei inländischen Liegenschaften erworben. Laut gerichtlichem Vergleich vom 8. November 1984 erwarb der Beschwerdeführer im Zuge der Scheidung von seiner Ehegattin jeweils einen weiteren 1/4-Anteil an diesen Liegenschaften um den Betrag von insgesamt S 380.000,--. Auf Grund eines Antrages einer Gläubigerbank zur Hereinbringung offener Kreditforderungen wurden diese Liegenschaftsanteile am 5. Oktober 1989 der Meistbietenden im Zwangsversteigerungsverfahren um den Betrag von S 5,6 Mio zugeschlagen. Mit Verteilungsbeschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 27. Februar 1990 wurde dem Beschwerdeführer nach Befriedigung der Gläubiger der verbleibende Rest der Verteilungsmasse von S 2,445.543,22 zugewiesen.
Mit Bescheid des Finanzamtes wurde die Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Streitjahr mit S 2,043,586,-- festgesetzt; dies ausgehend von der Rechtsansicht, die Veräußerung der erwähnten Liegenschaftsanteile im Wege der Zwangsversteigerung stelle beim Beschwerdeführer ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft im Sinne des § 30 Abs. 1 EStG 1988 dar.
Der vom Beschwerdeführer gegen den Einkommensteuerbescheid erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid nur insoweit stattgegeben, als ein Schreibfehler bei der Ermittlung des Spekulationsgewinns von S 4,900.198,-- auf S 4,609.198,-- richtiggestellt wurde. Die belangte Behörde vertrat begründend die Rechtsansicht, auch § 30 Abs. 3 Z. 2 EStG 1988 stehe der Annahme eines Spekulationsgeschäftes auf Seite des Beschwerdeführers nicht entgegen, weil es sich bei einer Zwangsversteigerung nicht um einen "behördlichen Eingriff" iSd Gesetzesstelle handle.
Mit Beschluß vom 30. November 1993, B 961/93-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht in Streit, ob die Zwangsversteigerung der genannten Liegenschaftsanteile des Beschwerdeführers ein Spekulationsgeschäft (Veräußerungsgeschäft) innerhalb der gesetzlich normierten Spekulationsfrist im Sinne des § 30 EStG 1988 darstellt. Die Beschwerde bestreitet dies und meint, bei einer Zwangsversteigerung könne nicht von einem "Rechtsgeschäft im schuldrechtlichen Sinn" gesprochen werden. Außerdem verstehe § 30 Abs. 3 Z. 2 EStG 1988 unter einem "behördlichen Eingriff" auch eine Zwangsversteigerung, zumal bei derartigen Vermögensübertragungen eine Spekulationsabsicht auszuschließen sei.
Gemäß § 30 Abs. 1 Z. 1 lit. a EStG 1988 sind Veräußerungsgeschäfte als Spekulationsgeschäfte anzusehen, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gemäß Abs. 3 Z. 2 dieser Gesetzesstelle liegen Spekulationsgeschäfte nicht vor, wenn Wirtschaftsgüter infolge eines behördlichen Eingriffes oder zur Vermeidung eines solchen nachweisbar unmittelbar drohenden Eingriffs veräußert werden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Umsatzsteuer betreffenden Erkenntnis vom 10. März 1983, Slg.Nr. 5766/F, näher ausgeführt hat, zielt keine der gerichtlichen Anordnungen im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens darauf ab, dem Gericht bzw. seinem Rechtsträger (Bund) die Verfügungsmacht an der Liegenschaft und ihrem Zubehör gleich einem Eigentümer zu verschaffen. Zweck der Zwangsversteigerung unter dem Gesichtspunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht ist es vielmehr, daß die Verfügungsmacht vom Verpflichteten auf den Ersteher der Liegenschaft übergeht, wobei das Zubehör das Schicksal der Liegenschaft grundsätzlich teilt. Diesem Zweck dienen auch die behördlichen Anordnungen im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens und im besonderen der Zuschlag. Dieser Zuschlag als behördliche (gerichtliche) Anordnung hat den unmittelbaren Übergang der Verfügungsmacht an der Liegenschaft vom Verpflichteten auf den Ersteher zum Inhalt. Die Tatsache, daß es sich um einen unmittelbaren Übergang der Verfügungsmacht vom Verpflichteten auf den Ersteher der Liegenschaft kraft behördlicher Anordnung und nicht um die Übertragung einer auf das Gericht übergegangenen Verfügungsmacht im Sinne der "Zweistufentheorie" handelt, erhellt auch die exekutionsrechtliche Bedeutung des Zuschlags:
Danach ist der Zuschlag ein konstitutiver Hoheitsakt, der das Eigentum an der versteigerten Liegenschaft dem bisherigen Eigentümer nimmt und dem Ersteher gibt.
Diese Beurteilung läßt sich, auch angesichts der in beiden Bereichen vorzunehmenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise, auf § 30 EStG 1988 übertragen. Der unmittelbare Übergang eines Vermögensgegenstandes im Wege der Zwangsversteigerung vom Verpflichteten auf den Ersteher stellt daher auf der Seite des ersteren ein Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 30 EStG 1988 dar.
Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 28. April 1967, Zl. 42/67, ausgesprochen, daß auch im Fall einer Zivilteilung und einer damit verbundenen Veräußerung im Wege einer öffentlichen Feilbietung eine Veräußerung iS des § 23 EStG 1967 vorliegt. Diese Rechtsansicht hat der Verwaltungsgerichtshof auch für den Fall der Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft im Erkenntnis vom 16. September 1975, Zl. 733/75, zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 30 EStG 1972 aufrecht erhalten, und zwar unabhängig davon, ob das Teilungsbegehren vom Steuerpflichtigen oder von einem anderen Miteigentümer der Liegenschaft ausging. Auch der Bundesfinanzhof erblickt in der Abtretung der Rechte in der Zwangsversteigerung ein Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 d EStG (siehe das Urteil vom 28. Juni 1977 VIII R 30/74, d BStBl 1977, II, 827f).
Das Versteigerungsgericht hat durch den Zuschlag aber auch keinen "behördlichen Eingriff" im Sinne des § 30 Abs. 3 Z. 2 EStG 1988 vorgenommen. Unter einem solchen Eingriff ist nämlich nicht jede behördliche Einwirkung auf ein Geschehen zu verstehen, sondern nur eine solche, mit der die öffentliche Hand Eigentumsrechte zu ihren Gunsten verschiebt oder ebenfalls zu ihren Gunsten in einer Weise beeinträchtigt, daß - ohne Übertragung des Eigentums - das Eigentumsrecht an einer Sache mit enteignungsähnlicher Wirkung beschränkt wird. Letztere Fallkonstellation war offenbar auch Anlaß dafür, daß der Gesetzgeber der in Rede stehenden Gesetzesstelle eine allgemeinere Fassung als der analogen Bestimmung im EStG 1972, in der es hieß, daß Spekulationsgeschäfte nicht vorliegen, wenn Grundstücke im Wege eines Enteignungsverfahrens oder freiwillig zur Abwendung eines nachweisbar unmittelbar drohenden Enteignungsverfahrens veräußert werden, gegeben hat; damit steht auch das Fehlen diesbezüglicher Ausführungen in den Gesetzesmaterialien zu § 30 EStG 1988 zumindest nicht in Widerspruch, wäre doch eine Änderung in die dem Beschwerdeführer vorschwebende Richtung einer Erwähnung in den Gesetzesmaterialien jedenfalls wert gewesen.
Da das Gesetz bei Umschreibung des Tatbestandes "Spekulationsgeschäfte" nicht auf die Absicht der an Veräußerungsgeschäften Beteiligten abstellt (vgl. hiezu Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, 1195), kann auch der Hinweis auf das Fehlen einer derartigen Absicht im vorliegenden Fall nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994150009.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
18.05.2011