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L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Stoisser, über die Revision der N F, vertreten durch die Orsini und Rosenberg & Striessnig Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Annagasse 8, gegen das am 7. Juli 2022 mündlich verkündete und am 26. Juli 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, Zl. VGW-141/081/3527/2022-18, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde der Antrag der Revisionswerberin vom 6. Jänner 2022 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs abgewiesen und gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
2 Begründend ging das Verwaltungsgericht im Kern davon aus, dass die Revisionswerberin mit Schreiben der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 14. Jänner 2022 aufgefordert worden sei, bis 3. Februar 2022 näher bezeichnete Unterlagen zu übermitteln bzw. Angaben zu machen. Diese auf die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) gestützte Aufforderung sei der Revisionswerberin am 20. Jänner 2022 durch Hinterlegung ordnungsgemäß zugestellt worden. Da die Revisionswerberin trotz Setzung einer angemessenen Frist zur Vorlage dieser Unterlagen bzw. Nachweise und ausdrücklichem Hinweis auf die durch die Säumigkeit resultierenden Rechtsfolgen ihrer Mitwirkungsobliegenheit nicht vollständig nachgekommen sei und auch keine berücksichtigungswürdigen Verhinderungsgründe bescheinigt habe, lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 WMG für die Abweisung des Antrags auf Zuerkennung von Leistungen der Mindestsicherung vor.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 28.10.2022, Ra 2022/10/0135; 24.2.2022, Ra 2021/10/0194; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081).
7 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst eine krasse Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichtes geltend gemacht, weil dieses davon ausgegangen sei, dass die Revisionswerberin ihrer Mitwirkungspflicht nicht vollständig nachgekommen sei und auch keine berücksichtigungswürdigen Verhinderungsgründe bescheinigt habe. Die Beweisergebnisse hätten ergeben, dass die Revisionswerberin kein Verschulden an dem Versäumnis treffe und ihr deshalb auch keine Obliegenheitsverletzung angelastet werden könne. Auch „wenn die förmliche Zustellung ordnungsgemäß erfolgt“ sei, bedeute dies noch nicht, dass die Revisionswerberin tatsächlich Kenntnis vom Schreiben der Behörde gehabt habe oder haben hätte müssen. Vielmehr „wäre es Aufgabe des Verwaltungsgerichtes Wien gewesen, das Verhalten der Revisionswerberin“ im Sinne des § 16 Abs. 1 WMG zu würdigen. Das Verwaltungsgericht hätte zum Schluss kommen müssen, dass der Revisionswerberin kein Fehlverhalten angelastet werden könne und vielmehr ein berücksichtigungswürdiger Umstand im Sinne des § 16 Abs. 1 WMG vorliege.
8 Dem ist zu erwidern, dass das Verwaltungsgericht - nach Einvernahme der Revisionswerberin, deren Sohnes sowie des Zustellorgans im Rahmen der mündlichen Verhandlung - davon ausgegangen ist, dass die Hinterlegungsanzeige hinsichtlich des in Rede stehenden Schreibens der Behörde vom 14. Jänner 2022 - entgegen den Behauptungen der Revisionswerberin und deren Sohnes, es sei keine Hinterlegungsanzeige im Briefkasten gewesen - vom Zustellorgan in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden sei. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin obliegt es allerdings nach § 16 Abs. 1 letzter Satz WMG der Hilfe suchenden oder empfangenden Person glaubhaft zu machen und entsprechend zu bescheinigen, dass ein triftiger Verhinderungsgrund für die Unterlassung der rechtzeitigen Mitwirkung im Sinne des § 16 Abs. 1 WMG vorliegt. Wodurch im Revisionsfall nach Ansicht der Revisionswerberin eine derartige Glaubhaftmachung bzw. Bescheinigung erfolgt wäre, wird in der Revision nicht ausgeführt. Eine krasse Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichtes wird in den Zulässigkeitsausführungen jedenfalls nicht aufgezeigt.
9 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung in diesem Zusammenhang auch geltend gemacht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die „Nichtkenntnis der Aufforderung samt dem Umstand, dass unmittelbar nach Kenntnis der Aufforderung nachgekommen“ worden sei, einen berücksichtigungswürdigen Verhinderungsgrund im Sinne des § 16 Abs. 1 WMG darstelle, genügt es darauf hinzuweisen, dass die Revisionswerberin damit nicht von dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt, sondern von ihren Behauptungen ausgeht. Das Verwaltungsgericht hat eine derartige Nicht-Kenntnis der Aufforderung vom 14. Jänner 2022 nämlich gerade nicht festgestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber bei der Zulässigkeitsbegründung vom festgestellten Sachverhalt, kann schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen (vgl. VwGH 14.10.2022, Ra 2022/10/0122; 28.2.2022, Ro 2022/09/0002; 10.12.2021, Ra 2020/07/0077).
10 In den Zulässigkeitsausführungen wird im Weiteren ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, weil die Revisionswerberin „die geforderten Unterlagen“ unmittelbar nach Kenntnis der Säumnis vorgelegt habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits im Zusammenhang mit § 37a Abs. 2 letzter Satz Wiener Sozialhilfegesetz - dieser sei wortgleich mit § 16 Abs. 1 zweiter Satz WMG - ausgesprochen, dass eine vollinhaltliche Bestätigung im Fall einer späteren Vorlage der Unterlagen nicht rechtskonform sei (Verweis auf VwGH 13.5.2011, 2009/10/0127).
11 Mit diesem Vorbringen wird allerdings nicht konkret dargetan, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte, lässt die Revision doch unerwähnt, dass die Revisionswerberin nach den vorgelegten Verfahrensakten mit dem erwähnten Schreiben der Behörde vom 14. Jänner 2022 auch dazu aufgefordert wurde, eine Bestätigung über die Beantragung einer „EWR-Ausgleichszulage“ vorzulegen, falls die Revisionswerberin aus Bulgarien eine Pension beziehe, die geringer als € 977,94 sei. Dass die Revisionswerberin - die ihren Angaben in der Beschwerdeverhandlung zufolge eine derartige Pension in Höhe von ca. € 190,-- pro Monat bezieht - eine derartige Bestätigung vorgelegt habe, wurde weder im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch in der Revision - in der jene Unterlagen ausdrücklich aufgezählt werden, die nachträglich vorgelegt worden seien, ohne eine derartige Bestätigung zu nennen - behauptet. Es wird demnach nicht dargelegt, dass das rechtliche Schicksal der vorliegenden Revision von der Frage abhängt, ob ab der - vollständigen - Vorlage der geforderten Unterlagen die beantragte Mindestsicherungsleistung zuzusprechen gewesen wäre.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. Februar 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022100164.L00Im RIS seit
04.04.2023Zuletzt aktualisiert am
04.04.2023