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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §13 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Stoisser, über die Revision der E M in Wien, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. April 2022, Zl. W254 2251365-1/2E, betreffend Studienbeihilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Senat der Studienbeihilfenbehörde an der Stipendienstelle Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. April 2022 wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den in einer Angelegenheit nach dem Studienförderungsgesetz 1992 ergangenen Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde an der Stipendienstelle Wien vom 10. November 2021 zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Begründend ging das Verwaltungsgericht im Kern davon aus, dass es sich bei der von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde um eine „leere“ Beschwerde im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 27.2.2020, Ra 2019/11/0102; 10.6.2008, 2007/02/0340) gehandelt habe. Der Schriftsatz habe keinerlei Begründung und Begehren beinhaltet, es gehe unter anderem aus der gewählten Formulierung („Da die Rechtsberatung der österreichischen HochschülerInnenschaft sowie die Stipendienstelle Wien bis zum Ablauf der Frist am 30.12.2021 aufgrund der Feiertage nicht erreichbar sind, bitte ich um Verständnis, den begründeten Beschwerdeantrag nachzureichen. Dies ist ab dem 04.01.2022 wieder möglich.“) eindeutig hervor, dass die Revisionswerberin vorerst keine Begründung liefern wolle bzw. könne und sie in rechtsmissbräuchlicher, klar formulierter Absicht die vierwöchige Rechtsmittelfrist verlängern wolle. Die Revisionswerberin sei zwar bei der Erhebung der Beschwerde unvertreten gewesen, jedoch gehe aus den Schriftsätzen der Revisionswerberin (gemeint: der Beschwerde sowie eines Ersuchens der Revisionswerberin um Fristverlängerung vom 25. Dezember 2021) eindeutig und zweifelsfrei hervor, dass ihr der Mangel des Rechtsmittels bewusst gewesen sei. Auch fehle es im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 28.3.2012, 2011/08/0375) wegen des Elementes der Wissentlichkeit (Wissen um die Frist bzw. Kenntnis davon, dass eine Beschwerde eine nähere Begründung benötigt) an einer Mangelhaftigkeit, die bloß auf einem (allenfalls auch auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführenden) Versehen der Revisionswerberin beruhe. Aus den Schreiben der Revisionswerberin gehe vielmehr hervor, dass es ihre Intention gewesen sei, die Rechtsmittelfrist zu verlängern. Daher sei auf diese Eingabe § 13 Abs. 3 AVG von vornherein nicht anzuwenden und die Beschwerde somit zurückzuweisen gewesen.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 28.10.2022, Ra 2022/10/0135; 24.2.2022, Ra 2021/10/0194; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081).
7 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach „der alleinige Hinweis einer (unvertretenen) Partei in einem Beschwerdeschriftsatz, eine ‚ausführliche Beschwerde‘ bzw. ‚ausführliche Begründung‘ nachzureichen, keinen Rechtsmissbrauch“ darstelle (Verweis auf VwGH 7.4.2020, Ra 2019/09/0111; 29.5.2018, Ra 2018/20/0059, 0060; 17.2.2015, Ro 2014/01/0036, VwSlg. 19.037 A; 21.5.2007, 2006/05/0160). Das Verwaltungsgericht weiche auch von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Verbesserungsfähigkeit einer Beschwerde ab (Verweis auf VwGH 10.6.2008, 2007/02/0340; 25.4.2008, 2008/02/0012, VwSlg. 17.439 A; 3.11.2004, 2004/18/0200). Zudem weiche der angefochtene Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die rechtsmissbräuchliche Absicht in der Zurückweisungsentscheidung nachvollziehbar darzustellen sei, ab (Verweis auf VwGH 7.4.2020, Ra 2019/09/0111; 29.5.2018, Ra 2018/20/0059, 0060; 17.2.2015, Ro 2014/01/0036, VwSlg. 19.037 A; 10.6.2008, 2007/02/0340; 21.5.2007, 2006/05/0160).
8 Dem ist Folgendes zu erwidern:
9 Nach der ständigen (neueren) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht dient § 13 Abs. 3 AVG dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind. Hat hingegen die Partei den Mangel erkennbar bewusst herbeigeführt, um etwa auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, so ist für die Erteilung eines Verbesserungsauftrages kein Raum. Das bewusst und rechtsmissbräuchlich mangelhaft gestaltete Anbringen ist sofort zurückzuweisen. Die Zulassung von Verbesserungsverfahren bei derartigen, wissentlich als Fristerstreckungsansuchen oder bloße Rechtsmittelanmeldungen gestalteten Eingaben würde dazu führen, dass ungeachtet dessen, dass der Gesetzgeber solche Rechtsinstitute in den Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzen nicht vorgesehen hat (im Gegensatz z.B. zu § 245 Abs. 3 BAO), diese durch das Verbesserungsverfahren nach § 13 Abs. 3 AVG ohne weiteres substituiert werden könnten. Auch bewusst und rechtsmissbräuchlich eingebrachte „leere“ Beschwerden nach dem VwGVG sind ohne Erteilung eines Verbesserungsauftrages sofort zurückzuweisen (vgl. VwGH 18.1.2021, Ra 2020/13/0065, mit Verweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG I² § 13 Rz 27/1, sowie VwGH 3.9.2019, Ra 2019/08/0123; 6.7.2011, 2011/08/0062, VwSlg. 18.180 A).
10 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen, wenn es im Revisionsfall davon ausgegangen ist, dass sich aus der Formulierung der Beschwerde in Verbindung mit dem Ersuchen um Fristverlängerung vom 25. Dezember 2021 unmissverständlich ergibt, dass die Revisionswerberin in Kenntnis des Umstandes, dass das eingebrachte Rechtsmittel eines begründeten Beschwerdeantrags bedarf, den Mangel erkennbar bewusst herbeigeführt hat, um auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen. Ein „alleiniger Hinweis“ einer unvertretenen Partei in einem Beschwerdeschriftsatz, eine ausführliche Beschwerde bzw. eine ausführliche Begründung nachzureichen, lag - entgegen den Revisionsausführungen - im Revisionsfall nicht vor. Auch ein Abweichen von der von der Revisionswerberin genannten hg. Judikatur zur Verbesserungsfähigkeit einer Beschwerde wird nicht aufgezeigt, unterscheidet sich der vorliegende Fall doch gerade dadurch von jenen Fällen, dass die rechtsmissbräuchliche Absicht („um ... auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen“) vom Verwaltungsgericht - gestützt auf die Schreiben der Revisionswerberin - nachvollziehbar dargelegt wurde.
11 Soweit die Revisionswerberin auch vorbringt, der angefochtene Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil die Beschwerde nicht „sofort“, sondern erst knapp drei Monate später zurückgewiesen worden sei (Verweis auf VwGH 29.5.2018, Ra 2018/20/0059,0060), ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach - wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht - die Revisionswerberin konkret darzulegen hat, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Dabei reicht es nicht aus, bloß Rechtssätze zu verschiedenen hg. Erkenntnissen wiederzugeben oder hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl zu nennen, ohne auf konkrete Abweichungen von dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. VwGH 22.8.2022, Ra 2022/10/0005, 0006; 24.2.2022, Ra 2022/03/0040; 30.3.2021, Ra 2020/07/0075, 0076).
12 Eine derartige Darlegung liegt allerdings schon deshalb nicht vor, weil sich der Sachverhalt, der jenem Erkenntnis vom 29. Mai 2018 zugrunde lag, vom vorliegenden bereits darin maßgeblich unterscheidet, dass die Zurückweisung dort erst rund 22 Monate nach Erhebung des Rechtsmittels erfolgte. Dass eine „knapp drei Monate“ später erfolgte Zurückweisung als nicht „sofort“ vorgenommen zu beurteilen wäre, kann diesem Erkenntnis nicht entnommen werden. Ein Abweichen von dieser Rechtsprechung wird daher in der allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt. Auf die Frage, ob in einer Sachverhaltskonstellation wie derjenigen im genannten Erkenntnis der dort vertretenen Rechtsansicht vom hier erkennenden Senat zu folgen wäre, ist daher nicht einzugehen.
13 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. März 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022100088.L00Im RIS seit
04.04.2023Zuletzt aktualisiert am
04.04.2023