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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag SteiermarkNorm
AVG §13Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 10. Juni 2020, LVwG 50.37-2767/2019-3, betreffend eine Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Baugesetz (mitbeteiligte Partei: E H in G, vertreten durch Prutsch & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Joanneumring 6/III; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Vorgeschichte:
1 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) vom 22. Juni 2017 wurde der Bescheid des Stadtsenates der Stadt G. (belangte Behörde, nunmehr Amtsrevisionswerber) vom 13. März 2017, mit dem der Mitbeteiligten gemäß § 41 Abs. 4 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) die Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung näher bezeichneter Räumlichkeiten in der KG G. „als Gaststätte“ aufgetragen worden war, (ersatzlos) aufgehoben und begründend zusammengefasst ausgeführt, in Bezug auf die Frage der Vorschriftswidrigkeit der behördlich festgestellten Nutzung komme es nicht nur darauf an, ob eine rechtskräftige Baubewilligung vorliege, sondern auch darauf, ob nicht von einem rechtmäßigen Bestand im Sinne des § 40 Abs. 2 Stmk. BauG auszugehen sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne auch eine Verwendungszweckänderung den Gegenstand eines Feststellungsverfahrens nach § 40 Abs. 2 Stmk. BauG bilden (Verweis auf VwGH 25.9.2007, 2006/06/0011 und 9.11.2011, 2010/06/0163). Dies hätte die belangte Behörde im Rahmen einer Vorfragenbeurteilung zu klären gehabt. Fallbezogen würde sich die zu prüfende Gaststättennutzung lediglich bei Nichtvorliegen eines rechtmäßigen Bestandes nach § 40 Abs. 2 leg. cit. als vorschriftswidrig und die bekämpfte Nutzungsuntersagung damit als rechtmäßig erweisen.
2 Die gegenständlichen Räumlichkeiten seien jedoch bereits seit 1981 als Gastgewerbebetrieb genutzt worden, wobei diese Nutzung nach den bis zum 31.12.1984 in Geltung stehenden Vorschriften bewilligungsfähig gewesen sei (Verweis auf § 40 Abs. 2 Stmk. BauG in der maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 29/2014). Es sei daher nach § 40 Abs. 2 Stmk. BauG von einem rechtmäßigen Bestand auszugehen und das Vorliegen einer Baubewilligung nicht erforderlich, weshalb die Nutzungsuntersagung nach § 41 Abs. 4 leg. cit. zu beheben gewesen sei.
Vorliegendes Revisionsverfahren:
3 Mit Schreiben der Mitbeteiligten vom 16. Oktober 2017, bei der Behörde eingelangt am 20. Oktober 2017, stellte diese gemäß § 40 Abs. 2 und 3 Stmk. BauG den „Antrag auf Feststellung eines rechtmäßigen Bestandes über die Widmung als Geschäftslokal, als gastgewerbliche Betriebsanlage“ für das oben erwähnte und im Antrag näher bezeichnete Objekt in der KG G.
4 Mit Bescheid des Amtsrevisionswerbers vom 23. September 2019 wurde „aus Anlass des Antrages“ der Mitbeteiligten „vom 16. Oktober 2017 auf Feststellung der Rechtmäßigkeit der Nutzung von Räumlichkeiten im Erdgeschoss“ des obgenannten Gebäudes „als Swinger-Club“ gemäß § 40 Abs. 2 und 3 Stmk. BauG festgestellt, „dass diese Nutzung nicht als rechtmäßig gilt“.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG vom 10. Juni 2020 hob dieses den angefochtenen Bescheid auf und sprach aus, dass dagegen eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das LVwG dazu zusammengefasst aus, die Mitbeteiligte habe eine Feststellung hinsichtlich der Nutzung als Swinger-Club nicht beantragt. Die Entscheidung des Amtsrevisionswerbers gehe über die Sache des Verwaltungsverfahrens hinaus und sei daher rechtwidrig. Selbst wenn man den angefochtenen Bescheid dahingehend deute, dass er von Amts wegen erlassen worden wäre, stehe dem entgegen, dass § 40 Abs. 2 und 3 Stmk. BauG nicht zu einer negativen Feststellung berechtige. Ein unbegründeter Feststellungsantrag sei abzuweisen; ein nach § 40 Abs. 3 Stmk. BauG amtswegig eingeleitetes Verfahren sei einzustellen, wenn sich herausstelle, dass eine Rechtmäßigkeit im Sinne des § 40 Abs. 2 Stmk. BauG nicht vorliege. Der angefochtene Bescheid sei aus diesem Grund aufzuheben; der Antrag der Mitbeteiligten erweise sich damit als noch unerledigt.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren nach § 40 Abs. 2 und 3 Stmk. BauG eine Bindung an diesen Antrag bestehe. Ein Bescheid nach § 40 Abs. 3 Stmk. BauG könne auf Antrag oder von Amts wegen ergehen, weshalb eine Bindung an den Antragsgegenstand nicht bestehe (Verweis auf VwGH 27.2.1998, 96/06/0077). Zudem fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob nach § 40 Abs. 2 und 3 Stmk. BauG auch ein negativer Feststellungsbescheid zulässig sei.
8 Die Revision ist unzulässig.
9 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht wird, es ginge hier um die Rechtsfrage, ob im Verfahren nach § 40 Abs. 2, 3 Stmk. BauG, dem ein Antrag zugrunde liege, eine Bindung an diesen Antrag bestehe, genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die „Sache“, über die eine Behörde im Bauverfahren zu entscheiden hat, durch das Ansuchen/die Anzeige bestimmt wird (vgl. zuletzt etwa VwGH 3.1.2023, Fe 2022/06/0001 mit Verweis auf die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht6; 89 ff, zitierte hg. Rechtsprechung).
10 Die Auslegung einer konkreten Parteienerklärung betrifft dabei in der Regel nur den Einzelfall. Eine solche Auslegung wäre nur dann revisibel, wenn dem Verwaltungsgericht dabei eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen und die im Einzelfall erfolgte Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. etwa VwGH 31.8.2022, Ra 2022/06/0119, 0120, mwN).
11 Fallbezogen legte das LVwG den verfahrenseinleitenden Antrag der Mitbeteiligten vom 16. Oktober 2017 derart aus, dass damit eine Feststellung der Rechtmäßigkeit der Nutzung der verfahrensgegenständlichen Räumlichkeiten „als Swinger-Club“ nicht beantragt worden sei. Angesichts des konkreten, aus den Verfahrensakten ersichtlichen Antragswortlautes ist nicht zu sehen, dass diese Beurteilung des LVwG im Sinne der genannten Rechtsprechung unvertretbar wäre, und dies wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision auch nicht aufgezeigt. Es ist dem LVwG daher nicht entgegenzutreten, wenn es im angefochtenen Erkenntnis zum Ergebnis kam, dass der Amtsrevisionswerber mit der Feststellung betreffend die Rechtmäßigkeit einer Nutzung „als Swinger-Club“ die durch den Antrag der Mitbeteiligten festgelegte Sache des antragsgebundenen Verfahrens überschritten hat.
12 Soweit die Amtsrevision weiters auf die Frage eines amtswegigen Abspruches in der gegenständlichen Angelegenheit abzielt und dazu zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es seien nach § 40 Abs. 2 und 3 Stmk. BauG „zwei Fallgruppen zu unterscheiden, nämlich, dass eine Negativfeststellung in Erledigung eines Antrages erfolgt oder von Amts wegen“, und im Fall einer amtswegigen Negativfeststellung erhalte der Bescheidadressat „rechtliche Klarheit, die er auch im Instanzenzug bekämpfen“ könne, weshalb sich die Rechtsfrage stelle, ob nach der genannten Gesetzesbestimmung zulässigerweise ein negativer Feststellungsbescheid erlassen werden könne, ist dazu Folgendes zu sagen:
13 Aus dem dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Behördenakt des Amtsrevisionswerbers ergibt sich kein Hinweis darauf, dass das Verwaltungsverfahren, welches zum Bescheid vom 23. September 2019 führte, gemäß § 40 Abs. 3 Stmk. BauG von Amts wegen eingeleitet worden wäre. Auch wenn im Spruch des genannten Bescheides davon die Rede ist, dass dieser „aus Anlass des Antrages“ der mitbeteiligten Partei ergangen ist, was darauf hindeutet, dass der Amtsrevisionswerber damit nicht über den Antrag der Mitbeteiligten abgesprochen hat, vermag dies den erforderlichen, aktenmäßig dokumentierten Willensakt der Behörde zur Einleitung eines amtswegigen Verfahrens nicht zu ersetzen.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Einleitung eines amtswegigen Verwaltungsverfahrens einen entsprechenden Willensakt voraussetzt, der der jeweils zuständigen Behörde zuzurechnen ist und seinem Inhalt nach - objektiv betrachtet - darauf abzielt, den Sachverhalt bezüglich der Voraussetzungen der jeweiligen Verwaltungssache zu klären (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0023, mwN). Ein solcher - auch formloser - Willensakt ist dem Behördenakt wie erwähnt nicht zu entnehmen; auch in der Revision behauptet der Amtsrevisionswerber nicht, zur Frage der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Nutzung der verfahrensgegenständlichen Räumlichkeiten als „Swinger-Club“ ein amtswegiges Verfahren gemäß § 40 Abs. 3 Stmk. BauG eingeleitet zu haben, welches letztlich in den vom LVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis behobenen Bescheid vom 23. September 2019 gemündet habe. Die Tatsache, dass nach § 40 Abs. 3 Stmk. BauG die Rechtmäßigkeit nach dessen Abs. 2 auch von Amts wegen beurteilt werden könnte, bedeutet nicht, dass dies gegenständlich auch erfolgt ist.
15 Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aber nicht zuständig (vgl. für viele etwa VwGH 23.5.2022, Ra 2021/06/0223, mwN). Der Frage, ob nach § 40 Abs. 2, 3 Stmk. BauG zulässigerweise ein negativer Feststellungsbescheid erlassen werden dürfte, kommt nach dem Gesagten (da dem Amtsrevisionswerber bei Behandlung des Antrages der Mitbeteiligten vom 16. Oktober 2017 ein Abspruch über die Nutzung als „Swinger-Club“ mangels diesbezüglichen Antragsgegenstandes einerseits verwehrt war, und andererseits betreffend ein allfälliges amtswegiges Verfahren nicht einmal vom Amtsrevisionswerber selbst behauptet wird, dass ein solches geführt worden wäre) keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Das vom Amtsrevisionswerber zur Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar1998, 96/06/0077, ist nicht einschlägig, da die dort zugrunde liegende gesetzliche Regelung auf die Konstellation des vorliegenden Revisionsfalles nicht übertragbar ist.
16 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 6. März 2023
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020060151.L00Im RIS seit
03.04.2023Zuletzt aktualisiert am
03.04.2023