TE Vwgh Erkenntnis 2023/3/8 Ra 2022/03/0274

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Veröffentlicht am 08.03.2023
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Index

L40059 Prostitution Sittlichkeitspolizei Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ProstG Wr 2011 §12 Abs1
ProstG Wr 2011 §17 Abs1 litb
ProstG Wr 2011 §17 Abs2 litc
ProstG Wr 2011 §2 Abs6
ProstG Wr 2011 §6 Abs1 litd
ProstG Wr 2011 §6 Abs3
ProstG Wr 2011 §9 Abs5
Prostituierten-SchutzV Wr 2011
SicherheitsvorkehrungenV Wr 2013
VStG §44a Z1
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. September 2022, Zl. VGW-001/038/3366/2022-2, betreffend Übertretungen des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 (mitbeteiligte Partei: G D in W, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        1.1. Mit Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrigen Revisionswerberin vom 3. März 2022 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe am 3. November 2021 an einer näher bestimmten Adresse in W als Verantwortlicher ein Prostitutionslokal unter Nichteinhaltung der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten erlassen werden, betrieben, indem im Lokal der Sicherheitsalarm zwar vorhanden war, jedoch nicht funktioniert habe. Dadurch sei die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten erlassen werden, Amtsblatt der Stadt Wien „Nr. 24/2011“ (gemeint wohl: Nr. 45/2011 in der Fassung Nr. 16/2021), nicht eingehalten worden, nach deren § 5 in jedem Raum, in dem sexuelle Dienstleistungen erbracht werden, eine Einrichtung einer Alarmauslösung mit einem deutlich hörbaren Alarmsignal vorhanden sein müsse.

2        Mit Spruchpunkt 2. dieses Straferkenntnisses wurde er weiters schuldig erkannt, zum gleichen Tatzeitpunkt am gleichen Tatort als Verantwortlicher ein Prostitutionslokal unter Nichteinhaltung der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten erlassen werden, (gemeint wohl: mit der nähere Vorschriften über Sicherheitsvorkehrungen in Prostitutionslokalen erlassen werden) betrieben zu haben, indem im Lokal im Vorraum des Studios der Fluchtweg durch ein aufgestelltes schwarzes Sofa versperrt gewesen sei. Dadurch sei die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über Sicherheitsvorkehrungen in Prostitutionslokalen erlassen werden, Amtsblatt der Stadt Wien „Nr. 10/2013“ (gemeint wohl: Nr. 29/2013 in der Fassung Nr. 32/2021), nicht eingehalten worden, wonach Fluchtwege von Gegenständen freigehalten werden müssen und nicht von leicht brennbaren, leicht umzuwerfenden oder leicht zu verschiebenden Gegenständen begrenzt werden dürfen.

3        Dadurch habe der Mitbeteiligte jeweils gegen §§ 12 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 5 iVm § 6 Abs. 1 lit. d Wiener Prostitutionsgesetz 2011 (WPG 2011) verstoßen, weswegen über ihn zu Spruchpunkt 1. gemäß § 17 Abs. 1 lit. b WPG 2011 und zu Spruchpunkt 2. gemäß § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von € 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 30 Tagen) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben werde.

4        1.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass der Mitbeteiligte keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe und dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, unter der Annahme, dass die Strafbestimmung des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 auf den Inhalt einer Verordnung auf Grund des § 6 Abs. 3 WPG 2011 verweise, liege eine Verweisung auf einen Rechtsakt einer anderen Normsetzungsautorität vor. Dies sei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dann verfassungswidrig, wenn es sich um eine dynamische Verweisung handle (Hinweis auf VfSlg. 12.947/1991). Eine Verweisung auf die im Spruch des Straferkenntnisses zitierte „Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten erlassen werden, Abl. der Stadt Wien Nr. 24/2011“ und die „Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten erlassen werden, Abl. der Stadt Wien Nr. 10/2013, richtig: Nr. 29/2013“ scheide „allein auf Grund verfassungsrechtlicher Kautelen“ aus.

6        Verfassungsrechtlich zulässig sei hingegen eine statische Verweisung, wenn in der verweisenden Norm das Verweisungsobjekt ausreichend bestimmt festgelegt und die verwiesene Norm in einem den österreichischen Gesetzblättern vergleichbaren Publikationsorgan kundgemacht und auf die Fundstelle verwiesen werde (Hinweis auf VfSlg. 20.171/2017).

7        Vor diesem Hintergrund sei das Verweisungsobjekt in § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 weder hinreichend bestimmt (weil es eine „Verordnung über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude, Gebäudeteile und Räume“ nicht gebe) noch werde auf dessen Fundstelle (etwa durch Angabe der entsprechenden Nummer des Amtsblattes der Stadt Wien) hingewiesen. Diese Umstände müssten umso gravierender wirken, als es sich hier um einen Straftatbestand handle.

8        Überdies sei das Wiener Prostitutionsgesetz 2011 am 22. September 2011 kundgemacht worden und gemäß seinem § 20 Abs. 1 am 1. November 2011 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt sei noch keine auf Grund des § 6 Abs. 3 WPG 2011 erlassene Verordnung in Kraft gestanden, auf welche (verfassungskonform) hätte statisch verwiesen werden können, zumal die „Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten erlassen werden, Abl. der Stadt Wien Nr. 45/2011“, erst am 10. November 2011 kundgemacht worden sei.

9        Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Wiener Prostitutionsgesetz 2011 sei - soweit ersichtlich - einzig die „Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude beziehungsweise Gebäudeteile erlassen werden, ABl. der Stadt Wien Nr. 37/1984“, welche am 1. Oktober 1984 in Kraft und am 18. Juli 2013 außer Kraft getreten sei, in Geltung gestanden. Diese Verordnung sei jedoch nicht auf Grund des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011, sondern des Wiener Prostitutionsgesetzes, LGBl. Nr. 7/1984, erlassen worden.

10       Im Ergebnis sei demnach auf Grund von verfassungsrechtlichen Überlegungen keine Verordnung ersichtlich, auf welche in § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 verfassungskonform verwiesen werde. Die Bestrafung des Mitbeteiligten sei daher zu Unrecht erfolgt.

11       Bemerkt werde zudem, dass als verletzte Rechtsvorschrift § 12 Abs. 1 WPG 2011 angeführt sei, wonach Verantwortliche für die Einstellung der Prostitution zu sorgen haben, wenn den Bestimmungen des § 9 Abs. 5 WPG 2011 zuwidergehandelt werde. Dem Mitbeteiligten sei im Spruch des Erkenntnisses aber nicht die Nichteinstellung der Prostitution, sondern die Nichteinhaltung der angesprochenen Verordnungen angelastet. Hiermit sei dem Konkretisierungsgebot des § 44a VStG nicht Rechnung getragen worden, zumal nicht eindeutig sei, welche Übertretungen dem Mitbeteiligten angelastet werden.

12       1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der belangten Behörde. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren durchgeführt. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13       2. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit unter anderem vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach eine nicht ausreichende Umschreibung der Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG das Verwaltungsgericht nicht berechtige, das Straferkenntnis zu beheben, sondern es berechtigt und verpflichtet sei, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen (Hinweis auf VwGH 30.1.2018, Ra 2017/01/0409, sowie 1.6.2021, Ra 2019/11/0202, u.a.).

14       Die Revision ist aus diesem Grund zulässig und im Ergebnis auch begründet.

15       3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 (WPG 2011), LGBl. Nr. 24 in der Fassung LGBl. Nr. 71/2018, lauten (auszugsweise):

„Begriffsbestimmungen

§ 2. ...

(5) Prostitutionslokale sind zur Anbahnung oder Ausübung der Prostitution bestimmte oder verwendete Gebäude, Gebäudeteile oder andere geschlossene Räume. Die Regeln für Prostitutionslokale gelten bis zum Beweis des Gegenteils auch für Gebäude oder Gebäudeteile, von denen mit Grund vermutet werden kann, dass sie der Anbahnung oder der Ausübung der Prostitution dienen sollen. Insbesondere wird dies auf Grund der äußeren Gestaltung der Räume (wie zB Lichtreklame, bildliche Darstellungen, Bezeichnungen und Schriftzüge) oder weil sich darin eine oder mehrere Personen aufhalten, die ein Verhalten gemäß Abs. 2 setzen oder ein der Prostitutionsausübung zuordenbares äußeres Erscheinungsbild (Bekleidung) aufweisen, zu vermuten sein.

(6) Als Verantwortliche für Prostitutionslokale gelten alle Personen, die ein Prostitutionslokal betreiben oder in deren Eigentum (Miteigentum) oder faktischer Verfügung die für die Ausübung der Prostitution verwendeten Räume stehen. Als Verantwortliche gelten auch Verwalterinnen und Verwalter im Umfang ihrer Befugnis.

...

Prostitutionslokale

§ 6. (1) Gebäude oder Gebäudeteile dürfen zur Ausübung der Prostitution als Prostitutionslokale (§ 2 Abs. 5) nur verwendet werden, wenn

...

d)   sie über ausreichende Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen verfügen, die einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen sowie dem Entstehen von Bränden vorbeugen und dem Schutz der Prostituierten dienen;

...

(3) Die näheren Vorschriften über die in Abs. 1 lit. d) und e) vorgesehenen Einrichtungen und Vorkehrungen sind von der Behörde durch Verordnung zu erlassen.

...

Ausübung von Prostitution

§ 9. ...

(5) Die Ausübung von Prostitution in einem Gebäude ist nur zulässig, wenn dieses als Prostitutionslokal den Vorgaben des § 6 entspricht.

...

Einstellung der Prostitutionsausübung

§ 12. (1) Verantwortliche für Prostitutionslokale (§ 2 Abs. 6) haben für die Einstellung der Prostitutionsausübung zu sorgen, wenn dadurch den Bestimmungen des § 4 und des § 9 Abs. 5 zuwidergehandelt wird, wenn die Rechtsfolge des § 11 Abs. 2 eingetreten ist oder wenn eine Untersagung gemäß § 13 erfolgte.

(2) Die Verpflichtung des Abs. 1 beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem Verantwortliche von der gesetzwidrigen Anbahnung oder Ausübung der Prostitution wussten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten wissen müssen.

...

Strafbestimmungen

§ 17. (1) Wer es als Verantwortliche oder Verantwortlicher für ein Prostitutionslokal gemäß § 2 Abs. 6, unterlässt,

...

b)   für die Einstellung der Prostitutionsausübung gemäß § 12 Abs. 1 zu sorgen,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 3.500 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu drei Wochen, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe von 350 Euro bis 7.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.

(2) Wer als Verantwortliche oder Verantwortlicher gemäß § 2 Abs. 6 ein Prostitutionslokal

...

c)   unter Nichteinhaltung der Verordnung über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude, Gebäudeteile und Räume;

...

betreibt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis 7.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.“

16       Die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten erlassen werden, Abl. der Stadt Wien Nr. 45/2011, in der Fassung der Verordnung Abl. der Stadt Wien Nr. 16/2021 (im Folgenden: Prostituierten-Schutzverordnung), lautet (auszugsweise):

„Aufgrund des § 6 Abs. 1 lit. d) und Abs. 3 sowie § 7 Abs. 1 lit. b) des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 - WPG 2011, LGBl. für Wien Nr. 24/2011, wird verordnet:

...

Alarmvorkehrungen

§ 5. (1) In jedem Raum, in dem sexuelle Dienstleistungen erbracht werden, muss eine Einrichtung einer Alarmauslösung mit einem deutlich hörbaren Alarmsignal vorhanden sein.“

17       Die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über Sicherheitsvorkehrungen in Prostitutionslokalen erlassen werden, Abl. der Stadt Wien Nr. 29/2013, in der Fassung der Verordnung Abl. der Stadt Wien Nr. 32/2021 (im Folgenden: Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013), lautet (auszugsweise):

„Aufgrund des § 6 Abs. 3 des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 - WPG 2011, LGBl. für Wien Nr. 24/2011, geändert durch das Gesetz LGBl. für Wien Nr. 10/2013, wird verordnet:

...

Allgemeine Sicherheitsanforderungen

§ 2. ...

(3) Fluchtwege müssen von Gegenständen freigehalten werden und dürfen nicht von leicht brennbaren, leicht umzuwerfenden oder leicht zu verschiebenden Gegenständen begrenzt werden.“

18       4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2022/03/0103, mit einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien befasst, in dem mit den gleichen Argumenten wie im vorliegenden Fall dargelegt worden war, dass der Verweis auf eine Verordnung in § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 aus verfassungsrechtlichen Erwägungen ins Leere gehe.

Er ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass die Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 1 lit. d iVm. Abs. 3 WPG 2011 die gesetzliche Grundlage für zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände enthält, und zwar zum einen für Sicherheitsvorkehrungen betreffend Prostitutionslokale - auf dieser Grundlage wurde die Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013 erlassen - und zum anderen für Sicherheitsvorkehrungen betreffend den Schutz der Prostituierten - auf dieser Grundlage wurde die Prostituierten-Schutzverordnung erlassen.

Vor diesem Hintergrund ist die Blankettstrafnorm des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 zu verstehen. Sie verweist für die Umschreibung des Tatbildes auf die „Verordnung über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude, Gebäudeteile und Räume“. Darunter kann angesichts des zweigeteilten Regelungsgehaltes der Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 1 lit. d iVm. Abs. 3 WPG 2011 und der beiden auf dieser Grundlage ergangenen Verordnungen schon nach dem Wortlaut von Strafdrohung und Verordnungstiteln nicht die Prostituierten-Schutzverordnung gemeint sein. Jedoch erfasst die Strafdrohung des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 nunmehr die Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013.

Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses (insb. Pkt 4.2.) wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

19       4.2. Zu Spruchpunkt 1. des behördlichen Straferkenntnisses (betreffend den defekten Alarmtaster) wurde dem Mitbeteiligten das Betreiben eines Prostitutionslokals unter Nichteinhaltung einer konkreten Bestimmung der Prostituierten-Schutzverordnung zur Last gelegt.

20       Es trifft nach dem Gesagten zu, dass Übertretungen der Prostituierten-Schutzverordnung nicht von der Strafdrohung des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 erfasst sind. Jedoch hat die belangte Behörde den Mitbeteiligten dafür nicht nach dieser Bestimmung, sondern nach § 17 Abs. 1 lit. b WPG 2011 bestraft.

21       In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass damit nicht - wie hier dem Mitbeteiligten vorgeworfen - das Betreiben eines Prostitutionslokals, sondern die Unterlassung der Einstellung der Prostitutionsausübung gemäß § 12 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 5 WPG 2011 in einem Gebäude, das nicht den Vorgaben des § 6 (hier: Abs. 1 lit. d) WPG 2011 entspricht, unter Strafe gestellt wird.

22       Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof wiederum im Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2022/03/0103, zu einer im Wesentlichen vergleichbaren Konstellation erkannt, dass der Vorwurf, an einem näher bestimmten Ort zu einer näher bestimmten Zeit als Verantwortlicher iSd. § 2 Abs. 6 WPG 2011 ein Prostitutionslokal vorschriftswidrig - nämlich unter näher dargestellten Verstößen gegen konkrete Bestimmungen der Prostituierten-Schutzverordnung - betrieben zu haben, sämtliche Sachverhaltselemente enthält, welche auch einer Bestrafung nach § 17 Abs. 1 lit. b WPG 2011 zu Grunde liegen, weil der Mitbeteiligte als Verantwortlicher iSd. § 2 Abs. 6 WPG 2011 die Einstellung der Prostitutionsausübung unterlassen hat, obwohl die Prostitution in einem vorschriftswidrigen Gebäude - nämlich unter den genannten Verstößen gegen die Prostituierten-Schutzverordnung - ausgeübt wurde. Gegebenenfalls habe das Verwaltungsgericht daher den Tatvorwurf iSd § 44a Z 1 VStG entsprechend der verletzten gesetzlichen Bestimmung („... hat es unterlassen, für die Einstellung der Prostitutionsausübung zu sorgen, obwohl ...“) zu präzisieren. Auch diesbezüglich wird auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses (insb. Pkt. 4.3.) gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

23       4.3. Zu Spruchpunkt 2. des behördlichen Straferkenntnisses (betreffend den verstellten Fluchtweg) wurde dem Mitbeteiligten das Betreiben eines Prostitutionslokals unter Nichteinhaltung der Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013 zur Last gelegt.

24       4.3.1. Dieser Tatvorwurf ist aber - wie oben dargestellt - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes von der Strafdrohung des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 erfasst.

25       4.3.2. Zum Verhältnis dieser Strafbestimmung zu § 17 Abs. 1 lit. b WPG 2011, der die Unterlassung der Einstellung der Prostitutionsausübung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen unter Strafe stellt, ist festzuhalten, dass bei Erfüllung des Tatbestandes des Betreibens eines Prostitutionslokals durch einen Verantwortlichen oder eine Verantwortliche gemäß § 2 Abs. 6 WPG 2011 unter Nichteinhaltung der Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013 zwangsläufig auch eine Nichteinstellung der Prostitutionsausübung nach § 12 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 5 iVm § 6 Abs. 1 lit. d WPG 2011 vorliegt. Da es sich bei § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 um die speziellere Norm handelt, wird bei deren Anwendung das Delikt des § 17 Abs. 1 lit. b WPG 2011 verdrängt (vgl. allgemein zu solchen Fällen der Scheinkonkurrenz etwa VwGH 12.11.2021, Ra 2020/03/0097, mwN).

26       Eine Bestrafung nach § 17 Abs. 1 lit. b WPG 2011 (mit geringerer Strafdrohung) kommt daher nur in Betracht, wenn entweder der Täter (zwar Verantwortlicher gemäß § 2 Abs. 6 WPG 2011 ist, aber) das betreffende Prostitutionslokal nicht betreibt, oder - wie etwa hier bei Spruchpunkt 1. - eine Verletzung von Bestimmungen vorliegt, die nicht von § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 erfasst sind.

27       4.4. Indem das Verwaltungsgericht davon ausging, dass (zu Spruchpunkt 1.) eine Präzisierung des Tatvorwurfes in Richtung Unterlassung der Einstellung der Prostitutionsausübung nicht vorgenommen werden könne und (zu Spruchpunkt 2.) eine Verletzung der Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013 nicht unter Strafe stehe, hat es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob der Mitbeteiligte die ihm vorgeworfenen Taten zu verantworten hat.

28       5. Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 8. März 2023

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022030274.L00

Im RIS seit

04.04.2023

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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