Index
L55001 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz BurgenlandNorm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Stoisser, über die Revision 1. des DI (FH) H S und 2. der A S, beide in L, beide vertreten durch Mag. Peter Mayerhofer, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Domplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 18. Februar 2021, Zl. E 157/11/2020.004/018, betreffend Anordnung der Ersatzvornahme und Auftrag zur Kostenvorauszahlung i.A. des Burgenländischen Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Oberwart), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerber haben dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 18. Februar 2021 ordnete das Landesverwaltungsgericht Burgenland - im Beschwerdeverfahren - gemäß § 4 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 eine Ersatzvornahme an und trug den Revisionswerbern die Vorauszahlung der Kosten dafür binnen bestimmter Frist auf, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zuließ.
2 Diesem Erkenntnis liegt zugrunde, dass die Revisionswerber einem zuvor erteilten rechtskräftigen Wiederherstellungsauftrag gemäß § 55 Abs. 2 Burgenländisches Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz - NG 1990 (Bescheid der belangten Behörde vom 11. Dezember 2018), welcher sich auf die Beseitigung näher angeführter Objekte (zwei Hütten in Holzbauweise samt Photovoltaikanlage) auf dem als „Gl - landwirtschaftlich genutzte Grünfläche“ gewidmeten Teil eines bestimmten Grundstücks bezog, nicht nachgekommen sind.
3 In seiner Begründung verwies das Verwaltungsgericht zunächst auf die Nichterfüllung dieser Verpflichtungen und führte aus, dass die Rechtmäßigkeit von in Rechtskraft erwachsenen Titelbescheiden im Vollstreckungsverfahren nicht mehr aufgeworfen werden könne. Die Vollstreckung sei jedoch unzulässig, wenn der durch Verwaltungszwang herbeizuführende Zustand bereits eingetreten sei oder sich der Sachverhalt seit Zustellung des Titelbescheides derart geändert habe, dass bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Bescheid erlassen werden könne. Dies könne auch durch eine Änderung der Rechtslage bewirkt werden.
4 In der Folge führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, weshalb es sich bei den verfahrensgegenständlichen Objekten - auch unter Zugrundelegung der Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 43/2019 am 1. Juli 2019 - um naturschutzrechtlich bewilligungspflichtige bauliche Anlagen handle, wobei es die diesbezüglichen Einwendungen der Revisionswerber sowie weitere von diesen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung vorgebrachte Argumente mit näherer Begründung verwarf.
5 Insbesondere qualifizierte das Verwaltungsgericht - mit Blick auf die durch die genannte Novelle LGBl. Nr. 43/2019 geschaffene Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 3 Z 3 NG 1990, die u.a. bestimmte Anlagen und Gebäude im Zusammenhang mit einem Wohngebäude erfasst - die Wohnwägen der Revisionswerber nicht als „Wohngebäude“ iS dieser Bestimmung. Für die Abgrenzung einer baulichen Anlage (eines Gebäudes) von „Fahrzeugen“ bzw. „fahrzeugähnlichen Objekten“ sei nämlich nach der hg. Rechtsprechung maßgeblich, ob eine Fortbewegung des Objekts über eine nennenswerte Strecke gefahrlos und/oder ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich sei, sohin ob die Anlage zur leichten und gefahrlosen Fortbewegung objektiv geeignet sei oder nicht (Hinweis auf VwGH 23.11.2010, 2008/06/0135, mwN).
6 Die Wohnwägen der Revisionswerber seien zwar auf Abstellflächen abgestellt und fixiert; sie seien aber zum Verkehr zugelassen und könnten bei Bedarf (etwa für eine Urlaubsreise) auch in bestimmungsgemäßer Weise verwendet werden. Es handle sich daher um Fahrzeuge und nicht um (Wohn-)Gebäude.
7 Darüber hinaus befänden sich die gegenständlichen Objekte auch nicht - wie die Revisionswerber vermeinten - in einem „Vorgarten“. Mangels eigenständiger Definition dieses Begriffs im NG 1990 sei jene des § 2 Abs. 10 Burgenländisches Baugesetz 1997 - Bgld. BauG heranzuziehen, wonach ein „Vorgarten“ der „Grundstücksteil zwischen der Grenze der öffentlichen Verkehrsfläche (Straßenfluchtlinie) und der vorderen Baulinie“ sei. Die gegenständlichen Objekte befänden sich jedoch nicht in jenem Grundstücksteil, welcher an die öffentliche Verkehrsfläche grenze, weshalb kein Vorgarten im rechtlichen Sinn vorliege.
8 1.2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Die belangte Behörde hat nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragt.
10 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 3. § 5 Burgenländisches Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz - NG 1990, LGBl. Nr. 27/1991 in der Fassung LGBl. Nr. 70/2020, lautet auszugsweise:
„§ 5
Bewilligungspflichtige Vorhaben zum Schutz der freien Natur und Landschaft
(1) Die Vorhaben gemäß Abs. 2 bedürfen auf Flächen, die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde
1. als Grünfläche ausgewiesen oder gemäß § 32 Abs. 3 Burgenländisches Raumplanungsgesetz 2019, LGBl. Nr. 49/2019, kenntlich gemacht sind oder
2. [...]
einer Bewilligung.
(2) Folgende Vorhaben, die auf den in Abs. 1 genannten Flächen verwirklicht werden sollen, bedürfen einer Bewilligung:
1. die Errichtung, Erweiterung und wesentliche Änderung von
a) Gebäuden und anderen hochbaulichen Anlagen;
[...]
(3) Von der Bewilligungspflicht gemäß Abs. 1 und 2 und der Anzeigepflicht gemäß § 5a sind ausgenommen:
[...]
3. Einfriedungen von Vor-, Haus- und Obstgärten, bei denen kein zusammenhängender Teil mehr als 50 m vom Wohngebäude entfernt ist, sowie Anlagen, Gebäude bis zu einer Brutto-Grundfläche bis 20 m² und sonstige geringfügige Bauvorhaben im Sinne des Burgenländischen Baugesetzes 1997, LGBl. Nr. 10/1998, in Vor-, Haus- und Obstgärten, die in einem Zusammenhang mit einem Wohngebäude stehen, und von diesem nicht mehr als 50 m entfernt sind, mit Ausnahme solcher auf Flächen, die im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Grünfläche-Kellerzone, Grünfläche-Sonderzone, Grünfläche-Weinproduktionszone oder als Grünfläche-Freihaltezone ausgewiesen sind;
[...]“
14 4.1. Die Revisionswerber begründen die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision zunächst damit, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Unzulässigkeit der Vollstreckung bei wesentlichen Änderungen der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse nach Entstehung des Exekutionstitels abgewichen sei: Durch die am 1. Juli 2019 in Kraft getretene Novelle LGBl. Nr. 43/2019 seien die ursprünglich zu beseitigenden Anlagen aufgrund der (nunmehrigen) Bestimmung des § 5 Abs. 3 Z 3 NG 1990 von der Bewilligungs- und Anzeigepflicht ausgenommen, weshalb sich die Vollstreckung als nachträglich unzulässig erweise.
15 4.2. Den Revisionswerbern ist insofern zuzustimmen, als eine Vollstreckung durch eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder der Rechtslage unzulässig werden kann (vgl. etwa VwGH 22.7.2020, Ra 2018/06/0117-0136, 28.2.2017, Ro 2014/06/0029, jeweils mwN, bzw. 28.5.2013, 2011/05/0139). Es ist daher zu prüfen, ob sich die Rechtslage (durch die von den Revisionswerbern ins Treffen geführte Novelle LGBl. Nr. 43/2019) in einer für den Revisionsfall relevanten Weise geändert hat.
16 Die nunmehr in § 5 Abs. 3 Z 3 NG 1990 normierte Ausnahme von (näher angeführten) Bewilligungs- und Anzeigepflichten sieht zwei näher umschriebene Fallgruppen vor, wobei für den Revisionsfall die erste Fallgruppe, welche lediglich bestimmte Einfriedungen betrifft, nicht relevant ist.
17 Für die im Revisionsfall in den Blick zu nehmende zweite Fallgruppe ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung, dass die darin genannten Elemente - nämlich Anlagen sowie Gebäude bis zu einer Brutto-Grundfläche bis 20 m2 und sonstige geringfügige Bauvorhaben im Sinne des Bgld. BauG - zum einen in Vor-, Haus- oder Obstgärten situiert sein müssen, welche zum anderen „in einem Zusammenhang mit einem Wohngebäude“, von dem diese Elemente nicht mehr als 50 Meter entfernt sind, stehen müssen, um den Ausnahmetatbestand zu erfüllen. Diese Voraussetzungen (Lage in einem Vor-, Haus- oder Obstgarten und deren Zusammenhang mit einem Wohngebäude) müssen somit kumulativ vorliegen.
18 Das Verwaltungsgericht hat sich mit dem Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes auseinandergesetzt und sowohl die Lage in einem Vorgarten als auch den Zusammenhang mit einem Wohngebäude mit näherer Begründung verneint (vgl. die Wiedergaben unter Rz 5 bis 7).
19 Soweit die Revisionswerber vorbringen, das Verwaltungsgericht verschweige, dass zwischen den beiden Wohnwägen ein Blockbohlenhaus auf Betonpfeilern errichtet sei und von den Bewohnern „als ständig benutzter Wohnraum genutzt“ werde, steht diesem Vorbringen das Neuerungsverbot des § 41 VwGG entgegen. Ausweislich der Verwaltungsakten haben die Revisionswerber vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses lediglich argumentiert, dass die Wohnwägen als Wohngebäude zu qualifizieren seien; dass es sich beim Blockbohlenhaus um ein Wohngebäude handle, wurde hingegen erstmals in der Revision behauptet. Das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage kann aber nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. etwa VwGH 18.2.2021, Ra 2021/16/0006, mwN).
20 Vor diesem Hintergrund und angesichts der kumulativen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Z 3 zweiter Fall NG 1990 kommt es auf ein weiteres - auf das Vorliegen eines „Hausgarten oder Obstgarten“ bezogenes - Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerber nicht an.
21 Das von den Revisionswerbern behauptete Abweichen von der hg. Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Vollstreckung liegt somit nicht vor, hat doch der von diesen ins Treffen geführte, durch die Novelle LGBl. Nr. 43/2019 geschaffene Ausnahmetatbestand des § 5 Abs. 3 Z 3 NG 1990 zu keiner für den Revisionsfall relevanten Änderung der Rechtslage geführt.
22 5. Auch das weitere Zulässigkeitsvorbringen der Revision führt nicht zu deren Zulässigkeit:
23 Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 bereits vielfach ausgesprochen hat, wird dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe vorliegt (vgl. etwa VwGH 2.3.2021, Ra 2020/06/0178, 0181, oder 13.1.2021, Ra 2020/06/0190, 0191, jeweils mwN).
24 Die in der vorliegenden Revision erstatteten - weiteren - Zulässigkeitsausführungen, mit welchen in weiten Teilen ihrem Inhalt nach Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG), dargelegt werden, entsprechen dem Gebot der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe nach § 28 Abs. 3 VwGG nicht.
25 Soweit die Revisionswerber „konkrete Rechtsprechung“ des Verwaltungsgerichtshofes zu behaupteten „Rechtsverletzungen an Rechten grundsätzlicher Bedeutung“ vermissen, ohne nähere Ausführungen das Abweichen von hg. Rechtsprechung behaupten oder fehlende Rechtsprechung zu allgemein gehaltenen Fragen geltend machen, werden sie den in der hg. Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an ein Vorbringen gemäß § 28 Abs. 3 VwGG nicht gerecht (vgl. etwa in diesem Zusammenhang etwa VwGH 30.6.2017, Ra 2016/17/0028, sowie zu den Konkretisierungsanforderungen gemäß § 28 Abs. 3 VwGG VwGH 24.6.2020, Ra 2019/05/0055, jeweils mwN).
26 Zu der behaupteten Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und den unterbreiteten strafrechtlichen Bedenken für den Fall der angeordneten Ersatzvornahme genügt schon der Hinweis, dass diesbezüglich keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art. 133 B-VG besteht (vgl. etwa VwGH 9.5.2022, Ra 2018/08/0022, 0023, mwN).
27 Schließlich können die Revisionswerber auch mit den von ihnen gehegten Normbedenken betreffend § 55 NG 1990 - abgesehen davon, dass diese nur den hier nicht verfahrensgegenständlichen Vollstreckungstitel betreffen können - eine grundsätzliche, vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht darlegen (vgl. etwa VwGH 6.3.2018, Ra 2018/11/0022, mwN).
28 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
29 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 8. März 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021100069.L00Im RIS seit
04.04.2023Zuletzt aktualisiert am
04.04.2023