TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/6 95/04/0137

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.1995
beobachten
merken

Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des Dr. H in G, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 21. April 1995, Zl. 317.271/2-III/A/2a/95, betreffend die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: M-Gesellschaft mbH & Co OHG in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 21. April 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. April 1994, betreffend die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage - soweit für das Beschwerdeverfahren relevant - als unbegründet abgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, der "Magistrat Graz" habe über Ansuchen der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 5. April 1993 die Errichtung und den Betrieb einer Geschäftszone einschließlich zweier Gastgewerbebetriebe auf dem Standort G, B-Gasse 4 unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen genehmigt. Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben und diese einerseits damit begründet, daß ein Standorthindernis gemäß § 77 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1973 vorliege und andererseits geltend gemacht, daß er durch Geruchs-, Schall- und Rauchimmissionen gefährdet, zumindest aber belästigt werde und das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren aufgrund fehlender Schallpegelmessungen mangelhaft gewesen sei. Der Landeshauptmann habe - nach Verfahrensergänzung - mit Bescheid vom 26. April 1994 den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. In seiner Berufung gegen diesen (zweitinstanzlichen) Bescheid habe der Beschwerdeführer vorgebracht, das Verfahren sei neuerlich mangelhaft, weil entgegen seinem Antrag vom 15. März 1994 den beigezogenen Sachverständigen eine Ergänzung der Gutachten dahin, welche Änderungen sich aufgrund des Vorliegens eines Einkaufszentrums bzw. einer Einkaufspassage ergäben, sowie in welchem Umfange während der durchgeführten Veranstaltungen zusätzlich Emissionen entstünden, nicht aufgetragen worden sei. Überdies sei die Genehmigung trotz Übertretung von Normen des Bau- und Raumordnungsrechtes erteilt worden; die Behörde hätte die Genehmigung lediglich für einzelne Geschäfte aussprechen dürfen. Die Gewerbebehörde zweiter Instanz habe umfangreiche Gutachten eines gewerbetechnischen und eines medizinischen Amtssachverständigen zu Fragen der Emissionen durch die gegenständliche Betriebsanlage eingeholt, denen in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise zu entnehmen sei, daß durch die einzelnen Emissionsquellen der Betriebsanlage keine Gesundheitsgefährdung und auch keine als unzumutbar zu bezeichnende Belästigung der Anrainer gegeben sei. Dies werde auch in der Berufung nicht bestritten. Die Behauptung des Beschwerdeführers, allein aufgrund der Tatsache des Vorliegens einer Einkaufspassage bzw. eines Einkaufszentrums solle eine Änderung der Emissionssituation eintreten, widerspreche schon allein der allgemeinen Lebenserfahrung, daß Emissionen und Immissionen durch verschiedene Quellen, keinesfalls jedoch durch eine Organisationsform hervorgerufen würden. Daher sei auch die Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens zu dieser Frage entbehrlich gewesen. Die Frage der Immissionen durch die in der Betriebsanlage durchgeführten Veranstaltungen sei nicht zu prüfen gewesen, weil derartiges vom Genehmigungsantrag nicht umfaßt sei. Fragen des Bau- und Raumordnungsrechtes seien seit der Gewerberechtsnovelle 1992 im gewerbebehördlichen Bewilligungsverfahren nicht zu berücksichtigen und einer Parteistellung von Nachbarn ebenso unzugänglich wie die Frage der Wahl einer bestimmten Organisationsform.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht "auf Nichterteilung einer Betriebsanlagengenehmigung gemäß § 77 Abs. 1 GewO, sowie auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens verletzt". Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, er habe keinesfalls gefordert, die gewerbebehördliche Genehmigung von "einer bestimmten Organisationsform des die Anlage betreibenden Unternehmens abhängig zu machen", sondern vielmehr ausgeführt, daß aufgrund der Genehmigung als Geschäftszone inkl. zweier Gaststättenbetriebe, die Emissionen als Ganzes zu betrachten und einer dementsprechenden Überprüfung seitens der Behörde zuzuführen sei. Da mit "einer Belästigung des Nachbarn, sowie Eingriffe in dessen Rechte" gerechnet werden müsse bzw. solche Beeinträchtigungen und Eingriffe stattfänden, hätte die belangte Behörde die Genehmigung nicht erteilen dürfen. Die belangte Behörde habe übersehen, daß nicht einzelne Emissionsquellen, sondern die Geschäftszone als Ganzes einer Sachverständigenüberprüfung zu unterziehen sei.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1) das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 324/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dinglicher Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Recht i.S. dieses Bundesgesetzes gelten auch die in § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2) die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3) die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4) die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5) eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung aufgrund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Die Betriebsanlage ist gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen i.S.d. § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen i.S.d. § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Gegenstand der Prüfung durch die Gewerbebehörde im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren sind nicht die einzelnen Maschinen und Geräte oder beim Betrieb vorkommende Tätigkeiten, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt. Nur durch eine solche Gesamtbetrachtung kann das gegeseitige Ineinanderwirken der einzelnen Anlagenteile in ihren Auswirkungen auf die Umwelt umfassend beurteilt und damit der vom Gesetz angestrebte umfassende Nachbarschaftsschutz bewirkt werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1985, Slg. 11888/A).

Davon ausgehend ist es daher entscheidend, ob - wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt - die Emissionen der Betriebsanlage in ihrer Gesamtheit dergestalt sind, daß in Ansehung ihrer Auswirkungen i.S.d. § 77 Abs. 1 GewO 1994 zu erwarten ist, daß Gefährdungen vermieden werden und Belästigungen, Beeinträchtigungen und nachteilige Einwirkungen ein zumutbares Maß nicht überschreiten.

Damit ist für den Beschwerdeführer jedoch aus folgenden Gründen nichts gewonnen:

Der gewerbetechnische Amtssachverständige hat in seinem - im zweitinstanzlichen Verfahren erstatteten - Gutachten vom 21. September 1993 ausgeführt, daß in der gegenständlichen Betriebsanlage neben den Geschäften TOP 1, TOP 7 und TOP 9, die in der Lage seien, Emissionen hervorzurufen, noch Dienstleistungsbetriebe angesiedelt seien, die jedoch "keine nennenswerten Emissionen in der Nachbarschaft des Hauses T-Gasse 1 "(wo sich die Wohnung des Beschwerdeführers befindet) hervorrufen könnten. Es sei daher aus emissionstechnischer Sicht nur der Bereich TOP 1, TOP 7 und TOP 9 zu behandeln. Lärmimmissionen im Bereich T-Gasse 1 seien - wie näher dargelegt - lediglich durch von TOP 9 ausgehende Lärmemissionen möglich, diese Immissionen lägen jedoch im Bereich des vorhandenen Grundgeräusches. Darauf und auf eine sanitätsfachliche Befundaufnahme gestützt, ist der medizinische Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 18. Jänner 1994 inhaltlich zur Auffassung gelangt, daß es im Bereich des Beschwerdeführers zu medizinisch erheblichen Immissionsbelastungen nicht komme.

Daß diese sachverständigen Ausführungen unzutreffend wären, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren, noch selbst in der Beschwerde behauptet.

Auf der Grundlage dieses Sachverhaltes, demzufolge eine einzige Emissionsquelle der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage für die hier zu beurteilende Immissionssituation des Beschwerdeführers in Betracht kommt, ist es im Ergebnis aber ohne Belang, wenn die belangte Behörde zur Annahme der Bewilligungsfähigkeit der in Rede stehenden Betriebsanlage gelangte, weil durch die "einzelnen Emissionsquellen der Betriebsanlage keine Gesundheitsgefährdung und auch keine als unzumutbar zu bezeichnende Belästigung der Anrainer gegeben ist".

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995040137.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten