TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/6 94/04/0025

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Veröffentlicht am 06.11.1995
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

BefNwV Betriebsberater Betriebsorganisator 1978 §2;
BefNwV Betriebsberater Betriebsorganisator 1978 §4 Abs1 lita;
GewO 1973 §22 Abs2;
GewO 1973 §28 Abs1 Z1;
GewO 1973 §28 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des Dr. H in O, vertreten durch Dr. P, Rechtanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 16. Dezember 1993, Zl. 04-17 Ge 8-93/1, betreffend Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 15. Juli 1993 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 25. Jänner 1993 auf Erteilung der "Nachsicht vom erforderlichen Befähigungsnachweis zum Antritt des gebundenen Gewerbes mit dem Wortlaut "Betriebsberater einschließlich Betriebsorganisatoren" vor der Novelle 1992), nach der Novelle als nicht bewilligungspflichtig gebundenes Gewerbe "Unternehmensberater einschließlich der Unternehmensorganisatoren"" gemäß "§§ 28 und 346 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 i.d.F. BGBl. Nr. 29/1993" abgewiesen. In der Begründung führte hiezu die Nachsichtsbehörde aus, der Beschwerdeführer habe bezüglich seines Nachsichtsansuchens darauf verwiesen, daß er die Studien der Rechtswissenschaften und der Betriebswirtschaft abgeschlossen und die Ausbilderprüfung abgelegt habe. Die vom Befähigungsnachweis geforderten Lehrinhalte würden auch durch die Studienpläne der jeweiligen Studien abgedeckt. Im Hinblick auf seine Tätigkeit erachte er die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zum Antritt des gegenständlichen Gewerbes für gegeben. Die zuständige Fachgruppe der Handelskammer Steiermark habe sich gegen die Nachsichtserteilung ausgesprochen; dies insbesonders auch deshalb, weil fachliche Tätigkeiten nicht vorlägen. In rechtlicher Hinsicht führte die Behörde aus, eine Nachsichtserteilung könne sich entweder auf das Vorliegen der vollen Befähigung oder der hinreichenden tatsächlichen Befähigung unter den weiters geforderten gesetzlichen Voraussetzungen stützen. Eine volle Befähigung erfordere, daß auf Grund eines von der Befähigungsnachweis-Verordnung zwar abweichenden, aber gleich hoch anspruchsvollen Ausbildungsweges mindestens die gleiche Befähigung erreicht werde. Bei den Antrittsvoraussetzungen für die Zulassung zur Befähigungsprüfung würde eine mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit gefordert. Für den Nachweis der vollen Befähigung sei daher mindestens dieser Zeitraum an fachlicher Tätigkeit in der in Aussicht genommenen Art der Gewerbeausübung notwendig. Aus den vielen Gemeinsamkeiten zwischen den absolvierten Studien und den Inhalten der Befähigungsnachweisverordnung könne sich allenfalls eine hinreichende tatsächliche Befähigung ergeben. Für diesen Fall der Nachsichtserteilung fehle es jedoch an den zusätzlich geforderten Voraussetzungen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobenene fristgerechte Berufung des Beschwerdeführers im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Die Befähigung für das gebundene Gewerbe "Betriebsberater einschließlich Betriebsorganisatoren" sei - führte die belangte Behörde in der Begründung aus - gemäß § 1 der Verordnung des Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie vom 22. Mai 1978, BGBl. Nr. 254, über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe Betriebsberater einschließlich der Betriebsorganisatoren durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Prüfung sowie gemäß § 4 Abs. 1 lit. a leg. cit. eine mindestens zweijährige fachliche Eignung nachzuweisen. Der Beschwerdeführer habe lediglich eine Bestätigung von Ing. T, Säge- und Holzwerk in O, zum Nachweis der geforderten zweijährigen fachlichen Tätigkeit vorgelegt. Aus dieser sei ersichtlich, daß er im Büro der Eltern fallweise mitgearbeitet habe. Dieser Nachweis der Mitarbeit im elterlichen Betrieb könne die notwendige fachliche Tätigkeit keinesfalls ersetzen. Auch habe der Beschwerdeführer keine in seiner Person gelegenen Gründe für eine Nachsichtserteilung geltend gemacht. Da ihm wegen seines Alters (31 Jahre) die Ablegung der Befähigungsnachweisprüfung durchaus zuzumuten sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht auf Gewährung einer Nachsicht vom Befähigungsnachweis im Grunde des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, verletzt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer solchen infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften trägt der Beschwerdeführer vor, er habe die Studien der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Fachrichtung Betriebswirtschaft, und der Rechtswissenschaften abgeschlossen und sei seit 7. Jänner 1992 in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei beschäftigt. Zuvor habe er eine einjährige Gerichtspraxis geleistet und sei während des Studiums im elterlichen Betrieb tätig gewesen. Durch die Neufassung des § 28 GewO 1973 könne er alle Voraussetzungen für die Erteilung der Nachsicht gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. erbringen; darauf sei auch sein Antrag auf Erteilung der Nachsicht vom erforderlichen Befähigungsnachweis gerichtet gewesen. Der Berufungsbescheid habe das Nichtvorliegen der Nachsichtsvoraussetzungen auf § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 (hinreichende tatsächliche Befähigung) gegründet; auf die volle Befähigung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. sei von der belangten Behörde in der Begründung nicht eingegangen worden. Aus dem Vergleich der Inhalte der hier anzuwendenden Befähigungsnachweisverordnung mit den Inhalten der Studienpläne der rechtswissenschaftlichen und betriebswissenschaftlichen Studien sei ersichtlich, daß die beiden Studien sämtliche Inhalte der Befähigungsnachweisverordnung abdeckten. Aus dem Bildungsgang des Beschwerdeführers könne daher geschlossen werden, daß er die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitze. Der Beschwerdeführer habe seine Tätigkeit bereits im Ermittlungsverfahren für die Erteilung der Nachsicht von den Voraussetzungen für die Zulassung zur Befähigungsprüfung für das gebundene Gewerbe der Betriebsberater einschließlich Betriebsorganisatoren der Behörde nachgewiesen. Diese Nachsicht sei ihm mit Bescheid vom 16. Juli 1991 rechtskräftig erteilt worden. Seit dieser Nachsichtserteilung könne er noch zusätzlich eine zweijährige Tätigkeit in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei nachweisen. Die belangte Behörde habe nur das Vorliegen der hinreichenden tatsächlichen Befähigung geprüft, jedoch nicht die volle Befähigung des Beschwerdeführers. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens hätte die belangte Behörde zur Kenntnis gelangen müssen, daß die Voraussetzungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 vom Beschwerdeführer erfüllt würden.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sind auf den Beschwerdefall die Bestimmungen der GewO 1973 i.d.F. der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, anzuwenden. Aus der oben wiedergegebenen Formulierung des für das verwaltungsgerichtliche Verfahren maßgeblichen Beschwerdepunktes im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG geht der Verwaltungsgerichtshof in Verbindung mit den wiedergegebenen Beschwerdeausführungen davon aus, daß sich der Beschwerdeführer (lediglich) in dem Recht auf Nichtgewährung der Nachsicht nach § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 verletzt erachtet.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. ist - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen.

Ausgehend von dieser Gesetzeslage ist Voraussetzung für die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 das Vorliegen der vollen Befähigung. In diesem Sinne umfaßt die Nachsicht nicht die Befähigung (die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen), sondern allein den - normativ - geforderten Nachweis dieser Befähigung. Hiebei bilden die den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften den Maßstab dafür, ob die Nachsichtsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 vorliegt. Die für eine Nachsichtserteilung erforderliche volle Befähigung liegt nur im Fall der Beherrschung des gesamten Stoffes, umfassend die für die selbständige Ausübung des Gewerbes notwendigen Kenntnisse auf allen in der betreffenden Befähigungsnachweis angeführten Sachgebieten, vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/04/0111).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß dem Beschwerdeführer die beantragte Nachsicht nur zu erteilen wäre, wenn nach seinem Bildungsgang und seiner bisherigen Tätigkeit davon ausgegangen werden könnte, seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen umfaßten den gesamten im § 2 der Verordung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 22. Mai 1978 über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Betriebsberater einschließlich der Betriebsorganisatoren, BGBl. Nr. 254, umschriebenen Prüfungsstoff.

Aus den im § 4 Abs. 1 lit. a der vorzitierten Verordnung angeführten Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung im Sinne des § 2 leg. cit., welche zur Erlangung des Befähigungsnachweises des hier zu beurteilenden Gewerbes neben dem erfolgreichen Besuch der Hochschule für Welthandel in Wien entsprechend der Studien- und Prüfungsverordnung BGBl. Nr. 318/1930 oder der rechtswissenschaftlichen Studien - welche der Beschwerdeführer abgelegt hat - vorgesehen sind, kann allein noch nicht gefolgert werden, daß durch den Abschluß des Studiums der Betriebswissenschaft und der Rechtswissenschaften nach dem Bildungsgang des Beschwerdeführers die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen vorliegen, die der Befähigungsnachweisverordnung entsprechen.

Hinzu kommt noch, daß § 4 Abs. 1 lit. b der obzitierten Befähigungsnachweisverordnung für die Zulassung zur Prüfung nach § 2 leg. cit. eine mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit voraussetzt.

Auf Grund der diesbezüglich nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer im Büro seiner Eltern fallweise mitgearbeitet. Eine einer mindestens zweijährigen fachlichen Tätigkeit vergleichbare Tätigkeit - also eine Tätigkeit, die geeignet ist, die Erfahrungen und Kenntnisse zu vermitteln, die zur selbständigen Ausübung des betreffenden Gewerbes erforderlich sind (vgl. § 22 Abs. 2 GewO 1973 vor der Gewerberechtsnovelle 1992, auf welche die hier anzuwendende Befähigungsnachweisverordnung verweist) - vermochte der Beschwerdeführer hingegen nicht nachzuweisen, wozu er jedoch im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, Zl. 94/04/0195) verpflichtet gewesen wäre. Die einjährige Gerichtspraxis kann nicht auf die hier geforderte gewerblich orientierte Tätigkeit angerechnet werden. Mit den Ausführungen in der Beschwerde, seit Jänner 1992 sei der Beschwerdeführer in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei beschäftigt, wird gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot verstoßen (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Der belangten Behörde ist somit im Ergebnis kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn sie in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides den Antrag des Beschwerdeführers auf Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zur Ausübung des gebundenen Gewerbes "Betriebsberater einschließlich Betriebsorganisatoren" abgewiesen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994040025.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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